Alles Teufelszeug? IX

closs
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#951 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Sa 2. Jun 2018, 08:40

sven23 hat geschrieben:Es zeigt aber auch, dass Ratzinger schon 1993 eine wissenschaftliche Methode mit Glaubensbekenntnissen verunstalten wollte.
Das ist wertend formuliert - sieh es doch nüchterner:
Soll Exegese im Sinne von Apg. 8,30 interpretieren können? - Ratzinger meint wohl ja und muss dann logischerweise die bisherige HKE erweitern.

Persönlich finde ich diese Idee NICHT gut, verstehe sie aber. - Nicht gut finde ich sie, weil man aus meiner Sicht Exegese und Hermeneutik trennen sollte - nicht nur, weil wir es so gelernt haben, sondern weil es Sinn macht, neutrale, für jeden zustimmungsfähigen Aussagen von weltanschaulich deutenden Aussagen zu trennen. Das tut aber keiner - auch die HKE nicht.

Und WEIL sie es nicht tut, muss man gegensteuern - allerdings ersetzt Ratzinger mit seinem Vorschlag den Teufel mit dem Beelzebub. - Richtiger aus meiner Sicht wäre gewesen, dass er die HKE ins apriorifreie Feld zurückweist (also Aussagen wie "Jesus HATTE eine Naherwartung in Deinem Sinne" prinzipiell zurückweist, weil dies keine Aussage über Textverfasser ist.

ODER man sagt einvernehmlich: " Wir sind beide hermeneutische Exegesen" - aber das zerstört das Geschäftsmodell der HKE, gleichzeitig apriorifrei und hermeneutisch sein zu wollen. - Es ist in der Tat verzwickt.

sven23 hat geschrieben:Nein, das muss überhaupt niemand anschließen
Natürlich muss man das, wenn man das Feld der Verfasser verlassen will und theologisch in Bezug auf die Wirklichkeit Jesu interpretiert.

sven23 hat geschrieben:Es ist doch bereits definiert.

Die Geschichtswissenschaft ist eine Kultur- bzw. Geisteswissenschaft, die sich mit der Geschichte von Menschen und menschlichen Gemeinschaften beschäftigt,...
Quelle: Wikipedia
Das klärt das Problem nicht, WAS man dort unter "Wissenschaft" subsummiert.

sven23 hat geschrieben:Fakt ist, dass Paulus seine Lehre verändert hat.
Das ist kein "Fakt", sondern eine "Wertung". - Die Wertung der Theologie ist, dass Paulus im Sinne Jesu in eigener Sprache und Erkenntnis lehrt. - Wenn etwas anders formuliert ist oder aus anderer Perspektive darstellt, ist damit nicht gesagt, dass es der Lehre Jesu widerspricht.

Was Du im Grunde sagst, ist: "Aus UNSERER hermeneutischen Interpretation der Lehre Jesu stimmt Paulus nicht damit überein".
Das stimmt - aber es ist eine hardcore hermeneutische Aussage.

sven23 hat geschrieben:Die Allerweltsfloskel: Verstehst du auch, was du liest? läßt sich im Grund auf alle Texte anwenden.
Selbstverständlich - so ist es doch gemeint. - Im Grunde bedeutet dieser Satz: "Deutest Du eigentlich in richtiger Hermeneutik?"

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sven23
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#952 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Sa 2. Jun 2018, 11:54

