Alles Teufelszeug? II

SilverBullet
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#41 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von SilverBullet » Do 10. Mär 2016, 19:03

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:sondern nur eine weltbildunabhängige Wahrnehmungsbeobachtung.
Das Anthropozentrische ist, dass Du dabei wie selbstverständlich davon ausgehst, dass geistige Wahrnehmung KEINE Wahrnehmung ist.
Was redest du da?
Du verdrehst meine Aussage bis zur Unkenntlichkeit.

Ich sage doch gerade, dass es bei den angesprochenen christlichen Behauptung keine Wahrnehmungsunabhängigkeit, also somit nur Wahrnehmung gibt.

Da keine Beschreibung geliefert wird, muss ich davon ausgehen, dass diese Leute entsprechend der „Unterscheidung der Geister“ ihre eigenen Gedanken, als „durch das Andere beeinflusst“ verstehen wollen.

Ich sage demnach, dass diese Behauptungen keine Wirklichkeit beschreiben und dass es sich dabei um reine Wahrnehmungsvorgänge dieser Leute handelt. Sie nehmen nur nicht „etwas unsichtbar Anderes“ wahr, sondern täuschen sich einen Zusammenhang vor.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Stellst du Fragen und bekommst dann Antworten, die unmöglich deine eigenen gewesen sein können?
Die zumindest sehr überraschend sein können.
Beispiele, Szenarien, Inhalte?

(wenn du etwas angeben könntest, hättest du es schon lange gemacht)

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Thaddäus
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#42 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » Do 10. Mär 2016, 19:17

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Ich habe an Homers Ilias (ca. 800 v. Chr.) gedacht, wo dieses Motiv nicht vorkommt.
Das hieße, dass dieses Urbild im Original nicht thematisiert ist - DANN sind Siegfried und Achilles in der Tat NICHT vergleichbar.
Nicht unbedingt. Im oben zitierten Wiki-Artikel, dessen Korrektheit ich voraussetze, steht, dass dieses Motiv erst ab dem 1. nachchristlichen Jahrh. eindeutig quellenbelegt ist (deshalb hatte ich oben "belegt" auch kursiv gesetzt). Im Text steht aber auch, dass es vier Vasen aus der Archaik gibt (ab dem 7. vorchristl. Jahrh. in der griechischen bildenden Kunst bis zum 5. vorchristl. Jahrh.), auf denen Verletzungen Achills an der Ferse abgebildet sind. Es kann also sein, dass es Geschichten des unverwundbaren Achill schon zur Zeit Homers gab (8. Jahrh. v.Chr.). Dann wäre allerdings die interessante Frage, warum sie Homer in seinem Epos nicht erwähnt bzw. einbaut?

closs hat geschrieben: Jetzt wäre es eine klassische historisch-kritische Aufgabe zu prüfen, ob diese Quelle im 1. nachchristlichen Jahrhundert eine ganz neue Erfindung ist oder selber auf ältere Quellen zurück greiftinteressante Frage (DAFÜR ist HKM da).
Dafür braucht es nicht die diffizilen Methoden der HKM und die Quellenlage wäre auch zu dünn (d.h. bei einer historisch-kritischen Analyse der spärlichen literarischen Quellen käme vermutlich nicht allzu viel dabei heraus). Das geht mit ein paar Vasenfunden und logischen Schlussfolgerungen. ;)

closs hat geschrieben: Bleibt die Quellenlage so, wie von Dir zitiert, würde man unterscheiden müssen zwischen:
* Achilles und Siegfried sind laut Ilias NICHT archetypisch verwandt.
* Achilles und Siegfried sind laut Quelle des 1. Jh.n.Chr. archetypisch verwandt.
Ich bin ziemlich sicher, dass Unverwundbarkeit kein Arechtypus ist, denn welche menschliche Urerfahrung sollte hinter diesem Arechtyp stehen? Ich halte es für ein eher märchenhaftes Motiv der Überhöhung eines Helden. Das gibt es auch für Jesus am Kreuz: die Evv. berichten, dass bei Jesu Tod sich der Himmel verfinsterte, ein Sturm aufkam und der Vorhang des Tempels in Jerusalem plötzlich in der Mitte zeriss. Diese merkwürdigen Ereignisse sollen mit erzählerischen Mitteln verdeutlichen, dass hier etwas geschieht von kosmischem Ausmaß. Das Ereignis des Todes Jesu am Kreuz wird dadurch mythisch überhöht und seine Bedeutung damit universalisiert als ein Ereignis, welches den ganzen "Erdenkreis" und den ganzen Kosmos betrifft.
Solche mythischen Überhöhungen finden sich auch heute noch in den neuen Heldenerzählungen und deren Verfilmungen. Wenn Bruce Willis als Held John Mc Lane in Die hard/Stirb langsam die bösen Mächte im Showdown (dem dramaturgischen Höhepunkt am Ende des 3. Aktes) endgültig besiegt, liegt zuletzt die ganze Stadt in Schutt und Asche und der Held selbst sieht ziemlich ramponiert aus. Das kommt daher, weil jeder mythische Held immer die ganze Welt retten muss und seine Heldentat ein bedeutsames Ereignis kosmischen Ausmaßes ist. Im Endkampf des Helden, droht stets die ganze Welt zerstört zu werden, deshalb gibt es soviel Schaden.

