Thich Nhat Han - die Achtsamkeit ist der wahre Buddha

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Demian
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#11 Re: Thich Nhat Han - die Achtsamkeit ist der wahre Buddha

Beitrag von Demian » Mi 4. Dez 2013, 16:48

Vitella hat geschrieben: ich hab dazu neuerdings ne andere Theorie...und zwar tut Mitgefühl erstens weh und zweitens, wenn man im Hier und Jetzt lebt.....und so...es heisst ja, dass man im Hier und Jetzt leben soll und man dann keine Probleme mehr hat, weil die meisten Probleme im Denken entstanden sind, zieht man sich davon zurück in sich selbst, dann gibt es hier kein Problem, alles Friede,Freude Eierkuchen.

Wer behauptet soetwas? Wenn ein spiritueller Lehrer eine solch vereinfachende Antwort gibt, dann ist er – offen gesprochen – ein Scharlatan. Zum Lebendigsein … zum Menschsein gehören schwankende Gefühle. Ein sehr naheliegendes Bild ist dafür der Herzmonitor, welcher die Vitalparameter des Herzrhythmus anzeigt. Nur bei Gestorbenen ist der Strich eine Gerade. Solange man lebt gibt es aber die Höhen und Tiefen. „Achtsamkeit“ heißt in diesem Sinne einfach nur: die Höhen und Tiefen anschauen und annehmen, anstatt ihnen auszuweichen.
Das klingt einfach, ist es aber nicht, denn der Verstand ist darauf programmiert permanent Vorstellungen zu entwickeln ... und die Gefahr dabei ist eben, dass man mehr in den Vorstellungen, als in den eigenen Gefühlen lebt. Friede ensteht aber erst, wenn wir die Gefühle anschauen und annehmen. Manche Gefühle möchte man nicht annehmen, weil sie einem falsch vorkommen - aber es gibt keine falschen Gefühle, es gibt nur einen mehr oder weniger sinnvollen Umgang damit. So würde ich es sagen: Lebendigsein tut weh ... kein Mensch ist darüber erhaben ... aber Frieden wird kommen, wenn wir das zulassen. Wenn der Mensch wohnhaft in sich selbst wird. Das würde ich auch auf die politische Dimension übertragen: die Christen hatten und haben ebenso, wie die Kommunisten, große Ideale, menschliche und wichtige Ideale, die heute ebenso richtig bleiben, aber letztlich kommt es nicht auf politische Vorstellungen oder Glaubenssysteme an, sondern auf das eigene Bewusstsein. Wir können unsre Verantwortung mehr und mehr an irgendwelche Kirchen, Parteien und sonstige Organisationen outsorcen - aber dann müssen wir uns auch nicht wundern, wenn es schief geht.

ich denke zur Zeit, das dass Hier und Jetzt das Verdrängen und nicht Einlassen von Gefühlen ist, denn wie kann Mitgefühl entstehen wenn man nur in sich selber ist.?

Ist man denn im Hier und Jetzt und wirklich bei sich selbst, wenn man vorhandene Gefühle verdrängt? Und wie kann man Mitgefühl erfahren, wenn man noch nicht mal ein Bewusstsein für sich selbst bekommen hat? Das eigene Bewusstsein ist die Wurzel. Wenn man kein Mitgefühl erfährt, dann liegt die Ursache dort. Meiner Meinung nach sind alle Gefühle Mitgefühle, wenn man sie wirklich bewusst erlebt. Gefühle schaffen nicht nur Verbindung, sie sind Verbundenheit.

Ein Glaubenssystem ist auch die These des Hier und Jetzt. Jede Theorie ist ein Glaubenssystem, alles was wir an Meinungen haben sind Glaubenssysteme. :)

Was ist Gegenwart, wenn nicht das, was wirklich geschieht? Darauf kannst du dich einlassen oder nicht. Ein Glaubenssystem geht von Wahrheiten aus, die man glauben muss. Das Hier und Jetzt hingegen ist eine Erfahrung, aber keine Lehre. Es wird zwar in allen spirituellen Traditionen die "Achtsamkeit" gelehrt, aber genau genommen lehrt man nur einen Weg, um bewusst in die Erfahrung zu kommen. Man übt die "Präsenz".

