Ursula Seghezzi: Spirituelle Transformation

Judentum, Islam, Hinduismus, Brahmanismus, Buddhismus,
west-östliche Weisheitslehre
Antworten
Benutzeravatar
Demian
Beiträge: 3533
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:09

#1 Ursula Seghezzi: Spirituelle Transformation

Beitrag von Demian » Do 19. Dez 2013, 10:10

DAS WISSEN VOM WANDEL - Die natürliche Struktur wirksamer Transformationsprozesse

Alles in der Natur folgt Mustern, Zyklen, Phasen und Rhythmen. Könnte das auch auf Transformationsprozesse und alle Formen geistiger und spiritueller Wachstumsprozesse zutreffen? Wie könnte sie aussehen, diese natürliche Struktur?

Ursula Seghezzi ist dieser Frage nachgegangen und hat dabei ein einfaches und einleuchtendes Muster für Transformationsprozesse wiederentdeckt. Sie glaubt: Dieses Muster kann es uns helfen, innere Prozesse natürlicher und organischer zu bewältigen und wieder ein Gefühl dafür zu bekommen, dass wir ein Teil der Natur sind, eingebettet in ihre Rhythmen und Zyklen, verwurzelt in der organischen Spirale evolutionären Wachstums

Bild

Du hast ein Buch über die natürliche Struktur von Transformationsprozessen geschrieben. Dafür hast du nach einem Muster in verschiedenen Veränderungsprozessen in der Natur, aber auch in Mythen, Sagen und Märchen gesucht - und es gefunden. Wie bist du überhaupt auf die Idee dazu gekommen?

Als Kind liebte ich die Märchen und ich liebte die Natur. Als junge Mutter habe ich die Märchen meinen Töchtern erzählt und war viel mit ihnen draußen. Aber erst durch meine Forschungen als Religionswissenschaftlerin und Ethnologin und meine Arbeit als Naturritualleiterin habe ich den Zusammenhang zwischen diesen beiden Bereichen wirklich begriffen: Bräuche sind ursprünglich Jahreszeitenrituale; unsere Märchen sind Geschichten über die Initiationsrituale unserer indigenen europäischen Vorfahren.


Und darum waren neben der Natur auch Mythen und Sagen für dich eine wichtige Quelle, dieses universelle Muster aufzuspüren?

Die Natur zeigt uns in den Jahreszeiten die Gesetzmäßigkeiten von Wandel: Alles, was blüht (Sommer), vergeht in seiner Form (Herbst), wandelt sich im Verborgenen unter der Erde (Winter), erscheint als etwas Junges und Frisches (Frühling), um sich ganz in seine Schönheit und Kraft zu entfalten (erneuter Sommer). Dies ist die Grundstruktur. Wollen wir sie aber auf uns Menschen übertragen und mit Sinn und Bedeutung füllen, dann brauchen wir dazu Bilder, Symbole, Metaphern. Diese sind immer kulturell. In Mitteleuropa finden wir sie noch in Mythen, Märchen und Sagen. Wenn wir diese von den (ab-)wertenden Umformungen befreien, dann offenbart sich ein reicher Schatz an Weisheit. Aus beiden Quellen zu schöpfen, verbindet und versöhnt uns neu mit der Natur und vor allem auch neu mit unserer Kultur. Mein Modell der Transformationsreise lehnt sich stark an das Heldenreisemodell des Mythenforschers Joseph Campbell an. Durch die Verbindung mit den Naturbewegungen konnte ich die Stationen der Transformationsreise jedoch präziser und in ihrer inneren Dynamik genauer beschreiben.


Wie sieht es denn nun aus, das natürliche Muster von wirksamen Transformationsprozessen? Kannst du die Reise kurz beschreiben?

In jeder Krise, in jeder Wandlungsbewegung und bei jedem Lebensübergang durchschreiten wir verschiedene Stationen, die unterschiedlich lange dauern können. Keine aber darf ausgelassen werden. Ein Beispiel: In unserem gewohnten Leben tritt eine Störung auf. Es kann sich dabei um plötzliche Ereignisse wie einen Unfall, einen Todesfall, eine Kündigung, aber auch um eine Geburt oder einen Lottogewinn handeln. Oder die Störung tritt schleichend wie eine Krankheit ins Leben. So oder so ist sie ein Ruf, der sagt: „Es gibt noch mehr. Du bist noch mehr als das, was du bist und was du kannst!". Folgen wir dem Ruf, führt uns die Reise an eine Schwelle ins Unbekannte. Das ist der Moment, in dem wir wissen: Wenn ich hier weiter gehe, dann komme ich nicht mehr zurück, bzw. ich komme verändert zurück. Die Unsicherheit, Unberechenbarkeit und Unplanbarkeit des Lebens fordert von uns jetzt volle Hingabe. Die bisherigen Lebensstrategien kommen auf den Prüfstein. Das bisherige Bild von uns selbst zerbricht. Für das Ego ist dieser an sich natürliche Vorgang der Auflösung und des Loslassens eine Niederlage, weswegen viele Menschen diese Station als persönliches Versagen empfinden.

Es läuft aber - wenn wir Glück haben - darauf hinaus, dass wir uns über die bisherige Begrenztheit hinaus öffnen können und uns eine Erfahrung der Ganzheit zuteil wird. Wir erkennen, dass wir auch ohne Leistung wertvoller Teil des Lebens sind, eingebettet in das große Ganze. Nicht wir leben, sondern wir werden vom Leben gelebt. Diese Einheitserfahrung ist zutiefst spirituell und wird darum als unio mystica bezeichnet.

Erst nach dieser Schau des Ganzen und meines Platzes darin kann ich erkennen, was meine ureigene Gabe, mein Talent, mein Potenzial ist, das durch mich in die Welt kommen soll. Nicht mehr „Was will ich?", sondern „Was will das Leben von mir?" ist jetzt die Leitfrage, die mich zurück über die Schwelle in den Alltag führt. Es geht darum, die Berufung im ganz konkreten Leben zu leben. Weil sich nach dieser Wandlung meine Haltung zu mir und gegenüber dem Leben verändert hat, reagiert die Umgebung oft zwiespältig. Manche freuen sich und lassen sich von meiner Ausstrahlung mitreißen. Andere sind irritiert, wollen wieder die „alte/frühere Person" zurück und legen Steine in den Weg. Die Dramatik spitzt sich noch einmal zu, bis ich das, was ich am tiefsten Punkt der Krise an Seelenfreiheit geschaut und erfahren habe, voll und ganz in mein konkretes Leben gebracht habe. Eine neue, geweitete Persönlichkeit ist durch die Krise hindurch herangereift.
"


Bild

Antworten