Was ist das Böse?

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west-östliche Weisheitslehre
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Demian
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#1 Was ist das Böse?

Beitrag von Demian » Fr 25. Apr 2014, 05:26

Anhand zweier Eingangsbeiträge aus dem "Advaita Journal", jeweils von Rüdiger Safranski und Peter Cunz, dem Scheich des Mevlevi Ordens möchte ich ein Gespräch über das Böse starten.

Interview mit Rüdiger Safranski

aJ: Rüdiger Safranski, drei Jahre lang schrieben Sie an Ihrem Buch über das Böse. Was ist Schlußfolgerung dieser äußeren und inneren Reise?

Safranski: Das Böse ist der Preis der Freiheit, das ist die einfache Botschaft. Ohne die Versuchung zum Bösen wäre Freiheit nicht denkbar. Freiheit riskiert das Böse. Wir sprechen immer von der Risikogesellschaft, doch jeder ist für sich selbst ein Risikofall. Große Sicherheiten gibt es nicht. Wir sehen, wie sogar das authentische Verlangen nach Freiheit und der Wunsch, in der Wahrheit zu stehen, terroristisch werden kann. Das geschieht in der Geschichte des Einzelnen ebenso wie im Großpolitischen. Ich bewege mich durch die wundersame Landschaft des Menschen, um diese Bereiche der conditio humana auszuloten.

aJ: Warum haben Sie gerade über das Böse geschrieben?

Safranski: Das kommt aus der persönlichen Geschichte. Ich bin aufgewachsen mit einer pietistischen Großmutter und war schon früh sensibilisiert für die Idee des Gewissens und die Frage nach dem Bösen. Zum Glück hatte ich einen Vater, der war „Heide“ – und so hatte ich ein Gegengewicht. Ich habe das Buch auch geschrieben, weil das Böse nicht mehr beim Namen genannt wird. Wenn man jedoch diese Dimension des Bösen wegstreicht - und das geschieht ja in unserer Gesellschaft - dann erfährt man wenig von den inneren Labyrinthen und auch von den Freiheitsmöglichkeiten, die man als Mensch hat. Ich würde sogar sagen: Kein Mensch ist reif, ist erwachsen, wenn er die Konfrontation mit dem Bösen in sich selbst, mit dem inneren Schatten, vermeidet.

(...)

Das ganze Interview in: aJ, Vol 10

Quelle

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Demian
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#2 Re: Was ist das Böse?

Beitrag von Demian » Fr 25. Apr 2014, 05:31

Interview mit Peter Cunz, Scheich des Mevlevi-Ordens

aJ: Gibt es im Sufismus eine Unterscheidung zwischen Gut und Böse?

Peter Cunz: Selbstverständlich! Sufismus ist nichts anderes als vertieft gelebter Islam. Sufismus ist Religion und Philosophie in einem und als Rahmen für das Leben in dieser Welt gedacht. Der Mensch kann gar nicht anders, als ständig das für ihn Richtige vom Falschen zu unterscheiden. Die Frage ist dann nur, von welcher Seite er das Betrachtete beleuchtet und beurteilt. Hier benötigt er Hilfe, wenn er sich nicht auf sein eigenes limitiertes Beurteilungsvermögen beschränken will.

aJ: Warum gibt es das Böse, den Teufel?

Peter Cunz: Weil Gott die Welt so erschaffen hat. Du kennst doch die Schöpfungsgeschichte der Bibel? Im Islam werden ähnliche Bilder verwendet und daraus Vorstellungen erschaffen. Gott erschuf die Welt, damit Er erkannt würde. Er mußte also die Erkenntnis ermöglichen, d.h. er mußte die Dualität schaffen, damit mittels einem Erkennenden und einem Erkannten die Erkenntnis entstehen konnte: Er erschuf aus sich heraus zwei Gegenspieler, nämlich „Gott den Herrn der Welten“ (Rabb il Alamin) auf der einen Seite und Satan (auch Iblis genannt) auf der anderen.


aJ: Was ist der Teufel aus der Sicht des Sufismus?

Peter Cunz: Der Teufel und Satan ist das gleiche. So wie Gott unser Herr die Engel als Kräfte unterschiedlicher unterstützender Qualitäten hat, so hat Satan unterschiedliche Teufel, die uns verführen, die Trennung verursachen und die Ärger, Neid und Eifersucht entstehen lassen.

aJ: Ist aus der Sicht des Sufismus die menschliche Natur böse? Wie kommt der Mensch zum Bösen?

Peter Cunz: Der Mensch kommt nicht zum Bösen, sondern das Böse kommt zu ihm. Der Mensch wird nicht böse geboren. Wir kennen die Vorstellung der Erbsünde nicht.

(...)