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#12 Re: Thich Nhat Han - die Achtsamkeit ist der wahre Buddha

Beitrag von Lena » Mi 4. Dez 2013, 19:49

Demian, wie kann atmen, bewusstes atmen glücklich machen?
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
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Demian
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#13 Re: Thich Nhat Han - die Achtsamkeit ist der wahre Buddha

Beitrag von Demian » Mi 4. Dez 2013, 20:57

Lena hat geschrieben:Demian, wie kann atmen, bewusstes atmen glücklich machen?

Darf ich fragen, was Dich auf diese Frage gebracht hat? Ich würde es so sagen: Atem, Körperkreislauf und Bewusstsein hängen elementar miteinander zusammen. - dort ist die Verbindung von Körper und Geist besonders spürbar. Die Gefühlszustände spiegeln sich im Atem wieder. Ob das nun ängstliche Kurzatmigkeit ist, der kraftvolle Schrei eines Neugeborenen, das Seufzen bei großem Kummer oder das glückliche Aufatmen zweier geliebter Menschen, die in die gegenseitige Nähe eintauchen und sie genießen.

Darum ist der Atem eines der passendsten Sinnbilder für das Heiligste und Lebendigste. Der Heilige Geist wurde oft als lebensspendender und schöpferischer Atemwind vorgestellt. Im Tao te King heißt es sehr schön: "Das TAO ist der ATEM, der nie vergeht. Es ist die alles erschaffende Mutter." Zeitweise meinte man im antiken Griechenland sogar, dass der Sitz des Bewusstseins bei den Lungenflügeln sei. „Augen und Zunge und Ohren und Geist gescheiter Männer sind in der Mitte ihrer Brust verwurzelt.“, sagte Onians. ( schließlich gehen dort Puls, Atem, Blut und Herzkreislauf ineinander über )

Die gesamte Erde ist ein atmender Organismus. Pflanzen- Tier- und Menschenwelt atmen die selbe Luft. In der Sprache der Inuit heißt Sterben sogar ganz direkt den Atem zu verlieren. - und in Indien nennt man die individuelle Seele ATMAN - und das kosmische Prinzip BRAHMAN ( wenn du das Wort aufmerksam aussprichst, wirst Du merken, dass die Lautbildung einem gleichmäßigen Ein- und Ausatmen entspricht ); Atmen evoziert das pulsierende, vitale und rhythmische Prinzip in allem Lebendigen. Ist regelrecht der Inbegriff dessen, was man in der Religion „Gott“ nennt. Mythologisch drückt dies der schlafende Gott Vishnu aus, der die Welt gleichsam „träumt“ und atmet. Wenn er ausatmet, sagt man in Indien, erschafft er ein Universum … bis er wieder einatmet und das Universum erneut hinein holt in sein tiefstes Innerstes. Mitten in das Herz des Göttlichen hinein.

Oder im alten Ägypten sagte man, dass der unsterbliche Ptah dem Pharao seinen göttlichen Atem schenkt, um ihm so Kraft und Macht zu verleihen. Ähnliche Bilder und Ausdrücke hat das Christentum gefunden. Das ist die dichterische und mythologische Seite der Bildsprache. Zentral ist für die Meditation eben, dass unser Bewusstsein sich durch den Atem entwickelt und durch eine bewusste Atmung auch transformiert, vertieft und erweitert werden kann.