closs hat geschrieben:(auch hier wieder: HKM IST nicht Interpretation, sondern ist Voraussetzung für Interpretation).
No, para nada. Die historisch-kritische Methode in der Theologie soll nicht die Voraussetzungen für Interpretationen liefern. Sie soll stattdessen den historisch-kritisch gesicherten Rahmen dafür liefern, welche Interpretationen überhaupt als plausibel gelten können.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Do 10. Mär 2016, 19:39, insgesamt 2-mal geändert.

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#43 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » Do 10. Mär 2016, 19:35

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Woher es kommt, dass wir in diesen Bildern träumen, ist interessant, aber nicht durch Spekulation ergründbar.
Was die Verbindung von "Traum" und "Urbild" angeht, wie man es anders ergründen sollte als durch "Spekulation" (in meinem Verständnis). - Wissenschaftlich wird man es ist nicht können, da "Urbild" selber eine "Spekulation", also eine geistige, wie ich meine gut begründete, "Spekulation" ist.
Ganz so düster ist die Ausgangslage wissenschaftlich nicht: in der Werbepsycholgie werden viele Experimente unternommen, die die Wirkung archetypischer Bilder und Strukturen auf den Zuschauer vermessen. Der Erfolg einer Werbung, die Archetypen verwendet, kann mehr oder weniger objektiv dadurch festgestellt werden, ob die Verkaufszahlen nach den archetypisch gestalteten Werbespots steigen, gleich bleiben oder gar sinken.
In der Hollywood-Filmproduktion weiß man, dass die dramaturgische Einbindung der exakten Struktur der archetypischen Heldenreise eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung dafür ist, ob der Film weltweit erfolgreich wird oder nicht. Das bedeutet: folgt die Dramaturgie eines Blockbusterfilms der archetypischen Struktur der Heldenreise, ist das zwar noch kein Garant für seinen weltweiten Erfolg; baut man sie aber nicht ein, dann wird es ganz gewiss kein weltweiter Erfolg.

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#44 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Do 10. Mär 2016, 19:43

Savonlinna hat geschrieben:Aber willst Du überhaupt Lebendiges beschreiben?
Eher in der Belletristik als in der Philosophie - Philosophie ist da, um Strukturen zu beschreiben - oder nicht?

Savonlinna hat geschrieben:Warum verschweigst Du es ihm?
Weil mir kein Unterschied zu "normaler" Wahrnehmung einfällt. - Und das habe ich auch in ähnlichen Worten bereits gesagt.

SilverBullet hat geschrieben:Ich sage doch gerade, dass es bei den angesprochenen christlichen Behauptung keine Wahrnehmungsunabhängigkeit, also somit nur Wahrnehmung gibt.
Woher willst Du das wissen? - Dein Satz ist gleichbedeutend mit der Aussage "Es gibt Gott nur in der Wahrnehmung, aber nicht als wahrnehmungs-unabhängige Entität". - Wie würdest Du eine solche Aussage begründen?

SilverBullet hat geschrieben:Du verdrehst meine Aussage bis zur Unkenntlichkeit.
Nein - ich denke sie zu Ende.

SilverBullet hat geschrieben:Da keine Beschreibung geliefert wird, muss ich davon ausgehen, dass diese Leute entsprechend der „Unterscheidung der Geister“ ihre eigenen Gedanken, als „durch das Andere beeinflusst“ verstehen wollen.
Moment - das ist nicht anders, wenn Du eine Sonnenblume anguckst. - Streng genommen kommt bei Dir nicht die Sonnenblume an, sondern Deine Wahrnehmung davon. - Und ob es die Sonnenblume auch außerhalb Deiner Wahrnehmung gibt, ist eh nicht falsifizierbar.