Das ganze Interview in: aJ, Vol 10

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Demian
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#3 Re: Was ist das Böse?

Beitrag von Demian » Fr 25. Apr 2014, 05:44

Dazu noch ein Zitat des von der christlichen Mystik und der Advaita-Philosophie geprägten spirituellen Meisteres OM C. Parkin und eine Inhaltsangabe zu einer "Advaita"-Ausgabe die sich der Thematik des Bösen widmet (in meinen Augen äußerst vielschichtig und lesenswert!) und auf der Quellseite für sehr günstige 7, 80 käuflich. Von den archaischen Kulturen, "der Frau und das Böse" ( :lol: ) zu Dante Alighieri und Bernie Glassman. Herrlich!

"Bösartige Handlungen sind missratene Versuche des Ichs, das verlorene Paradies wiederzufinden. Es sind Kompensationsversuche des Ichs, einen tiefgreifenden Seinsverlust auszugleichen... Selbst das Gewissen ist nur eine armselige Imitation des göttlichen Herzens im Menschen. Das Einssein mit dem göttlichen Wesen macht alle Instanzen des Über-Ichs sinnlos..."
OM C. Parkin, "...von der Tugend des ewigen Lebens"


Artikel zum Leitthema
Die Frau und das Böse (Iris Rohmann)
Asura und Maya im Hinduismus (Chandravali D. Schang)
Das Böse in archaischen Kulturen (Doris Iding)
Den Teufel an die Wand gemalt – Sekten als Ausdruck des Bösen (Rüdiger Porep)

Interviews und Gespräche
Die sieben Todsünden. Interview mit OM C. Parkin
Der Mensch kommt nicht zum Bösen, sondern das Böse kommt zu ihm. Interview mit Scheich Peter Kunz.
Böse sind immer die anderen. Interview mit Professor Christian Pfeiffer.
Das Böse ist der Preis der Freiheit. Intervie mit Rüdiger Safranski

Der Klassische Text
Dante Alighieri: Göttliche Komödie, Hölle, VII. Gesang

Buch-Besprechungen
OM C. Parkin: Tod (Hörbuch)
Anker Larsen: Der Stein der Weisen
Franz Wuketits: Warum uns das Böse fasziniert

Kurzvorstellungen über weitere Bücher zum Thema „Das Böse“

Videobesprechungen
Bernie Glassman: Zen on the Street
Bernie Glassman: Remember…to Become Whole Again

Magazin, 84 Seiten

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kamille
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#4 Re: Was ist das Böse?

Beitrag von kamille » Fr 25. Apr 2014, 07:53

Was ist das Böse? Das frag ich mich auch schon mein Leben lang. Gott kann das Böse nicht erschaffen haben, das ist für mich undenkbar.
Wie kommt es dann zustande ?
Alle Theorien haben nichts genutzt, um es wirklich in der Tiefe meines Seins zu verstehen, ja dieses als Wahrheit wieder zu finden.
Ich kann zwar vieles annehmen und glauben, aber es bleibt mehr im Kopf und im guten Willen hängen.

Es ist wie ein verschleiertes Etwas, eine Ahnung, die nicht greifbar ist.
Satan, Teufel, Dämonen, alles abstrakte Begriffe.
Ich habe die Bergpredigt als Maßstab meines Denkens und Handelns und empfinde auch, dass bei ihrem Gebrauch eine geistige Unterstützung, ja ein sichtbarer Zwiespalt entsteht. Auf der einen Seite ist es die Reinheit der Wahrheit, auf der anderen Seite die Neigung zuwider zu handeln, sich aber dabei unschuldig zu fühlen, denn der Wille ist ja ansich nicht böse, sondern das , für das er sich hingibt, wenn es dem göttlichen Willen entgegen steht.

Ich glaube, kein Mensch kann mit Bestimmtheit sagen, was das Böse ist.



Er
Jesus Christus spricht:..Siehe, ich bin bei euch alle Tage.....

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Demian
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#5 Re: Was ist das Böse?

Beitrag von Demian » Fr 25. Apr 2014, 08:18

kamille hat geschrieben:Was ist das Böse? Das frag ich mich auch schon mein Leben lang. Gott kann das Böse nicht erschaffen haben, das ist für mich undenkbar [...] Ich glaube, kein Mensch kann mit Bestimmtheit sagen, was das Böse ist.

Das ist der springende Punkt ;) Das göttliche Gute ist für mich Vollkommenheit. Unsre Welt ist aber geprägt von Unvollkommenheit und sie ist zumindest inhärenter Teil dieser Schöpfung in diesem Universum und der "Heilsgeschichte" darin.
Zuletzt geändert von Demian am Fr 25. Apr 2014, 09:42, insgesamt 1-mal geändert.

