Alles Teufelszeug? IX

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Münek
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#861 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Münek » Fr 25. Mai 2018, 02:38

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Falsch - Ratzinger verabscheut im Grunde eine Exegese, in der "Gott NICHTS sagt und NICHTS zu sagen hat"
Warum sagst Du "falsch"? - Das ist doch genau, was ich sage.
Häh? Ratzinger verlangt von den Exegeten, dass sie an den biblischen Gott GLAUBEN. Also eine apriorische Glaubensentscheidung treffen. Also das genaue Gegenteil dessen, was die "Päpstliche Bibelkommission" von der HKM erwartet.

closs hat geschrieben:Ratzinger möchte eine HKE, in der es keine hermeneutischen Interpretationen gibt (= "apriorifrei").
Wo verlangt Ratzinger so etwas? Könntest Du das endlich mal belegen!

Dass die HKM übergriffig ins dogmatische Lager eingedrungen ist, behaupten ja weder Ratzinger noch Berger, sondern nur Du. Also höre endlich auf, diesen Unsinn zu verbreiten.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:nicht Ratzinger, sondern die "Päpstliche Bibelkommission" hat eine Exegese ohne apriorische Glaubens-Vorannahmen gefordert.
Nein - auch Ratzinger. - Die Kommission war doch in seiner Federführung (oder etwa nicht?).
Na und - auch der Präsident einer Kommission kann sich nicht immer durchsetzen. Hätte er damals (1993) versucht, der altehrwürdigen bewährten historisch-kritische Exegese eine glaubensbasierte, apriorische Exegese entgegenzusetzen, wäre er doch grandios gescheitert.
Er musste die Kröte schlucken.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ganz im Gegenteil - er fordert eine Exegese, die von der Existenz Gottes und dessen Heilsplan ausgeht.
Das ist die Kanonische Exegese.
Genau - das ist das, was er von der historisch-kritischen Exegese fordert. Er möchte eine Exegese, in der Gott endlich was sagt und was zu sagen hat. Ist schon klar. Aber so geht es nun mal nicht, wenn die HKM nicht ihren wissenschaftlichen Status verlieren will.

closs hat geschrieben:Von der HKE fordert er, dass sie in apriorifreien Gefilden bleibt.
Von einer solchen Forderung Ratzingers habe ich noch nie gehört. Könntest Du Deine Behauptung ENDLICH mal durch ein Zitat belegen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ratzi fordert im völligen Gegensatz zu den Vorgaben der "Päpstlichen Bibelkommission" von den Exegeten eine APRIORISCHE Entscheidung in Form des "Glaubensentscheides".
Moment: Ratzi fordert von der HKE einen christlichen Glaubensentscheid.
Ja eben - Du Scherzkeks. :lol:

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wenn lehrende Theologen öffentlich kirchliche Dogmen (= ihre Prämissen) hinterfragen, droht ihnen der "Entzug ihrer Lehrerlaubnis".
Das hat aber nichts mit Exegese zu tun.
Doch natürlich - worüber reden wir denn hier? Kanonisch interpretierende Exegeten dürfen ihre Glaubensprämissen nicht öffentlich
in Frage stellen. Sonst gibt es von der alleinseligmachenden Mutter Kirche kräftig was auf die Hörner. Ideologisch-totalitäre Instituti-
onen wie die römisch-katholische Kirche reagieren auf Hinterfragungen gereizt und allergisch und - unbarmherzig.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Finde ich jetzt ganz, ganz toll, dass die katholische Kirche ihren Glauben nicht verschweigt, sondern ihn als Prämisse voranstellt.
Naja - dann ist es doch zur Nachahmung geeignet: "Wir, HKE-ler, haben folgende Prämissen in unserem Untersuchungs-Modell."
Tja - jetzt ist Not am Mann. Wo soll die HKM die jetzt so schnell finden?

Und komme mir jetzt nicht wieder mit Bultmanns persönlicher Meinung oder der abstrusen These, für die HKM ist eine ältere Quelle immer authentischer als eine jüngere.

