Inquisition---Verbrechen oder Fortschritt?

Catholic
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#331 Re: Inquisition---Verbrechen oder Fortschritt?

Beitrag von Catholic » Mi 19. Aug 2015, 18:58

Naqual hat geschrieben:...
Der Autor hatte darauf hingewiesen, dass die Geschichte... eventuell anders gelaufen wäre, wenn auf breiter Ebene Bischöfe ...hier gegengesteuert hätten....

Dann gehen wir die Frage mal an.
Was wäre passiert,wenn die deutschen katholischen Bischöfe ebenso wie die katholischen Pfarrer in Deutschland z.B. 1936 gegengesteuert hätten?
Wobei sich erstmal die Frage stellt,was Du mit gegensteuern meinst.

Rembremerding
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#332 Re: Inquisition---Verbrechen oder Fortschritt?

Beitrag von Rembremerding » Mi 19. Aug 2015, 18:59

Catholic hat geschrieben: Was wäre passiert,wenn ein deutscher Bischof (ich gehe immer noch von der Katholischen Kirche aus) damals nach 1935/36 das Verhalten der Nazis der jüdischen Bevölkerung gegenüber offen (!) zum Thema gemacht hätte,z.B. in einem Hirtenbrief oder in einem Schreiben an die deutsche Regierung in Berlin?
Hätten die Nazis ihr Verhalten geändert und die Diskriminierungen der jüdischen Bevölkerung eingestellt oder auch nur verringert?
Das habe ich hier schon klarzustellen versucht:
http://www.4religion.de/viewtopic.php?p=100605#p100605

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closs
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#333 Re: Inquisition---Verbrechen oder Fortschritt?

Beitrag von closs » Mi 19. Aug 2015, 19:01

Halman hat geschrieben:Besser wäre es gewesen, wenn er die Begriffe, Inquisition, Antijudaismus, Juden und Namen wie Galileo konkret benannt hätte.
Ich sehe hier ein rein praktisches Problem: Sobald man Begriffe verwendet, muss man sie differenziert verwenden. - Das heisst: Es käme am Ende ein Vortrag raus;

"Inquisition ist ja nicht schlecht, aber in DEN Fällen, in welchen .... bereut die RKK ihre Schuld"
"Der Gegensatz Christentum - Judentum ist ja unvermeidbar, aber in den DEN Fällen ..."
"Galileo hatte ja im rein naturwissenschaftlichen Sinne recht, aber der Kontext war ein viel umfassenderer, den ich Euch jetzt erkläre <es folgen 800 Seiten theologische Erklärung>" :lol:

Natürlich kann man (in Deinem Sinne) sehr wohl Fehler in Bezug auf diese Begriffe einräumen, indem man sagt "Im Kontext Inquisition/Judentum/Galileo/ etc. haben wir zu bereuen" - andererseits darf dies nicht missverstanden werden im Sinne von "Inquisition war an sich schlecht - Juden hatten an sich recht - Galileo hatte im gesamten Kontext recht (es geht ja nicht nur um die Frage, dass sich die Erde um die Sonne dreht)". - Es darf also nicht missverstanden werden als Eingeständnis, auf voller Linie daneben gelegen zu haben.

Das ist immer das Problem (das ist ausdrücklich KEIN Vorwurf an Dich): Schlagworte sind aus heutiger Sicht dumm-überlegen schnell losgelassen - wirklich differenziert-gebildete Expertisen sind hierin vorsichtiger.

Catholic
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#334 Re: Inquisition---Verbrechen oder Fortschritt?

Beitrag von Catholic » Mi 19. Aug 2015, 19:05

Danke "Rembre",Du hast mir einige Arbeit abgenommen,denn ich wollte die Texte schon raussuchen.
Übrigens wurden auf ausdrückliche Order des Papstes Juden in römischen Klöstern versteckt,die daraufhin zu "exterritorialem Gebiet des Vatikans" erklärt wurden.
Allein durch diesen politisch-diplomatischen Schachzug,der schlicht genial war,konnte der Papst zahlreichen Juden das Leben retten.

