Missionierung unerwünscht?

PeB
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#91 Re: Missionierung unerwünscht?

Beitrag von PeB » Mo 17. Dez 2018, 11:07

sven23 hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 09:44
Das scheint mir aber sehr an den Haaren herbeigezogen zu sein. Oder kannst du ein Beipiel nennen, wo die Forschung bei archäologischen Funden so vorgegangen ist?
Nein, aber ich habe an diesem Beispiel dargestellt, wie die HKM mit Schriftquellen verfährt.

Siehe:
sven23 hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 09:44
PeB hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 08:54
Um das noch einmal in den hier besprochenen Zusammenhang zu stellen:
1. es gibt biblische Quellen mit eindeutigen Aussagen - diese Quellen werden von der HKM als "gestört" betrachtet und umgedeutet.
2. es gibt außerbiblische Quellen, die die biblischen Quellen bestätigen - diese werden von der HKM als gefälscht betrachtet, damit sie die Umdeutung nicht gefährden.
Höchst unsauber. Ich bezeichne das als Befundmanipulation.
Wenn z. B. Paulusbriefe als unecht eingestuft werden, dann hat das seine berechtigten Gründe.
Gründe? Ja, es gibt immer Gründe. Die HKM favorisiert einen bestimmten Grund - aus bestimmten Motiven heraus.
Das alles sind aber Mutmaßungen - kein Beweise!
sven23 hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 09:44
Z. B. kann der Schreibstil nicht dem gleichen Autor zugeordnet werden, wie die als echt eingestuften Paulusbriefe.
Das ist erst einmal eine Feststellung.
Die Deutung, dass dies auf eine andere Autorenschaft zurück zu führen ist, ist eine weitreichende "Beschlussfassung" der HKM, die nicht beweisbar ist.
Ein mögliches Gegenargument gegen diese HKM-These lautet aber:
2. Thess., 1,1 hat geschrieben:Paulus und Silvanus und Timotheus an die Gemeinde der Thessalonicher in Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus
...was den Autor als Paulus u.a. bezeugt. Die HKM muss diesen Inhalt als "gefälscht" identifizieren, um ihre These aufrecht zu erhalten. So wie alles als "gefälscht" bezeichnet wird, was der HKM zuwider läuft.
Die HKM schließt von vornherein präjudizierend ungelegene Quellenangaben aus ihrer Betrachtung aus.

Gegenvorschlag: die Mitautoren des Briefes Silvanus oder Timotheus haben den Brief gemäß Diktat des Paulus niedergeschrieben, weil Paulus infolge Krankheit oder Alter selbst nicht in der Lage war zu schreiben.
Auch das wäre eine mögliche Deutung. Die HKM zieht so etwas aber erst gar nicht in Betracht. Man will ja etwas anderes beweisen.

sven23 hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 09:44
Selbst hier im Forum kann man als Laie einen User anhand seines Schreibstils identifizieren. Profis können das um so mehr.
Das stimmt. Aber wenn ich hier einige meiner Texte von vor 20 oder 30 Jahren poste, wird es schwierig für die Laien wie für die "Profis".
Oder obiges Beispiel: wenn ich Jemanden bitten würde, meine geäußerten Gedankengänge für mich hier im Forum nieder zu schreiben, weil ich selbst krankheitsbedingt daniederliege, käme die HKM zum Schluss, ich sei eine Fälschung. ;)

sven23 hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 09:44
Das ist keine Befundmanipulation, sondern Alltagsgeschäft in der Forschung.
Und leider hat sich der "Alltag" verselbstständigt. Die HKM hat sich gewissermaßen selbst in eine Manipulationsspirale hineinmanövriert, aus der sie nicht herauskommt:
- A: Gott existiert nicht.
- B: daher können Berichte über das Eingreifen Gottes nicht richtig sein.
- C: daher sind die betreffenden biblischen Berichte falsch.
- D: deshalb müssen auch außerbiblische Berichte, die die biblischen Berichte bestätigen falsch sein.
- E: Fazit: wenn alle Berichte gefälscht sind, ist das ein Beweis für die Nichtexistenz Gottes.

