Testimonium Flavianum

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sven23
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#1 Testimonium Flavianum

Beitrag von sven23 » So 30. Aug 2015, 09:36

Der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus wird immer wieder als Zeuge für außerbiblische Existenzbelege Jesu angeführt.
In der "Geschichte des Jüdischen Krieges" im Jahr 77 findet Jesus noch keine Erwähnung. 17 Jahre später wird Jesus in einem Nebensatz erwähnt, als es um die Steinigung seines Bruders Jakobus ging.
Diese dürftige Quellenlage war wohl einigen etwas peinlich und sie fälschten einen Text zumindest teilweise hinein, mit der Absicht, die Glaubwürdigkeit der historischen Existenz Jesu zu erhöhen. Offenbar gab es schon damals Defizite in puncto Glaubwürdigkeit was zum einen die historische Existenz und zum anderen den messianischen Sendungsauftrag betraf.
Hier der Text:
„Um diese Zeit lebte Jesus, ein Mensch voll Weisheit, wenn man ihn überhaupt einen Menschen nennen darf. Er tat nämlich ganz unglaubliche Dinge und war der Lehrer derjenigen Menschen, welche gern die Wahrheit aufnahmen; so zog er viele Juden und viele aus dem Heidentum an sich. Er war der Messias. Auf Anklage der Vornehmen bei uns verurteilte ihn Pilatus zwar zum Kreuzestode; gleichwohl wurden die, welche ihn früher geliebt hatten, auch jetzt ihm nicht untreu. Er erschien ihnen nämlich am dritten Tage wieder lebend, wie gottgesandte Propheten neben tausend anderen wunderbaren Dingen von ihm verkündet hatten. Noch bis jetzt hat das Volk der Christen, die sich nach ihm nennen, nicht aufgehört"
Quelle: Wikipedia

"Diese Stellen spielen in der Christentumsgeschichte seit der Patristik, besonders in der historischen Jesusforschung eine wichtige Rolle als frühe außerchristliche Quelle, die Jesu Existenz bestätigen. Ihre Echtheit ist jedoch umstritten. Während die zweite Erwähnung meist für original gehalten wird, betrachten Historiker die erste als mindestens teilweise von Christen ergänzt oder überarbeitet, seltener auch als komplett gefälscht."
Quelle

Vielleicht wäre die Fälschung gar nicht aufgefallen, wenn die christlichen Fälscher nicht so dick aufgetragen hätten.
So schreibt auch Kubitza:
"Es verwundert nicht, dass spätere Christen eine allerdings ziemlich schlecht gemachte christliche Glosse, das sogenannte Testimonium Flavianum in den Josephustext hineinfälschten."
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sven23
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#2 Re: Testimonium Flavianum

Beitrag von sven23 » Mo 31. Aug 2015, 10:41

Das Testimonium Flavianum kann auf eine Antwort liefern zu historischen Glaubwürdigkeit des NT, die in einem anderen Thread angesprochen wurde.
Ist es vorstellbar, daß man Skrupel hatte, die Texte des NT zu verändern oder zu fälschen, wenn man nicht davor zurückschreckte, außerbiblische Quellen zu fälschen, um die Glaubwürdigkeit des NT zu erhöhen?
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ThomasM
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#3 Re: Testimonium Flavianum

Beitrag von ThomasM » Mo 31. Aug 2015, 17:01

Aus der genannten Quelle:
Wikipedia hat geschrieben: Im Zusammenhang des Wechsels des Prokurators Festus auf Albinus im Jahre 62 schreibt Josephus:
„Ananos nun, der wild und draufgängerisch und von jener den Sadduzäern eigenen Härte in Gerichtsdingen war, hielt den Zeitpunkt für geeignet – Festus war gerade gestorben und Albinus noch unterwegs. Er berief deshalb den Hohen Rat zum Gericht und ließ den Bruder Jesu, des sogenannten Christus, Jakobus mit Namen, sowie einige andere, die er der Gesetzesübertretung beschuldigte, zur Steinigung führen.“

Obwohl die große Mehrheit der Wissenschaftler hier davon ausgeht, dass die Stelle echt ist, gibt es bei einer Minderheit von Wissenschaftlern Zweifel an der Echtheit:
Also gerade diese Stelle, die Jakobus und seine Steinigung erwähnt, wird mehrheitlich als echt anerkannt.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Nicht-Christen, die denselben schaden wollten und keinerlei Respekt vor geschichtlichen Texten hatten, dieselben verfälschten?
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Zeus
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#4 Re: Testimonium Flavianum