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#335 Re: Inquisition---Verbrechen oder Fortschritt?

Beitrag von closs » Mi 19. Aug 2015, 19:22

Pluto hat geschrieben: Das mag Anfangs noch so gewesen sein, wandelte sich aber schnell, vor allem durch den Einfluss des Dominikanerordens. Seinen Höhepunkt erreichte wohl die Inquisition mit der Veröffentlichung des Hexenhammers.
Ja - die "Domini canis" - die "Hunde des Herrn". - Trotzdem wird man die Meinungs-Ebene verlassen müssen und sich die wissenschaftlichen Arbeiten aus allen Perspektiven ansehen müssen, die dieses Thema differenziert behandeln (ich kenne diese Arbeiten nicht, bin aber ziemlich sicher, dass sich dieser Komplex wie alle komplexen Gebilde nur differenziert beurteilen lassen kann).

Fest scheint zu stehen, dass die Inquisition von der Idee her eine judikative Größe war, die an Orten und in Zeiten komplett aus dem Ruder gelaufen ist.

pluto hat geschrieben:Ich würde sagen, die Inquisition wurde zur Zeit ihrer Gründung vielleicht noch als Zeichen des Fortschritts gesehen, wandelte sich aber sehr schnell zum Instrument des Terrors.
Die "Congregatio Romanae et universalis Inquisitionis" gibt es ja heute noch und wird sicherlich nicht als Terror-Instrument verstanden. - In Kathpedia (einer wahrlich parteilichen, aber deshalb nicht unbedingt unseriösen Quelle) steht folgendes:

"In der Darstellung ihrer Geschichte überwogen in den letzten 200 Jahren die negativen Aspekte, die heute die allgemeine Wahrnehmung der Öffentlichkeit noch bestimmen. Die wildromantische Vorstellung, als hätten das ganze Mittelalter hindurch fast in jedem Landstrich permanent nur Scheiterhaufen gebrannt und als sei es die Hauptbetätigung der Inquisition gewesen, möglichst viele Ketzer hinzurichten, ist aber eine grobe Verzerrung. Die Gesamtzahl der Opfer entspricht seit Gründung der Römischen Inquisition 1542 ungefähr der Zahl, die allein Mao tse-Tung während seiner Diktatur in China in 40 Minuten (!) vernichtete (so: Manfred Lütz) und diese wurde selbst vom Terrorjahr 1793 der frz. Revolution massiv übertroffen. Trotzdem ist die Zahl der Opfer aus heutiger Sicht unentschuldbar und nicht "aufrechenbar""

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#336 Re: Inquisition---Verbrechen oder Fortschritt?

Beitrag von closs » Mi 19. Aug 2015, 19:31

Naqual hat geschrieben:Der Autor hatte darauf hingewiesen, dass die Geschichte (man müsse diese Frage stellen) eventuell anders gelaufen wäre, wenn auf breiter Ebene Bischöfe (und damit auch Pfarrer von der Kanzel) hier gegengesteuert hätten.
Kann man nicht ausschließen - denn es gab selbstverständlich geistige Würdenträger, die innerlich mit dem Nationalsozialismus geliebäugelt haben.

Darüber darf man allerdings nicht vergessen, dass gerade der Katholizismus seit spätestens 1936 zum Abschuss freigegeben war - mit Folgen, wie DIE ZEIT 1965, Ausgabe 23 folgendermaßen unterstreicht: "Nach hinhaltendem Widerstand der Katholiken insgesamt, der Bischöfe und des Vatikans gab es 1939 weder katholischen Vereine mehr, noch katholische Schulen".