Nenne doch endlich mal eine "echte" Prämisse, eine apriorische Glaubensannahme, die die HKM ihrer Bibelinterpretation als unabdingbar voranstellt. Dann wären wir ein Stück weiter. Es bringt nichts, unablässig denselben Unsinn zu wiederholen.

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#862 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Münek » Fr 25. Mai 2018, 03:34

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich rede hier von einer ideologischen Institution, die sich im Besitz ewig gültiger absoluter Wahrheiten wähnt. Einen solchen absurden Anspruch wirst Du in der Wissenschaft NICHT finden - und auch nicht bei Pluto, Sven, Jack u.a..
Du verwechselst "Grundlagen" mit "Ergebnissen":
Nö - ganz bestimmt nicht.

Wissenschaft kennt keine absoluten Wahrheiten; die katholische Kirche indes glaubt, im Besitz derselben zu sein. Erkennst Du wirklich nicht den fundamentalen Unterschied zwischen einem unideologischen und einem ideologischen System?


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die wesentlichen Ergebnisse der historisch-kritischen Exegese gibt es schon seit 150 Jahren. Insofern kann Ratzi weder überrascht noch enttäuscht sein...
Zuckerbrot - er wollte die HKE in die Theologie integrieren.
Ratzinger kannte die Resultate der historisch-kritischen Forschung. In dem Dokument der "Päpstlichen Bibelkommission" ist von einer Integration a la Ratzinger nichts zu erkennen, sondern genau das Gegenteil ist der Fall.

Die Wissenschaftlichkeit dieser Auslegungsmethode konnte und wollte die Bibelkommission nicht in Frage stellen. Ratzinger - sollte er schon damals anders gedacht haben - musste diese Kröte schlucken. Als Papst konnte er dann sein Jesusbuch schreiben - und seine Gegenmeinung kundtun.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Es liegt näher anzunehmen, dass ihm die Ergebnisse der historisch-kritischen Exegese - in der die Existenz eines Heilspläne schmiedenden Gottes nichts vorkommt - ganz gehörig gegen den Strich ging und geht.
Ja - weil dies keine apriorifreien, sondern hermeneutisch-interpretativen Aussagen sind. - Das ist doch genau der Punkt.
Blödsinn - einen solchen Vorwurf aus dem Munde Ratzingers oder Bergers ist mir nicht bekannt.

Es liegen Tausende von Resultaten der historisch-kritischen Exegese des "Alten und des Neuen Testaments" vor. Diese wurden gänzlich ohne apriorische Glaubens-Vorannahmen erzielt.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nein - die HKM schließt die "Göttlichkeit" Jesu NICHT aus
Sie schließt es dann aus, wenn zwei Sachen zusammenkommen:
Nein.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:In der Tat verlangt die "Päpstliche Bibelkommission" in ihrem Dokument von der HKM, dass sie Bibeltexte in derselben Art und Weise auslegt wie andere antike Texte.
Richtig.
Was soll dann Deine irrwitzige Behauptung: "Wer darauf besteht, die Bibel wie normale antike Texte auszulegen, SCHLIESST DAMIT AUS, dass Jesus göttlich ist."

Die pöhse, pöhse "Päpstliche Bibelkommission". :o Wie konnte sie sich zu diesem Satz hinreißen lassen? Roland scheint mit seiner harschen Kritik an der "Päpstlichen Bibelkommission" (mehrheitlich atheistisch ausgerichtet) womöglich doch recht zu haben. :devil:

Das Böse ist immer und überall. :devil:

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der Konsens über JESU IRRTUM ist das Ergebnis jahrzehntelanger akribischer Forschungstätigkeit der historisch-kritischen Exegese.
Aber doch nur als methodisches Ergebnis.
Was denn sonst? Glaubensergebnisse sind in der Wissenschaft nicht gefragt.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Mit dem historischen Jesus und seiner Verkündigung hat das alles nichts zu tun.
Falsch. - Das hat möglicherweise mit dem historisch-methodischen Jesus nichts zu tun, kann aber dem WIRKLICHEN Jesus in seiner Zeit entsprechen.
Nun denn - Du hast die freie Auswahl: :lol:

Das von Jesus verkündigte Gottesreich ist a) Jesus selbst - b) im Kopf des Menschen - c) die katholische Kirche.

