MMS-Wundermittel?

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sven23
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#91 Re: MMS-Wundermittel?

Beitrag von sven23 » Sa 28. Feb 2015, 09:26

closs hat geschrieben: c) nachweisbar keine Wirkung

Nach hunderten von Studien darf man guten Gewissens sagen, daß Globuli nachweisbar keine Wirkung zeigt, die größer als der Placeboeffekt ist.


closs hat geschrieben: Wenn es Anekdoten-Häufungen gibt, erscheint es mit der Zeit als plausibel.
Anekdoten bleiben nun mal Anekdoten, wenn sie sich durch Studien nicht belegen lassen.

closs hat geschrieben: , sondern wie man in der Praxis mit erfahrbaren und planbaren Koinzidenzen umgeht, die nicht oder noch nicht kausal begründet werden können.

Da liegt daran, daß Koinzidenz und Kausalität verschiedene Paar Schuhe sind.
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closs
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#92 Re: MMS-Wundermittel?

Beitrag von closs » Sa 28. Feb 2015, 11:27

sven23 hat geschrieben:Nach hunderten von Studien darf man guten Gewissens sagen
Methodisch streng genommen NEIN - man kann immer nur sagen, dass keine Wirkung nachweisbar ist - alles andere ist Schlussfolgerung, die über den methodischen Rahmen hinausgeht. - Dass man pragmatischerweise Schlussfolgerungen zieht ("Weil wir keine Wirkung nachweisen können, behandeln wir es so, als gäbe es keine Wirkung"), ist ok - aber es ist keine Beobachtung, sondern Deutung einer Beobachtung.

sven23 hat geschrieben:Anekdoten bleiben nun mal Anekdoten, wenn sie sich durch Studien nicht belegen lassen.
Ja - aber die Erde dreht sich bis dahin weiter. - Man kann Patienten nicht solange im Wartezimmer sitzen lassen.

sven23 hat geschrieben:Da liegt daran, daß Koinzidenz und Kausalität verschiedene Paar Schuhe sind.
E-ben. - Und weil man das (von vorneherein) weiss, muss man sich überlegen, wie man mit dem "Niemandsland" zwischen Koinzidenz und Kausalität umgeht. - Denn Koinzidenz ist eine phänomenologische (Seins-) Größe (x UND y), während Kausalität eine wertende Größe (x, WEIL y) ist. - Es gibt keine Kausalität, der nicht eine Koinzidenz vorausgeht.

Wenn man nun Koinzidenz beobachtet (Ribery schießt um 18:00 Uhr ein Tor UND um 18:01 Uhr fällt der Strom in München aus, ist diese Koinzidenz natürlich nachweisbar (man muss nur Sportschau gucken und jemanden in München in anrufen, der einem sagt, dass gerade der Strom ausgefallen ist). - Die Frage ist, ob beides kausal verbunden ist - in diesem Fall eher nicht. :lol:

Dasselbe gilt auch für die Koinzidenz6 "Ribery schießt um 18:00 Uhr ein Tor UND das Publikum im Stadion jubelt" (Phänomen). - Die Wertung wird in diesem Fall sein: "JA - das ist kausal verknüpft". - Dann gibt es Fälle, die dazwischen sind, über die wir die ganze Zeit mühsam sprechen - etwa: "Der Arzt gibt 5 Patienten am Dienstag ein Mittel UND die 5 Patienten fühlen sich am nächsten Tag besser" (Phänomen). - Die Wertung ist in diesem Fall unsicher: Ist es eine kausale Wirkung, ein Placebo, eine Anekdote, etc. - das meine ich mit "Niemandsland" zwischen Koinzidenz und Kausalität.

Wenn man dies Kausalität nicht nachweisen kann, aber das Phänomen verlässlich funktioniert, wird dies einem Arzt genügen - denn sein Interesse ist Heilung und nicht, WARUM geheilt wird. - Also wird er es beibehalten. - Das umschreibt in etwa die Problematik, von der wir hier sprechen. - Falsch wäre, von außen zu sagen "Weil ein kausaler Zusammenhang nicht nachgewiesen ist, findet das Phänomen nicht statt" - denn genau DAS weiss der Arzt besser.

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#93 Re: MMS-Wundermittel?