Es ist eine mindestens leichtfertige, wenn nicht gar bösartige Auffassung, wenn man den Eindruck zu erwecken versucht, Nationalsozialismus und RKK wären gleichsam Seit' an Seit' in die selbe Richtung marschiert - unterm Strich ist das Gegenteil der Fall, selbst wenn man immer wieder Einzelfälle finden wird, in denen gegenseitige Sympathie deutlich wird. - Die Gemengelage ist zu kompliziert, um hierin ordinäre Meinungs-Klötze in die Welt setzen zu dürfen.

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#337 Re: Inquisition---Verbrechen oder Fortschritt?

Beitrag von Pluto » Mi 19. Aug 2015, 19:31

closs hat geschrieben:Die "Congregatio Romanae et universalis Inquisitionis" gibt es ja heute noch und wird sicherlich nicht als Terror-Instrument verstanden.
Ja. Sie hat sich sozusagen zum FBI des Vatikans gemausert. Aber es sei ihnen gegönnt.
Jede Regierung die was auf sich hält, braucht so einen Geheimdienst um Ordnung in den Reihen zu halten.


closs hat geschrieben: - In Kathpedia (einer wahrlich parteilichen, aber deshalb nicht unbedingt unseriösen Quelle) steht folgendes:

"In der Darstellung ihrer Geschichte überwogen in den letzten 200 Jahren die negativen Aspekte, die heute die allgemeine Wahrnehmung der Öffentlichkeit noch bestimmen. Die wildromantische Vorstellung, als hätten das ganze Mittelalter hindurch fast in jedem Landstrich permanent nur Scheiterhaufen gebrannt und als sei es die Hauptbetätigung der Inquisition gewesen, möglichst viele Ketzer hinzurichten, ist aber eine grobe Verzerrung. Die Gesamtzahl der Opfer entspricht seit Gründung der Römischen Inquisition 1542 ungefähr der Zahl, die allein Mao tse-Tung während seiner Diktatur in China in 40 Minuten (!) vernichtete (so: Manfred Lütz) und diese wurde selbst vom Terrorjahr 1793 der frz. Revolution massiv übertroffen. Trotzdem ist die Zahl der Opfer aus heutiger Sicht unentschuldbar und nicht "aufrechenbar""
Das ist ziemlich transparente Schönfärberei.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#338 Re: Inquisition---Verbrechen oder Fortschritt?

Beitrag von closs » Mi 19. Aug 2015, 19:34

Pluto hat geschrieben: Sie hat sich sozusagen zum FBI des Vatikans gemausert.
Würdest Du das auch über den Bundesgerichtshof in Karlsruhe sagen?

Pluto hat geschrieben:Das ist ziemlich transparente Schönfärberei.
Es ist sicherlich parteiisch - trotzdem darf man vermuten, dass die harten Fakten schwer widerlegbar sind. - Es ist immer dasselbe: Es gibt verschiedene Parteilichkeiten, die ihre Position vertreten - wobei wir lückenlos beim Thread "Ideologien" weitermachen könnten.

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#339 Re: Inquisition---Verbrechen oder Fortschritt?

Beitrag von Pluto » Mi 19. Aug 2015, 19:57

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Sie hat sich sozusagen zum FBI des Vatikans gemausert.
Würdest Du das auch über den Bundesgerichtshof in Karlsruhe sagen?
Nein. Aber über den BND schon.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#340 Re: Inquisition---Verbrechen oder Fortschritt?

Beitrag von Halman » Mi 19. Aug 2015, 20:55

Catholic hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: So wie ich Küng verstanden hatte, würde es ihm schon reichen, wenn der Antijudaismus gegen die Juden im Laufe der Geschichte, die Inquisition und das Schweigen von Papst Pius XII zum Holocaust vom Papst so klar genannt und verurteilt worden wären,....