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Vitella
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#14 Re: Thich Nhat Han - die Achtsamkeit ist der wahre Buddha

Beitrag von Vitella » Do 5. Dez 2013, 08:26

Vitella hat geschrieben: Ein Glaubenssystem ist auch die These des Hier und Jetzt. Jede Theorie ist ein Glaubenssystem, alles was wir an Meinungen haben sind Glaubenssysteme. :)

Demian hat geschrieben:Was ist Gegenwart, wenn nicht das, was wirklich geschieht?

Ja eben, und zwar überall auf der Welt, nicht nur in der eigenen.

Zum Lebendigsein … zum Menschsein gehören schwankende Gefühle.

sag ich doch..das tut weh, ist unangenehm, wenn man z.B. sieht wie viele Menschen täglich einfach verhungern, dann kann ich dazu keine Entspannung finden, da nützt mir alles Hier und Jetzt nichts.

Ist man denn im Hier und Jetzt und wirklich bei sich selbst, wenn man vorhandene Gefühle verdrängt? Und wie kann man Mitgefühl erfahren, wenn man noch nicht mal ein Bewusstsein für sich selbst bekommen hat?

ich rede nicht von Verdrängen, ich rede davon, dass das Leben im Hier und Jetzt nichts verbessert.

Gefühle schaffen nicht nur Verbindung, sie sind Verbundenheit.

so ähnlich steht es auch in der Bibel. Darüber muss ich nochmal nachdenken, denn wem nützt es wenn ich Mitgefühl habe mit all den Menschen die im Krieg leben müssen, oder mit all den Tieren die von Tierquälern gequält werden, ich habe dieses Mitgefühl,. falls es das Richtige ist und es macht mich krank und unglücklich.
Mitgefühl macht Stress. Es ist wie eine Falle, es nützt niemandem etwas.
  Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus,
der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.
1 Petrus 5:10

 

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#15 Re: Thich Nhat Han - die Achtsamkeit ist der wahre Buddha

Beitrag von Lena » Do 5. Dez 2013, 10:44

Herzlichen Dank für Deine grosszügige Antwort an mich, lieber Demian.

Der Mann mit dem Namen Thich Nhat Han redet in dem Film davon.
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
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Demian
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#16 Re: Thich Nhat Han - die Achtsamkeit ist der wahre Buddha

Beitrag von Demian » Do 5. Dez 2013, 11:09

Vitella hat geschrieben:Ja eben, und zwar überall auf der Welt, nicht nur in der eigenen[...]sag ich doch..das tut weh, ist unangenehm, wenn man z.B. sieht wie viele Menschen täglich einfach verhungern, dann kann ich dazu keine Entspannung finden, da nützt mir alles Hier und Jetzt nichts.

Ist nicht der einzige Ort, wo Du wirklich wohnhaft werden kannst in Dir? Ist nicht dort die Welt? Alle Menschen erschaffen durch ihr Bewusstsein neue Realitäten. Wenn du im Krieg mit dir bist, erschaffst du eine Realität des Krieges, wenn du in der Freude bist, erschaffst du eine Realität der Freude. Im Grunde ist das eine kindliche Weisheit. Kinder leben spontan und spielerisch. Sie erschaffen in jedem Moment die Realitäten ihrer Phantasie. Die Erwachsenen trainieren sich das Stück für Stück ab, um „realistisch“ zu werden - aber gerade diese „realistische“ Welt ist unbefriedigend und oft viel weiter vom LEBENDIGFÜHLEN entfernt, als die Intuition der Kinder.
Es besteht also die berechtigte Frage: wie real ist diese Realität?
Kinder sind für mich natürliche, spirituelle Lehrer, weil sie aus den unbewussten Tiefen ihres Wesens schöpfen und: PRÄSENT sind. Das tun sie aus dem glücklichen Zustand völliger Unbewusstheit. Sie können gar nicht anders, als im Hier und Jetzt zu leben, weil sie noch kein so ausgeprägtes Bewusstsein haben. Sie sind ein mehr oder weniger „unbeschriebenes“ Blatt. Erwachsene haben hingegen ein Bewusstsein, viele Erfahrungen, Vorstellungen und eine richtige Vergangenheit – und auch ein Bewusstsein ihrer Zukunft, plus Verantwortung und Erwartung in Gesellschaft und Familie. Die Schwierigkeit besteht nun, in meinen Augen, darin, die Einfachheit der Kindheit wieder zu erlernen ( im Grunde ist das Kindbewusstsein ja nicht verschwunden, es ist die Basis unsrer Gefühlswelt ), aber eben nicht durch Unbewusstheit, sondern durch schonungslose Klarheit und Bewusstheit. Es gilt also diese PRÄSENZ bewusst zu leben, die ein Kind noch nicht bewusst leben konnte. Das ist, in meinen Augen, mit dem Jesuswort gemeint: „wenn ihr nicht werdet, wie die Kinder …“ - die sprachliche Feinheit ist interessant: es geht nicht darum, wieder zurück in die Kindheit zu gehen, sondern wieder Kind zu WERDEN. - nicht also zu wiederholen, was einmal Kindheit bedeutet hat, sondern sie neu und reif auf eine vertiefte Weise in sich wach zu rufen.