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#863 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Fr 25. Mai 2018, 08:29

Münek hat geschrieben:Häh? Ratzinger verlangt von den Exegeten, dass sie an den biblischen Gott GLAUBEN. Also eine apriorische Glaubensentscheidung treffen.
WENN SIE HERMENEUTISCH-INTERPRETATIV INTERPRETIEREN. - Wenn sie im apriorifreien Feld bleiben, dann nicht.

Münek hat geschrieben:Wo verlangt Ratzinger so etwas? Könntest Du das endlich mal belegen!
Im Rahmen des Kommissions-Berichts - das ist doch mit "apriorifrei" gemeint.

Münek hat geschrieben:Dass die HKM übergriffig ins dogmatische Lager eingedrungen ist, behaupten ja weder Ratzinger noch Berger, sondern nur Du.
Das behauptet niemand. - DIe Behauptung ist, dass die HKE in manchen ihrer Vertreter eine eigene hermeneutisch-interpretative Struktur entwickelt, die nicht christlich ist.

Münek hat geschrieben:Hätte er damals (1993) versucht, der altehrwürdigen bewährten historisch-kritische Exegese eine glaubensbasierte, apriorische Exegese entgegenzusetzen, wäre er doch grandios gescheitert. Er musste die Kröte schlucken.
Vollkommen verdreht - er wollte doch gerade die HKE als apriorifreie Disziplin haben, auf Basis derer man dann das hermeneutisch-interpretative Feld anschließt. - Die HKE sollte DIE Exegese sein, die NICHT hermeneutisch-interpretativ interpretiert.

Münek hat geschrieben:Genau - das ist das, was er von der historisch-kritischen Exegese fordert.
1993 NICHT. - 1993 wollte Ratzi die HKE in ein apriorifreies Terrain einhegen (im Wissen, dass es nötig war, weil es anders lief). - Als das nicht funktioniert hat, wollte er die HKE ausweiten in die Kanonische Exegese, damit die hermeneutisch-interpretative Grundlage wenigstens christlich ist, wenn sie schon nicht zu vermeiden ist.

Münek hat geschrieben:Ja eben - Du Scherzkeks.
Aber doch nur in diesem Kontext: "WENN es Euch schon nicht im apriorifreien Feld hält, dann bitte wenigstens eine christliche Hermeneutik".

Münek hat geschrieben:Kanonisch interpretierende Exegeten dürfen ihre Glaubensprämissen nicht öffentlich in Frage stellen.
Hast Du schon mal einen HKE-ler getroffen, der seine Grundlage, die Bibel wie einen normalen antiken Text zu untersuchen, in Frage gestellt hat? - Natürlich kann er das - aber dann ist er kein HKE-ler mehr.

Münek hat geschrieben:Wo soll die HKM die jetzt so schnell finden?
Sie soll sich zu vorhandenen Prämissen bekennen - as reicht doch schon.

Münek hat geschrieben:Nenne doch endlich mal eine "echte" Prämisse, eine apriorische Glaubensannahme, die die HKM ihrer Bibelinterpretation als unabdingbar voranstellt.
Hä???? - Zunächst: "Prämisse" ist nicht Böses, sondern etwas Notwendiges, wenn man interpretiert. - Und da hat sich die HKE so aufgestellt, dass sie sagt: "Wir untersuchen und interpretieren aus der Position, als wären die Bibeltexte so zu untersuchen wie normale antike Texte. - Darin inkludiert ist die Annahme, dass ältere Quellen näher an dem sind, was Jesus geglaubt hat, als jüngere. - Zudem meinen manche von uns noch, dass wir die Historizität Jesu so zu verstehen haben, als wäre die Geschichte ein ungebrochen naturalistischer Wirkungszusammenhang (also: keine Wunder, keine leibtliche Auferstehung "in echt"). - Etc.

