Alles Teufelszeug?

closs
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#1971 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Di 8. Mär 2016, 21:11

Thaddäus hat geschrieben: Ist diese Interpretation korrekt, dann stellt Sophokles König Ödipus eine Tragödie in der Übergangsphase der griechischen Geistesgeschichte weg vom Mythos und hin zum Logos dar.
Super gesehen. :thumbup: - Lies mal Aschylos vorher und Euripides danach - ersterer würde nie den Mythos in Frage stellen, letzterer macht sich sogar darüber lustig.

Auch ein Blick auf Goethe lohnt sich hier - man schaue auf "Prometheus" und "Ganymed" (sind ganz kurze, aus gutem Grund unmittelbar aufeinander folgende Stücke) - hier wird dieser Grat genauso deutlich.

Im Grunde geht es immer auch um die Frage nach Tyche und Nemesis. - Der Barock (egal ob Gryphius oder Corneille) glaubt an die Nemesis (Mensch bewährt sich und wird vom Schicksal belohnt) oder die Tyche (Scheißegal, was der Mensch macht - es trifft ihn oder nicht).

Frage nach "Verantwortung" ist immer "barock" (Nemesis):
* Was hat Ödipus falsch gemacht?
* Warum suchen Hiobs Freunde nach Gründen für Hiobs Leid?

Frage nach dem Phänomen ("Wen hat's getroffen? Aha, den da." ist immer "romantisch" (Tyche) - vgl. Kleist. - Aber auch Shakespeare, der eigentlich nicht in den Barock passt ("Foul is fair"):
* Schicksal als Blindes
* Das Kreuz

Bei Sophokles wäre die Frage, ob er pro domo Aufklärung = Nemesis argumentiert oder pro "blindes Schicksal" ("Teresias hat IMMER recht, was suchst Du, Ödipus, eigentlich noch rum? - Es ist doch wurscht, ob Du es verstehst oder beurteilst"). - Klassik ist immer der verzweifelte Versuch, Autonomie und Heteronomie als Gleiches zu verstehen - so als könne der Mensch das autonom tun, was heteronom von ihm gefordert wird. - Oje, ich hör ja schon auf. :lol:

Bevor jetzt Kritik kommt:
Dies ist ein unzureichend kurzer Versuch, um etwas viel Umfassenderes der Spur nach deutlich zu machen. - Wer stolpert, möge diese Zeilen als ungeschrieben verstehen.

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Savonlinna
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#1972 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Di 8. Mär 2016, 21:31

closs hat geschrieben: Bevor jetzt Kritik kommt:
Dies ist ein unzureichend kurzer Versuch, um etwas viel Umfassenderes der Spur nach deutlich zu machen. - Wer stolpert, möge diese Zeilen als ungeschrieben verstehen.
Wenn die Details nicht stimmen, das Konkrete nicht wahrgenommen wird, kann auch das Umfassende nicht stimmen.

closs
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#1973 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Di 8. Mär 2016, 21:41

Savonlinna hat geschrieben:Wenn die Details nicht stimmen, das Konkrete nicht wahrgenommen wird, kann auch das Umfassende nicht stimmen.
Das Konkrete ist immer Ausdruck des Allgemeinen. - Falls Du bessere konkrete Beispiele für meine allgemeinen Aússagen kennst, um so besser.

SilverBullet
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#1974 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von SilverBullet » Di 8. Mär 2016, 21:55

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Neugeborene gehen keinerlei Vereinbarungen ein
Vereinbarungen können auch unbewusst sein. - Ich könnte auch sagen: Ob ein Tier oder ein Baby auf Reiz-Reaktions-Mechanismen abgehen, die "wirklich" oder vorgestellt sind, ist egal. - Hier zählt die Wirksamkeit - it works.
„Vereinbarungen“ hört sich nach Wahlmöglichkeit an, wobei man bei Neugeborenen nicht annehmen sollte, dass sie derartige Hintergründe begreifen können, wo sie doch den Überblick erst aufbauen müssen.

In diesem Fall ist „Festlegung“ der bessere Begriff.
=> keine Wahlmöglichkeit
=> kein freier Wille bei der Wirklichkeitsidentifikation (was dem christlichen Weltbild nicht gefallen wird)

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:vorbestimmten Mechanismen
Du unterschlägst in Deinem naturalistischen Denken nach wie vor, dass es auch geistig vorbestimmte Mechanismen geben kann.
Nein, kein "naturalistischen Denken", sondern nur Beobachtung der Wahrnehmung. Das kannst du bei dir genauso feststellen.

Wie du „eindrucksvoll“ beweist, gibt es in Sachen „Geist“, noch nicht einmal irgendwelche Details.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:„Orchester“ muss nicht benannt werden, es wird phänomenal erlebt.
Gott von Gläubigen doch ebenfalls.
Zitat-closs: „ Nicht direkt - "Geist" macht sich nur über Offenbarung wahrnehmbar.

=> Es findet keinerlei Kontakt zu (der Anfangsfrage) „Gott“ statt.

„Unterscheidung der Geister“:
Die Wahrnehmung interpretiert die eigenen Gedanken entsprechend der religiösen Suggestion.

=> Es findet keinerlei Kontakt zu (der Anfangsfrage) „Gott“ statt.

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Savonlinna
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#1975 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Di 8. Mär 2016, 22:14

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wenn die Details nicht stimmen, das Konkrete nicht wahrgenommen wird, kann auch das Umfassende nicht stimmen.
Das Konkrete ist immer Ausdruck des Allgemeinen.
Machtmenschen reden so, ja.

Der Machtmensch will definieren, was das Allgemeine ist und will dafür sorgen, dass ales Konkrete nur aus seiner Defintion folgen darf.
Der Rest des Konkreten, der sich dieser Definition nicht beugt oder in ihr nicht enthalten ist, darf der Machtinteressierte eliminieren.