SilverBullet hat geschrieben:wenn du etwas angeben könntest, hättest du es schon lange gemacht
Du brauchst nicht rumzuprovozieren - vielleicht erinnerst Du Dich an meine Aussage, dass es Alltägliches sein kann, das naturalistisch genauso erklärt werden kann.

Eine besonders innige Bach-Interpretation kann naturwissenschaftlich (Töne) und psychologisch (Wirkung aufs Individuum) interpretiert werden - dass es etwas Transzendentes sein kann, wird man nicht unter geistiger Wahrnehmung buchen, sondern unter "Psychologie". - Ein echter Liebes-Blick kann man naturalistisch interpretieren (Hormone, Neuronen, Jahreszeit, entsprechende Disposition der Betroffenen, etc.). - Ein Satz in der Bibel, den man unerwartet liest und der einen unmittelbar vom Hocker reißt, wird man ebenfalls naturalistisch (dazu zähle ich auch die heutige Psychologie) interpretieren können - usw, usw.

Ich kann Dir also nichts anderes bieten als Dir mehr oder weniger bekannte wahrnehmungs-unabhängige Geschehnisse, die Du ganz anders interpretieren kannst/wirst. - Wenn Du erwartest, dass da jemand mit dem Zauberstab rumeiert und ruft "Ich bin der große Geist", ist dies der falsche Ansatz.

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Thaddäus
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#45 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » Do 10. Mär 2016, 19:59

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Ich denke, du nimmst hier ein psychologische Disposition des Menschen als eine Art platonischer Idee.
Aus Deiner Sicht, ja. - Aus meiner Sicht ist umgekehrt die psychologische Disposition eine Variante einer ontologischen ("Ideen") Disposition. - Wer ist der Hund, wer ist der Schwanz?
Das ist meiner Ansicht nach recht leicht zu klären.
Es ist onologisch viel aufwändiger anzunehmen, es gäbe archetypisch-transzendente Ideen, die der Mensch als Erfüllungsgehilfe dieser Ideen in seinen Kulturen und seiner Kunst realisiert als anzunehmen, der Mensch mache im Laufe seiner natürlichen Entwicklung vom Säugling bis zum erwachsenen Menschen, besimmte Grunderfahrungen, welche er in seiner Kultur und Kunst archetypisch verbildlicht, - eben weil es allgemeine Grunderfahrungen des Menschseins selbst sind.
Ersteres macht unbeweisbare transzendente Grundannahmen, letzteres nicht.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Do 10. Mär 2016, 20:00, insgesamt 1-mal geändert.

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#46 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Do 10. Mär 2016, 20:00

Thaddäus hat geschrieben: Dann wäre allerdings die interessante Frage, warum sie Homer in seinem Epos nicht erwähnt bzw. einbaut?
Das wäre jetzt wieder eine überlieferungs-historische Frage - es kann sein, dass die uns vorliegende Abschrift ausgerechnet aus einer "aufgeklärten" Epoche stammt, die "Unpassendes" weggelassen hat. - Oder umgekehrt: Die Vasen-Macher lebten in einer Zeit, die dieses Fersen-Motiv gut gebrauchen konnte.

Thaddäus hat geschrieben:Das geht mit ein paar Vasenfunden und logischen Schlussfolgerungen.
Das IST HKM.

Thaddäus hat geschrieben:Ich bin ziemlich sicher, dass Unverwundbarkeit kein Arechtypus ist, denn welche menschliche Urerfahrung sollte hinter diesem Arechtyp stehen?
Die Hybris - siehe Babel-Geschichte.

Thaddäus hat geschrieben:Das gibt es auch für Jesus am Kreuz: die Evv. berichten, dass bei Jesu Tod sich der Himmel verfinsterte, ein Sturm aufkam und der Vorhang des Tempels in Jerusalem plötzlich in der Mitte zeriss.
Meines Wissens geht es hier auch um symbolische Aussagen - aber als Archetyp würde ich es auch nicht bezeichnen.

Hier ist eher die Frage, ob es einen Unterschied zwischen Bruce Willis und Jesus geben kann. - Denn dramaturgische Mittel fragen ausschließlich nach Wirkung und nicht nach Wahrheit. - Wie Rhetorik in der Sprache.