Die klassische Zirkelschlussargumentation.

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sven23
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#92 Re: Missionierung unerwünscht?

Beitrag von sven23 » Mo 17. Dez 2018, 11:57

PeB hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 11:07
sven23 hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 09:44
Wenn z. B. Paulusbriefe als unecht eingestuft werden, dann hat das seine berechtigten Gründe.
Gründe? Ja, es gibt immer Gründe. Die HKM favorisiert einen bestimmten Grund - aus bestimmten Motiven heraus.
Das alles sind aber Mutmaßungen - kein Beweise!
Echte Beweise gibt es nicht mal für die Existenz von Paulus und Jesus.
Trotzdem geht die Forschung von der historischen Existenz des Wanderpredigers aus.
Ironischerweise spricht gerade die enttäuschte Naherwartung für seine Existenz, denn warum hätten die Schreiber eine rein literarische Figur mit dem Geburtsfehler der nicht eingetroffenen Naherwartung ausstatten sollen? Es muss also zum authentischen Überlieferungsgut gehören.

PeB hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 11:07
sven23 hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 09:44
Z. B. kann der Schreibstil nicht dem gleichen Autor zugeordnet werden, wie die als echt eingestuften Paulusbriefe.
Das ist erst einmal eine Feststellung.
Die Deutung, dass dies auf eine andere Autorenschaft zurück zu führen ist, ist eine weitreichende "Beschlussfassung" der HKM, die nicht beweisbar ist.
Wie gesagt, echte Beweise gibt es kaum. Dagegen aber harte und belastbare Indizien.

PeB hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 11:07
Gegenvorschlag: die Mitautoren des Briefes Silvanus oder Timotheus haben den Brief gemäß Diktat des Paulus niedergeschrieben, weil Paulus infolge Krankheit oder Alter selbst nicht in der Lage war zu schreiben.
Auch das wäre eine mögliche Deutung. Die HKM zieht so etwas aber erst gar nicht in Betracht. Man will ja etwas anderes beweisen.
Die Forschung schreibt ja auch die nicht für echt gehaltenen Paulusbriefe seinen Schülern zu.
Wenn Paulus sie diktiert hätte, hätte er wohl seinen Stil trotzdem in etwa beibehalten.


PeB hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 11:07
sven23 hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 09:44
Das ist keine Befundmanipulation, sondern Alltagsgeschäft in der Forschung.
Und leider hat sich der "Alltag" verselbstständigt. Die HKM hat sich gewissermaßen selbst in eine Manipulationsspirale hineinmanövriert, aus der sie nicht herauskommt:
- A: Gott existiert nicht.
- B: daher können Berichte über das Eingreifen Gottes nicht richtig sein.
Nein, das sagt die Forschung nicht. Gott ist nicht Gegenstand der Untersuchung und kann es auch gar nicht sein. Das ist etwas völlig anderes.
Die Vergottung des Menschen Jesus kann dagegen anhand der Textquellen sehr wohl nachvollzogen werden. Und eine Tendenz ist ganz klar erkennbar:
Je größer der zeitliche Abstand ist, desto weiter schreitet der Vergottungsprozess voran.


PeB hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 11:07
Die klassische Zirkelschlussargumentation.
Nein, ein klassischer Zirkelschluss findet sich bei den Glaubensideologen:

Die Bibel ist Gottes Wort, denn es steht geschrieben „alle Schrift ist von Gott eingegeben“.
Quelle: Wikipedia
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#93 Re: Missionierung unerwünscht?

Beitrag von PeB » Mo 17. Dez 2018, 12:43

sven23 hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 11:57
Nein, ein klassischer Zirkelschluss findet sich bei den Glaubensideologen:
Die Bibel ist Gottes Wort, denn es steht geschrieben „alle Schrift ist von Gott eingegeben“.
Quelle: Wikipedia
Wie gesagt, der Glaube darf das, er muss keinen wissenschaftlichen Anspruch geltend machen. Die HKM bedient sich dagegen der Zirkelschlüsse, um ihre Version der Geschichte zu rechtfertigen. Und das ist unwissenschaftlich.
Sie schließt Quellenangaben willkürlich aus, wenn sie ihrer eigenen Version widersprechen und versucht dann im Nachhinein Gründe für den Ausschluss zu formulieren.
Warum kann sie denn die Quellen nicht zuerst einmal als faktisch nehmen, um sie dann zu beurteilen? Statt dessen wird die schriftliche Überlieferung - präjudizierend - zur Unwahrheit erklärt, damit man sich mit diesem "lästigen" Teil der Quellenkritik nicht mehr befassen muss.