Beitrag von JackSparrow » Sa 28. Feb 2015, 11:44

closs hat geschrieben:Dass man pragmatischerweise Schlussfolgerungen zieht ("Weil wir keine Wirkung nachweisen können, behandeln wir es so, als gäbe es keine Wirkung"), ist ok - aber es ist keine Beobachtung, sondern Deutung einer Beobachtung.
Wenn es im ersten Dorf genauso oft regnet wie im zweiten Dorf, obwohl das erste Dorf regelmäßig Ziegen opfert und das zweite Dorf nicht, dann darf man sagen, dass das Opfern von Ziegen keine Auswirkung auf den Regen hat. Man meint damit, dass die Wirkung nicht größer ist, als wenn man gar keine Ziege geopfert hätte.

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#94 Re: MMS-Wundermittel?

Beitrag von closs » Sa 28. Feb 2015, 11:59

JackSparrow hat geschrieben:Man meint damit, dass die Wirkung nicht größer ist, als wenn man gar keine Ziege geopfert hätte.
Das ist der einfache Fall - ein schwererer Fall wäre:

Ein einem Alpendorf gibt es eine Schneemaschine, die man abends anschaltet - im anderen Alpendorf nicht. - Am nächsten morgen steht man auf und stellt fest, dass es nachts geschneit hat und es sehr windig ist. - Dann wird man feststellen, dass die Wirkung der Schneemaschine vernachlässigbar ist (starker Schneefall/Verwehungen), obwohl nachgewiesen ist, dass eine Schneemaschine Schnee produziert.

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#95 Re: MMS-Wundermittel?

Beitrag von Pluto » Sa 28. Feb 2015, 12:03

closs hat geschrieben: Dann wird man feststellen, dass die Wirkung der Schneemaschine vernachlässigbar ist (starker Schneefall/Verwehungen), obwohl nachgewiesen ist, dass eine Schneemaschine Schnee produziert.
Ein klarer Fall von vernachlässigter Opfergabe: Man hat vergessen, ein Lamm zu schlachten.
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sven23
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#96 Re: MMS-Wundermittel?

Beitrag von sven23 » Sa 28. Feb 2015, 13:16

closs hat geschrieben: - aber es ist keine Beobachtung, sondern Deutung einer Beobachtung.
Einverstanden, aber es ist dann erst recht eine Deutung der Beobachtung, daß Patienten nach der Gabe von Globuli gesund werden, weil auch die besten Ärzte kein Sensorium für Kausalität haben. Die läßt sich nur in Studien überprüfen.

closs hat geschrieben: Ja - aber die Erde dreht sich bis dahin weiter. - Man kann Patienten nicht solange im Wartezimmer sitzen lassen.
Will doch keiner. Wir haben ein ganz ordentliches Gesundheitswesen. (Bei allen Kritikpunkten, die es natürlich auch gibt)

closs hat geschrieben: "Der Arzt gibt 5 Patienten am Dienstag ein Mittel UND die 5 Patienten fühlen sich am nächsten Tag besser" (Phänomen). - Die Wertung ist in diesem Fall unsicher: Ist es eine kausale Wirkung, ein Placebo, eine Anekdote, etc. - das meine ich mit "Niemandsland" zwischen Koinzidenz und Kausalität.

Eben, das kann niemand mit Sicherheit sagen. Deshalb bewertet man die Wirksamkeit einer Therapie auch nicht auf diese Weise, sondern mit Doppelblindstudien.

closs hat geschrieben: - Falsch wäre, von außen zu sagen "Weil ein kausaler Zusammenhang nicht nachgewiesen ist, findet das Phänomen nicht statt" - denn genau DAS weiss der Arzt besser.

Das sagt doch niemand. Es würde auch niemand behaupten, daß bei Nichtbehandlung keine Gesundung stattfinden darf. Die meisten harmlosen Krankheiten heilen doch zum Glück auch alleine wieder aus. Hat so ein Patient zufällig Globuli bekommen, kann man eben nicht daraus schließen, daß die Gesundung an den Globuli liegt. Um das sauber zu trennen, braucht man Doppelblindstudien.
Dann wird dein Niemandsland zwischen Koinzidenz und Kausalität ganz schnell zum Terra cognita.
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#97 Re: MMS-Wundermittel?

