closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Die Welt, wie sie ist, ist das Eine.
Stimmt. - Aber WAS ist sie? - Vorstellung oder "echt"? - Mit Wahrnehmung können wir dies eben NICHT feststellen.
Vor allem solltest du erst einmal akzeptieren, dass dies eine erkenntnistheoretische Frage ist, die nicht im Zentrum von Descartes Untersuchungen steht, sondern nur am Rande und innerhalb seines methodischen Zweifelns auftaucht.
Was wir über die Welt unserer
sinnlichen Erfahrung überhaupt wissen können, diese Frage wird erst von Kant in seiner
Kritik der reinen Vernunft ausführlich durchdacht und behandelt und zieht sich als Fragestellung bis in die neueste Philosophie, z.B. in Hilary Putnams
brain in a vat-Gedankenexperiment.
Kants Ergebnis ist übrigens, dass es etwas jenseits unserer Sinne geben MUSS, welches unsere Sinne affiziert, also auf sie kausal einwirkt. Dieses rohe und ganz und gar unspezifzierbare Material wird erst durch die Kategorien unseres Verstandes und die Urteile unserer Vernunft zu
Etwas. Zu was es wird, sind die
Erscheinungen der Dinge, die wir wahrnehmen (so sehen wir z.B. zwar Farben, aber naturwissenschaftlich sind die Objekte selbst nicht farbig). Wir können überhaupt immer nur die
Erscheinungen der Dinge erkennen, nie aber das
Ding an sich. Über das Ding an sich können wir lediglich aussagen, dass es existieren muss, weil es etwas kausal Auslösendes geben muss, das unsere Sinne affiziert. Wir können aber nicht einmal feststellen, ob es Ding
e an sich sind, also mehrere oder tatsächlich nur ein fortwährender Strom kausaler Auslöser unserer Sinnesaktivität, das als "Ding" zu bezeichnen eigentlich schon falsch ist, weil auch die Unterscheidung dieses Stroms kausaler Auslöser in Einzeldinge eine Leistung unseres Verstandes, also des Subjekts ist.
Und Putnam beweist in einem komplizierten sprachlogischen Beweis, dass wir nicht lediglich Gehirne in einem Tank sein
können, denen die Welt nur als Simulation vorgegaukelt wird.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben: Dadurch, dass Descartes die Welt nicht ontologisch infrage stellt, sondern per methodischen Zweifel unser Wissen über die Welt, wird die Welt nicht zum fundamentum inconcussum.
Wenn man etwas NICHT ontologisch in Frage stellt, also nicht anzweifelt, ist es doch zweifel-los existent - oder nicht?
Wenn ich nicht anzweifle, dass es gerade regnet, dann gehe ich davon aus, dass es gerade tatsächlich regnet. Deshalb wird das augenblickliche Regnen aber nicht zur festen Basis aller meiner Überlegungen, worin ich mich täuschen könnte. Das Cogito wird bei Descartes zum fundamentum inconcussum, weil es am Ende allen methodischen Zweifelns logisch unmittelbar evident ist, dass Der- oder Dasjenige, welches an allem zweifelt, nicht daran zweifeln kann, dass es zweifelt. Das ist ein logischer Beweis.
Descartes setzt auch nicht einfach Gott und dessen Vollkommenheit. Er stellt vielmehr fest, dass wir - offensichtlich - den Begriff eines vollkommenen Wesens bilden können. Descartes spricht in diesem Zusammenhang von der Idee (idea) eines vollkommenen Wesens, die er für angeboren hält (idea innata). Zum Begriff/Idee der Vollkommenheit gehört zwingend logisch, dass ein Wesen nicht vollkommen sein kann, wenn es irgendeine Eigenschaft aufweist, die nicht-vollkommen ist. Zu diesen vollkommen sein müssenden Eigenschaften gehört, wiederum logisch - die Moralität. Ein Wesen, welches in moralischer Hinsicht nicht vollkommen ist, ist eben nicht vollkommen. Ein täuschender, also in betrügerischer Absicht agierender Gott (deus mailgnus), kann nicht moralisch vollkommen sein. Ergo kann er nicht dasjenige vollkommene Wesen sein, von dem ich einen Begriff/eine Idee habe bzw. bilden kann. Einfach gesetzt wird in dieser Argumentation gar nichts, auch dann nicht, wenn man sie für falsch hält.
closs hat geschrieben:
Was verstehst denn DU unter "fundamentum inconcussum".