Hier noch ein Beispiel bezüglich des Markus-Evangeliums, das die HKM ebenso für gefälscht erklärt, um Gott für nichtig erklären zu können:
Eusebius, Kirchengeschichte, 15. Kapitel hat geschrieben: Da sich nunmehr das göttliche Wort dort ausbreitete, erlosch die Macht des Simon [des Magiers] und verschwand sofort schon mit seiner Person. So sehr erleuchtete das Licht der Religion die Herzen der Zuhörer des Petrus, daß sie sich nicht damit begnügen wollten, ihn ein einziges Mal nur gehört zu haben, sie wollten von der Lehre seiner göttlichen Predigt auch Aufzeichnungen besitzen. Daher wandten sie sich mit verschiedenen Bitten an Markus, den Verfasser des Evangeliums, den Begleiter des Petrus, er möchte ihnen schriftliche Erinnerungen an die mündlich vorgetragene Lehre hinterlassen. Und sie standen nicht eher von den Bitten ab, als bis sie den Mann gewonnen hatten. So wurden sie die Veranlassung zum sog. Markusevangelium. Nachdem Petrus durch eine Offenbarung des Geistes von dem Vorfalle Kenntnis erhalten hatte, soll er sich über den Eifer der Leute gefreut und die Schrift für die Lesung in den Kirchen bestätigt haben. Klemens hat diese Tatsache im sechsten Buche seiner Hypotyposen berichtet, und mit ihm stimmt Bischof Papias von Hierapolis überein. Petrus gedenkt des Markus in seinem ersten Briefe, den er in Rom selbst verfaßt haben soll was er selbst andeutet, indem er diese Stadt bildlich Babylon nennt, wenn er sagt: „Es grüßt Euch die miterlesene Gemeinde in Babylon und Markus, mein Sohn.“

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#94 Re: Missionierung unerwünscht?

Beitrag von sven23 » Mo 17. Dez 2018, 13:17

PeB hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 12:43
sven23 hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 11:57
Nein, ein klassischer Zirkelschluss findet sich bei den Glaubensideologen:
Die Bibel ist Gottes Wort, denn es steht geschrieben „alle Schrift ist von Gott eingegeben“.
Quelle: Wikipedia
Wie gesagt, der Glaube darf das, er muss keinen wissenschaftlichen Anspruch geltend machen.
Dann sollte er auch in seinem Sandkasten bleiben und keinen Anspruch auf mehr historische Glaubwürdigkeit beanspruchen als die historische Forschung. Dann ist alles gut.

PeB hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 12:43
Die HKM bedient sich dagegen der Zirkelschlüsse, um ihre Version der Geschichte zu rechtfertigen. Und das ist unwissenschaftlich.
Sie schließt Quellenangaben willkürlich aus, wenn sie ihrer eigenen Version widersprechen und versucht dann im Nachhinein Gründe für den Ausschluss zu formulieren.
Warum kann sie denn die Quellen nicht zuerst einmal als faktisch nehmen, um sie dann zu beurteilen?
Tut sie doch. Die Einordnung als authentisch oder nicht authentisch erfolgt ja erst nach der Untersuchung, nicht vorher.