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es zeigt aber auch, dass Ratzinger schon 1993 eine wissenschaftliche Methode mit Glaubensbekenntnissen verunstalten wollte.
Das ist wertend formuliert - sieh es doch nüchterner:
Soll Exegese im Sinne von Apg. 8,30 interpretieren können? - Ratzinger meint wohl ja und muss dann logischerweise die bisherige HKE erweitern.
Ratzinger ist Gaubensideologe und kein Wissenschaftler. Gerade im Sinn Apg.8,30 ist die historisch-kritische Methode unverzichtbar, denn nur so läßt sich die Verfasserintention ermitteln. Wer waren die Schreiber, wer die Adressaten, welche theologischen Motive verfolgten die Schreiber usw. Das ist (siehe Theißen) für die hermeneutische Reflexion und das Textverständnis unverzichtbar.
Kanoniker interessieren sich nicht dafür, sondern ausschließlich für die Umdeutung, die spätere Generationen vorgenommen haben. Salopp gesagt: sie belegen mit ihrer hermeneutischen Spirale, dass Jesus im Grunde Vegetarier war. :lol:


closs hat geschrieben: ODER man sagt einvernehmlich: " Wir sind beide hermeneutische Exegesen" - aber das zerstört das Geschäftsmodell der HKE, gleichzeitig apriorifrei und hermeneutisch sein zu wollen. - Es ist in der Tat verzwickt.
Nein, es ist im Grunde ganz einfach. Auf Grund der völlig unterschiedlichen Herangehensweisen hat man zwangläufig den Graben zwischen Forschung und Lehre, zwischen Wissenschaft und Glaubensdogmatik. (siehe S.Hagl)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, das muss überhaupt niemand anschließen
Natürlich muss man das, wenn man das Feld der Verfasser verlassen will und theologisch in Bezug auf die Wirklichkeit Jesu interpretiert.
Das ist ein potemkinsches Dorf, das sich vor allem die Glaubensideologen zusammen basteln.
Die Forschung hält sich an die Text, die das "Maß aller Dinge" sind, wie Theißen sagt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist doch bereits definiert.
Die Geschichtswissenschaft ist eine Kultur- bzw. Geisteswissenschaft, die sich mit der Geschichte von Menschen und menschlichen Gemeinschaften beschäftigt,...
Quelle: Wikipedia
Das klärt das Problem nicht, WAS man dort unter "Wissenschaft" subsummiert.
Wo soll das ein Problem sein? :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Fakt ist, dass Paulus seine Lehre verändert hat.
Das ist kein "Fakt", sondern eine "Wertung". -
Nein, es ist eine Bewertung, und zwar eine völlig korrekte.
Paulus hat Jesus nie gekannt und hat sich nicht für den irdischen Jesus interessiert. Der tote Jesus diente ihm als Träger für seine eigene Theologie.
Der hingerichtete Wanderprediger war sogar die Idealbesetzung, weil er sich nicht mehr wehren konnte.

closs hat geschrieben: Die Wertung der Theologie ist, dass Paulus im Sinne Jesu in eigener Sprache und Erkenntnis lehrt.
Dazu sind wieder Glaubensbekenntnisse notwendig. Die Quellen geben das nicht her.

closs hat geschrieben: - Wenn etwas anders formuliert ist oder aus anderer Perspektive darstellt, ist damit nicht gesagt, dass es der Lehre Jesu widerspricht.
Definitiv gibt es vieles in Pauli Lehre, was der Lehre Jesu widerspricht. Die Quellen sind da ziemlich eindeutig.

closs hat geschrieben: Was Du im Grunde sagst, ist: "Aus UNSERER hermeneutischen Interpretation der Lehre Jesu stimmt Paulus nicht damit überein".
Das stimmt - aber es ist eine hardcore hermeneutische Aussage.
Ach was, das kann sogar ein Blinder mit einem Krückstock sehen. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Allerweltsfloskel: Verstehst du auch, was du liest? läßt sich im Grund auf alle Texte anwenden.
Selbstverständlich - so ist es doch gemeint. - Im Grunde bedeutet dieser Satz: "Deutest Du eigentlich in richtiger Hermeneutik?"
Und das geht eben nur historisch-kritisch, weil hier die ursprüngliche Verfasserintention maßgebend ist.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#953 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Sa 2. Jun 2018, 15:29

sven23 hat geschrieben:Ratzinger ist Gaubensideologe und kein Wissenschaftler.
Schlicht falsch. - Er ist Wissenschaftler und gläubig.