Das ist auch aus MEINER Sicht ein interessanter Ansatz: "Was wäre, wenn". - Aber man sollte sich dazu bekennen, also nicht bei anderen "Glaubensentscheid" (was ja nichts anderes ist als hermeneutische Interpretations-Vorannahmen) kritisieren und bei sich so tun, als habe man das nicht.

Münek hat geschrieben: Erkennst Du wirklich nicht den fundamentalen Unterschied zwischen einem unideologischen und einem ideologischen System?
ICH schon. :lol:

Münek hat geschrieben:Ratzinger kannte die Resultate der historisch-kritischen Forschung. In dem Dokument der "Päpstlichen Bibelkommission" ist von einer Integration a la Ratzinger nichts zu erkennen, sondern genau das Gegenteil ist der Fall.
:?: - Ratzinger kannte selbstverständlich die Ergebnisse, die bereits damals hermeneutisch-interpretativ und NICHT apriorifrei waren - das wollte er durch seine Umarmungsstrategie ändern.

Die Aussagen von 1993 gelten auch noch heute - man muss nur genau lesen.

Münek hat geschrieben:Es liegen Tausende von Resultaten der historisch-kritischen Exegese des "Alten und des Neuen Testaments" vor. Diese wurden gänzlich ohne apriorische Glaubens-Vorannahmen erzielt.
Richtig - und an diesen ist die Theologie interessiert. Aber nicht an verkappten apriorischen Aussagen, die sich als apriorifrei darstellen.

Münek hat geschrieben: closs hat geschrieben:

Münek hat geschrieben:
In der Tat verlangt die "Päpstliche Bibelkommission" in ihrem Dokument von der HKM, dass sie Bibeltexte in derselben Art und Weise auslegt wie andere antike Texte.

Richtig.


Was soll dann Deine irrwitzige Behauptung: "Wer darauf besteht, die Bibel wie normale antike Texte auszulegen, SCHLIESST DAMIT AUS, dass Jesus göttlich ist."
Weil es geradezu Sinn der Sache ist, dass die HKE apriorifrei ist, also so tut, als spiele die Göttlichkeit Jesu keine Rolle. - Für eine apriorifreie Disziplin gilt der "methodische Atheismus" - dagegen hat Ratzinger nichts - im Gegenteil: Er fordert es sogar von einer HKE, die NICHT hermeneutisch interpretieren soll: "Macht Ihr Eure Sacharbeit - interpretieren tun dann innerhalb der Theologie die hermeneutischen Disziplinen".

Das Problem entsteht doch letztlich nur dann, wenn die HKE sich einerseits als apriorifrei darstellt, andererseits aber das Gegenteil tut. - Dieses "Gegenteil" wollte Ratzinger abschaffen, indem er die HKE 1993 auf das Wort "apriorifrei" festgeklopft hat: "Nur dann mögen wir Euch, Ihr HKE-ler - wir brauchen keine hermeneutische Konkurrenz innerhalb der Theologie, sondern eine apriorifreie Sachdisziplin".

Münek hat geschrieben:Die pöhse, pöhse "Päpstliche Bibelkommission". :o Wie konnte sie sich zu diesem Satz hinreißen lassen?
Nein - "die gute, gute" Kommission hat exakt erkannt, wo der SChuh drückt, und wollte mit ihren Aussagen "orthopädisch" erzwingen, dass der Schuh nicht mehr drückt. - Und genau das ist NICHT gelungen, weshalb Ratzi 2006 dieses SCheitern drastisch geißelt.

Münek hat geschrieben:Was denn sonst? Glaubensergebnisse sind in der Wissenschaft nicht gefragt.
Zumindestens in apriorifreien Wissenschaften nicht. - Aber dann muss man wissenschafts-theoretisch halt auch wissen, dass methodische Ergebnisse immer Modell-ERgebnisse sind: "Wenn unser Modell richtig ist, dann ist folgende .... Aussage richtig. - Siehe Vorwort/Theißen.