PeB hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 12:43
Hier noch ein Beispiel bezüglich des Markus-Evangeliums, das die HKM ebenso für gefälscht erklärt, um Gott für nichtig erklären zu können:
Eusebius, Kirchengeschichte, 15. Kapitel hat geschrieben: Da sich nunmehr das göttliche Wort dort ausbreitete, erlosch die Macht des Simon [des Magiers] und verschwand sofort schon mit seiner Person. So sehr erleuchtete das Licht der Religion die Herzen der Zuhörer des Petrus, daß sie sich nicht damit begnügen wollten, ihn ein einziges Mal nur gehört zu haben, sie wollten von der Lehre seiner göttlichen Predigt auch Aufzeichnungen besitzen. Daher wandten sie sich mit verschiedenen Bitten an Markus, den Verfasser des Evangeliums, den Begleiter des Petrus, er möchte ihnen schriftliche Erinnerungen an die mündlich vorgetragene Lehre hinterlassen. Und sie standen nicht eher von den Bitten ab, als bis sie den Mann gewonnen hatten. So wurden sie die Veranlassung zum sog. Markusevangelium. Nachdem Petrus durch eine Offenbarung des Geistes von dem Vorfalle Kenntnis erhalten hatte, soll er sich über den Eifer der Leute gefreut und die Schrift für die Lesung in den Kirchen bestätigt haben. Klemens hat diese Tatsache im sechsten Buche seiner Hypotyposen berichtet, und mit ihm stimmt Bischof Papias von Hierapolis überein. Petrus gedenkt des Markus in seinem ersten Briefe, den er in Rom selbst verfaßt haben soll was er selbst andeutet, indem er diese Stadt bildlich Babylon nennt, wenn er sagt: „Es grüßt Euch die miterlesene Gemeinde in Babylon und Markus, mein Sohn.“

Na ja, ein Zeitzeuge war Eusebius ja nun auch nicht mehr. Er starb im Jahre 340 n. Chr. Da war das meiste an Legendenbildung schon gelaufen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#95 Re: Missionierung unerwünscht?

Beitrag von PeB » Mo 17. Dez 2018, 15:09

sven23 hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 13:17
Na ja, ein Zeitzeuge war Eusebius ja nun auch nicht mehr. Er starb im Jahre 340 n. Chr. Da war das meiste an Legendenbildung schon gelaufen.
Aber er beruft sich bei seinen Angaben auf Papias und Clemens - beide 1. Jahrhundert.
Er kann sich nur auf Quellen berufen, die seinerzeit bekannt waren. Hätte er sich mit seiner Schilderung in Widerspruch zu den älteren Quellen gesetzt, wäre dies aufgefallen. Er ist somit beim Zitieren von Quellen als authentisch einzustufen.

Ein Zeitzeuge war aber beispielsweise der Jünger Johannes selbst, nicht wahr?
Der Evangelist Johannes schreibt über den Jünger Johannes folgendes:
Johannes 21,24 hat geschrieben:Dies ist der Jünger, der das bezeugt und aufgeschrieben hat, und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist.
...und bezeugt damit selber seine Autorenschaft. Du magst das für eine Lüge halten...

Ein weiteres Beispiel für eine Quelle, die nicht genutzt wird, weil sie der HKM widerspricht ist Irenäus (2. Jahrhundert). Unter anderem schreibt er:
Deswegen begann auch Markus, der Dolmetsch und Begleiter Petri, die Niederschrift seines Evangeliums mit den Worten: „Anfang des Evangeliums Jesu Christi, des Sohnes Gottes, wie geschrieben steht bei dem Propheten: Siehe, ich sende meinen Engel vor Deinem Angesichte, der Deinen Weg bereiten soll. Die Stimme des Rufenden in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, machet gerade die Pfade vor unserm Herrn“

Und du findest massenhaft Belege für die authentische Autorenschaft der Benannten in den Quellen - die nur die HKM nicht anerkennen mag.

Nur eines sollte doch klar sein:
hätte man den Evangelien eine Autorität andichten wollen, die ihnen nicht zusteht, dann hätte man doch nicht einen Lukas oder einen Markus - ansonsten unbekannt - bemüht. Dann hätte man die beiden Evangelien nach Paulus und Petrus benannt. Das hätte doch viel mehr Strahlkraft. Offensichtlich wollte man aber lieber bei der Wahrheit bleiben.