sven23 hat geschrieben:Gerade im Sinn Apg.8,30 ist die historisch-kritische Methode unverzichtbar
Komplett falsch, wenn man Deine Vorstellung von HKE zugrundelegt.

sven23 hat geschrieben:denn nur so läßt sich die Verfasserintention ermitteln.
Darum geht es dort gerade NICHT - dort geht es darum, was ein Text geistig bedeutet, und nicht, was ein Verfasser gemeint hat. - Im besten Fall koinzidiert beides.

sven23 hat geschrieben:Kanoniker interessieren sich nicht dafür, sondern ausschließlich für die Umdeutung, die spätere Generationen vorgenommen haben.
Kanoniker interessieren sich für Apg. 8,30 und nur sekundär für die Verfasser - deshalb integrieren sie spätere geistige Interpretationen.

sven23 hat geschrieben:Die Forschung hält sich an die Text, die das "Maß aller Dinge" sind, wie Theißen sagt.
DAS wiederum ist richtig - es geht um den Umgang damit.

sven23 hat geschrieben:Wo soll das ein Problem sein?
Die Wissenschafts-Philosophie beschränkt sich nicht auf Dein naturwissenschaftlich abegeleitetes Wissenschafts-Verständnis.

sven23 hat geschrieben:Nein, es ist eine Bewertung, und zwar eine völlig korrekte.Paulus hat Jesus nie gekannt und hat sich nicht für den irdischen Jesus interessiert. Der tote Jesus diente ihm als Träger für seine eigene Theologie. Der hingerichtete Wanderprediger war sogar die Idealbesetzung, weil er sich nicht mehr wehren konnte.
1) "Wertung" = "hermeneutisch-interpretativ".
2) "Völlig korrekt" = "ideologisch"
Das nichts, aber auch gar nichts mit Wissenschaft zu tun.

sven23 hat geschrieben:Definitiv gibt es vieles in Pauli Lehre, was der Lehre Jesu widerspricht. Die Quellen sind da ziemlich eindeutig.
Dazu gibt es Expertenaussagen, die sich mit Sicherheit sehr widersprechen.

sven23 hat geschrieben: closs hat geschrieben:

sven23 hat geschrieben:
Die Allerweltsfloskel: Verstehst du auch, was du liest? läßt sich im Grund auf alle Texte anwenden.

Selbstverständlich - so ist es doch gemeint. - Im Grunde bedeutet dieser Satz: "Deutest Du eigentlich in richtiger Hermeneutik?"


Und das geht eben nur historisch-kritisch, weil hier die ursprüngliche Verfasserintention maßgebend ist.
Nein - gerade NICHT. - Es geht bei Apg. 8,30 nicht um den Verfasser, sondern um den geistgen Gehalt seiner Worte. - Wir können gerne mal einen Thread zum AT aufmachen, in dem es um die Frage geht:
"Wie ist die Aussage x aus Sicht
a) Gottes
b) des Verfassers
c) des Akteurs
d) der Rezeption
e) des Übersetzers
f) unserer heutigen Hermeneutik
zu verstehen.

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sven23
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#954 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Sa 2. Jun 2018, 18:30

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ratzinger ist Gaubensideologe und kein Wissenschaftler.
Schlicht falsch. - Er ist Wissenschaftler und gläubig.
Nee, spätestens seit seinem Versuch, Glaubensbekenntniss in die Forschung einzuschleusen, ist er es nicht mehr. Entweder ist man Glaubensdogmatiker oder Wissenschaftler. Beides zusammen geht nicht. Dafür ist er zu Recht gerügt worden.

