Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#11 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 12. Jul 2015, 11:55

sven23 hat geschrieben:solche Diskussionen meidet die Kirche wie der Teufel das Weihwasser.
Nein - sie weiß um die Sinnlosigkeit solcher Diskussionen. - "Diskussionen" sind in aller Regel Meinungs-Kämpfe, die je nach Zeitgeist entschieden werden - inhaltlich bringt das nix.

sven23 hat geschrieben:"Wenn die Welt erst ehrlich genug sein wird, um Kindern vor dem 15. Jahre keinen Religionsunterricht zu erteilen, dann wird etwas von ihr zu hoffen sein."
Da ist was dran. - Man sollte vielmehr die Inhalte der Bibel ins praktische Leben übersetzen - dazu reicht 1.Kor.13. - Alles andere ist Überforderung - auch für 99% der Erwachsenen.

sven23 hat geschrieben:Aber von der frühkindlichen Indoktrination will die Kirche nicht lassen.
Die Indoktrination der Kirchen spielt heute eine sehr untergeordnete Rolle - die Indoktrinationen im westlich orientierten Europa sind heute fast ausschließlich säkularer Natur. - Du sprichst wirklich von historischen Zeiten.

Die post-religiösen Manipulationen und Indoktrinationen finden heute nicht unterm Kreuz, sondern unter den Flaggen der Meinungs-Gesellschaft und existentialistischen "Aufklärung" statt. - Du bist mit Deinem Vorwurf aller-mindestens 50 Jahre zu spät - neue Machthaber haben das Szepter übernommen. - Und das Volk ist dadurch geistig ganz sicher NICHT weiter gekommen.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#12 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 12. Jul 2015, 12:06

closs hat geschrieben:Nein - sie weiß um die Sinnlosigkeit solcher Diskussionen. - "Diskussionen" sind in aller Regel Meinungs-Kämpfe, die je nach Zeitgeist entschieden werden - inhaltlich bringt das nix.
Nein, sie weiß, wie gefährlich solche Diskussionen für ihr Geschäft sein können. Conzelmann gilt nach wie vor:
"Die Kirche lebt praktisch davon, daß die Ergebnisse der wissenschaftlichen Leben-Jesu-Forschung in ihr nicht publik sind."
Bei dir klingt das so, als müsse man den Zeiten nachtrauern, in denen man das Volk dumm gehalten hat.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

R.F.
Beiträge: 6664
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:20

#13 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von R.F. » So 12. Jul 2015, 13:17

sven23 hat geschrieben:
R.F. hat geschrieben: Nicht zuletzt im eigenen Interesse der Theologie völlig entsagen. Er kann es nämlich nicht...
Ja, Lüdemann ist einer von denen, die über die Beschäftigung mit dem NT ihren christlichen Glauben komplett verloren haben.
Dann soll sich dieser Mensch ehrlicherweise nicht mehr Theo-loge nennen...

Und für alle, die der gleichen oder ähnlichen Meinung wie der Lüdemann sind: Ich zweifle zwar grundsätzlich an der Lesekompetenz vieler meiner Mitmenschen. Aber die Zusagen der Schrift auf eine bessere Erde unter einer gerechten Regierung kann selbst ein nur mäßig gebildeter Mensch herauslesen. Ich würde jedenfalls nicht ohne eingehende Prüfung der Schriften die Berechtigung dieser Hoffnung in Abrede stellen. Es kann sich ein jeder selbst die Konsequenzen vorstellen, mit denen er rechnen muss, wenn er öffentlich die Schrift vorsätzlich oder leichtfertig wortwidrig deutet...
sven23 hat geschrieben: Wenn man einmal hinter die Kulissen geschaut hat, ist die Magie eines Zaubertricks dahin.
Hinter die Kulissen der Kirchen oder Gemeinschaften? Wir sprechen wohl doch in erster Linie von der Glaubwürdigkeit historischer Aussagen der Schrift. Die Bibel aber kann ich selbt lesen. Und was ich von der Forschung zu halten habe, darüber habe ich mir nicht erst vor kurzem ein Urteil gebildet...
sven23 hat geschrieben: Manche haben sogar ihre Professur zurückgegeben, was eigentlich nur konsequent ist.
Könntest Du den Namen einer dieser “Aufrichtigen” nennen? Ich meine damit aber nicht solche, die nicht mehr die Lehren ihrer Kirche oder Gemeinschaft vertreten möchten. Nein, sie müssen öffentlich erklären, dass sie nicht mehr als Theo-logen gelten möchten...