Das steht nicht zur Debatte. Es geht darum, was Descartes als fundamentum inconcussum nachweist.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Descartes ist Rationalist, der davon überzeugt ist, dass man allein durch Nachdenken sehr viel über die natürliche Welt herausfinden kann, ganz unabhänging von allen sinnlichen Erfahrungen.
Ja - das macht ihn ja philosophisch so attraktiv - seine ontologischen (!) Gedanken betrachte ich als nach wie vor un-widerlegt, ja sogar unwiderlegbar.
Der ontologische Grundgedanke Descartes ist, die Welt in res cogitans und res extensa aufzuteilen, die substanziell nichts miteinander zu tun haben. Diese strenge ontologische Unterscheidung wird heute allgemein als katastrophaler ontologischer Fehler eingeschätzt.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Offenbar ist dir der Unterschied zwischen "etwas durch Argumente beweisen" und "etwas begründungslos setzen" nicht geläufig.
Sei nicht schon wieder arrogant.
Das ist nicht arrogant, sondern ein kritischer Hinweis auf deine Vorgehensweise. Du setzt permanent willkürlich irgendwelche vagen Annahmen ohne sie weiter zu begründen. Descartes und alle Philosophen, die es Wert sind, so bezeichnet zu werden, tun das gerade nicht, und wenn sie etwas begründungslos setzen müssen, weisen sie explizit darauf hin und achten darauf, dass das, was sie setzen, logisch so unmittelbar einleuchtend und evident wie möglich ist.
closs hat geschrieben:
Natürlich setzt Descartes Gott als Vollkommenens, weil er nur damit argumentativ zu seiner Aussage des "wohlwollenden Gottes" kommen kann.
Nein. Warum Nein, habe ich oben ausgeführt.
closs hat geschrieben:
Beweise sind nur durch Setzungen möglich (Voraus-Setzung - Behauptung - Beweis) - oder hat sich auch da was in den letzten Jahrzehnten geändert?
In der Philosophie, Mathematik und Logik werden praktisch ausschließlich logisch unmittelbar evidente Aussagen gesetzt, wie z.B. der Satz der Identität oder der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch. Alles, was hierüber hinausgeht, wird stets mit möglichst plausiblen Argumenten begründet.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben: Deshalb ist Descartes Philosoph, du aber nicht.
Sei nicht schon wieder arrogant. - Und Du bist eine Philosophie-Wissenschaftlerin, aber keine Philosophin.
Immerhin ...
closs hat geschrieben:
Natürlich Setzt Descartes Gott - wie könnte er ihn sonst zu beweisen suchen?
Nein, denn eine Setzung und eine Annahme sind nicht dasselbe. Eine Setzung wird nicht weiter begründet, deshalb sollte sie auch unmittelbar logisch einleuchtend, also evident, sein. Eine Annahme, die immer den Chrakter der Vorläufigkeit hat, wird durch eine möglichst überzeugende argumentative Begründung gestützt, die Annahme damit also als berechtigt wahrscheinlich gemacht oder gar im strengen Sinne bewiesen (so z.B. die theoretische Annahme Wolfgang Paulis, es müsse Neutrinos geben, was schließlich empirisch auch bewiesen wurde. Oder die Annahme, dass ein mathematischer Beweis für ein bestimmtes mathematischen Problem möglich ist, was dann auch bewiesen wird oder eben nicht bewiesen werden kann.) Eine Annahme muss also bestätigt werden.
closs hat geschrieben:
Und nach wie vor habe ich den Verdacht, dass die moderne Philosophie mit "echter" Ontologie nichts zu tun haben will, weil sie derart ver-materialisiert ist, dass sie wähnt, sie arbeite ohne Setzungen - da kann man ontologische Sachen nicht gebrauchen.
Diese Aussage bedeutet in Wahrheit, dass du frustriert darüber bist, dass die Philosophie deine Überzeugungen nicht bestätigt.