https://www.bibelwerk.de/sixcms/media.p ... stbuch.pdf

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Gerade im Sinn Apg.8,30 ist die historisch-kritische Methode unverzichtbar
Komplett falsch, wenn man Deine Vorstellung von HKE zugrundelegt.
Nein, komplett richtig, denn zum Textverständnis ist die Verfasserintention unverzichtbar.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:denn nur so läßt sich die Verfasserintention ermitteln.
Darum geht es dort gerade NICHT - dort geht es darum, was ein Text geistig bedeutet, und nicht, was ein Verfasser gemeint hat. - Im besten Fall koinzidiert beides.
Ähm, wieso soll es unwichtig sein, was ein Verfasser gemeint hat? Die Forschung kann nicht wie closs vorgehen, der meint, einen Text besser zu verstehen als der Verfasser selbst. Das ist rein willkürliche Glaubensideologie.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kanoniker interessieren sich nicht dafür, sondern ausschließlich für die Umdeutung, die spätere Generationen vorgenommen haben.
Kanoniker interessieren sich für Apg. 8,30 und nur sekundär für die Verfasser - deshalb integrieren sie spätere geistige Interpretationen.
Eben, es ist das genaue Gegenteil der historische-kritischen Methode,deshalb ist diese die Standardauslegung und nicht die Kanonik.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung hält sich an die Text, die das "Maß aller Dinge" sind, wie Theißen sagt.
DAS wiederum ist richtig - es geht um den Umgang damit.
Eben, und der geht nur historisch-kritisch.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wo soll das ein Problem sein?
Die Wissenschafts-Philosophie beschränkt sich nicht auf Dein naturwissenschaftlich abegeleitetes Wissenschafts-Verständnis.
Wieso mein Verständnis, es ist allgemein gültig.
Und wie du inzwischen weißt, zählt die Geschichtswissenschaft ebenfalls zu den Geisteswissenschaften. Die historisch-kritische Methode findet hier ebenso Anwendung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, es ist eine Bewertung, und zwar eine völlig korrekte.Paulus hat Jesus nie gekannt und hat sich nicht für den irdischen Jesus interessiert. Der tote Jesus diente ihm als Träger für seine eigene Theologie. Der hingerichtete Wanderprediger war sogar die Idealbesetzung, weil er sich nicht mehr wehren konnte.
1) "Wertung" = "hermeneutisch-interpretativ".
2) "Völlig korrekt" = "ideologisch"
Das nichts, aber auch gar nichts mit Wissenschaft zu tun.
Warum? Es sind die Ergebnisse der wissenschafltichen historischen Jesusforschung, vielleicht etwas zugespitzt formuliert, aber in der Sache korrekt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Definitiv gibt es vieles in Pauli Lehre, was der Lehre Jesu widerspricht. Die Quellen sind da ziemlich eindeutig.
Dazu gibt es Expertenaussagen, die sich mit Sicherheit sehr widersprechen.
Sind das ähnliche Experten wie deine Globuli Experten? :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Die Allerweltsfloskel: Verstehst du auch, was du liest? läßt sich im Grund auf alle Texte anwenden.
Selbstverständlich - so ist es doch gemeint. - Im Grunde bedeutet dieser Satz: "Deutest Du eigentlich in richtiger Hermeneutik?"
Und das geht eben nur historisch-kritisch, weil hier die ursprüngliche Verfasserintention maßgebend ist.
Nein - gerade NICHT. - Es geht bei Apg. 8,30 nicht um den Verfasser, sondern um den geistgen Gehalt seiner Worte.
Der "geistige Gehalt" seiner Worte stammt doch vom Verfasser. Was wollte der Verfasser damit sagen, welche Absicht verfolgte er, wer waren seine Adressaten, usw. Darum geht es doch.

closs hat geschrieben: - Wir können gerne mal einen Thread zum AT aufmachen, in dem es um die Frage geht:
"Wie ist die Aussage x aus Sicht
a) Gottes
b) des Verfassers
c) des Akteurs
d) der Rezeption
e) des Übersetzers
f) unserer heutigen Hermeneutik
zu verstehen.
Tja, wer meint, einen Text aus der Sicht Gottes beurteilen zu können, der verläßt die wissenschaftliche Bearbeitung und wechselt in die glaubensideologische Abteilung.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#955 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Sa 2. Jun 2018, 21:32

sven23 hat geschrieben: zum Textverständnis ist die Verfasserintention unverzichtbar.
SO ist es wiederum richtig formuliert: Es ist unverzichtbar, aber nicht entscheidend.

