#1 Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit?
Verfasst: Sa 13. Feb 2016, 16:09
Religionen mit Absolutheitsanspruch waren immer in der Gefahr- oder sind es heute noch- zu glauben, im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein. Gerade monotheistische Religionen fallen da besonders auf. Das hatte für Andersgläubige oft fatale Folgen.
"Der Wahrheitswahn ist so etwas wie ein „notwendiger Geburtsfehler“ von Religionen. Notwendig
deshalb, weil Religionen sich auf göttliche Offenbarung berufen, und damit gezwungenermaßen
Wahrheit für sich reklamieren müssen. Doch das Elend der Religionen ist die Vielzahl der Götter in
Verbindung mit der kindischen Rechthaberei, nur man selbst habe die wahre Religion, die wahre
Offenbarung. Auch das Christentum ist von Beginn an mit dem Anspruch aufgetreten, die einzige und
wahre Religion zu sein. Schon das Judentum hat diesen Anspruch für seinen Glauben verfochten.
Auch wenn dessen Monotheismus sich im Wesentlichen erst in nachexilischer Zeit herausgebildet hat,
wurde der Kampf Jahwes gegen die fremden Götter bald in frühere Zeiten, ja bis weit in die
vorstaatliche Zeit zurückdatiert. Jahwe kämpft gegen die fremden Götter, seine Propheten verkünden
den einzigen Gott, der einen zentralen Kult im Tempel von Jerusalem verlangt. Eine
Geschichtskonstruktion. Propheten und Priester anderer Religionen werden bekämpft und getötet,
sofern man die Macht dazu hat, wie in der Elia-Geschichte erzählt (1. Kön 18). Die Götter anderer
Religionen werden als „Nichtse“ (Jer 10,3) bezeichnet."
...
Jesus war gläubiger Jude und wollte keine neue Religion gründen. Seine ersten judenchristlichen
Anhänger hielten sich an die Thora und die Beschneidung und nahmen am Synagogengottesdienst teil.
Nachdem sie aber von einer jüdischen Sekte zu einer eigenen Religion mutiert war, verstand sich die
christliche Kirche als das wahre Israel und vertrat nun ihrerseits einen Absolutheitsanspruch auch
gegenüber ihrer Mutterreligion. An der Haltung zur Person Jesu wurde nun der wahre Glaube
festgemacht. Die neutestamentlichen Schriften lassen daran keinen Zweifel, auch wenn dieser Jesus
noch als besonders begabter Mensch oder als Messias, aber noch lange nicht als Gott verstanden
wurde.
„In keinem anderen ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den
Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden.“ (Apg 4,12)
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch
mich.“ (Joh 14,6)
„Wer da glaubt und getauft wird, der soll selig werden, wer aber nicht glaubt, der soll
verdammt werden.“ (Mk 16,16)
Wenn solche Sätze religiöser Rechthaberei und Überheblichkeit erst einmal den Weg in Heilige
Schriften gefunden haben, braucht man sich über aggressiv auftretende Religionen nicht wundern. Und
anders als das Judentum haben die Christen mit etwas Anlauf sogar die römischen Kaiser auf ihre
Seite ziehen können. Aus dem Wunsch nach Religionsfreiheit, den die junge Kirche gegenüber den
staatlichen Gewalten geltend machte, jedenfalls solange sie selbst noch nicht anerkannt war, wurde
nach der konstantinischen Wende die selbstverständliche Verpflichtung, Andersgläubige zu verfolgen.
Das Wort Jesu aus einem Gleichnis „Nötiget sie, hereinzukommen“ (Lk 14,23) wurde von Augustinus
zur Rechtfertigung von Zwangstaufen und der Unterdrückung Andersgläubiger verwendet. An die
Stelle einer religiös toleranten Antike trat eine Religion mit Wahrheitswahn, die Religionsfreiheit als
Kapitalverbrechen begriff. Judenpogrome und Kreuzzüge sind verständliche Schlussfolgerungen
dieses religiösen Logik."