Thaddäus hat geschrieben:Sie soll stattdessen den historisch-kritisch gesicherten Rahmen dafür liefern, welche Interpretationen überhaupt als plausibel gelten können.
Da sie aber nicht geistig, sondern nur historisch-kritisch untersuchen kann, kann sie nur historisch-kritische Plausibilitäten definieren - das ist der Haken.

Thaddäus hat geschrieben:Der Erfolg einer Werbung, die Archetypen verwendet, kann mehr oder weniger objektiv dadurch festgestellt werden, ob die Verkaufszahlen nach den archetypisch gestalteten Werbespots steigen, gleich bleiben oder gar sinken.
Mein "ergründen" war nicht auf Wirkung ausgelegt, sondern auf Grundlage.

Thaddäus hat geschrieben:In der Hollywood-Filmproduktion weiß man, dass die dramaturgische Einbindung der exakten Struktur der archetypischen Heldenreise eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung dafür ist
Das glaube ich Dir aufs Wort - aber es hat nichts mit der Zielrichtung meiner Aussage zu tun.

Thaddäus hat geschrieben:Es ist onologisch viel aufwändiger anzunehmen, es gäbe archetypisch-transzendente Ideen
Das klingt eher nach: Die eine Version ist methodisch besser zu verarbeiten als die andere - das wäre kein belastbares Argument.

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Savonlinna
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#47 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Do 10. Mär 2016, 20:12

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Aber willst Du überhaupt Lebendiges beschreiben?
Eher in der Belletristik als in der Philosophie - Philosophie ist da, um Strukturen zu beschreiben - oder nicht?
Also, um Strukturen zu beschreiben, ist der Strukturalismus gut geeignet.
Der ist aber keine Philosophie.
Philosophie hat nicht die Aufgabe, Strukturen zu beschreiben.
Der Strukturalismus hat, um auch Entiwicklungen beschreiben zu können, in der Sprachwissenschaft zum Beispiel die Generative Transformationsgrammatk eingeführt - die auch analog auf andere Gebiete übertragbar zu sein scheint.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Warum verschweigst Du es ihm?
Weil mir kein Unterschied zu "normaler" Wahrnehmung einfällt. - Und das habe ich auch in ähnlichen Worten bereits gesagt.
Okay.
Wahrnehmung ist fast automatisch auch Deutung. Das reine Wahrnehmen ist sehr schwer zu erlernen. Es wird fast immer von Gedanken und Wahrnehmungstradition überlagert. Man kann sich das aber bewusst machen, indem man es beobachten lernt.
Gelingt es, sich davon zumindest etwas zu befreien, nimmt man auf andere Weise wahr: die Dinge fügen sich zu einem anderen Muster zusammen.
Ich vermute aber, dass dieses Sich-Zusammenfügen keinesfalls objektiv ist, sondern ausgerichtet ist auf die Fragen des Schauenden. Es sind konkrete Antworten.

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Thaddäus
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#48 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » Do 10. Mär 2016, 20:36

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Dann wäre allerdings die interessante Frage, warum sie Homer in seinem Epos nicht erwähnt bzw. einbaut?
Das wäre jetzt wieder eine überlieferungs-historische Frage - es kann sein, dass die uns vorliegende Abschrift ausgerechnet aus einer "aufgeklärten" Epoche stammt, die "Unpassendes" weggelassen hat. - Oder umgekehrt: Die Vasen-Macher lebten in einer Zeit, die dieses Fersen-Motiv gut gebrauchen konnte.
Ähem, nein, eigentlich nicht, denn in der Ilias wie der Odyssee spiegelt sich noch ein ganz und gar mythisches Weltbild. Das Motiv der Unverwundbarkeit hätte da - wie im Nibelungenlied - super hineingepasst. Das Nibelungenlied aus dem 13. Jahrh. n. Chr. hängt dem philosophisch aufgeklärten und durch das Christentum dann wieder zerstörten philosophischen Weltbild der Griechen 17 Jahrunderte vorher weit hinterher. Das Christentum hat die gesamte philosophische Aufklärung und Wissenschaft der Griechen nachhaltig vernichtet und durch Religion ersetzt. Diese geistesgeschichtliche Entwicklung war eine Katastrophe. Hätte es das Christentum nicht gegeben, wären wir heute mindestens 1000 Jahre kulturgeschichtlich weiter.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Das geht mit ein paar Vasenfunden und logischen Schlussfolgerungen.
Das IST HKM.
Nein, das ist weiß Gott keine Historisch-Kritische Methode. Es sind nur ein paar Vasenfunde und wenige Schlussfolgerungen. Die HKM ist darum so erfolgreich in der Theologie, weil die Quellenlage im Christentum so wahnsinnig gut ist. Da gibt es tausende von Quellen, die man vergleichen kann. Zu Homer, dem Gilgamesch-Epos, zu Cäsar oder irgendeinem anderen antiken Autoren existieren nur bruchteile der Quellen, wie sie für das NT existieren. Wenn es nur eine spärliche Quellenlage gibt, kann die HKM auch nicht viel herausfinden. Die HKM eignet sich ganz besonders für die christlichen Quellen, denn die sind so zahlreich, dass man auch wirklich etwas herausfinden kann mit den Methoden der HKM.