sven23 hat geschrieben: Die Forschung kann nicht wie closs vorgehen, der meint, einen Text besser zu verstehen als der Verfasser selbst.
Es ist gerade die Aufgabe hermeneutischer Wissenschaften, den Verfasser-Horizont über die Zeit zu erweitern und zu interpretieren. - Denn es geht nicht um den Verfasser, sondern letztlich um Jesus.

sven23 hat geschrieben: closs hat geschrieben:

sven23 hat geschrieben:
Die Forschung hält sich an die Text, die das "Maß aller Dinge" sind, wie Theißen sagt.

DAS wiederum ist richtig - es geht um den Umgang damit.


Eben, und der geht nur historisch-kritisch.
Nein - das ist ideologisch und tragisch falsch.

sven23 hat geschrieben:ählt die Geschichtswissenschaft ebenfalls zu den Geisteswissenschaften.
Korrekt - aber das ist Tradition und nichts Neues.

sven23 hat geschrieben: Die historisch-kritische Methode findet hier ebenso Anwendung.
Auch korrekt. - Die HKM bringt sozusagen Erkenntnisse anderer Disziplinen mit rein (ARchäologie, Quellen-Bestimmung, u.U. auch Klimatologie und Meteorologie, sogar Orographie ist denkbar und Geografie sowieso) - deshalb ist sie eine wunderbare Grundlage für die eigentliche geistige Auslegung - egal ob das Bibel oder Goethes "Faus" ist.

sven23 hat geschrieben:Warum? Es sind die Ergebnisse der wissenschafltichen historischen Jesusforschung, vielleicht etwas zugespitzt formuliert, aber in der Sache korrekt.
Es sind Modell-Bestätigungen innerhalb der HKM - mehr nicht.

sven23 hat geschrieben:Der "geistige Gehalt" seiner Worte stammt doch vom Verfasser. Was wollte der Verfasser damit sagen, welche Absicht verfolgte er, wer waren seine Adressaten, usw. Darum geht es doch.
Natürlich - wir wollen doch den Verfasser nicht außen vor lassen. - Aber es gilt AUCH: "Es ist gerade die Aufgabe hermeneutischer Wissenschaften, den Verfasser-Horizont über die Zeit zu erweitern und zu interpretieren. - Denn es geht nicht um den Verfasser, sondern letztlich um Jesus".

sven23 hat geschrieben:Tja, wer meint, einen Text aus der Sicht Gottes beurteilen zu können, der verläßt die wissenschaftliche Bearbeitung und wechselt in die glaubensideologische Abteilung.
Wieder zwei Fehler:
1) Wer hermeneutisch interpretiert, ist nicht ideologisch.
2) Es geht nicht um "Beurteilung dessen, was Gott meint", sondern um den "Versuch des Verstehens dessen, was Gott meint".

Davon abgesehen:
Du sagst im Grunde, dass "Wissenschaft" nur "b)" sei. - Wenn das so ist, kann sie nur Wasserträger innerhalb der Theologie sein.

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#956 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » So 3. Jun 2018, 08:01

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: zum Textverständnis ist die Verfasserintention unverzichtbar.
SO ist es wiederum richtig formuliert: Es ist unverzichtbar, aber nicht entscheidend.
Für die historische Forschung ist sie entscheidend, bzw. für die Verkündigung des Wanderpredigers.
Und sie ist entscheidend, um die Veränderung des Lehre Jesu zu dokumentieren, denn die späteren Verfasser verfolgten andere Absichten als der galiläische Wanderprediger. Auch das wird von der Forschung gut beschrieben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die Forschung kann nicht wie closs vorgehen, der meint, einen Text besser zu verstehen als der Verfasser selbst.
Es ist gerade die Aufgabe hermeneutischer Wissenschaften, den Verfasser-Horizont über die Zeit zu erweitern und zu interpretieren. - Denn es geht nicht um den Verfasser, sondern letztlich um Jesus.
Natürlich, aber der vermutliche Analphabet Jesus hielt es nicht für nötig, etwas schriftlich zu hinterlassen. Wohl wegen der unmittelbar bevorstehenden Zeitenwende. Deshalb geht es nur indirekt über die ältesten Quellen, die noch nicht so stark kontaminiert sind wie spätere Umdeutungen.
Was du meinst, ist Rezeption.