2Lena
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#6 Re: Was ist das Böse?

Beitrag von 2Lena » Fr 25. Apr 2014, 08:51

Ausnahmsweise sprichst du mir irgendwie aus der Seele, liebe Kamille.
kamille: Es ist wie ein verschleiertes Etwas, eine Ahnung, die nicht greifbar ist.
Satan, Teufel, Dämonen, alles abstrakte Begriffe.

So einfach kann man es sagen?
Es ist irgendwie treffend.
Da liest man / frau zahllose Bücher von zahllosen "Experten" mit wohlklingenden Titeln ohne dabei irgend etwas praktisch in den Griff zu bekommen. Was soll das auch helfen?

Da steht einer im Garten, steinigt verzweifelt eine Schnecke nach der anderen, weil seine Karotten und Sonnenblumen selbst im zarten Alter keine Chance haben. Sein Nachbar ist nicht minder grausam mit seinem Gift. Er vergiftet zudem seinen Boden. Der wirklich Böse ist aber ein Fabrikbesitzer, der gärendes Wasser in ein naheliegendes Becken leitet. Er aber ahnt nicht einmal, was er an Reaktionswegen auslöst, wenn Regen das Grundwasser beeinflusst und die Sonne durch Wärme und Strahlung biologische Prozesse in der Luft anstößt. Dann werden die Pflanzen je nach Wetter plötzlich - trotz nassem Boden - welk und sie ziehen Scharen von Schnecken in ihrem Sterbeprozess aus weitem Umkreis an.

Richtig heftig wird es aber, wenn der Fehler bewiesen wird, eindeutig analysiert wird, dass auch Menschen erkranken. Wenn mit den Fakten jemand versucht, beim Arbeitsplätze schaffenden Unternehmer seine Produktionsweise - und den Sinn seiner Produkte zu hinterfragen. Da wird es böse.

Noch böser wird es dann, wenn er das einsieht, und die Leute entlässt... Die haben dann angeblich nichts mehr zu essen, fallen Versicherungen und dem Staat zur Last, der seine Steuern durch andere "böse" Steuerzahler steigert. Damit "boomt" die Wirtschaft, schafft über weitere Umweltschäden noch ein paar "Bösewichter" zum Reigen verstärken.

Geht das links rum - oder rechts rum oder alles undurchsichtig durcheinander?
Die frei erfundene Geschichte soll zeigen, dass bei der ganzen Theorie der Bücher die praktische Hilfestellung fehlt. Ich lobe da auch die "Bergpredigt" weil sie in kurzen Worten Reaktionsregeln sagt.

Demian:"Bösartige Handlungen sind missratene Versuche des Ichs, das verlorene Paradies wiederzufinden. Es sind Kompensationsversuche des Ichs, einen tiefgreifenden Seinsverlust auszugleichen... Selbst das Gewissen ist nur eine armselige Imitation des göttlichen Herzens im Menschen. Das Einssein mit dem göttlichen Wesen macht alle Instanzen des Über-Ichs sinnlos..."
OM C. Parkin, "...von der Tugend des ewigen Lebens"

Demian - so geht es nicht!
Schick deinen "Gott" mal in den Wald. Dort wird er wegen unwirtlicher Verhältnisse auf die Erde zurückkommen.

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Demian
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#7 Re: Was ist das Böse?

Beitrag von Demian » Fr 25. Apr 2014, 08:53

2Lena hat geschrieben:Demian - so geht es nicht! Schick deinen "Gott" mal in den Wald. Dort wird er wegen unwirtlicher Verhältnisse auf die Erde zurückkommen.

Wie bitte - magst Du dich klar ausdrücken?

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#8 Re: Was ist das Böse?

Beitrag von 2Lena » Fr 25. Apr 2014, 09:21

Theorie (in der Luft) - praktisch nicht brauchbar...

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Demian
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#9 Re: Was ist das Böse?

Beitrag von Demian » Fr 25. Apr 2014, 09:26

2Lena hat geschrieben:Theorie (in der Luft) - praktisch nicht brauchbar...

Ganz und gar nicht - entscheidend ist für mich einzig und allein, was MIR praktisch hilft. Was DIR praktisch hilft, ist wiederum DEINE Sache. Du sprichst mal wieder nicht direkt und klar den Inhalt eines Beitrages an. "Es ist wie ein verschleiertes Etwas, eine Ahnung" sagt noch nicht wirklich viel.

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Janina
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#10 Re: Was ist das Böse?

Beitrag von Janina » Fr 25. Apr 2014, 09:59

kamille hat geschrieben:Ich glaube, kein Mensch kann mit Bestimmtheit sagen, was das Böse ist.
Aber letztlich sind sich alle einig: Böse = die Anderen, Gut = wir selbst.

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