Bedingungsloses Grundeinkommen

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Ruth
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#431 Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitrag von Ruth » Sa 12. Sep 2015, 10:45

Danke Novalis,
dieser Text beantwortet mir persönlich so manche Fragen zu diesem Thema ...

Novalis hat geschrieben: Ein Artikel auf "Sein.de" greift den Satz auf:

Die Definition von Arbeit für die Zukunft lautet: „Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe“ (Khalil Gibran). Arbeit ist Leben, aber Leben ist nicht Arbeit, sondern Spiel. Arbeit ist das Spiel, durch welches sich unsere Liebe ausdrückt. Unsere Liebe zu uns(erem) Selbst, zu unseren einzigartigen Talenten, zur Erde und der Menschheit.

...

Es heißt, viele indigene Völker hätten überhaupt kein Wort für Arbeit. Wozu auch: Das Konzept macht für sie schlicht keinen Sinn. Kochen, Handwerk, Ernte – das ist doch Leben! Und wenn wir nicht mit der gleichen Liebe das Feld bestellen, wie wir abends am Feuer singen – was für ein trauriges Leben führen wir dann?
Arbeit ist der Ausdruck unserer Liebe zu uns selbst und unser Geschenk an die Welt. Produktivität, Schöpferkraft und Kreativität sind spirituelle Qualitäten, die wir in der Natur überall erblicken können. Nichts ist produktiver und kreativer als die Schöpfung selbst.
Auch wir sind dafür geboren. Tief in unseren Herzen blüht der Wunsch nach Ausdruck, nach Erforschen und Kreation, es ist unser Wesen. Unsere Seele ist hier um sich auszudrücken, Göttlichkeit sichtbar zu machen, zu spielen, zu erfahren, zu entdecken und kreieren.

Für jeden ist es ein anderes Spiel, dass er nicht Arbeit nennt, sondern Selbstverwirklichung. Denn wir alle kommen mit einzigartigen Talenten, Fähigkeiten, Interessen und Qualitäten auf diese Welt. Wir kommen nicht hierher, um zu konsumieren, sondern um zu schenken. Um die Welt zu bereichern mit unserer Anwesenheit, um unseren schöpferischen Beitrag zu leisten, unsere Note hinzuzufügen zur ewigen Symphonie des Kosmos. Wir sind hier für Spiel, Ausdruck und Freude und tief in unseren Herzen wissen wir das – diese Sehnsucht ist keine Utopie, sie ist der Weckruf aus der Illusion.

https://www.sein.de/arbeit-ist-sichtbar-gemachte-liebe/

Aufwachen! :wave:

images.png

... weil ich selbst oft darüber nachdenke und mich frage, warum mir bei meiner ganz persönlichen Arbeit jetzt manchmal alles zu viel wird. Obwohl ich genau diese Arbeit wollte und sie in der Grundhaltung auch sehr gerne tue.

Es liegt wohl an unserem System, in dem die Arbeit am Geldwert gemessen wird. Welches einen Maßstab entwickelt hat, welche Arbeit mehr (Geld) wert sei, als eine andere.

Weil ich zuvor aus dem HartzIV-Topf lebte, war ich heilfroh, aus diesem System entlassen zu werden. Auch wenn das Ergebnis (der Geldwert) nur knapp über dem HartzIV-Satz liegt. Irgendwie bin ich dabei aber in diese Masche gerutscht, dass ich glaubte, beweisen zu müssen, dass ich das Geld wert bin. So ist das, was ich anfangs gerne tat, zur Belastung geworden. Immer wieder mit dem unbestimmten Gefühl, dem eigentlichen Anspruch nicht zu genügen.

Ich denke deshalb, dass man ein bedingungsloses Grundeinkommen nur akzeptieren kann, wenn man es nicht vom Geldwert aus betrachtet.

Das ist auch, meiner Meinung nach, der Problempunkt bei dem HartzIV-System. Man wird gezwungen, eine bestimmte Anzahl Bewerbungen zu schreiben, egal um welche Arbeit es sich handelt. Wenn man irgenwie auch nur im Ansatz neben der vorgegebenen Spur des Systems landet, wird man mit Kürzungen gezwungen, die Vorgaben einzuhalten. Urlaub, oder dass man den Ort für ein paar Tage verlässt, sind auch nur mit Erlaubnis "von oben" gestattet - und meistens überhaupt nicht gestattet. In diesem Anspruch ist man übrigens auch drin, wenn man schon arbeitet, aber wegen der Geringfügigkeit noch einen Zuschuss von der ARGE braucht. Man muss praktisch die ganze Zeit bereit sein, seinen Job zu wechseln, wenn sich eine Möglichkeit ergibt, ohne Zuschuss zu leben. Und auch die gesamte Zeit nachweisen, dass man danach gestrebt hat.