Die Kanonische Exegese fragt nicht nach dem ursprünglichen Sinn der Bibeltexte, sondern nach deren Rezeption (Empfang) in der Glaubensgemeinschaft (dies hat gewisse Verbindung zur Rezeptionsästhetik der Literaturwissenschaft).
Quelle: Wikipedia

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Die Forschung hält sich an die Text, die das "Maß aller Dinge" sind, wie Theißen sagt.
DAS wiederum ist richtig - es geht um den Umgang damit.
Eben, und der geht nur historisch-kritisch.
Nein - das ist ideologisch und tragisch falsch.
Nee, das ist wissenschaftlich. Mit Glaubensbekenntnissen kommt man hier nicht weit.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:ählt die Geschichtswissenschaft ebenfalls zu den Geisteswissenschaften.
Korrekt - aber das ist Tradition und nichts Neues.
Für dich war es doch neu, denn du hast behauptet, die HKM gehöre nicht zu den Geisteswissenschaften. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die historisch-kritische Methode findet hier ebenso Anwendung.
Auch korrekt. - Die HKM bringt sozusagen Erkenntnisse anderer Disziplinen mit rein (ARchäologie, Quellen-Bestimmung, u.U. auch Klimatologie und Meteorologie, sogar Orographie ist denkbar und Geografie sowieso) - deshalb ist sie eine wunderbare Grundlage für die eigentliche geistige Auslegung - egal ob das Bibel oder Goethes "Faus" ist.
Da die historisch-kritische Methode den Sinn der Texte erfasst, benötigt sie keine "geistige" Auslegung, die ihre Ergebnisse nachträglich wieder versaubeutelt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Warum? Es sind die Ergebnisse der wissenschafltichen historischen Jesusforschung, vielleicht etwas zugespitzt formuliert, aber in der Sache korrekt.
Es sind Modell-Bestätigungen innerhalb der HKM - mehr nicht.
Von mir aus auch wissenschaftlich modellierte Ergebnisse, auf jedenfall ohne Kontaminition durch Glaubensbekenntnisse.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der "geistige Gehalt" seiner Worte stammt doch vom Verfasser. Was wollte der Verfasser damit sagen, welche Absicht verfolgte er, wer waren seine Adressaten, usw. Darum geht es doch.
Natürlich - wir wollen doch den Verfasser nicht außen vor lassen. - Aber es gilt AUCH: "Es ist gerade die Aufgabe hermeneutischer Wissenschaften, den Verfasser-Horizont über die Zeit zu erweitern und zu interpretieren. - Denn es geht nicht um den Verfasser, sondern letztlich um Jesus".
Das nennt man Rezeption, siehe oben.
In Bezug auf Jesu Lehre kann man auch von Veränderung oder Verfälschung sprechen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Tja, wer meint, einen Text aus der Sicht Gottes beurteilen zu können, der verläßt die wissenschaftliche Bearbeitung und wechselt in die glaubensideologische Abteilung.
Wieder zwei Fehler:
1) Wer hermeneutisch interpretiert, ist nicht ideologisch.
2) Es geht nicht um "Beurteilung dessen, was Gott meint", sondern um den "Versuch des Verstehens dessen, was Gott meint".
Ähm, das ist dasselbe. Dabei kommen dann eben 42000 Beurteilungen raus.
Da hat es die Forschung einfacher: Sie hält sich an die Quellen, ohne sie ideologisch zu verunstalten.