BTW: ich empfehle dir, dich doch einmal mit dem von dir verworfenen Eusebius zu beschäftigen. Denn er hat eine Quellenkritik betrieben, die besser als die der HKM ist. Er hat beispielsweise schon die apokryphen Schriften wie beispielsweise das Petrus-Evangelium verworfen. Er hält auch den 2. Petrusbrief und andere Schriften für nicht sicher zuzuordnen. Insofern hält er durchaus eine als wissenschaftlich zu bezeichnende Distanz.

Er hat aber - anders als die HKM - auch nicht den Vorsatz, von vornherein etwas zu verwerfen.

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#96 Re: Missionierung unerwünscht?

Beitrag von PeB » Di 18. Dez 2018, 06:31

...und vielleicht noch ein kleiner, aber wesentlicher Punkt:

all die Protagonisten, die an der Überlieferung des Evangeliums und der Ereignisse beteiligt waren, hatten ein Interesse an einer wahrheitsgemäßen Überlieferung. Denn mit einer falschen oder gelogenen Berichterstattung hätten sie den Verlust des ewigen Lebens und die Verdammnis riskiert.

Es ist daher völlig unlogisch, ihnen absichtliche Manipulationen unterstellen zu wollen.

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#97 Re: Missionierung unerwünscht?

Beitrag von Detlef » Di 18. Dez 2018, 07:08

PeB hat geschrieben:
Di 18. Dez 2018, 06:31
...und vielleicht noch ein kleiner, aber wesentlicher Punkt:
all die Protagonisten, die an der Überlieferung des Evangeliums und der Ereignisse beteiligt waren, hatten ein Interesse an einer wahrheitsgemäßen Überlieferung. Denn mit einer falschen oder gelogenen Berichterstattung hätten sie den Verlust des ewigen Lebens und die Verdammnis riskiert.
Es ist daher völlig unlogisch, ihnen absichtliche Manipulationen unterstellen zu wollen.
Warum eigentlich nicht? Das war doch (nicht nur in dieser Zeit) ein probates Mittel der Beeinflussung , woher hätten sie tatsächlich von " Verlust des ewigen Lebens und Verdammnis" wissen sollen?
Die Wahrheit lässt sich pachten, mit dem Glauben an des Gottes Sohn, doch die Thesen sind vergänglich, allen Gläubigen zum Hohn! (Gert Reichelt)

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#98 Re: Missionierung unerwünscht?

Beitrag von sven23 » Di 18. Dez 2018, 08:02

PeB hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 15:09
sven23 hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 13:17
Na ja, ein Zeitzeuge war Eusebius ja nun auch nicht mehr. Er starb im Jahre 340 n. Chr. Da war das meiste an Legendenbildung schon gelaufen.
Aber er beruft sich bei seinen Angaben auf Papias und Clemens - beide 1. Jahrhundert.
Man sah sich wohl von Anfang an zeitgenössischer Kritik ausgesetzt, die die Glaubwürdigkeit der Berichte anzweifelten. Deshalb versicherte man sich immer wieder gegenseitig, dass alles wirklich so gewesen sei. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. ;)

In den ersten Jahrhunderten gab es sechzig Evangelien, die fast alle gleich unverdaulich waren. Man verfarf sechsundfünfzig wegen ihrer Kindlichkeit und Albernheit. Gäbe es hierfür keinerlei Anhaltspunkte bei denjenigen, die man behalten hat?
(Denis Diderot, franz. Schriftsteller u. Philosoph, 1713-1784)

PeB hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 15:09
Ein Zeitzeuge war aber beispielsweise der Jünger Johannes selbst, nicht wahr?
Der Evangelist Johannes schreibt über den Jünger Johannes folgendes:
Johannes 21,24 hat geschrieben:Dies ist der Jünger, der das bezeugt und aufgeschrieben hat, und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist.
...und bezeugt damit selber seine Autorenschaft. Du magst das für eine Lüge halten...
So wie der Fälscher der Hitlertagebücher dem Stern versicherte, dass diese echt seien. :lol:
Da dachte der Stern: dann muss es wohl stimmen. Man glaubt halt das, was man glauben will, ohne kritisch zu prüfen.

