Jesus als politischer Verbrecher hingerichtet?

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Naqual
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#1 Jesus als politischer Verbrecher hingerichtet?

Beitrag von Naqual » Mo 25. Aug 2014, 19:00

Aus dem Dreifaltigkeitsthread geklaut, bei meiner Antwort würde ich vom Thema zu weit abkommen. ;)

Salome23 hat geschrieben:
[color=#FF0000]Magdalena61[/color] hat geschrieben:Die Juden warfen Jesus Gotteslästerung vor...
In der Tat- so steht es geschrieben in der Bibel....Aber wieviele Juden waren da beteiligt? Alle?
Das war auch der Grund, weshalb Jesus hingerichtet werden sollte
Die Gotteslästerung? Sehe ich anders! Die religiösen Machthaber fühlten sich bedroht...

Die fühlten sich genauso bedroht wie später manche Katholischen gegenüber Evangelischen und umgekehrt oder gegenüber ganz anderen christlichen Gruppierungen. Nur innerhalb des antiken jüdischen Lagers (Sadduzäer, Pharisäer, Essener, etc.).

Genaugenommen wurde Jesus aber ja nicht von den Hohepriestern zu Tode verurteilt und gekreuzigt (die durften nach damaligen römischen Recht gar keine Todesstrafe aussprechen und vollstrecken), sondern von den Römern.
Das Todesurteil gegen Jesus als solches ist eigentlich - aus römischer Sicht - gar nicht zu beanstanden. Es war völlig korrekt.
Die Todesstrafe wurde von den Römern NICHT wegen Gotteslästerung verhängt. Das war denen eigentlich egal, welcher Gott in irgendeiner entfernten und ungeliebten Provinz mit nicht so wohlgesonnen Äußerungen versehen wurde. So lange wie man den Kaiser und seine lokalen Matadore nicht drangsalierte.
Judäa war damals eine sehr unruhige Provinz, in der es immer wieder zu Aufständen kam, die alle ziemlich konsequent (und blutig) niedergeschlagen wurden. In den 100 Jahren vor Jesus gab es etliche "Messiasse", die sich als "König der Juden" deklarierten und teils wie Partisanen mit Waffen gegen römische Soldaten und Bürger vorgingen. Nur, wer König irgendwo ist, bestimmte der Kaiser in Rom und nicht irgendjemand in der Provinz. Das Delikt war also in heutiger Sprache "Landesverrat". Und auf das gab es nur die Kreuzigung. Hinzu kommt, dass Jesus mindestens einen Zeloten in seiner engeren Gefolgschaft hatte. Das waren nicht einfach "Eiferer" (Übersetzung), sondern Zeloten waren jüdische Untergrundkämpfer, die gegen die römischen Besatzer mit Waffengewalt kämpften. Meist mit Überraschungsüberfällen gegen kleinere römische Einheiten - so aus dem Hinterhalt.
Beim Prozess gibt Jesus den Sachverhalt ein Landesverräter zu sein eigentlich unumwunden zu.
"und der Statthalter fragte ihn und sprach: Bist du der König der Juden? Jesus aber sprach: Du sagst es." (Mt 28,11)
Das war der ganze Grund der Kreuzigung - keine Gotteslästerung.

Eine Gruppe innerhalb der Hohepriesterschaft nutzte also den Sachverhalt aus, dass der erwartete Messias schlicht derjenige ist im altjüdischen Glauben, der Israel von der Fremdherrschaft befreit.
Jesus wiederum tat alles, um diese Vorstellung auf sich zu beziehen. Also wenn der ein paar Tage vor der Kreuzigung auf einem Esel durch Jerusalem ritt, als Anspielung darauf, der Messias nach den alten Prophezeiungen zu sein, dann war das damals nicht einfach ein PR-Gag, sondern brandgefährlich.