closs hat geschrieben: Davon abgesehen:
Du sagst im Grunde, dass "Wissenschaft" nur "b)" sei. - Wenn das so ist, kann sie nur Wasserträger innerhalb der Theologie sein.
In der historischen Jesusforschung geht es um den historischen Jesus und seine Verkündigung und nicht daraum, ein kirchlich-dogmatisches Glaubenskonstrukt zu bestätigen.
Das ist Sache der Glaubensideologen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#957 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » So 3. Jun 2018, 09:22

sven23 hat geschrieben:Und sie ist entscheidend, um die Veränderung des Lehre Jesu zu dokumentieren
Nicht "der Lehre" (das klingt schein-faktisch), sondern "der Rezeption".

sven23 hat geschrieben:Die Kanonische Exegese fragt nicht nach dem ursprünglichen Sinn der Bibeltexte, sondern nach deren Rezeption (Empfang) in der Glaubensgemeinschaft (dies hat gewisse Verbindung zur Rezeptionsästhetik der Literaturwissenschaft).Quelle: Wikipedia
Einer dieser Sätze, die Du auch nach mehrfacher Erklärung nicht verstehst.

sven23 hat geschrieben:du hast behauptet, die HKM gehöre nicht zu den Geisteswissenschaften.
:?: Was hast Du da wieder mal entstellt? - Allenfalls kann man sagen, dass die HKM die Peripherie der Geisteswissenschaften abklappert, bevor es in die geistige Verständnisebene geht. - Ich verstehe nicht, was Du da aufgeschnappt hast.

sven23 hat geschrieben:Da die historisch-kritische Methode den Sinn der Texte erfasst, benötigt sie keine "geistige" Auslegung, die ihre Ergebnisse nachträglich wieder versaubeutelt.
"Sie" braucht das nicht - aber derjenige, der den Text verstehen will. - Erneut: HKM ist nicht für geistige Auslegung im Sinne von Apg. 8,30 zuständig - will es gar nicht.

sven23 hat geschrieben:In der historischen Jesusforschung geht es um den historischen Jesus und seine Verkündigung und nicht daraum
... mit einer bestimmten Methodik, die dem wirklichen Jesus gerecht wird oder nicht.

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#958 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » So 3. Jun 2018, 10:40

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und sie ist entscheidend, um die Veränderung des Lehre Jesu zu dokumentieren
Nicht "der Lehre" (das klingt schein-faktisch), sondern "der Rezeption".
Nein, der ursprünglichen Lehre, bzw. seiner Verkündigung.
Es ist doch recht seltsam, wenn gerade diejenigen, die die Bibel als irrtumsfreie und göttlich inspirierte Texte postulieren, ausgerechnet die Stellen, die die Forschung für authentisch hält, als nicht von Jesus stammend bezeichnen. Lindemann weist auf diese Schizophrenie hin.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Kanonische Exegese fragt nicht nach dem ursprünglichen Sinn der Bibeltexte, sondern nach deren Rezeption (Empfang) in der Glaubensgemeinschaft (dies hat gewisse Verbindung zur Rezeptionsästhetik der Literaturwissenschaft).Quelle: Wikipedia
Einer dieser Sätze, die Du auch nach mehrfacher Erklärung nicht verstehst.
Ich denken eher, dass du es bist, der es aus ideologischen Gründen nicht verstehen will.
Kanonik geht hier also genau entgegengesetzt der historisch-kritischen Methode vor, die zum Textverständis als Standardmethode unverzichtbar ist.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:du hast behauptet, die HKM gehöre nicht zu den Geisteswissenschaften.
:?: Was hast Du da wieder mal entstellt? - Allenfalls kann man sagen, dass die HKM die Peripherie der Geisteswissenschaften abklappert, bevor es in die geistige Verständnisebene geht. - Ich verstehe nicht, was Du da aufgeschnappt hast.
Wie wärs mit Salbei-Globuli? Die sollen gegen Gedächtnisverlust helfen. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Da die historisch-kritische Methode den Sinn der Texte erfasst, benötigt sie keine "geistige" Auslegung, die ihre Ergebnisse nachträglich wieder versaubeutelt.
"Sie" braucht das nicht - aber derjenige, der den Text verstehen will. - Erneut: HKM ist nicht für geistige Auslegung im Sinne von Apg. 8,30 zuständig - will es gar nicht.
Nein, du verwechselst Textverständis mit nachträglicher Veränderung, Verfälschung, was man verniedlichend auch als Rezeption bezeichnen kann. Das ist das Hauptfeld der Kanoniker.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:In der historischen Jesusforschung geht es um den historischen Jesus und seine Verkündigung und nicht daraum
... mit einer bestimmten Methodik, die dem wirklichen Jesus gerecht wird oder nicht.
Ja, wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit, wenn man die Quellen zu Grunde legt. Aber was anderes haben wir nun mal nicht.
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#959 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » So 3. Jun 2018, 11:21