PeB hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 15:09
Ein weiteres Beispiel für eine Quelle, die nicht genutzt wird, weil sie der HKM widerspricht ist Irenäus (2. Jahrhundert). Unter anderem schreibt er:
Deswegen begann auch Markus, der Dolmetsch und Begleiter Petri, die Niederschrift seines Evangeliums mit den Worten: „Anfang des Evangeliums Jesu Christi, des Sohnes Gottes, wie geschrieben steht bei dem Propheten: Siehe, ich sende meinen Engel vor Deinem Angesichte, der Deinen Weg bereiten soll. Die Stimme des Rufenden in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, machet gerade die Pfade vor unserm Herrn“
Und du findest massenhaft Belege für die authentische Autorenschaft der Benannten in den Quellen - die nur die HKM nicht anerkennen mag.
Es ist doch bekannt, dass die Altkirche eifrigst bemüht war, Legitimationen nachzuschieben. Da schreckte man auch vor Lügen und Fälschungen nicht zurück. Siehe die schlecht gemachte christliche Glosse des "Testimonium Flavianum".

PeB hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 15:09
Nur eines sollte doch klar sein:
hätte man den Evangelien eine Autorität andichten wollen, die ihnen nicht zusteht, dann hätte man doch nicht einen Lukas oder einen Markus - ansonsten unbekannt - bemüht. Dann hätte man die beiden Evangelien nach Paulus und Petrus benannt. Das hätte doch viel mehr Strahlkraft. Offensichtlich wollte man aber lieber bei der Wahrheit bleiben.
Darf man von einfachen Fischern erwarten, dass sie des Lesens und Schreibens mächtig waren oder gar das Griechisch beherrschten, die Sprache der Gelehrten? Doch wohl kaum. Vermutlich war Jesus selbst Analphabet. Hätte er die Evangelien gewollt, hätte er sie selbst schreiben können. Entweder konnte er nicht schreiben, und/oder er hielt es in Anbetracht der unmittelbar bevorstehenden Gottesherrschaft nicht mehr für notwendig.

PeB hat geschrieben:
Mo 17. Dez 2018, 15:09
BTW: ich empfehle dir, dich doch einmal mit dem von dir verworfenen Eusebius zu beschäftigen. Denn er hat eine Quellenkritik betrieben, die besser als die der HKM ist. Er hat beispielsweise schon die apokryphen Schriften wie beispielsweise das Petrus-Evangelium verworfen. Er hält auch den 2. Petrusbrief und andere Schriften für nicht sicher zuzuordnen. Insofern hält er durchaus eine als wissenschaftlich zu bezeichnende Distanz.
Die Forschung hat alle Evangelien und Apokryphen als pseudepigrafische Werke eingestuft. Außer Paulus ist kein einziger Autor namentlich bekannt.
Ebenso gilt der 2. Petrusbrief als nachgeschobene Fälschung, um die enttäuschte Naherwartung zu relativieren.

Man war seitens der Schreiber natürlich posthum eifrig bemüht, den galiläischen Wanderprediger mit Weissagungen des AT in Verbindung bringen zu können, deshalb erfand man die Geburtslegenden, von denen Markus noch nichts wußte.