Damit ist es auch extrem unglaubwürdig, dass Pilatus die Freilassung des Jesus angeboten haben soll gegen einen anderen Aufrührer. Bei Hoch- oder Landesverrat mach sich jeder örtliche Herrscher völlig unglaubhaft, wenn er das durchgehen lassen will. Abgesehen davon, dass Pilatus alles andere als zu zart beseitet war um sich darüber Gedanken zu machen, wie man sich die Hände in Unschuld wäscht. Er wurde von Rom einige Jahre später zwangsversetzt, weil er aus Sicht der römischen Zentrale zu brutal war (!).

closs
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#2 Re: Jesus als politischer Verbrecher hingerichtet?

Beitrag von closs » Mo 25. Aug 2014, 20:37

Historisch absolut nachvollziehbar dargestellt. - Würdest Du daraus Schlussfolgerungen in Bezug auf das Christentum ziehen?

Samantha

#3 Re: Jesus als politischer Verbrecher hingerichtet?

Beitrag von Samantha » Mo 25. Aug 2014, 21:22

Naqual hat geschrieben:Judäa war damals eine sehr unruhige Provinz, in der es immer wieder zu Aufständen kam, die alle ziemlich konsequent (und blutig) niedergeschlagen wurden. In den 100 Jahren vor Jesus gab es etliche "Messiasse", die sich als "König der Juden" deklarierten und teils wie Partisanen mit Waffen gegen römische Soldaten und Bürger vorgingen.
Waren diese Messiasse anders? Die Bibel gibt doch Hinweise auf den echten Messias, so dass man ihn auch eindeutig erkennen konnte.

2Lena
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#4 Re: Jesus als politischer Verbrecher hingerichtet?

Beitrag von 2Lena » Mo 25. Aug 2014, 22:53

Mit der Situation ist weitaus mehr verbunden.
Die Diskussionen der Weltanschauungen reichen davor über 500 Jahre zurück. Dann im Grunde 6000 Jahre. Das alles kann ich im Moment kaum ordentlich verfassen.
Es gibt diese Hinweise in der Kirchengeschichte, in der römischen Geschichte.

Vieles von dem heute vorhandenen "wissenschaftlichen Denken" verbietet die Rückschlüsse zur Geburt eines Sohnes des Schöpfers.

Zu Samanthas Frage:
Deutschland wird auch nicht von einem / einer regiert.
Etliche Personen wirkten beim NT-Geschehen mit.

Catholic
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#5 Re: Jesus als politischer Verbrecher hingerichtet?

Beitrag von Catholic » Di 26. Aug 2014, 16:05

Hallo Samantha,

zumindest die jüdischen Schriftgelehrten hätten die Unterschiede erkennen können.
Und wie bereits erwähnt:
Jesus war in den Augen der römischen Besatzer ein potentieller Aufrührer und da haben die konsequent gehandelt.

Gruss,
Catholic

Meister Eckhart
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#6 Re: Jesus als politischer Verbrecher hingerichtet?

Beitrag von Meister Eckhart » Di 26. Aug 2014, 17:31

Ich stelle mir grad vor ich wäre römischer Stadthalter und für die öffentliche Ruhe und Ordnung in der Stadt verantwortlich.
Es herrscht ohnehin schon große Spannung wegen der Besatzung.

Plötzlich taucht so ein Kerl mit seiner Schar auf, der Stände am Markt umwirft und meint das er der Sohn Gottes sei und die Stadt auffordert seinem Weg zu folgen.
Und dann bricht Unruhe in der jüdischen Gemeinde aus, zwischen Befürworter und Gegner. Und ich wäre dafür verantwortlich dass daraus kein Aufstand wird.

Was hätte ich als Stadthalter wohl gemacht ?
Oder was hätte ich als Oberrabbiner getan ?

In dem angespannten Pulverfass kommt Jesus in die Stadt und spaltet die Gemeinde.
Wie glaubwürdig war er damals mit seiner spontanen Darbietung des einreitenden Gottessohn und Messiahs im angespannten Pulverfass von Jerusalem ?