sven23 hat geschrieben:Nein, der ursprünglichen Lehre, bzw. seiner Verkündigung.
Falsch - das Ziel der jüngeren Quellen ist im besten (!) Fall das bessere Erkennen der ursprünglichen Lehre - natürlich gibt es auch den schlechteren Fall der Fälschung derselben. - Aber das kann man auf HKE-Ebene nicht klären, weil man keine geistige Grundlage haben WILL, dies beurteilen zu können.

sven23 hat geschrieben:Nein, du verwechselst Textverständis mit nachträglicher Veränderung, Verfälschung, was man verniedlichend auch als Rezeption bezeichnen kann.
Nein - es gibt nicht DAS Textverständnis, sondern viele Textverständnisse. - Ob UNSER Verständnis der Verfasser UND deren Verständnis (allein das sind schon zwei Textverständnisse) näher an dem sind, was Jesus vor 2000 jahren gemeint hat, als späteres Textverständnis es tut, wissen wir nicht. - Es kommt auf die jeweilige Hermeneutik von HKE oder bspw. Kanonischer Exegese an.

sven23 hat geschrieben:wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit, wenn man die Quellen zu Grunde legt.
Falsch - nicht die Quellen sind das Prblem, sondern die Setzung, dass das eigene Verständnis davon Maßstab für "wahrscheinlich" oder "unwahrscheinlich" ist.

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#960 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Münek » So 3. Jun 2018, 15:46

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Da die historisch-kritische Methode den Sinn der Texte erfasst, benötigt sie keine "geistige" Auslegung, die ihre Ergebnisse nachträglich wieder versaubeutelt.
"Sie" braucht das nicht - aber derjenige, der den Text verstehen will. - Erneut: HKM ist nicht für geistige Auslegung im Sinne von Apg. 8,30 zuständig - will es gar nicht.
Was redest Du da für einen Unsinn?

Bei der Stelle Apg. 8:30 geht es doch gar NICHT um "geistliche Auslegung", sondern um das "Verständnis" (Verstehen) biblischer Texte. Für deren Interpretation (= Verständlichmachen für den Leser) ist ausschließlich die EXEGESE als theologische Diziplin zuständig. Sonst niemand - auch keine ominösen "hermeneutischen Diziplinen". Die gibt es nämlich NICHT.


Nun ist es aber (aus Deiner Sicht: leider) Fakt, dass an den theologischen Fakultäten die "historisch-kritische Exegese" die Leit- und Standardexegese schlechthin ist. An diesen Stätten der Lehre und Forschung konnte der von Ratzinger favorisierte dogmenfixierte
"kanonische Zugang" aus gutem Grund keinen Fuß fassen.

Sog. "geistliche" Textauslegungen auf der Basis kirchlicher Dogmen haben an den Universitäten nichts zu suchen und ihnen wird zu recht der Zugang verwehrt.

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