Auch wenn ich immer relativ freundliche Ansprechpartner bei der ARGE hatte, fühlte ich mich manchmal wie ein Häftling, der unter ständiger Kontrolle steht. Dabei gehörte ich fast die ganze Zeit zu den Personen, die einen Job hatte. Der nur nicht ausreichte, um davon leben zu können.

Ich bin für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Fürchte aber, dass unsere Gesellschaft dann erst einmal so weit verarmen muss, dass die Kontrolle der "Armen" zu mühselig wird und deshalb dann einfach ein Satz festgelegt wird, den jeder bekommt.

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#432 Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitrag von Pluto » Sa 12. Sep 2015, 10:51

barbara hat geschrieben:Diese Freiheit ist im heutigen System schon sehr begrenzt - mit dem Bisschen, was übrig bleibt, wenn man alles an Steuern, Gebühren und Taxen bezahlt hat, direkt oder indirekt, sichtbar oder unsichtbar, ist die Freiheit nicht sehr gross.
Das Problem was damit nicht beantwortet wird ist: Wo liegt die Schmerzgrenze?

barbara hat geschrieben:
Dies kann man heute noch an den Spuren des Zusammenbruchs des Kommunismus in Osteuropa beobachten.
Die Leute dort hatten Unfreiheit...
Daran lag es sicher auch, aber ich denke, der Hauptgrund liegt in dem was Novalis "Selbstverwirklichung" nannte.
Als ich in en 70-er Jahren die DDR besuchte, fiel mir auf wie viele Menschen enorme Strapazen auf sich nahmen, um sich irgendeinen Wunsch zu erfüllen. Ich interpretiere das heute so, dass sie sich damit jedes Mal ein Stück weit selbst verwirklichten.

barbara hat geschrieben:Ansonsten, weltweit, haben wir ein Überproduktivitätsproblem, nicht in Unterproduktivitätsproblem.
Stimmt. Das liegt aber wohl eher an der Politik der EU, getrieben durch die Ängste der allzu mageren Nachkriegsjahre.

barbara hat geschrieben:Woraus logisch folgt, dass auch Menschen mti einem bedingungslosen Grundeinkommen weiterhin gerne arbeiten werden; weil eine sinnvoll Arbeit eben eine Belohnung in sich trägt, und nicht extra durch Geld angepeitscht werden muss.
Du widersprichst dir hier selbst ein weing, denn wenn es wahr ist, dass alle arbeiten wollen, wozu brauchen wir dann noch ein BGE? Da reicht doch der Status quo des sozialen Netzes (Hartz IV).

barbara hat geschrieben:
Warum? Weil sie nachher so etwas wie Stolz empfinden, etwas für ihren Lohn (Futter) getan zu haben.
Glaubst du wirklich, dass es beim Menschen anders ist?
nein...
DOCH!
Denn auch wir Menschen sind wie die Papageie in meinem Beispiel.

barbara hat geschrieben:Im Gegensatz zu heute, wo der Mittelstand alles zahlt und nix zurück bekommt.
Ich gehöre zu diesem Mittelstand, und habe sehr wohl das Gefühl etwas zurück zu bekommen... z Bsp die Infrastruktur für mein Leben (Schulen, Straßen. ÖVM, Parkanlagen, u.v.m.)
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#433 Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitrag von Novas » Sa 12. Sep 2015, 11:24

Pluto hat geschrieben:Daran lag es sicher auch, aber ich denke, der Hauptgrund liegt in dem was Novalis "Selbstverwirklichung" nannte.
Als ich in en 70-er Jahren die DDR besuchte, fiel mir auf wie viele Menschen enorme Strapazen auf sich nahmen, um sich irgendeinen Wunsch zu erfüllen. Ich interpretiere das heute so, dass sie sich damit jedes Mal ein Stück weit selbst verwirklichten.

Was genau haben meine Worte nun damit zu tun? Ich erkenne keinen Zusammenhang. Meine politische Denkweise geht übrigens eher in diese Richtung:
"Wenn ein Mensch das Recht auf Eigentum an sich selbst hat, auf die Lenkung seines Lebens, so muss er in der Realität ein Recht auf Erhalt seines Lebens haben, sich mit seinem Besitz auseinanderzusetzen und ihn umzuwandeln. Er muss in der Lage sein, das Land auf dem er steht und dessen Bodenschätze zu besitzen und benutzen. Kurzum: Erhalt ist ein »Menschenrecht«" - Murray Rothbard: For a New Liberty: The Libertarian Manifesto.