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#14 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 12. Jul 2015, 13:24

sven23 hat geschrieben:Nein, sie weiß, wie gefährlich solche Diskussionen für ihr Geschäft sein können.
Das ist eine ideologische Unterstellung.

Machen wir es doch einmal praktisch:

a) Wenn die Kirche behauptet/behaupten würde, dass die Texte zur Zeit Jesu entstanden sind, kann/könnte die hkM nachweisen, dass dies aus wissenschaftlichen Gründen falsch ist. - Für solche Dinge ist die hkM gut - und dafür hat sie ihren Platz in der Theologie.

b) Wenn es um wissenschaftlich nicht nachweisbare Dinge geht (wie etwa die Frage, ob Jesus selbst eine äußere Naherwartung hatte, ist das NICHT das Terrain der hkM.

Im Fall a) hat die Kirche solche Ergebnisse publik zu machen (und tut es auch). - Im Fall b) hat die Kirche solche Ergebnisse NICHT publik zu machen, weil diese Ergebnisse Ausdruck einer Selbst-Verhebung der hkM sind. - Nachvollziehbar ist allerdings, dass hkM und kirchliche Theologie den Stellenwert der hkM unterschiedlich bewerten.

Anton B.
Beiträge: 2792
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 16:20

#15 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Anton B. » So 12. Jul 2015, 13:34

closs hat geschrieben:b) Wenn es um wissenschaftlich nicht nachweisbare Dinge geht (wie etwa die Frage, ob Jesus selbst eine äußere Naherwartung hatte, ist das NICHT das Terrain der hkM.

Ganz praktisch (als auch theoretisch) sieht es folgendermaßen aus: Deine Definition und Dein Verständnis von empirischer Wissenschaft sind falsch. In der Wissenschaft geht es nicht um "nachweisbare Dinge", sondern um Modelle, Beobachtungsvorhersagen, Bewährungen und Falsifizierungen. Du solltest "Wissenschaft" erst einmal fundiert verstanden haben, bevor Du Dir ein Urteil über einzelne Methoden anmaßt.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#16 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » So 12. Jul 2015, 13:37

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:solche Diskussionen meidet die Kirche wie der Teufel das Weihwasser.
Nein - sie weiß um die Sinnlosigkeit solcher Diskussionen. - "Diskussionen" sind in aller Regel Meinungs-Kämpfe, die je nach Zeitgeist entschieden werden - inhaltlich bringt das nix.
Im Fall der hk-Methode sind eben die Erkenntnisse belegbar, während man fundamental-theologisch im "Für-Wahr-Halten" stecken bleibt.

closs hat geschrieben:Man sollte vielmehr die Inhalte der Bibel ins praktische Leben übersetzen - dazu reicht 1.Kor.13. - Alles andere ist Überforderung - auch für 99% der Erwachsenen.
Wenn das so ist, warum bemüht man sich den Rest zu interpretieren, und ihn nicht einfach als antiken Mythos stehen lässt?

closs hat geschrieben:Die Indoktrination der Kirchen spielt heute eine sehr untergeordnete Rolle - die Indoktrinationen im westlich orientierten Europa sind heute fast ausschließlich säkularer Natur.
Von Indoktrination kann in unserer heutigen Gesellschaft keine Rede sein. Eine atheistische Prägung entsteht natürlich durch das Vorbild der Eltern, aber ich sehe nicht wie man den Mangel an Glaube, als "Indoktrination" bezeichnen kann: Es ist das genaue Gegenteil, denn es geht darum, den Kindern von Heute einen freiheitlichen Rahmen zu setzen, in dem sie sich selbst ihr Weltbild suchen können und dürfen, aber es besteht kein Zwang.