Beitrag von Zeus » Mo 31. Aug 2015, 18:13

ThomasM hat geschrieben:Aus der genannten Quelle:
Wikipedia hat geschrieben: Im Zusammenhang des Wechsels des Prokurators Festus auf Albinus im Jahre 62 schreibt Josephus:
„Ananos nun, der wild und draufgängerisch und von jener den Sadduzäern eigenen Härte in Gerichtsdingen war, hielt den Zeitpunkt für geeignet – Festus war gerade gestorben und Albinus noch unterwegs. Er berief deshalb den Hohen Rat zum Gericht und ließ den Bruder Jesu, des sogenannten Christus, Jakobus mit Namen, sowie einige andere, die er der Gesetzesübertretung beschuldigte, zur Steinigung führen.“

Obwohl die große Mehrheit der Wissenschaftler hier davon ausgeht, dass die Stelle echt ist, gibt es bei einer Minderheit von Wissenschaftlern Zweifel an der Echtheit:
Also gerade diese Stelle, die Jakobus und seine Steinigung erwähnt, wird mehrheitlich als echt anerkannt.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Nicht-Christen, die denselben schaden wollten und keinerlei Respekt vor geschichtlichen Texten hatten, dieselben verfälschten?
Tja, lieber ThomasM, das Interessante an dieser mehrheitlich als echt anerkannten Aussage ist, dass der wieder-auferstandene Gottessohn(!) nur am Rande erwähnt wird.
"Josephus erwähnt Jesus nur deshalb, weil er von Jakobus und dessen Hinrichtung berichten will, denn dieser stand offenbar auch bei den orthodoxen Juden in hohem Ansehen. Und was ist mit Jesus? Dieser ist doch auch hingerichtet worden? Josephus scheint sich nicht für ihn zu interessieren – man kann sich auch als Historiker nicht um alles kümmern."( Kubitza - Der Dogmenwahn)
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#5 Re: Testimonium Flavianum

Beitrag von ThomasM » Mo 31. Aug 2015, 20:02

Zeus hat geschrieben: Tja, lieber ThomasM, das Interessante an dieser mehrheitlich als echt anerkannten Aussage ist, dass der wieder-auferstandene Gottessohn(!) nur am Rande erwähnt wird.
Warum wundert dich das? Lies doch einfach einmal die Evangelien.

Jesus war ein Wanderprediger. Wie es sie zu der damaligen Zeit zu Dutzenden gab, Ich vermute sogar, dass das als eigene Berufsgruppe qualifiziert.

Jesus hat im einfachen Volk einiges an Aufmerksamkeit ausgelöst und unter der religiösen Elite einiges an Empörung. Auch nichts Ungewöhnliches. Gerade die römischen Besatzer kümmerten sich um solche innerjüdischen Zwistigkeiten einen Dreck.

Jesus hat sich aktiv gegen das Bild des Messias als politischen Befreier gewandt. Damit war er für die Besatzungsmacht uninteressant, eher der Typ harmloser Spinner.

Selbst seine Hinrichtung war vermutlich nur eine von vielen, gerade wenn es um die Vorwürfe der Aufruhr ging. Siehe die beiden anderen, die zusammen mit Jesus gekreuzigt wurden.

Es gab im Leben von Jesus schlicht nichts, was ein Historiker für Wert erachten würde, aufzuschreiben, wenn er nicht gerade von Jesus so beeindruckt war, dass er Christ wurde, wie z.B. ein Arzt namens Lukas.

Erst als sich das Christentum zu einer Bewegung entwickelt hatte, dass es politischen Einfluss gewann, war dies eine Sache für Historiker.
Oder meinst du, dass in zukünftigen Geschichtsbüchern ein Forist namens Zeus einmal Erwähnung finden wird?
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Zeus
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#6 Re: Testimonium Flavianum

Beitrag von Zeus » Mo 31. Aug 2015, 23:19

ThomasM hat geschrieben: Jesus war ein Wanderprediger. Wie es sie zu der damaligen Zeit zu Dutzenden gab,
:thumbup: Nicht mehr und nicht weniger.
Meine Rede deit '45
ThomasM hat geschrieben:Oder meinst du, dass in zukünftigen Geschichtsbüchern ein Forist namens Zeus einmal Erwähnung finden wird?
Wer weiß, vielleicht findet sich auch für mich ein Spinner wie Paulus, der mich zu einem Sohn des griechischen Gottes Zeus hochstilisiert? :grins:
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(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#7 Re: Testimonium Flavianum

