Konstantin Wecker: Gewaltlosigkeit und Pazifismus

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Demian
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#1 Konstantin Wecker: Gewaltlosigkeit und Pazifismus

Beitrag von Demian » Fr 18. Jul 2014, 13:52

Wer wachen Geistes in der Jetztzeit lebt, kann ja mal Konstantin Wecker und Bernie Glassman reinziehen. ;)

EIN INTERVIEW VON KONSTANTIN WECKER AUS DER "SEIN"

"Es geht ums Tun und nicht ums Siegen!"

Am 13. Juni treffen sich zwei große Persönlichkeiten in der Heilig-Kreuz-Kirche: Der in den USA lebende Zenmeister Bernard Glassman, weltweit einer der wichtigsten Pioniere eines sozial engagierten Buddhismus, und Konstantin Wecker, einer der bekanntesten Liedermacher Deutschlands. Beide vereint ein gemeinsames Anliegen: Wege aufzuzeigen zu einem sozial engagierten Handeln, das auf spiritueller Weisheit basiert. Christa Spannbauer sprach mit Konstantin Wecker.


Konstantin Wecker: Ich habe immer schon damit gehadert, dass die Spiritualität sich so gerne in eine Ecke zurückzieht, um zu einer Art privaten Erleuchtung und privaten Glückseligkeit zu werden. Natürlich erzählt dir dann jeder, dass er ja auch für die Welt betet oder meditiert, doch trotzdem leidet und verhungert und quält sich die Menschheit währenddessen. Ich fand es daher immer etwas befremdlich, wenn Menschen, die als erleuchtet galten, sich gar nicht darum kümmerten, wie es ihren Mitmenschen geht. Ich verstehe zwar, dass sich Menschen für einige Zeit zurückziehen, von mir aus auch für Jahre, um sich selbst zu entdecken. Doch wer sich in einer Weise selbst entdecken konnte, wie es so vielen anderen Menschen nicht gelungen ist, der sollte dann auch tätig werden und das Erkannte in tätige Güte umsetzen. Für mich war da Albert Schweitzer immer ein großes Vorbild. Was er „tätiges Mitgefühl“ nennt, ist für mich gelebte Spiritualität. Das gilt ebenso für Mutter Teresa, die da eines Tages einfach nach Indien fuhr und die Erleuchtung dadurch erfuhr, dass sie sich ganz in den Dienst anderer Menschen stellte.
Bernard Glassman fiel mir in diesem Zusammenhang auch schon lange auf, noch bevor ich sein neu aufgelegtes Zenbuch „Anweisungen an den Koch“ mit Begeisterung gelesen habe. Er fiel mir deshalb auf, weil er politisches Engagement und Spiritualität in einer Art und Weise verbindet, die ihn in spirituellen Kreisen fast schon suspekt macht. So wie ja auch mein spirituelles Anliegen mich in politischen Kreisen suspekt macht. Wir sitzen da beide zwischen allen Stühlen. Mir persönlich waren die Menschen zwischen den Stühlen aber schon immer sympathischer, weil sie etwas Neues wagen, weil sie neugierig bleiben und aus allen Dogmen ausbrechen. Nur wenn du zwischen den Stühlen sitzt, kannst du lebendig bleiben und dich weiterentwickeln. Wenn du mal fest auf dem Stuhl sitzt und drauf sitzen bleibst, dann klebst du halt irgendwann dran fest.

Ich habe festgestellt, dass das radikale Eintreten für Gewaltlosigkeit und Pazifismus ein spirituelles Anliegen ist und mich weit mehr mit spirituellen Kreisen verbindet als mit linksradikalen Theorien. Und da gehört für mich Bernie Glassman dazu. Du kannst ja eigentlich nur vor Scham erröten, wenn du siehst, was der Mann alles tut und körperlich auch mitmacht und durchmacht, allein schon in seiner Arbeit mit Obdachlosen. Als ich an Weihnachten in meinem überheizten Haus in der Toscana saß, musste ich an Glassman denken, der sein Weihnachten oft auf den Straßen mit Obdachlosen verbracht hat. Der Mann ist wirklich ein Vorbild. Und so sollen Vorbilder auch sein. Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass man jetzt das Gleiche tun und zum nächsten Obdachlosen gehen und ihm seine Hilfe aufdrängen muss. Der denkt sich wahrscheinlich: „Was will denn der Depp von mir?“ Doch dieses Vorbild von tätigem Mitfühlen speichert man im Herzen, und das nächste Mal, wenn man wieder versucht ist, irgend etwas nicht zu tun, wird es da sein und einen Schritt in die Richtung des Mitgefühls bewirken.

...

Inwieweit kann ein spiritueller Weg dabei von Nutzen sein?
Ich glaube, der spirituelle Weg ist hierfür absolut notwendig. Denn wenn man es ausschließlich aus politischen Gründen tun würde, dann läuft man Gefahr, selbst zu dem zu mutieren, wogegen man kämpft. Das haben wir ja bei der ursprünglich wunderbaren sozialistischen Idee gesehen. Die Mitglieder der Weißen Rose kamen hingegen aus religiösen Kreisen. Deren Antrieb war kein politischer, sondern ein spiritueller: Ihr Anliegen war es, in einem unmenschlichen System für Menschlichkeit einzustehen.
Wenn der Neoliberalismus in der Gegenwart so ungebrochen weiterregiert, werden auch wir, zwar auf eine ganz andere Art und Weise und mit ganz anderen Mitteln, die Menschlichkeit ausrotten. Wir müssen uns doch nur anschauen, mit welcher Hemmungslosigkeit Unternehmen Menschen entlassen ohne Rücksicht darauf, was da im Einzelnen passiert, einzig und ausschließlich nur, um den eigenen Gewinn zu maximieren."

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