Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

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sven23
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#51 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 12. Jul 2015, 21:05

closs hat geschrieben:Das ist eine Schutzbehauptung Deinerseits. - Wenn ein Umfeld nicht in der Lage ist, eine traditionelle Denkweise zu switchen, schafft das keiner. - Es kann nur gesagt werden, um irgendwann mal zu wirken. -
Also zu behaupten, Jesus sei nicht in der Lage gewesen, seinen engsten Vertrauten, mit denen er jahrelang umherzog und zusammenlebte, seine Botschaft nicht zu vermitteln, würde ich eher als Schutzbehauptung ansehen. Das mag hier und da mal situationsbedingt passiert sein, aber doch nicht permanent.

closs hat geschrieben: Wie ist der Paradigmenwechsel zwischen AT und NT verarbeitet?
Jesus war Jude und hatte wohl eher innerjüdische Reformen im Sinn. Es war nicht sein Ziel, eine neue Religion zu gründen.
Kreuzestod als Opfertod und Auferstehung wurden ihm wohl von den Schreibern in Anlehnung an andere Kulte übergestülpt. Er diente ihnen als Folie für ihre Botschaft.
Wie Lüdemann sagt, ist diese Brücke zwischen AT und NT auch künstliche konstruiert:
"Der Gebrauch des Alten Testaments durch das Neue Testament ist historisch widerlegt, denn die alttestamentlichen Verfasser hatten an keiner Stelle die Personen und Geschehnisse im Blick, die ihnen die neutestamentlichen Autoren zuschreiben."

closs hat geschrieben: Moment - sie können auch aus Ihrer Sicht beschrieben haben, was sie als Aussage verstanden haben. - Du sprichst doch selber von Parusie-Verzögerung - man hält solange fest, bis es nicht mehr geht.
Paulus war der erste, der den Transformationsprozess einleitete von einer Naherwartung hin zu einer verzögerten Erwartung.

closs hat geschrieben: - man akzeptiert deren Thesen im Sinne des Modells, mit dem sie entstanden sind, lehnt sie jedoch theologisch ab.
Ablehnung allein ist zu wenig. Wie ich schon sagte, geht es um die Qualität der Begründung, und Glaubensdogmen sind keine Qualtätsbegründungen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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Münek
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#52 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » So 12. Jul 2015, 21:05

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben: So ähnlich sollte man das verstehen, als Jesus gepredigt hat - die Leute haben etwas in ihrem (AT-) Sinne verstanden, es war aber anders (im NT-Sinne) gemeint. - Wir reden hier von Paradigmen-Wechsel wie zwischen Geozentrik zu Heliozentrik - das hat auch Jahrhunderte gedauert.
Es ist nicht glaubwürdig, daß Jesus unfähig gewesen sein soll, das zu vermitteln, was er gemeint hat. So schwer ist der Unterschied ja nun auch nicht. Vor allem hätte er es korrigieren können, wenn er bemerkte, daß er falsch verstanden wurde. Diese Schiene ist nicht plausibel.

Genau so und nicht anders ist es. Absolut unplausibel...

Jesus sandte 70 seiner Jünger zu Missionszwecken in die Dörfer und Städte Israels. Dort sollten sie in seinem Auftrag den Menschen die frohe Botschaft mit den Worten verkünden: "Kehrt um. Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen!" (Lk. 10,1 ff.)

Sollte Jesus sie tatsächlich in der Gewissheit ausgesandt haben:

"Die Jungs haben es zwar echt nicht kapiert. Und das Volk wird
es natürlich erst recht nicht verstehen. Aber was solls...
"? :lol: :lol:


Das glaubst Du doch selbst nicht. Welch seltsame Vorstellung über den galiläischen Wanderprediger und Endzeitpropheten Jesus von Nazareth treibt Dich um?

Martinus
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#53 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Martinus » So 12. Jul 2015, 21:13

closs hat geschrieben:
Martinus hat geschrieben:Das innere und äußere Gottesreich ist Blödsinn und unbiblisch.
Würdest Du zustimmen, dass mit "äußerem Gottesreich" die zeitferne Offb.-Wiederkunft gemeint ist?

Würdest Du weiterhin zustimmen, dass seit dem Kreuzestod Gott dem Menschen hindernis-frei nah sein kann?

1) wenn für dich die zeitferne Offb.-Wiederkunft ein "äußeres Königreich" ist kann ich dem Gedankengang folgen.

2) ja , Jesus hat diesen Weg möglich gemacht.
Angelas Zeugen wissen was!

Anton B.
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#54 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Anton B. » So 12. Jul 2015, 21:14

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:So ähnlich, wie die Erde eine "Kugel" sei und sich um die Sonne drehe?
Eben nicht - man muss nur innerhalb seines Modells unterschiedliche Rezeptions-Geschichten der jesuanischen Aussagen stärker berücksichtigen und schon sieht es ganz anders aus. - Wer das (vielfach belegbare) Motiv der menschlichen Rezeption göttlicher Aussagen miteinbezieht, kommt zu ganz anderen Aussagen zum Thema "Naherwartung Jesu" - innerhalb der HKM.
Dann mische Dich in den wissenschaftlichen Diskurs ein und vertrete es da.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Du unterstellst ein Wissenschaftsverständnis, welches nicht zutrifft.
Wenn Modell-Ergebnisse apodiktisch als Tatsache verkauft werden, gefällt mir das wirklich nicht.
Wer macht denn sowas?
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