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#17 Re: Thich Nhat Han - die Achtsamkeit ist der wahre Buddha

Beitrag von Scrypton » Do 5. Dez 2013, 11:41

Demian hat geschrieben:Alle Menschen erschaffen durch ihr Bewusstsein neue Realitäten.
Nein, sie schaffen neue Wahrnehmungen bzw. besser Perspektiven von ein und der selben Realität.

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#18 Re: Thich Nhat Han - die Achtsamkeit ist der wahre Buddha

Beitrag von Demian » Do 5. Dez 2013, 11:45

Darkside hat geschrieben:
Demian hat geschrieben:Alle Menschen erschaffen durch ihr Bewusstsein neue Realitäten.
Nein, sie schaffen neue Wahrnehmungen bzw. besser Perspektiven von ein und der selben Realität.

Ja und nein - ich unterscheide, eben weil man das missverstehen kann, in der Regel zwischen Realität und Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist für mich das wirkende Ganze, während die Realität vorallem unser Bewusstsein dessen meint - und entsprechend "wirken" und erschaffen wir innerhalb unsres Wirkungskreises eine solche.

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#19 Re: Thich Nhat Han - die Achtsamkeit ist der wahre Buddha

Beitrag von Vitella » Do 5. Dez 2013, 12:03

Darkside hat geschrieben:
Demian hat geschrieben:Alle Menschen erschaffen durch ihr Bewusstsein neue Realitäten.
Nein, sie schaffen neue Wahrnehmungen bzw. besser Perspektiven von ein und der selben Realität.

das klingt jetzt echt klug.
  Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus,
der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.
1 Petrus 5:10

 

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#20 Re: Thich Nhat Han - die Achtsamkeit ist der wahre Buddha

Beitrag von Vitella » Do 5. Dez 2013, 12:05

Demian hat geschrieben:
Vitella hat geschrieben:Ja eben, und zwar überall auf der Welt, nicht nur in der eigenen[...]sag ich doch..das tut weh, ist unangenehm, wenn man z.B. sieht wie viele Menschen täglich einfach verhungern, dann kann ich dazu keine Entspannung finden, da nützt mir alles Hier und Jetzt nichts.

Ist nicht der einzige Ort, wo Du wirklich wohnhaft werden kannst in Dir?

Es besteht also die berechtigte Frage: wie real ist diese Realität?

das ist ja alles gut und schön....ändert aber nichts an der Tatsache, das in der realen Welt viel Leid herrscht, egal ob ich mich ins Hier und Jetzt zurück ziehe.

In mir der einzige Ort usw.....klingt alles wunderbar, ist aber schon ein bisschen Realitätsfremd, oder denkst Du nicht.?.
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der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.
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