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#434 Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitrag von Pluto » Sa 12. Sep 2015, 12:15

Novalis hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Daran lag es sicher auch, aber ich denke, der Hauptgrund liegt in dem was Novalis "Selbstverwirklichung" nannte.
Als ich in en 70-er Jahren die DDR besuchte, fiel mir auf wie viele Menschen enorme Strapazen auf sich nahmen, um sich irgendeinen Wunsch zu erfüllen. Ich interpretiere das heute so, dass sie sich damit jedes Mal ein Stück weit selbst verwirklichten.
Was genau haben meine Worte nun damit zu tun? Ich erkenne keinen Zusammenhang.
Das musst du auch nicht erkennen, denn es war eine Antwort auf Barbaras Beitrag.

Novalis hat geschrieben:Meine politische Denkweise geht übrigens eher in diese Richtung:
"Wenn ein Mensch das Recht auf Eigentum an sich selbst hat, auf die Lenkung seines Lebens, so muss er in der Realität ein Recht auf Erhalt seines Lebens haben, sich mit seinem Besitz auseinanderzusetzen und ihn umzuwandeln. Er muss in der Lage sein, das Land auf dem er steht und dessen Bodenschätze zu besitzen und benutzen. Kurzum: Erhalt ist ein »Menschenrecht«" - Murray Rothbard: For a New Liberty: The Libertarian Manifesto.
Das sehe ich auch so.
Natürlich ist der Lohn ein guter Motivator; dennoch ist die von dir erwähnte Selbstverwirklichung m.E. der Kern unseres Arbeitswillens.
Mit anderen Worten, Arbeit muss auch Spaß machen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#435 Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitrag von Pluto » Sa 12. Sep 2015, 12:36

Ruth hat geschrieben:Es liegt wohl an unserem System, in dem die Arbeit am Geldwert gemessen wird. Welches einen Maßstab entwickelt hat, welche Arbeit mehr (Geld) wert sei, als eine andere.
Ein Ökonom würde sagen "Angebot und Nachfrage bestimmen den Wert der Arbeit".
Allerdings ist das viel zu einfach und stimmt nur zum Teil. Arbeit muss auch (a) Spaß machen, und (b) einem das Gefühl geben, man hätte etwas damit geschaffen (oder Jemandem einen Dienst erwiesen).
Mit wie viel mehr Energie gehst man an die Renovierung der eigenen Wohnung ran, als der alltäglichen Arbeit nachzugehen?

Ruth hat geschrieben:Weil ich zuvor aus dem HartzIV-Topf lebte, war ich heilfroh, aus diesem System entlassen zu werden.
Alle Achtung, dass du das geschafft hast! :clap:

Ruth hat geschrieben:Auch wenn das Ergebnis (der Geldwert) nur knapp über dem HartzIV-Satz liegt. Irgendwie bin ich dabei aber in diese Masche gerutscht, dass ich glaubte, beweisen zu müssen, dass ich das Geld wert bin.
Genau so ist es; wenn man arbeitet, bekommt man das Gefühl etwas geleistet zu haben. Dafür muss diese Arbeit aber zumindest das Gefühl vermitteln, nützlich zu sein.

Ruth hat geschrieben:So ist das, was ich anfangs gerne tat, zur Belastung geworden. Immer wieder mit dem unbestimmten Gefühl, dem eigentlichen Anspruch nicht zu genügen.
Ich denke deshalb, dass man ein bedingungsloses Grundeinkommen nur akzeptieren kann, wenn man es nicht vom Geldwert aus betrachtet.
Ja. Geld kann motivieren, aber (ich klinge langsam wie eine zerbrochene Schallplatte) Selbstverwirklichung ist fast noch wichtiger als das Geld.
Wenn dieses Element sowie der "Spaßfaktor" fehlen (und es NUR ums Geldverdienen geht), dann wirk jede Arbeit stumpf und öde.

Mir ist es zum Glück gelungen, in dem ich meine Faszination und Begeisterung zunächst für die Chemie, und später für den Computer nutzte, um aus meinen "Hobbies" einen Beruf zu machen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Ruth
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#436 Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitrag von Ruth » Sa 12. Sep 2015, 17:11

Pluto hat geschrieben:
Ruth hat geschrieben:Es liegt wohl an unserem System, in dem die Arbeit am Geldwert gemessen wird. Welches einen Maßstab entwickelt hat, welche Arbeit mehr (Geld) wert sei, als eine andere.
Ein Ökonom würde sagen "Angebot und Nachfrage bestimmen den Wert der Arbeit".
Allerdings ist das viel zu einfach und stimmt nur zum Teil. Arbeit muss auch (a) Spaß machen, und (b) einem das Gefühl geben, man hätte etwas damit geschaffen (oder Jemandem einen Dienst erwiesen).
Mit wie viel mehr Energie gehst man an die Renovierung der eigenen Wohnung ran, als der alltäglichen Arbeit nachzugehen?