closs hat geschrieben: Hier ist eher die Frage, ob es einen Unterschied zwischen Bruce Willis und Jesus geben kann. - Denn dramaturgische Mittel fragen ausschließlich nach Wirkung und nicht nach Wahrheit. - Wie Rhetorik in der Sprache.
Die Wahrheit ist in diesem Falls das Wirken des Archetyps, - und der wirkt in Jesus wie in John Mc Lane in Stirb langsam.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Sie soll stattdessen den historisch-kritisch gesicherten Rahmen dafür liefern, welche Interpretationen überhaupt als plausibel gelten können.
Da sie aber nicht geistig, sondern nur historisch-kritisch untersuchen kann, kann sie nur historisch-kritische Plausibilitäten definieren - das ist der Haken.
Nein, das ist falsch und auch schon längst als falsch erwiesen.
Die HKM zeigt, welche inhaltlichen christlichen Aussagen überhaupt plausibel sind und welche nicht. Und da kannst du wie das Rumpelstilzchen mit dem Fuß aufstampfen wie du willst: die HKM macht ganz konkrete Aussagen darüber, was du berechtigt glauben darfst und was nicht. Ob dir das nun gefällt oder nicht. Sie sagt dir sogar, was jesus am Kreuz höchstwahrscheinlich autenthisch ausgesprochen hat und was nicht. Sie sagt dir, ob Jesus eine Naherwartung hatte oder nicht, ob Maria wirklich in den Himmel gefahren ist oder nicht, ob es drei heilige Könige gab oder ob die ganze Weihnachtsgeschichte nur erfunden ist usw.usw. Und sie ist erfunden ... !

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#49 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » Do 10. Mär 2016, 20:52

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Sie soll stattdessen den historisch-kritisch gesicherten Rahmen dafür liefern, welche Interpretationen überhaupt als plausibel gelten können.
Da sie aber nicht geistig, sondern nur historisch-kritisch untersuchen kann, kann sie nur historisch-kritische Plausibilitäten definieren - das ist der Haken.

Was heißt "nur"? Das ist die originäre Aufgabe der historisch-kritischen Exegese. Wo ist da ein Haken?

Die HKM ist der "Anwalt der Schrift" - habe ich neulich mal irgendwo gelesen. :thumbup:
Um es nochmals zu verdeutlichen, weil Dir das nicht ganz klar zu sein scheint:

Die Dogmatik legt keine biblischen Texte aus (das ist die alleinige Aufgabe der
wissenschaftlichen Exegese), sondern vermittelt und erklärt an den Fakultäten
lediglich sog. kirchliche "Glaubenswahrheiten" einer menschengemachten Lehre.

Die Dogmen sind schließlich nicht vom Himmel gefallen - auch wenn Du das manchmal zu glauben scheinst.

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#50 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von SilverBullet » Do 10. Mär 2016, 20:54

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Ich sage doch gerade, dass es bei den angesprochenen christlichen Behauptung keine Wahrnehmungsunabhängigkeit, also somit nur Wahrnehmung gibt.
Woher willst Du das wissen? - Dein Satz ist gleichbedeutend mit der Aussage "Es gibt Gott nur in der Wahrnehmung, aber nicht als wahrnehmungs-unabhängige Entität". - Wie würdest Du eine solche Aussage begründen?
„Gott“ ist nichts anderes als die Anfangsfrage aus dem Schöpferverdacht. Wer hier einen Inhalt behauptet, der muss sagen, was es sein soll.

Eine Frage kommt selbstverständlich nur in der Wahrnehmung vor.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: Du verdrehst meine Aussage bis zur Unkenntlichkeit.
Nein - ich denke sie zu Ende.
Du machst elementare Fehler in der Wirklichkeitszuordnung, weil du nur deinen Wunsch erfüllt sehen möchtest.