Ich denke wenn Jesus niemand Einhalt geboten hätte, wäre es in Jerusalem zum Aufstand zwischen Jesusbefürwortern und Jesuszweiflern gekommen.
Und dem römischen Stadthalter wäre nichts anderes übrig geblieben als mit einem Massaker wieder für Ruhe und Ordnung in der Stadt zu sorgen.

So gesehen nachvollziehbare rationale Entscheidung der Verantwortlichen.
Allerdings war eine Hinrichtung überzogen. Einsperren hätte auch gereicht. Vielleicht. Oder auch nicht.

Wenn das Gerücht vom Gottes Sohn und Messiahs im Gefängnis in Umlauf kommt und Verbreitung findet, könnte es doch zum blutigen Aufstand reichen.
Diese Frage musste sich Pilatus wahrscheinlich auch stellen.
Zuletzt geändert von Meister Eckhart am Di 26. Aug 2014, 17:55, insgesamt 5-mal geändert.

R.F.
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#7 Re: Jesus als politischer Verbrecher hingerichtet?

Beitrag von R.F. » Di 26. Aug 2014, 17:41

Nikodemus schien zumindest geahnt zu haben, dass Jesus ein anderer Messias war als die Masse der Messiasse.

Johannes 3,2 (Luther):

Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: Meister, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kommt nun der Einwand, dass die neutestamentlichen Schriften mehrfach Redaktionen unterzogen wurden.
Es scheint zu den Hobbys der Theologen zu gehören, den Berichten des NT so viel Glaubwürdigkeit wie möglich zu nehmen.

Pilatus war sich offenbar nicht sicher, ob die Todesstrafe nach römischem Recht gerechtfertigt war. Aber klar ist, dass die Position Jesu, von einem ernst zu nehmenden Politiker oder Theologen in der Öffentlichkeit vertreten, diesen gewaltig in die Bredouille bringen würde. Auch den Römern ging die originäre Botschaft Jesu gegen den Strich.

http://de.wikipedia.org/wiki/Christenve ... chen_Reich

Zitat aus obigem Link:

Der Kirchenhistoriker Eusebius von Caesarea zitiert dazu Hegesippus und behauptet, die Frau des kaiserlichen Vetters sei Christin gewesen. Domitian habe dann eine Judenverfolgung befohlen, die auch Christen getroffen habe, die als Juden denunziert worden seien. Darunter seien Enkel des Judas, eines Bruders Jesu, gewesen. Man habe sie dem Kaiser vorgeführt, er habe sie verhört und nach der Art ihres Glaubens gefragt. Als sie ihm erklärten, Christi Reich sei nicht weltlich, sondern himmlisch, habe er sie freigelassen und die Verfolgung der Christen eingestellt. (Hervorh. R. F.) - Die Darstellung lässt den Anlass der Verfolgung nicht erkennen. Diese war allenfalls zeitlich begrenzt und traf eher Juden als Christen. Dabei können wiederum lokale Spannungen zwischen ihnen eine Rolle gespielt haben.

Der Anlass war nicht zu erkennen? Das ist arg geheuchelt. Die Christen sollten ihre Zukunft im Himmel sehen, auf der Erde war der Kaiser der Chef...

Hemul
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#8 Re: Jesus als politischer Verbrecher hingerichtet?