Münek hat geschrieben:Das von Jesus verkündigte Gottesreich ist a) Jesus selbst - b) im Kopf des Menschen - c) die katholische Kirche.
Darüber sollen sich Hermeneutiker unterhalten. - Jedenfalls ist es nicht ein irdisches Reich, das das Volk damals erwartet hat, weil es der "haptischen" AT-Denke entsprach.

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#864 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Fr 25. Mai 2018, 17:29

Novalis hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die HKM schließt die Göttlichkeit Jesu nicht aus - aber auch nicht ein. Letzteres kann sie als wissenschaftliche Diziplin nicht.

Richtig. Ich habe darüber wirklich viele Jahre nachgedacht und mit dem Christentum gerungen, wie der Idee der Gottessohnschaft. Doch wenn man all den dogmatischen Kauderwelsch beiseite schiebt, dann gelange ich zu der simplen Aussage, dass Jesus ein Prophet war und sich selbst so verstand. Nie hat Jesus irgendetwas anderes behauptet.
Genau so sieht es die Forschung auch. Jesus war ein jüdischer Prophet, genauer gesagt ein Endzeitprophet, Heiler und Exorzist.
Die Gottessohnschaft im kirchlich-christlichen Sinn wurde ihm posthum zugewiesen.
Er hat sich nicht für göttlich gehalten, was für ihn wohl gleichbedeutend mit Gotteslästerung gewesen wäre.
Er wollte keine neue Religon gründen und keine Heidenmissionierung.
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#865 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Fr 25. Mai 2018, 17:35

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Sie trifft keine Entscheidung darüber, ob Jesus göttlich war oder nicht.
Muss sie auch nicht, da sie es apriori ausschließt. - Wer darauf besteht, die Bibel wie normale antike Texte auszulegen, schließt damit aus, dass Jesus göttlich ist.
Nein, das ist deine immer wieder wiederholte falsche Behauptung.
Die Forschung setzt die Göttlichkeit nicht voraus, schließt sie aber auch nicht aus. Die Forschung stellt lediglich fest, dass Jesus von sich nie behauptet hat, göttlich zu sein, sondern dass ihm die Göttlichkeit posthum von den Schreibern zugewiesen wurde.
Das ist der entscheidende Unterschied.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#866 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Fr 25. Mai 2018, 17:44

sven23 hat geschrieben:Die Forschung setzt die Göttlichkeit nicht voraus, schließt sie aber auch nicht aus.
Das kommt darauf an, welche Vorannahmen eine Forschung hat - Du meinst wahrscheinlich die historisch-kritische Forschung. - Und das stimmt sogar (methodischer Atheismus), solange man im apriorifreien Raum bleibt. - Insofern würde Ratzinger von der HKE NICHT erwarten, dass sie Göttlichkeit voraussetzt, solange sie apriorifrei ist - das war nie das Problem.

Die HKE ist aber NICHT apriorifrei, wenn sie bei "Jesus hatte eine Naherwartung (in Deinem Sinne)" NICHT hinzufügt, dass dies nur dann gilt, wenn die methodischen Vorannahmen der HKE richtig sind - was niemand weiß. - Mit anderen Worten: Die HKE läßt zwar offen, ob Jesus göttlich ist, interpretiert aber so, als sei er nur Mensch. Das darf sie ja auch - aber diese Prämisse muss allen klar sein ("methodisches Ergebnis").

sven23 hat geschrieben:sondern dass ihm die Göttlichkeit posthum von den Schreibern zugewiesen wurde.
Allein das Wort "zugewiesen" ist unwissenschaftlich. - Es könnte genauso parteiisch heißen, dass die Göttlichkeit mit der Zeit "erkannt" wurde - ebenfalls eine Interpetation.

Wissenschaftlich sauber wäre eine Formulierung wie bspw. "Aus den Textquellen ist nicht ersichtlich, dass Jesus sich als göttlich verstanden hat <falls es stimmt> - das Motiv der Göttlichkeit kam im Verlauf der Rezeption immer stärker auf". - Das wäre eine überprüfbare Sach-Aussage. - Formulierungen wie "zugewiesen" und "erkannt" sind interpretativer Natur.