Beitrag von ThomasM » Di 1. Sep 2015, 11:12

Zeus hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben: Jesus war ein Wanderprediger. Wie es sie zu der damaligen Zeit zu Dutzenden gab,
:thumbup: Nicht mehr und nicht weniger.
Erst einmal Fakt.
Über das mehr oder weniger sind wir durchaus geteilter Meinung :angel:
Zeus hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Oder meinst du, dass in zukünftigen Geschichtsbüchern ein Forist namens Zeus einmal Erwähnung finden wird?
Wer weiß, vielleicht findet sich auch für mich ein Spinner wie Paulus, der mich zu einem Sohn des griechischen Gottes Zeus hochstilisiert? :grins:
Mhhh, dann müsstest du erst einmal Anhänger sammeln, die dieser Zaulus verfolgen kann, dann musst du Zaulus auf der Reise begegnen, ihn vom Pferd werfen, in ansprechen, ohne dass du von anderen gesehen wirst und ihn nach drei Tagen Blindheit wieder kurieren.
Meinst du, du bekommst das hin?
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sven23
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#8 Re: Testimonium Flavianum

Beitrag von sven23 » Sa 5. Sep 2015, 07:52

ThomasM hat geschrieben: Also gerade diese Stelle, die Jakobus und seine Steinigung erwähnt, wird mehrheitlich als echt anerkannt.


Richtig, diese Stelle aus dem Buch XX, 9.1 wird mehrheitlich als echt angesehen.
Der gefälschte Text steht im Buch XVIII 3,3. Eine "schlecht gemachte, christliche Closse", wie Kubitza schreibt.

ThomasM hat geschrieben: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Nicht-Christen, die denselben schaden wollten und keinerlei Respekt vor geschichtlichen Texten hatten, dieselben verfälschten?
Tendiert gegen null.
Die Kritiker sahen sich doch längst durch die nicht eingetretene Wiederkunft bestätigt. Warum sollten sie dann noch Texte fälschen?
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#9 Re: Testimonium Flavianum

Beitrag von michaelit » Fr 6. Nov 2015, 18:31

Tendiert gegen null.
Die Kritiker sahen sich doch längst durch die nicht eingetretene Wiederkunft bestätigt. Warum sollten sie dann noch Texte fälschen?

Laut der präteristischen Interpretation von Bibel und Geschichte ist diese Wiederkunft aber schon eingetreten, und zwar genau um 70 AD als die Römer Jerusalem eroberten und zerstörten. Genauso hat Jesus ja auch im Vornherein seine Wiederkunft in der Bibel beschrieben. Sie war nicht weltweit gedacht sondern als vorläufiger Schlußpunkt der jüdischen Geschichte als ein Volks- und Staatswesen in Palästina.

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#10 Re: Testimonium Flavianum

Beitrag von sven23 » Fr 6. Nov 2015, 20:53

michaelit hat geschrieben: Laut der präteristischen Interpretation von Bibel und Geschichte ist diese Wiederkunft aber schon eingetreten, und zwar genau um 70 AD als die Römer Jerusalem eroberten und zerstörten. Genauso hat Jesus ja auch im Vornherein seine Wiederkunft in der Bibel beschrieben. Sie war nicht weltweit gedacht sondern als vorläufiger Schlußpunkt der jüdischen Geschichte als ein Volks- und Staatswesen in Palästina.
Dann muß man auch erklären, warum der unbekannte Schreiber, den man Johannes nannte, ca. 100 n. Chr. noch ein Evangelium schreiben mußte, das die Wiederkunft Jesu in Aussicht stellte, und zwar recht bald.

"Dass Jesus nicht mit einer sehr baldigen Wiederkunft rechnete, zeigen mehrere Äußerungen der Parusierede (Mt 24, 14. 21. 31; Lk 21, 24; vgl. Lk 17, 22; Mt 12, 41),.."
...
Trotz der Ungewissheit des Zeitpunktes der Parusie rechnete die urchristliche Zeit doch stark mit der Wahrscheinlichkeit ihres baldigen Eintritts. Vgl. Phil 4, 5; Hebr 10, 37; Jak 5, 8; 1 Petr 4, 7; 1 Jo 2, 18. Ein Zeugnis des sehnlichen Verlangens nach der Parusie ist der aramäische Gebetsruf Marana tha = Unser Herr, komm! (1 Kor 16,22; Didach 10, 6.) Vgl. Apk 22, 20: „Komm, Herr Jesus!“

Quelle: Kathpedia
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