Beitrag von Hemul » Di 26. Aug 2014, 18:07

Der eigentliche Grund warum Pilatus den in seinen Augen unschuldigen Jesus den Juden ans Messer lieferte steht in
Johannes 19:12-16:
12 Darauf wollte Pilatus ihn erneut freilassen, die Juden aber schrien: »Wenn du diesen Mann freilässt, bist du kein Freund des Kaisers. Wer sich zum König erklärt, erhebt sich gegen den Kaiser.« 13 Auf diese Worte hin ließ Pilatus Jesus wieder hinausführen. Dann setzte er sich auf den Richterstuhl, an einer Stelle, die man »Steinpflaster« nannte (auf Hebräisch Gabbata). 14 Das war um die Mittagszeit am Tag vor dem Passahfest. Und Pilatus sagte zu den Leuten: »Hier ist euer König!« 15 »Weg mit ihm!«, schrien sie. »Weg mit ihm - kreuzige ihn!« »Was? Euren König soll ich kreuzigen lassen?«, fragte Pilatus. »Wir haben keinen König außer dem Kaiser«, gaben die obersten Priester zur Antwort. 16 Da überließ Pilatus ihnen Jesus zur Kreuzigung. Sie nahmen Jesus und führten ihn ab.
Pilatus hatte schlicht und einfach Angst um seinen Posten.
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

R.F.
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#9 Re: Jesus als politischer Verbrecher hingerichtet?

Beitrag von R.F. » Di 26. Aug 2014, 18:14

Meister Eckhart hat geschrieben: - - -
Ich denke wenn Jesus niemand Einhalt geboten hätte, wäre es in Jerusalem zum Aufstand zwischen Jesusbefürwortern und Jesuszweiflern gekommen.
Und dem römischen Stadthalter wäre nichts anderes übrig geblieben als mit einem Massaker wieder für Ruhe und Ordnung in der Stadt zu sorgen.

So gesehen nachvollziehbare rationale Entscheidung der Verantwortlichen.
Allerdings war eine Hinrichtung überzogen. Einsperren hätte auch gereicht. Vielleicht. Oder auch nicht.

Wenn das Gerücht vom Gottes Sohn und Messiahs im Gefängnis in Umlauf kommt und Verbreitung findet, könnte es doch zum blutigen Aufstand reichen.
Diese Frage musste sich Pilatus wahrscheinlich auch stellen.
Es ist gut, Meister, dass Du Deinen Beitrag ergänzt und abgemildert hast. Denn ein Verstoß gegen römisches Recht lag der Schrift zufolge nicht vor. Es waren lediglich die jüdischen Theologen, denen die Lehre Jesu und Sein Anspruch auf die Königswürde ein Dorn im Auge war.

Pilatus' Urteil war ein rechtswidriger Akt. Die Furcht vor einem durch Jesus entfachten Aufruhr war zu keiner Zeit realistisch, wie auch Jesu Reaktion bei Seiner Gefangenahme zeigte.

Abischai
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#10 Re: Jesus als politischer Verbrecher hingerichtet?

Beitrag von Abischai » Di 26. Aug 2014, 18:36

betr. Eingangsfrage.: Nein, Jesus wurde nicht als politischer Verbrecher hingerichtet.

Es steht geschrieben, daß die Juden ihn aus Neid beseitigen wollten. Pilatus hätte das niemals interessiert, weil Jesus sich an die Regeln der damaligen Obrigkeit (Kaiser) gehalten hat, was seine Gegner nicht, zumindest nicht so gern taten.
Auch hätte Pilatus sich als Römer nie in die religiösen Angelegenheiten der Juden eingemischt. Was also im Tempel passierte, ist ihm sicher berichtet worden, aber hat ihn nicht zum Eingreifen bewegt.

Allein die manipulative Erpressung der Juden, daß sie Pilatus beim Kaiser verpetzen würden, hat ihn dann zu diesem "Bauernopfer" genötigt. An anderer Stelle steht, daß die Juden ein regelrechtes Mobbing gegen Pilatus angestiftet hatten, weil der Mob plötzlich skandierte, er solle Jesus kreuzigen.

Pilatus war hier also Marionette, den trifft wohl die wenigste Schuld, verantwortlich war er. Und ich bin froh., daß er so gehandelt hat, denn:
Die andere und wesentliche Sache ist, daß Gott die Hinrichtung Jesu wollte und daß Jesus selbst das auch wollte.

Fazit: alles bestens!
Meine Hilfe kommt von Jahweh, der Himmel und Erde gemacht hat. [Ps 121;2]

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