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#1976 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Di 8. Mär 2016, 22:24

Savonlinna hat geschrieben:Machtmenschen reden so, ja.
Auf diese Verbindung würde ich nie kommen. - Für mich ist das Allgemeine das, was Plato mit "Idee" meint - objektive metaphysische Realität.

Savonlinna hat geschrieben:Der Machtmensch will definieren, was das Allgemeine ist und will dafür sorgen, dass ales Konkrete nur aus seiner Defintion folgen darf.
Natürlich gibt es das - aber das ist doch philosophish nicht damit gemeint. - Meinst Du, man könne INDUKTIV zu allgemeinen Aussagen kommen ("Ideen")?

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#1977 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Di 8. Mär 2016, 22:30

SilverBullet hat geschrieben:„Vereinbarungen“ hört sich nach Wahlmöglichkeit an
Ist nicht so gemeint.

SilverBullet hat geschrieben:In diesem Fall ist „Festlegung“ der bessere Begriff.
Pragmatisch ja - ich "lege" ebenfalls "fest", dass meine Umgebung "echt" ist - bevor ich darüber nachdenken konnte, musste ich es nicht, weil diese Festlegung "da" war. - So wie auch Geistiges "da" ist.

SilverBullet hat geschrieben: kein "naturalistischen Denken", sondern nur Beobachtung der Wahrnehmung.
Meinetwegen - aber man beobachtet doch auch geistige Dinge (nur viele nennen oder erkennen es halt nicht als geistig).

SilverBullet hat geschrieben:Es findet keinerlei Kontakt zu (der Anfangsfrage) „Gott“ statt.
Nur zu seinen "Offenbarungen" = bsp. Natur. - Das Problem ist ein ganz anderes: Wenn man materialistisch qualifiziert, kommt man nicht auf die Idee, auch geistig zu qualifizieren.

Wir sprechen von derselben Realität - aber Du bewertest weltanschauungs-bedingt anders.

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#1978 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Di 8. Mär 2016, 23:11

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Machtmenschen reden so, ja.
Auf diese Verbindung würde ich nie kommen. - Für mich ist das Allgemeine das, was Plato mit "Idee" meint - objektive metaphysische Realität.
Du hast nicht Plato wiedergegeben, sondern Dein Denken.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Der Machtmensch will definieren, was das Allgemeine ist und will dafür sorgen, dass ales Konkrete nur aus seiner Defintion folgen darf.
Natürlich gibt es das - aber das ist doch philosophish nicht damit gemeint.
"Das Philosophische" würde ja auch nie so reden wie Du. :)
Ich spreche hier Dich an, weil Du das geschrieben hast, und doch offenbar in eigenem Namen.

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#1979 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Di 8. Mär 2016, 23:40

Savonlinna hat geschrieben:Du hast nicht Plato wiedergegeben, sondern Dein Denken.
Gottseidank habe ich was gefunden (kommt selten vor) - wik:

"Ideenlehre ist die neuzeitliche Bezeichnung für die auf Platon (428/427–348/347 v. Chr.) zurückgehende philosophische Konzeption, der zufolge Ideen als eigenständige, dem Bereich der sinnlich wahrnehmbaren Objekte ontologisch übergeordnete Entitäten existieren. ... Nach der Ideenlehre sind die Ideen nicht bloße Vorstellungen im menschlichen Geist, sondern eine objektive metaphysische Realität".

Danke Plato - das ist exakt, was ich auch meine.

Savonlinna hat geschrieben:Ich spreche hier Dich an, weil Du das geschrieben hast, und doch offenbar in eigenem Namen.
Ja - natürlich. - Aber es gibt echte Größen, die das besser können - das, was ich meine, ist überhaupt nicht neu, sondern nur (oft) vergessen. - Echte Philosophie erfindet man nicht, sondern findet sie.

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#1980 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Di 8. Mär 2016, 23:54

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Du hast nicht Plato wiedergegeben, sondern Dein Denken.
Gottseidank habe ich was gefunden (kommt selten vor) - wik:

"Ideenlehre ist die neuzeitliche Bezeichnung für die auf Platon (428/427–348/347 v. Chr.) zurückgehende philosophische Konzeption, der zufolge Ideen als eigenständige, dem Bereich der sinnlich wahrnehmbaren Objekte ontologisch übergeordnete Entitäten existieren. ... Nach der Ideenlehre sind die Ideen nicht bloße Vorstellungen im menschlichen Geist, sondern eine objektive metaphysische Realität".

Danke Plato - das ist exakt, was ich auch meine.
Klar verstehen heute viele Plato so, wie man ihn schon im Mittelalter rezipiert - und missverstanden - hat.
Alles, was ich je von Dir bezüglich Allgemeinem gelesen habe, ist Plato ganz konträr.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich spreche hier Dich an, weil Du das geschrieben hast, und doch offenbar in eigenem Namen.
Ja - natürlich. - Aber es gibt echte Größen, die das besser können - das, was ich meine, ist überhaupt nicht neu, sondern nur (oft) vergessen. - Echte Philosophie erfindet man nicht, sondern findet sie.
Diese Antwort hätte ich selber schreiben können - Du bringst sie immer in diesem Fall.
Und immer demagogisch.
Denn da Du diese Größen ja immer so deutest, als würden sie Deine Meinung haben, kannst Du unterstellen, dass diese Großen so wie Du denken.

Wie auch immer:
Du weigerst Dich, aus dem Konkreten Ableitungen zu machen - etwas, was Plato nie tun würde -, sondern willst selber, als closs, bestimmen, was konkret zu sein hat.
Das ist Machtdenken.

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