Das alte Paradigma der Kirchen war, "Du wirst dran Glauben, oder du wirst "dran glauben".
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Anton B.
Beiträge: 2792
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 16:20

#17 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Anton B. » So 12. Jul 2015, 13:51

Pluto hat geschrieben:Im Fall der hk-Methode sind eben die Erkenntnisse belegbar, während man fundamental-theologisch im "Für-Wahr-Halten" stecken bleibt.
Ganz korrekt muss es heißen: Im Fall der hk-Methode sind die Erkenntnisse im Rahmen der wissenschaftlichen Methode begründbar, während ...
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#18 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 12. Jul 2015, 13:56

Anton B. hat geschrieben:Du solltest "Wissenschaft" erst einmal fundiert verstanden haben, bevor Du Dir ein Urteil über einzelne Methoden anmaßt.
Dann sag das doch erstmal Deinen Kollegen, die aus ihren Modellen meinen, Tatsachen-Behauptungen ableiten zu können. - DAA wird doch Wissenschaft nicht verstanden.

Tatsache ist, dass Jesus entweder selber eine Naherwartung hatte oder nicht. - Nach dem/einem Modell der historisch-kritischen Wissenschaft hatte er eine. - Nach gesamt-biblischen Kriterien hatte er sie nicht. - Noch viel mehr: Nach einem anderen Modell der historisch-kritischen Wissenschaft ist diese Frage nicht klärbar.

Und so haben wir hier schon mal mindestens 3 Modelle. - Könntest Du den Verfechtern der Behauptung, Jesus habe eine eigene Naherwartung gehabt, mal nach DEINEN Worten nahebringen, dass Kubitza nur nach SEINEM Modell zum Ergebnis kommen kann, dass Jesus selbst eine Naherwartung hatte.

Ich würde unter wissenschaftlichen Kriterien die Aussage akzeptieren: "Nach unserem Modell, das folgende Prämissen hat und folgendermaßen aufgebaut ist, hatte Jesus eine Naherwartung". - DAS wäre aus meiner Sicht wissenschaftlich. - So aber wird so getan, als sei dies eine Tatsache, mit der man dann auch noch blasiert andere, die mit anderen Modellen zu anderen Ergebnissen kommen, der Unwissenschaftlichkeit bezichtigt ("Wer nicht zum Ergebnis MEINES Modelles kommt, ist unwissenschaftlich").

Ist das ein Wissenschaftsverständnis, das ich fundiert verstehen soll? :devil: - Nein danke.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#19 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » So 12. Jul 2015, 14:04

Anton B. hat geschrieben:Ganz korrekt muss es heißen: Im Fall der hk-Methode sind die Erkenntnisse im Rahmen der wissenschaftlichen Methode begründbar, während ...
Das kann man so sagen, aber so lange es keine fundamental-theologischen Methoden zur Überprüfung der Aussagen gibt, bleibt man bei unbegründeten Behauptungen, weil es darin an der Empirie mangelt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#20 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » So 12. Jul 2015, 14:11

closs hat geschrieben:Ich würde unter wissenschaftlichen Kriterien die Aussage akzeptieren: "Nach unserem Modell, das folgende Prämissen hat und folgendermaßen aufgebaut ist, hatte Jesus eine Naherwartung". - DAS wäre aus meiner Sicht wissenschaftlich.
Wenn das so möchtest,hast du meine Zustimmung. Der Punkt ist, ein Beleg, auch wenn er von manchen als "bloße" Wissenschaft hingestellt wird, ist IMMER besser als gar kein Beleg.

closs hat geschrieben:So aber wird so getan, als sei dies eine Tatsache, mit der man dann auch noch blasiert andere, die mit anderen Modellen zu anderen Ergebnissen kommen, der Unwissenschaftlichkeit bezichtigt ("Wer nicht zum Ergebnis MEINES Modelles kommt, ist unwissenschaftlich").
Das wäre dann richtig, wenn die Fundamental-Theologie ein überprüfbares Modell vorlegen könnte (egal nach welcher Methode überprüfbar).
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Antworten