2Lena
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#55 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von 2Lena » So 12. Jul 2015, 21:24

Wie Lüdemann sagt, ist diese Brücke zwischen AT und NT auch künstliche konstruiert:
"Der Gebrauch des Alten Testaments durch das Neue Testament ist historisch widerlegt, denn die alttestamentlichen Verfasser hatten an keiner Stelle die Personen und Geschehnisse im Blick, die ihnen die neutestamentlichen Autoren zuschreiben."
Es wäre SUPER, wenn das AT in seiner inneren Form bekannt wäre ...
(dazu in Auslegung auch der Rest) ... damit ergibt sich nicht nur eine große Verehrung für Jesus, sondern auch der durchgehend "bündige" Inhalt.

closs
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#56 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 12. Jul 2015, 21:31

sven23 hat geschrieben:Das mag hier und da mal situationsbedingt passiert sein, aber doch nicht permanent.
Es passierte immer wieder, aber vieles Wesentliche wurde selbstverständlich verstanden. - Es war ein Prozess - Paradigmenwechsel funktionieren nicht per Finger-Schnipps.

sven23 hat geschrieben:denn die alttestamentlichen Verfasser hatten an keiner Stelle die Personen und Geschehnisse im Blick, die ihnen die neutestamentlichen Autoren zuschreiben
Ach so - nee, das habe ich nicht gemeint. - Davon halte ich auch nichts - diese zwanghafte Vorstellung, die Figur x im AT MÜSSE mit einer Figur y im NT korrespondieren. - Da sind wir uns einig. - Aber was hat das mit dem Thema "Paradigmenwechsel" zu tun?

sven23 hat geschrieben:Paulus war der erste, der den Transformationsprozess einleitete von einer Naherwartung hin zu einer verzögerten Erwartung.
Naja - dann war er halt der erste, der gecheckt hat, dass da was falsch lief. - Natürlich muss ein Irrtum irgendwann aufgeklärt werden - auch so können Wechsel nach und nach stattfinden. - Ganz auf meiner Linie.

sven23 hat geschrieben:Wie ich schon sagte, geht es um die Qualität der Begründung
Man muss nicht auf Dogmen zurückgreifen - allein historisch-kritisch kann man die Qualität der Begründungen der Behauptung "Jesus selbst hatte eine Naherwartung" in Frage stellen.

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#57 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 12. Jul 2015, 21:38

Münek hat geschrieben:Das glaubst Du doch selbst nicht.
In Deiner Formulierung glaube ich es wirklich nicht. ;)

Wie wäre es mit folgender Formulierung: "Die Jungs haben kapiert, dass sie etwas Großes zu verkünden haben. Mit der Zeit werden sie merken, dass das zeitlich nahe Königreich kein äußeres, sondern ein inneres ist. - Dann werden sie endgültig verstanden haben, was ich gesagt habe".

Unabhängig von theologischen Diskussionen diesbezüglich - unter historisch-kritischen Gesichtspunkten sind beide Versionen nicht falsifizierbar. - Je nach eigener Orientierung findet der eine die eine Version für wahrscheinlicher und der andere die andere Version für wahrscheinlicher. - Unter seriös wissenschaftlichen Gesichtspunkten würde ich erwarten, dass all diese Diskussionen wissenschaftlich diskutiert werden und in ihrer Nicht-Falsifizierbarkeit dargestellt werden. - Dann wäre es gut - aber nicht mit der Behauptung von einseitigen "Tatsachen".

Anton B. hat geschrieben:Wer macht denn sowas?
Lies mal die letzten hundert Seiten des Parusie-Threads durch, dann weiss Du es.

Anton B. hat geschrieben:Dann mische Dich in den wissenschaftlichen Diskurs ein und vertrete es da.
Wir sind hier halt auf einem Forum.

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#58 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 12. Jul 2015, 21:39

Martinus hat geschrieben:1) wenn für dich die zeitferne Offb.-Wiederkunft ein "äußeres Königreich" ist kann ich dem Gedankengang folgen.

2) ja , Jesus hat diesen Weg möglich gemacht.
Dann wären wir uns eigentlich einig.

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#59 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Martinus » So 12. Jul 2015, 21:39

sven23 hat geschrieben: Auch die Verbindung von AT und NT hält er für konstruiert und historisch nicht haltbar.
http://www.fr-online.de/kultur/philolog ... 81314.html

Zitate daraus:
"Der Gebrauch des Alten Testaments durch das Neue Testament ist historisch widerlegt, denn die alttestamentlichen Verfasser hatten an keiner Stelle die Personen und Geschehnisse im Blick, die ihnen die neutestamentlichen Autoren zuschreiben."

[

Der hat vermutlich, genau wie Sven, von der Bibel nur im Religionsunterricht gehört. (Grundschule bis 5 Klasse)
Zuletzt geändert von Martinus am So 12. Jul 2015, 21:40, insgesamt 1-mal geändert.
Angelas Zeugen wissen was!

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#60 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » So 12. Jul 2015, 21:40

Martinus hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was soll man unter einem "INNEREN Königreich Gottes" verstehen?

Das ist mir nicht klar.

Danke das du es auch ansprichst. :thumbup:

Da würde ich doch unseren lieben Kurt mal bitten, hier für Klarheit zu sorgen.

Aber nicht nur behaupten, sondern durch entsprechende Zitate kompetenter Autoritäten belegen...

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