Markus, der älteste Evangelist, beginnt sofort mit Jesu öffentlichem Auftreten und
scheint sich für die Vorgeschichte seines Wirkens nicht zu interessieren. Oder wusste er
nichts darüber? Waren die ersten 30 Jahre des Lebens Jesu einfach unspektakulär? Man
wird dies annehmen dürfen, doch konnte das auf Dauer nicht so bleiben. Bei Heiligen
oder religiösen Führern muss auch die Kindheit schon wunderbar gewesen sein, das ist
ein Grundgesetz der Religionsgeschichte und lässt sich vielfach belegen. Auch der
Messias muss deshalb eine außergewöhnliche Geburt und Kindheit gehabt haben. So
finden sich bei Matthäus und Lukas vor der eigentlichen Wirksamkeit Jesu die
Geburtslegenden, von denen Markus noch nichts weiß. In der Forschung gelten sie für
das Leben Jesu, grob gesagt, als völlig wertlos, sagen aber viel über den späteren Glauben
der Gemeinde aus. Sie sind Erfindungen der Evangelisten oder ihrer Vorgänger und reinaus
theologischem Interesse heraus entstanden. Die Volkszählung beziehungsweise
Steuerschätzung, die ja der äußere Anlass für die Reise nach Bethlehem gewesen sein
soll, hat es so nicht gegeben. Der Evangelist Lukas, der ja gerne als der Historiker unter
den Evangelisten bezeichnet wird (obwohl er nur einen konkret nachprüfbaren
Tatbestand berichtet, nämlich die Hinrichtung Johannes des Täufers), bringt hier einige
Fakten durcheinander. In Wirklichkeit fand der erste römische Zensus im Jahre 6–7 nach
Christus statt, „und er erstreckte sich nicht auf ganz Palästina, wie Lukas annimmt,
sondern nur auf das Teilgebiet Judäa und Samaria (und das südlich gelegene Idumäa),
und auch nicht auf Galiläa. Im Jahre 6 hatte Augustus den Herrscher dieses Gebiets,
Archelaus, abgesetzt und das Gebiet in unmittelbare römische Verwaltung genommen.
Daher der Zensus. Der Herr von Galiläa, Herodes Antipas, blieb. Also gab es dort auch
keine römische Steuerveranschlagung.“ (Hans Conzelmann, Geschichte des
Urchristentums, S. 19) Auch der Kindermord, der von Herodes dem Großen berichtet wird
(nicht zu verwechseln mit Herodes Antipas, dem Landesherrn Jesu), hat nie
stattgefunden. Herodes war bereits im Jahre vier vor Christus gestorben. Er war
zweifellos ein übler Schlächter und Despot. Drei seiner eigenen Kinder hat er töten lassen
(allerdings nicht im Kindesalter), und wir wissen über ihn durch den jüdischen Historiker
Flavius Josephus ziemlich gut Bescheid. Josephus scheint geradezu ein Interesse daran
zu haben, die Untaten des Herodes aufzuzählen. Ein Kindermord in Bethlehem gehört
jedoch nicht dazu. Auch sonst gibt es keine antiken Hinweise, die dies bestätigen. Doch
ist auch die Gefährdung des künftigen Herrschers ein üblicher Topos in der Literatur und
wird in der Antike öfter berichtet.
Doch warum muss die Familie Jesu überhaupt nach Bethlehem ziehen? Matthäus
konstruiert diese Geschichte aus einem Grund, der später noch oft herhalten muss. Er
möchte eine alttestamentliche Weissagung als eingetroffen darstellen, in diesem Fall
Micha 5,1: „Du aber Bethlehem Ephrata, bist zwar das Kleinste unter Judas
Geschlechtern, doch aus dir wird mir der hervorgehen, der über Israel herrschen soll“.
Deshalb und nur deshalb wird die Geburtsgeschichte zusammengesponnen. Der künftige
König Israels muss in Bethlehem geboren werden, eine Herkunft aus dem
unbedeutenden Nazareth reichte nicht. Auch hier sehen wir wieder: Wo die Überlieferung
nicht passt, wo das vorhandene Material die gewünschte Anschauung offenbar nicht
bestätigt, hat der Evangelist oder einer seiner Vorgänger keine Skrupel, eine auch noch so
abenteuerliche Räuberpistole zusammenzustricken, wie sie uns hier mit dem
Bethlehemszug und dem Kindermord präsentiert wird. Und alles nur, um ein
alttestamentliches Zitat als erfüllt anzusehen. Und besonders Matthäus „belegt“ ständig
irgendwelche alttestamentlichen Stellen. Zu sagen, dass der Evangelist es hier mit der
Wahrheit nicht ganz genau nimmt, wäre schamlos untertrieben. Aus Sicht einer
kritischen historischen Forschung sind dies alles dreiste Fälschungen und werfen ein
erschreckendes Licht auf die Glaubwürdigkeit nicht nur dieses Evangelisten. Welchen
Überlieferungen will man denn überhaupt noch trauen, wenn man an Stellen wie diesen
sieht, wie hier dreist gefälscht und fromm betrogen wird? Dabei sind die
Geburtsgeschichten ja noch relativ leicht als Fälschungen zu enttarnen, und es gibt
keinen ernstzunehmenden Neutestamentler oder Historiker, der hier anderer Meinungwäre.
Wie will man aber bei nicht so offensichtlichen Erzählungen oder Taten Jesu die
Historizität untersuchen, wenn man sieht, wie der Evangelist hier locker mit der
Überlieferung jongliert und eigene Bälle in haarsträubender Weise, aber offenbar guter
Dinge, in das Spiel einbringt?...
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#99 Re: Missionierung unerwünscht?