Beitrag von closs » Sa 28. Feb 2015, 13:25

sven23 hat geschrieben:aber es ist dann erst recht eine Deutung der Beobachtung, daß Patienten nach der Gabe von Globuli gesund werden
Richtig - nachweisbar ist ein temporaler Zusammenhang, der Indiz für einen kausalen Zusammenhang sein kann, aber nicht muss.

sven23 hat geschrieben:Eben, das kann niemand mit Sicherheit sagen.
Der jeweilige Arzt schon - dass dies nicht ausreicht für einen Nachweis, ist klar. - Aber für ihn und seine Patienten ist es ausreichend, wenn beide feststellen, dass am Ende genauso regelmäßig ein befriedigendes Ergebnis steht wie bei Schulmedizin.

sven23 hat geschrieben:Hat so ein Patient zufällig Globuli bekommen, kann man eben nicht daraus schließen, daß die Gesundung an den Globuli liegt.
Man kann aber ebenso nicht schließen, dass HP-Patienten nur bei Krankheiten mit HP behandelt werden, die von alleine ausheilen.

sven23 hat geschrieben: braucht man Doppelblindstudien.
Aber unter Ausgangs-Bedingungen der HP. - Man kann nicht konstatieren, dass Schulmedizin wirkt, wenn man Antibiotika bei Otitis gibt und das Trommelfell nicht platzt, und dass HP nicht wirkt, weil es platzt, wenn es die HP in akuten Fällen genau so will (egal, aus welcher Sicht diese Vorhergehensweise sinnvoll oder sinnlos ist). - Mit anderen Worten: Man muss sich einigen, was man überhaupt in der Studie messen will.

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#98 Re: MMS-Wundermittel?

Beitrag von Pluto » Sa 28. Feb 2015, 13:31

closs hat geschrieben:Dann gibt es Fälle, die dazwischen sind, über die wir die ganze Zeit mühsam sprechen - etwa: "Der Arzt gibt 5 Patienten am Dienstag ein Mittel UND die 5 Patienten fühlen sich am nächsten Tag besser" (Phänomen). - Die Wertung ist in diesem Fall unsicher: Ist es eine kausale Wirkung, ein Placebo, eine Anekdote, etc. - das meine ich mit "Niemandsland" zwischen Koinzidenz und Kausalität.
So was ist vorgeschobene Kausalität und weist in diesem Fall auf Trägheit und mangelhafter Diszuplin seitens des behandelnden HP-lers hin.
So wie beim Regentanz der Tauben in der Skinner-Box, spricht man dem Mittel irgendwelche heilenden Kräfte zu, die aber im Grunde auf nichts weiter als mangelnde Erkenntnis beruhen könnten.

Der Nachweis der Kausalität ist damit NICHT erbracht.
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#99 Re: MMS-Wundermittel?

Beitrag von sven23 » Sa 28. Feb 2015, 13:41

closs hat geschrieben:Richtig - nachweisbar ist ein temporaler Zusammenhang, der Indiz für einen kausalen Zusammenhang sein kann, aber nicht muss.
Desalb die Studien.

closs hat geschrieben: Der jeweilige Arzt schon - dass dies nicht ausreicht für einen Nachweis, ist klar. - Aber für ihn und seine Patienten ist es ausreichend, wenn beide feststellen, dass am Ende genauso regelmäßig ein befriedigendes Ergebnis steht wie bei Schulmedizin.
Das kann auch der Arzt nicht, weil auch er kein Sensorium für Kausaltiät hat.

closs hat geschrieben: Man kann aber ebenso nicht schließen, dass HP-Patienten nur bei Krankheiten mit HP behandelt werden, die von alleine ausheilen.
Eher harmlose Krankheiten, die auch oft von alleine ausheilen, sind doch gerade das klassische Betätigungsfeld der HP. Da kann man schnell mal zu falschen Schlußfolgerungen kommen.

closs hat geschrieben: - Mit anderen Worten: Man muss sich einigen, was man überhaupt in der Studie messen will.

Das ist logisch. Der Maßstab ist immer die Verbesserung des Gesundheitszustandes, incl. evtl. Rückfälle.
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#100 Re: MMS-Wundermittel?

Beitrag von closs » Sa 28. Feb 2015, 14:17

sven23 hat geschrieben:Das kann auch der Arzt nicht, weil auch er kein Sensorium für Kausaltiät hat.
Non sequitur. - Der Arzt beansprucht nicht ein Sensorium für Kausalität, sondern ein Sensorium für Ergebnis: "Was muss ich tun, damit danach der Patient gesund ist".

sven23 hat geschrieben: Da kann man schnell mal zu falschen Schlußfolgerungen kommen.
Natürlich - was natürlich die Frage nach sich zieht, warum für dieselben Krankheiten nachgewiesene Wirkstoffen gereicht werden - wenn's doch eh wurscht ist.

Außerdem sollte man nicht die etwas komplexeren, oft schulmedizinisch austherapierten Krankheiten nicht vergessen, die sicherlich NICHT harmlose Krankheiten sind.

sven23 hat geschrieben: Der Maßstab ist immer die Verbesserung des Gesundheitszustandes, incl. evtl. Rückfälle.
Eben - DAS misst man - nicht die Kausalität.

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