Magdalena61 hat geschrieben:Es gehört schon ziemlich viel Glauben dazu, anzunehmen, die Gemeinde habe nachträglich die Produkte eines Häretikers, den sie höchstoffiziell rausgeschmissen- ausgeschlossen- hatte, geschluckt. Wenn die Gemeinde Grips genug, sorry, die Gabe der Geisterunterscheidung hatte, als sie den Marcion als Irrlehrer brandmarkte, warum sollte sie dann nicht fähig gewesen sein, die Authentizität der Briefe, die in den Kanon der Bibel aufgenommen wurden, zu checken?
In der Wirklichkeit ist es oft ein wenig komplizierter.
Marcion hat den ersten neutestamentlichen Kanon aufgestellt, der vor allem 10 Paulusbriefe enthielt. Das hat dann später die Kirche ja in großen Teilen übernommen (zumindest alle Paulusbriefe, die Marcion in den Kanon aufgenommen hatte).
Marcion als gnosisnaher Mann hat allerdings Paulus ganz anders interpretiert als die Kirche. Das ist bei Paulus auch gar nicht so schwer, den kann man hin und herbiegen, wenn man will. Egal von wem.
Die Authentizität konnten die damals gar nicht mehr prüfen. Wie denn? Paulus war schon lange tot und die Methoden, die heute zur Verfügung stehen, waren damals noch unbekannt.
MIch persönlich wundert es sowieso immer wieder, warum die Kirche(n) Petrus als Kirchenführer erklären, während von diesem nur ein paar Seiten im NT sind, ganz anders schon bei Paulus und den seinen, die mit Lukas und dem "Paulinischen Theologen" Johannes wohl schon 80 Prozent des NT stellen
Von daher wäre es sogar total egal, ob Paulus wirklich der Verfasser der ihm zugeschriebenen Schriften ist. Auf den Inhalt kommt es an. Und dieser ist meiner Meinung nach kompatibel mit den übrigen Schriften der Bibel.
Naja. Paulus hat viele Dinge geschrieben, die bei allen anderen Autoren im NT unbekannt sind. In diesen Bereichen kann es keine Widersprüche geben.
In manchen Dingen kann man die Widersprüchlichkeit diskutieren: der Jakobusbrief und die Offenbarung des Johannes sind m.E. streckenweise nicht kompatibel zu Paulus. Es ist auch kein Zufall, wenn ein Martin Luther diese beiden Schriften am liebsten aus dem Kanon verbannt hätte.
Petrus warnt davor, dass man die Paulus-Schriften kaum verstehen kann und es würde zur Verdammnis führen. Das ist schon eine sehr herbe Kritik an Paulus von einem Mann der ersten Stunde, aber auch an jenen, die die Schriften des Paulus verdrehen. Aber die Vorlage kommt ja von Paulus.
Paulus hat nie gelebt? Von welchem Paulus reden die dann in
Apg. 17? -- Alles hinterher reingetextet? --
Die Existenz eines Paulus würde ich persönlich gar nicht in Frage stellen. Schwieriger und bedeutender ist da schon eher die Person des Paulus zu beschreiben.
Und da gibt es schon einige Steilvorlagen für Kritiker auch. Wenn z.B. alleine in der Apostelgeschichte drei verschiedene Versionen des Bekehrungserlebnisses vorliegen von einem Autor. Und dieses ist zentral, weil er mit diesem legitimiert wird bzw. werden soll. Zudem weicht die Apostelgeschichte stark vom Erleben heutiger Christen ab und wirkt durch die aufgeführten Wunder alleine dadurch nicht unbedingt glaubwürdig.
Versetze Dich z.B. in meine Lage. Warum sollten heutige geisterfüllte Gläubige nicht annähernd das erleben können, was die damals erlebt haben sollen? Glauben die heute nur alle recht dürftig? Sind für heute Wunder nicht mehr erforderlich (für Gott), aber damals waren sie es schon?
Es ist bestürzend, dass ein Berufsgläubiger (Pastor) dazu beiträgt, zu verwirren und zu zerstreuen.
Ist nur möglich, weil das Christentum kein einheitliches Gebilde ist, sondern Millionen von unterschiedlichen Meinungen existieren, die sich in hunderten von Denominationen ausdrücken. Und alle meinen im Recht zu sein.
Detering ist hoch gebildet in theologischen Fragen, alles andere als dumm und er ist ein Überzeugungstäter, der auch gegen heftigen Widerstand noch seine Version offensiv vertritt. Das muss ich ihm lassen, wenn ich auch nicht seiner Meinung bin.