Das ist auch unterschiedlich. Wenn die Renovierung unbedingt nötig ist, so dass man im Grunde unter Druck - vielleicht auch Zeitdruck arbeiten muss, ist die Energie oft auch schnell verbraucht.

Pluto hat geschrieben:
Ruth hat geschrieben:Weil ich zuvor aus dem HartzIV-Topf lebte, war ich heilfroh, aus diesem System entlassen zu werden.
Alle Achtung, dass du das geschafft hast! :clap:

Danke :D

Pluto hat geschrieben:
Ruth hat geschrieben:Auch wenn das Ergebnis (der Geldwert) nur knapp über dem HartzIV-Satz liegt. Irgendwie bin ich dabei aber in diese Masche gerutscht, dass ich glaubte, beweisen zu müssen, dass ich das Geld wert bin.
Genau so ist es; wenn man arbeitet, bekommt man das Gefühl etwas geleistet zu haben. Dafür muss diese Arbeit aber zumindest das Gefühl vermitteln, nützlich zu sein.

Aber ich habe mich quasi selbst unter Druck gesetzt. Was mir eigentlich oft das Gefühl gab, nie genug getan zu haben. Vielleicht auch gerade deshalb, weil ich meine Zeit zum Teil selbst einteilen kann und so manche Geschichte zu hören bekam, dass einer der Vorgänger es schlecht gemacht hat.

Pluto hat geschrieben:
Ruth hat geschrieben:So ist das, was ich anfangs gerne tat, zur Belastung geworden. Immer wieder mit dem unbestimmten Gefühl, dem eigentlichen Anspruch nicht zu genügen.
Ich denke deshalb, dass man ein bedingungsloses Grundeinkommen nur akzeptieren kann, wenn man es nicht vom Geldwert aus betrachtet.
Ja. Geld kann motivieren, aber (ich klinge langsam wie eine zerbrochene Schallplatte) Selbstverwirklichung ist fast noch wichtiger als das Geld.
Wenn dieses Element sowie der "Spaßfaktor" fehlen (und es NUR ums Geldverdienen geht), dann wirk jede Arbeit stumpf und öde.

Mir ist es zum Glück gelungen, in dem ich meine Faszination und Begeisterung zunächst für die Chemie, und später für den Computer nutzte, um aus meinen "Hobbies" einen Beruf zu machen.

Na, dann hoffe ich mal, wenn ich in Rente gehe, wird meine jetzige Arbeit auch wieder zum Hobby. ;)

Dass Selbstverwirklichung wichtiger ist als Geld, ist genau das Problem, welches scheinbar nicht zu lösen geht. Man braucht Geld, um zu leben. Man bekommt es aber nur, wenn man einer bezahlten Arbeit nachgeht. Und wenn es keine Arbeit gibt, welche die Selbstverwirklichung fördert ... ? Dann arbeitet man eben nur für Geld. Und dann bestimmt eben das Geld den Wert des Arbeiters. Und wenn er dann keine Arbeit bekommt, die er tun kann, dann verliert er auch an Wert. Und wenn er Arbeit aufgedrückt bekommt, die ihn kaputt macht ... na, dann geht man eben kaputt. Hauptsache, man hat Geld gegen Arbeit bekommen, die einem das Wertgefühl wiedergibt.

...ich weiß, das ist jetzt etwas überspitzt dargestellt. Aber im Kern ist es genau so.

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#437 Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitrag von Pluto » Sa 12. Sep 2015, 21:17

Ruth hat geschrieben:Aber ich habe mich quasi selbst unter Druck gesetzt. Was mir eigentlich oft das Gefühl gab, nie genug getan zu haben. Vielleicht auch gerade deshalb, weil ich meine Zeit zum Teil selbst einteilen kann und so manche Geschichte zu hören bekam, dass einer der Vorgänger es schlecht gemacht hat.
Ach das ist nur Gerede von den Kollegen.
Du scheinst zu den Perfektionisten zu gehören. Mit der Einstellung brauchst du dich eigentlich vor "schlechten Vorgängern" nicht zu fürchten (eher vor Guten).