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#867 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Fr 25. Mai 2018, 18:40

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung setzt die Göttlichkeit nicht voraus, schließt sie aber auch nicht aus.
Das kommt darauf an, welche Vorannahmen eine Forschung hat - Du meinst wahrscheinlich die historisch-kritische Forschung.
Richtig, die einzige, die den Namen "Forschung" verdient, weil sie sich einer wissenschaftlichen Methodik bedient.

closs hat geschrieben: - Und das stimmt sogar (methodischer Atheismus), solange man im apriorifreien Raum bleibt. - Insofern würde Ratzinger von der HKE NICHT erwarten, dass sie Göttlichkeit voraussetzt, solange sie apriorifrei ist - das war nie das Problem.
Ähm, das Weglassen von Glaubensbekenntnissen wie die Göttlichkeit Jesu ist doch gerade die Apriori-Freiheit. :roll:

closs hat geschrieben: Die HKE ist aber NICHT apriorifrei, wenn sie bei "Jesus hatte eine Naherwartung (in Deinem Sinne)" NICHT hinzufügt, dass dies nur dann gilt, wenn die methodischen Vorannahmen der HKE richtig sind
Die Unsicherheit besteht darin, wie Theißen sagt, ob die angewandte Methode die Richtige ist und ob sie richtig angewendet wurde.
An der Naherwartung hat sich in 250 Jahren Forschung nicht viel geändert.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:sondern dass ihm die Göttlichkeit posthum von den Schreibern zugewiesen wurde.
Allein das Wort "zugewiesen" ist unwissenschaftlich.
Warum?
Die späten Schreiber weisen ihm diese Rolle zu. Vor seinem Tod hat er dies nie für sich selbst beansprucht. Er hätte dies als gläubiger Jude als Gotteslästerung empfunden.

closs hat geschrieben: - Es könnte genauso parteiisch heißen, dass die Göttlichkeit mit der Zeit "erkannt" wurde - ebenfalls eine Interpetation.
Ja, genau so wie man nach 2000 Jahren "erkennt", dass Jesus Vegetarier war. :lol:



closs hat geschrieben: Wissenschaftlich sauber wäre eine Formulierung wie bspw. "Aus den Textquellen ist nicht ersichtlich, dass Jesus sich als göttlich verstanden hat
Gerade das ist eben nicht ersichtlich, sondern genau das Gegenteil.

closs hat geschrieben: <falls es stimmt> - das Motiv der Göttlichkeit kam im Verlauf der Rezeption immer stärker auf". - Das wäre eine überprüfbare Sach-Aussage. - Formulierungen wie "zugewiesen" und "erkannt" sind interpretativer Natur.
Es ändert nichts an dem zunehmenden Vergottungsprozess. Mit dem historischen Jesus hat das nicht mehr viel zu tun.
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#868 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Scrypton » Fr 25. Mai 2018, 18:47

closs hat geschrieben:Die HKE ist aber NICHT apriorifrei, wenn sie bei "Jesus hatte eine Naherwartung (in Deinem Sinne)" NICHT hinzufügt, dass dies nur dann gilt, wenn die methodischen Vorannahmen der HKE richtig sind
1. Doch, ist sie, weil
2. diese von dir noch immer dämliche Unterstellung einer 'methodischen Vorannahme' hier überhaupt nicht existiert. Jesus war ein Mensch und auch bei meinen Arbeitskollegen muss ich nicht erst annehmen, dass es sich um Menschen handelt.

Im Gegenteil, wie Sven bereits darlegte ist gerade der Umstand, nicht auf ein dogmatisches Pferd zu setzen genau das, um diese Freiheit zu besitzen.

closs hat geschrieben:Die HKE läßt zwar offen, ob Jesus göttlich ist, interpretiert aber so, als sei er nur Mensch.
Natürlich tut sie das.
Es wäre dogmatisch, auf Fantasien, Aberglauben und Wunschgebilde zu bauen nur weil du das tust. Du darfst das ja auch tun, musst dir dann aber auch über die Folgen im klaren sein.
Doch dem verwehrst du dich ja, ohne erkennbaren Fortschritt in den letzten zwei Jahren.