Also was das frühe Christentum zu Recht beklagte, nämlich die Verfolgung aus Glaubensgründen, praktizierte man umgehend selbst, sobald man nach der konstantinischen Wende die staatliche Autorität hinter sich wußte.
"Der Wahrheitswahn ist so etwas wie ein „notwendiger Geburtsfehler“ von Religionen. Notwendig
deshalb, weil Religionen sich auf göttliche Offenbarung berufen, und damit gezwungenermaßen
Wahrheit für sich reklamieren müssen. Doch das Elend der Religionen ist die Vielzahl der Götter in
Verbindung mit der kindischen Rechthaberei, nur man selbst habe die wahre Religion, die wahre
Offenbarung. Auch das Christentum ist von Beginn an mit dem Anspruch aufgetreten, die einzige und
wahre Religion zu sein. Schon das Judentum hat diesen Anspruch für seinen Glauben verfochten.
Auch wenn dessen Monotheismus sich im Wesentlichen erst in nachexilischer Zeit herausgebildet hat,
wurde der Kampf Jahwes gegen die fremden Götter bald in frühere Zeiten, ja bis weit in die
vorstaatliche Zeit zurückdatiert. Jahwe kämpft gegen die fremden Götter, seine Propheten verkünden
den einzigen Gott, der einen zentralen Kult im Tempel von Jerusalem verlangt. Eine
Geschichtskonstruktion. Propheten und Priester anderer Religionen werden bekämpft und getötet,
sofern man die Macht dazu hat, wie in der Elia-Geschichte erzählt (1. Kön 18). Die Götter anderer
Religionen werden als „Nichtse“ (Jer 10,3) bezeichnet."
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Jesus war gläubiger Jude und wollte keine neue Religion gründen. Seine ersten judenchristlichen
Anhänger hielten sich an die Thora und die Beschneidung und nahmen am Synagogengottesdienst teil.
Nachdem sie aber von einer jüdischen Sekte zu einer eigenen Religion mutiert war, verstand sich die
christliche Kirche als das wahre Israel und vertrat nun ihrerseits einen Absolutheitsanspruch auch
gegenüber ihrer Mutterreligion. An der Haltung zur Person Jesu wurde nun der wahre Glaube
festgemacht. Die neutestamentlichen Schriften lassen daran keinen Zweifel, auch wenn dieser Jesus
noch als besonders begabter Mensch oder als Messias, aber noch lange nicht als Gott verstanden
wurde.
„In keinem anderen ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den
Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden.“ (Apg 4,12)
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch
mich.“ (Joh 14,6)
„Wer da glaubt und getauft wird, der soll selig werden, wer aber nicht glaubt, der soll
verdammt werden.“ (Mk 16,16)
Wenn solche Sätze religiöser Rechthaberei und Überheblichkeit erst einmal den Weg in Heilige
Schriften gefunden haben, braucht man sich über aggressiv auftretende Religionen nicht wundern. Und
anders als das Judentum haben die Christen mit etwas Anlauf sogar die römischen Kaiser auf ihre
Seite ziehen können. Aus dem Wunsch nach Religionsfreiheit, den die junge Kirche gegenüber den
staatlichen Gewalten geltend machte, jedenfalls solange sie selbst noch nicht anerkannt war, wurde
nach der konstantinischen Wende die selbstverständliche Verpflichtung, Andersgläubige zu verfolgen.
Das Wort Jesu aus einem Gleichnis „Nötiget sie, hereinzukommen“ (Lk 14,23) wurde von Augustinus
zur Rechtfertigung von Zwangstaufen und der Unterdrückung Andersgläubiger verwendet. An die
Stelle einer religiös toleranten Antike trat eine Religion mit Wahrheitswahn, die Religionsfreiheit als
Kapitalverbrechen begriff. Judenpogrome und Kreuzzüge sind verständliche Schlussfolgerungen
dieses religiösen Logik."
Also was das frühe Christentum zu Recht beklagte, nämlich die Verfolgung aus Glaubensgründen, praktizierte man umgehend selbst, sobald man nach der konstantinischen Wende die staatliche Autorität hinter sich wußte.