Ich nehme nur mal einen Punkt heraus und stelle eine Frage:
Stimmt es,dass sich Papst Pius XII nicht zum Holocaust geäussert hat?
Dieses Gerücht hält sich so hartneckig, dass es sich als "Wahrheit" sogar in meinen Kopf verankerte. Daher habe ich eben ein bisschen recherchiert. In der WELTl habe ich eben gelesen:
"Ein Stellvertreter Christi, der das vor Augen hat und dennoch schweigt, aus Staatsräson: Ein solcher Papst ist ein Verbrecher." ... Der Satz stammt aus dem zweiten Akt von Rolf Hochhuths Schauspiel "Der Stellvertreter". Es löste, bald nach seiner mit allen seinerzeit verfügbaren Tricks des Marketings inszenierter Premiere im Berliner "Theater am Kurfüstendamm" am 20. Februar 1963, eine weltweite Kontroverse aus.
Sie machte den Autor Hochhuth weltberühmt. Und sie zerstörte mit einem Schlag und dauerhaft den Ruf der Titelfigur: Aus dem "Stellvertreter", nämlich Papst Pius XII. (1876-1958, im Amt seit 1939), wurde im Bewusstsein der abendländischen Öffentlichkeit nichts weniger als "Hitlers Papst".
Als Beleg dafür gilt die Unterzeichnung des Reichskonkordats am 20. Juli 1933. Im Bild ist ganz links Vizekanzler Franz von Papen und in der Mitte sitzend Pius XII. beim Unterzeichnungsakt zu sehen.
Bild

Hochhuth versäumte meiner Meinung nach eine differnenzierte Aufarbeitung der Geschichte und erdreistete sich vielmehr dazu, einen Rufmord in die Welt zu setzen. Da ist ist die Kritik von Prof. Hans Küng schon differnzierter, wie ich diesem 3sat-Artikel entnehmen konnte:
Der Vatikan hat in den letzten Jahren zahlreiche historische Dokumente veröffentlicht, die Hilfsaktionen des Pontifex und kritische Aussagen über die Nazis dokumentieren. Belegt ist auch, dass sich Pius XII. mit diplomatischen Mitteln für die Rettung von Juden eingesetzt hat. Doch Kritiker wie der Theologe Hans Küng weisen darauf hin, dass er das Wort "Jude" nie öffentlich in den Mund genommen habe. In seiner Weihnachtsansprache vom 24. Dezember 1942 bekundete der Papst zwar seine Sorge um "Hunderttausende, die ohne eigenes Verschulden, bisweilen nur aufgrund ihrer Nationalität oder Rasse dem Tod oder fortschreitender Vernichtung preisgegeben sind". Er nannte jedoch weder die Nationalsozialisten noch bestimmte Opfergruppen ausdrücklich.

Die Süddeutsche veröffentlichte das "Scheigen" des Papstest:
"Dieses Gelöbnis schuldet die Menschheit den Hunderttausenden, die persönlich schuldlos bisweilen nur um ihrer Volkszugehörigkeit oder Abstammung willen dem Tode geweiht oder einer fortschreitenden Verelendung preisgegeben sind." (Weihnachten 1942).

"Seid nicht erstaunt, Ehrwürdige Brüder und liebe Söhne, wenn Wir mit besonders eiliger Fürsorge auf die Bitten derjenigen antworten, die sich an Uns wenden, die Augen voll von ängstlichem Flehen, diejenigen, die aufgrund ihrer Nationalität oder ihrer Rasse zur Zielscheibe für noch größere Katastrophen und noch heftigere Schmerzen geworden sind, und die manchmal sogar, ohne eigenes Verschulden, zur Ausrottung bestimmt sind." (2. Juni 1943).

Der Papst hat also nicht geschwiegen, wie seit Rolf Hochhuths Drama "Der Stellvertreter" von 1963 immer wieder behauptet wurde.
Dennoch muss ich Küng darin zustimmen, dass Papst Pius XII. das Wort "Jude" nie öffentlich ausprach. Die Nationalsozialisten und die Opfergruppen wurden nicht beim Namen genannt.
Aber sind Taten nicht entscheidener als Worte? Immerhin hatte "sich Pius XII. mit diplomatischen Mitteln für die Rettung von Juden eingesetzt ". Diesbezüglich verweise ich auf den oben blau marktierten Text.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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