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#869 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Fr 25. Mai 2018, 18:50

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der Konsens über JESU IRRTUM ist das Ergebnis jahrzehntelanger akribischer Forschungstätigkeit der historisch-kritischen Exegese.
Aber doch nur als methodisches Ergebnis:
Mit "nur" methodischen Ergebnissen hat man eine weitaus größere Chance, näher an der historischen Wahrheit zu sein, als mit Glaubensbekenntnissen.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Mit dem historischen Jesus und seiner Verkündigung hat das alles nichts zu tun.
Falsch. - Das hat möglicherweise mit dem historisch-methodischen Jesus nichts zu tun, kann aber dem WIRKLICHEN Jesus in seiner Zeit entsprechen.
Das ist allenfalls clossches Wunschdenken.
Die Forschungsergebnisse sind ziemlich eindeutig. Deshalb sagt doch Albert Schweitzer:

Der Jesus der Evangelien hat nie existiert.

Und Lindemann gibt zu, dass der historische (echte) Jesus dem Christus der kirchlichen Verkündigung im Weg steht. Die Diskrepanz ist offensichtlich.

closs hat geschrieben: - Immer wieder: Wir wissen nicht, ob der historisch-kritische oder der kerygmatische Jesus näher an dem ist, was Jesus vor 2000 Jahren wirklich gedacht und gemeint hat.
Gedanken können wir auch heute nicht lesen und schon gar nicht Gedanken, die vor 2000 Jahren gedacht wurden.
Wir können uns nur an die Textquellen halten und die liefern ein ziemlich gutes Bild über Jesu Verkündigung. Die Naherwartung gehört unzweifelhaft dazu.

closs hat geschrieben: - Das ist vollkommen offen.
So wie es offen ist, ob es das Spaghettimonster gibt oder ob es eine Erfindung ist. :roll:
Zuletzt geändert von sven23 am Fr 25. Mai 2018, 19:26, insgesamt 1-mal geändert.
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#870 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Fr 25. Mai 2018, 19:12

sven23 hat geschrieben:Richtig, die einzige, die den Namen "Forschung" verdient, weil sie sich einer wissenschaftlichen Methodik bedient.
Das ist ein ideologisch motiviertes Postulat, das bei redlicher Diskussion sehr schnell gegenstandslos wird.

sven23 hat geschrieben:Ähm, das Weglassen von Glaubensbekenntnissen wie die Göttlichkeit Jesu ist doch gerade die Apriori-Freiheit.
Richtig - und auf der Ebene, auf der Ratzinger die HKE sieht, ist dies gewünscht: Nicht "geistiges Textverständnis", sondern "unverzichtbar" dafür. - Vorstufe.

sven23 hat geschrieben:Die Unsicherheit besteht darin, wie Theißen sagt, ob die angewandte Methode die Richtige ist und ob sie richtig angewendet wurde.
LEtzteres nicht - da darf man der HKE vertrauen. - Ersteres schon: "Ist diese Methodik die richtige, um der Wirklichkeit Jesu gerecht zu werden?" - genau darum geht es.

sven23 hat geschrieben:Warum? Die späten Schreiber weisen ihm diese Rolle zu. V
Siehst Du - Du steckst so tief in der interpretativen Ebene, dass Du den Unterschied zur Sachebene gar nicht merkst. - "Zuweisen" ist mindestens konnotativ dasselbe wie "Man weist etwas zu, was in Wirklichkeit nicht ist" - das ist unsachlich, weil man nicht weiß, was wirklich ist.

sven23 hat geschrieben:Gerade das ist eben nicht ersichtlich, sondern genau das Gegenteil.
Das kann man durchaus als sachlich-neutral verstehen: "Mit unseren methodischen Möglichkeiten ist es nicht ersichtlich". - Aber auch das heißt nicht, dass es nicht so ist.

sven23 hat geschrieben:Es ändert nichts an dem zunehmenden Vergottungsprozess.
Und wieder: Du steckst so tief in der interpretativen Ebene, dass Du den Unterschied zur Sachebene gar nicht merkst. - "Vergotten" ist mindestens konnotativ dasselbe wie "Man erfindet etwas, was in Wirklichkeit nicht ist" - das ist unsachlich, weil man nicht weiß, was wirklich ist.