Von „zu Ende denken“ kann keine Rede sein.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Da keine Beschreibung geliefert wird, muss ich davon ausgehen, dass diese Leute entsprechend der „Unterscheidung der Geister“ ihre eigenen Gedanken, als „durch das Andere beeinflusst“ verstehen wollen.
Moment - das ist nicht anders, wenn Du eine Sonnenblume anguckst. - Streng genommen kommt bei Dir nicht die Sonnenblume an, sondern Deine Wahrnehmung davon. - Und ob es die Sonnenblume auch außerhalb Deiner Wahrnehmung gibt, ist eh nicht falsifizierbar.
Die Wirklichkeitsfeststellung bezüglich einer Sonnenblume ist in keiner Weise vergleichbar mit den Religionsbehauptungen.
Bereits beim Wachstum muss eine Wahrnehmung feststellen, dass sie dieses Gebilde nicht hätte konstruieren können. Das Objekt ist von allen Seiten wahrnehmbar, mit Blickwinkeln, die das reine Erstaunen hervorrufen. Über die Zeit hinweg verändert sich die Pflanze, sie wächst. Wenn einem die Pflanze dann so richtig gut gefällt, geht sie ein und wieder „reagiert“ sie in einer unerwarteten Weise => es geht nichts anders, als diese Zusammenhänge als Wahrnehmungsunabhängigkeit und damit als Wirklichkeit zu verwalten.

Versuch mal genau so eine Unabhängigkeit bei den Glaubenshandlungen aufzuzeigen – Fehlanzeige, ausser der Suggestion funktioniert dort gar nichts.

„Unterscheidung der Geister“ ist reiner Selbstbetrug, der gegen die grundlegende Wahrnehmungsfunktion verstösst.

closs hat geschrieben:Eine besonders innige Bach-Interpretation kann naturwissenschaftlich (Töne) und psychologisch (Wirkung aufs Individuum) interpretiert werden - dass es etwas Transzendentes sein kann, wird man nicht unter geistiger Wahrnehmung buchen, sondern unter "Psychologie". - Ein echter Liebes-Blick kann man naturalistisch interpretieren (Hormone, Neuronen, Jahreszeit, entsprechende Disposition der Betroffenen, etc.). - Ein Satz in der Bibel, den man unerwartet liest und der einen unmittelbar vom Hocker reißt, wird man ebenfalls naturalistisch (dazu zähle ich auch die heutige Psychologie) interpretieren können - usw, usw.
Du kannst anscheinend nur gegen einen Gegner angehen: „die Naturwissenschaft“.

Darum geht es aber gar nicht. Es geht darum, dass du selbst, mit deinen Wahrnehmungsfähigkeiten keine Wahrnehmungsunabhängigkeit zu dieser behaupteten „Transzendenz“ feststellen kannst.
Alles was du dort findest, machst du selbst. Da reagiert nichts auf dich. Du bist der Einzige der „aktiv“ ist. Du erlebst nur dich selbst, deine eigenen Reaktionen.

Wenn dir Musik gefällt, dann gefällt sie dir. Das „Gefallen“ ist an sich aber keine von dir unabhängige Grösse. Das „Gefallen“ interagiert nicht mit dir.

Liebe kannst du nur bei dir phänomenal erleben. Zwar mögen sich andere Menschen dementsprechend verhalten, aber du musst ihnen Liebe unterstellen und kannst nicht ein wahrnehmungsunabhängiges „Ding“ feststellen.

Ein Satz in der Bibel, benötigt zu 100prozent eine interpretierende Wahrnehmung. Du bist der verstehende Anteil. Die Punkte auf dem Papier werden nur durch dich zu einer Bedeutung. Bei der Deutung ist keinerlei Wahrnehmungsunabhängigkeit vorhanden.

Ein Weltbild, das diese Wahrnehmungssituationen erklärt, ist der zweite Schritt.
Es geht also erst einmal nicht um "naturalistisch".

Wahrnehmung ist zuerst einmal ein Rätsel. Sie enthält aber einen klaren Mechanismus zur Feststellung von Wirklichkeit. Ich habe dir das Experiment genannt.

closs hat geschrieben:Wenn Du erwartest, dass da jemand mit dem Zauberstab rumeiert und ruft "Ich bin der große Geist", ist dies der falsche Ansatz.
Und der richtige Ansatz ist wohl, dass die Gläubigen mit dem Zauberstab rumeiern und rufen, „da ist der grosse Geist, der mich zum Stab-Wedeln bringt“.

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