Beitrag von sven23 » Di 18. Dez 2018, 08:03

Doch glücklicherweise sind auch unhistorische Geschichten für den Historiker nicht
völlig wertlos. Bekommt er doch immerhin einen Einblick in das Denken und die
Theologie der Tradenten und Evangelisten, er kann Tendenzen und Absichten erkennen
und daraus Schlüsse ziehen. Bei den Geburtslegenden ist dies klar. Über Jesu Geburt
hatte es offenbar zunächst keine Überlieferungen gegeben, bald jedoch wurden diese
geschaffen aus dem verständlichen Bedürfnis heraus, diese Lücke im Sinne einer
Hagiografie auszufüllen. Die Evangelisten bedienen sich dabei gerne alttestamentlicher
Vorbilder, und es war vor allem für Matthäus wichtig nachzuweisen, dass Jesus der im
Alten Testament vorausgesagte Messias ist. Es spiegelt sich die grundsätzliche Tendenz
wider, die Herrlichkeit und Großartigkeit des Berichteten zu steigern, Lücken
auszufüllen, Vorhandenes auszumalen. Widersprüche in der Darstellung wurden damals
möglicherweise gar nicht als solche wahrgenommen.
...
Es bleibt noch anzumerken, dass auch die Flucht nach Ägypten, von der Matthäus
berichtet, keinen Sinn mehr macht, wenn es weder eine Verfolgung noch überhaupt eine
Reise nach Bethlehem gegeben hat. Matthäus scheint diese Geschichte nur deshalb zu
erzählen, damit er wieder einen Weissagungsbeweis abliefern kann, diesmal Hosea 11,1:
„aus Ägypten rief ich meinen Sohn“. Übereinstimmung und der Wille zum Abgleich mit
dem Alten Testament gehen offenbar so weit, dass Matthäus Jesus in Parallelität zu Mose
sieht, denn wie bei Mose weckt die Geburt die Unruhe des Herrschenden, beide Male
findet ein Kindermord und eine wunderbare Rettung statt. Erfahren wir auch nichts
Historisches, so erhalten wird doch immerhin interessante Einblicke in die Theologie und
Gedankenwelt des Evangelisten.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#100 Re: Missionierung unerwünscht?

Beitrag von sven23 » Di 18. Dez 2018, 08:12

PeB hat geschrieben:
Di 18. Dez 2018, 06:31
...und vielleicht noch ein kleiner, aber wesentlicher Punkt:

all die Protagonisten, die an der Überlieferung des Evangeliums und der Ereignisse beteiligt waren, hatten ein Interesse an einer wahrheitsgemäßen Überlieferung. Denn mit einer falschen oder gelogenen Berichterstattung hätten sie den Verlust des ewigen Lebens und die Verdammnis riskiert.

Es ist daher völlig unlogisch, ihnen absichtliche Manipulationen unterstellen zu wollen.
Warum? Man kann unsere heutige technisch-sachlich-nüchterne Welt nicht mit dem mythischen Weltbild der Antike vergleichen, in der Wunder an der Tagesordnung waren und vielen großen Führern und Herrschen übernatüliche Taten zugesprochen wurden. (siehe Bultmann)
Allein in den Schriftrollen von Qumran wurden über 500!! verschiedene Autoren identifiziert. Es gab also ein Art Silikon Valley für religiös mythische Schriften, die einen Markt bedienten, der diese Schriften begierig aufnahm. In diesem Kontext sind dann auch die 60 Evangelien nichts Außergewöhnliches mehr.

Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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