Dazu kommt: Man muss "Wissenschaft" nur kitzeklein anders definieren ("Etwas, was Hypothesen systematisch begründet"), und schon gibt es Konkurrenz. - Denn "Naherwartung" und "Göttlichkeit" sind problemlos bei IDENTISCHEN Textquellen ganz anders interpretierbar,

sven23 hat geschrieben:Mit dem historischen Jesus hat das nicht mehr viel zu tun.
Aber möglicherweise mit dem wirklichen Jesus vor 2000 Jahren. - Vergiss nicht: Die kerygmatische Interpretation Jesu kann dem wirklichen Jesus vor 2000 Jahren näher sein als die historisch-kritische - es hängt allein davon ab, ob Jesus göttlich war oder nicht.

Stromberg hat geschrieben:. diese von dir noch immer dämliche Unterstellung einer 'methodischen Vorannahme' hier überhaupt nicht existiert.
Allein die Entscheidung, die Bibel wie einen "normalen" antiken Text zu INTERPRETIEREN, ist eine Präjudizierung. - Auf Sachebene geht es, aber nicht auf interpretativer Ebene. - Oder kannst Du mir einen Fall nennen, bei dem eine Person antiker Texte WIRKLICH göttlich war?

Stromberg hat geschrieben:Jesus war ein Mensch und auch bei meinen Arbeitskollegen muss ich nicht erst annehmen, dass es sich um Menschen handelt.
Die Frage lautet, ob er "nichts als ein Mensch" war. - Weißt Du's?

Stromberg hat geschrieben: closs hat geschrieben:
Die HKE läßt zwar offen, ob Jesus göttlich ist, interpretiert aber so, als sei er nur Mensch.

Natürlich tut sie das.
Gut, dass das mal einer zugibt.

Das ist auch in Ordnung und das weiß Ratzinger auch - genau das ist doch der Grund, warum er 1993 lobend von "apriorifrei" spricht. - Aber dieses "apriorifrei" inkludiert, dass man NICHT hermeneutisch interpretiert. - "Wir interpetieren Jesus nur als Mensch" (wo doch die Grundlage der Bibel ist, dass er eben NICHT nur Mensch ist) ist eine hermeneutische Interpretation.

Noch ein Schritt weiter:
Angenommen wir würden uns darauf einigen, dass "Wissenschaft" nur auf die HKE zuträfe: Dann hieße dies, dass die HKE eine ultra-periphäre Rolle innerhalb der Theologie spielen würde. - Denn die HKE könnte dann nur simulieren, was wäre, wenn Jesus NICHT göttlich wäre (kann ja sein - aber wir wissen es nicht). - Mit anderen Worten: Der Anspruch "historisch-kritischer Jesus = annäherungsweise wirklicher Jesus" würde komplett hinten runter fallen. - Wissenschaft als Wasserträger.

Und dass er DAS wollte, darf man Ratzinger 1993 vorwerfen:
"Liebe HKE, wenn Ihr apriorifrei seid, also nicht hermeneutisch interpretiert, seid Ihr uns recht und sogar unverzichtbar - aber die großen Brötchen werden bei uns gebacken. - Wenn Ihr AUCH große Brötchen backen wollt, öffnet Euch zum Geistigen hin - das heißt dann Kanonische Exegese".

Ich will jetzt gar nicht Partei für Ratzinger ergreifen - es geht hier um die Rolle der HKE:
1) Unverzichtbar als Sachlieferant auf sub-hermeneutischem Level? (Ratzinger 1993)
2) Verzichtbar als säkular-hermeneutische Größe? (Ratzinger 2006)
3) Unverzichtbar als spirituell-hermeneutische Größe? (Kanonische Exegese)

Aus meiner Sicht sollte man bei 1) bleiben - aber die HKE drängt halt ständig in 2) hinein, und dann gibt's halt Ärger.

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