Ruth hat geschrieben:Dass Selbstverwirklichung wichtiger ist als Geld, ist genau das Problem, welches scheinbar nicht zu lösen geht. Man braucht Geld, um zu leben. Man bekommt es aber nur, wenn man einer bezahlten Arbeit nachgeht.
Das ist in der Tat traurig, wenn man NUR für Geld arbeitet.

Beim Gucken der Sportschau fiel mir heute besonders auf, dass die alle unheimlich Spaß am Spiel haben.
Und dann kriegen die auch noch eine Menge Geld dafür.
Ist das nun Gerecht?

Ruth hat geschrieben:Und wenn es keine Arbeit gibt, welche die Selbstverwirklichung fördert ...?
Dann arbeitet man eben nur für Geld. Und dann bestimmt eben das Geld den Wert des Arbeiters. Und wenn er dann keine Arbeit bekommt, die er tun kann, dann verliert er auch an Wert. Und wenn er Arbeit aufgedrückt bekommt, die ihn kaputt macht ... na, dann geht man eben kaputt. Hauptsache, man hat Geld gegen Arbeit bekommen, die einem das Wertgefühl wiedergibt.
Aber.... dass du ein Wertgefühl bekommst ist doch schon auch eine Bereicherung, oder nicht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

barbara
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#438 Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitrag von barbara » So 13. Sep 2015, 08:05

Pluto hat geschrieben:Beim Gucken der Sportschau fiel mir heute besonders auf, dass die alle unheimlich Spaß am Spiel haben.
Und dann kriegen die auch noch eine Menge Geld dafür.
Ist das nun Gerecht?

Sport ist so eine Sache, wo 99.99% der Aktiven Geld zahlen, und die besten 0.01% (oder ein noch kleinerer Bruchteil) so herausragend sind, dass sie alle lukrativen Verträge erhalten.

Dennoch haben auch die 99.99%, die Vereinsbeiträge und Hallenmieten zahlen, und die Juniorentrainings leiten etc, offensichtlich Freude am Sport.

Wieder ein Argument mehr, warum Leute mit einem bedingungslosen Grundeinkommen NICHT nur faul auf den Sofa hängen werden. Der gesellschaftliche Nutzen von Vereinssport ist ja unbestritten: sozialer Zusammenhalt, Alt und Jung kommen zusammen, gemeinsam was Konstruktives machen, Leistung die sich lohnt, ein gutes Gefühl durch körperliche Bewegung...

vielleicht hat ja mal einer berechnet, was alles an Kosten entstehen würde, wenn es KEINEN Vereinssport gäbe, wo Leute eine Menge Zeit, Geld und Arbeit investieren. ich befürchte, das würde teuer werden!

gruss, barbara

Novas
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#439 Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitrag von Novas » So 13. Sep 2015, 09:09

Ruth hat geschrieben:Ich bin für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Fürchte aber, dass unsere Gesellschaft dann erst einmal so weit verarmen muss, dass die Kontrolle der "Armen" zu mühselig wird und deshalb dann einfach ein Satz festgelegt wird, den jeder bekommt.

Stimmt auch historisch. Schon der Aufklärer Thomas Paine (der maßgeblich an der Ausarbeitung der freiheitlichen amerikanischen Verfassung beteiligt war) entwickelte aus diesem Grund (der Ungleichverteiligung von Besitz und Vermögen und dem daraus erwachsenden Unfrieden) die Idee eines garantierten Einkommens frei von Arbeitspflicht (= da wir alle frei geborene Menschen sind, soll keiner von einem anderen abhängig sein oder gar betteln müssen, jedem Menschen wird eine unantastbare Würde und Werthaftigkeit zugesprochen)

Dieses begründet er naturrechtlich: "Die augenfällige Gerechtigkeitslücke schloss Paine mit der Feststellung, die Erde mit all ihren natürlichen Gütern sei das unveräußerliche Eigentum der gesamten Menschheit, und somit stünde jedem bedingungslos ein Anteil am gemeinsamen Eigentum zu." Meiner Ansicht nach, eine absolut logische und vernünftige Aussage, die im Einklang mit den universellen Menschenrechten und einer sozialen (!) Marktwirtschaft ist.

Das hat sich aber scheinbar noch nicht herum gesprochen. ;)

Die Idee und ihre historische Genese

Der erste Theoretiker, der die Idee eines garantierten Einkommens frei von Arbeitspflicht dachte und sie gleichzeitig naturrechtlich begründete, war der an der freiheitlichen Verfassung der Vereinigten Staaten maßgeblich beteiligte politische Aufklärer Thomas Paine. Im Jahr 1796 veröffentlichte er die Schrift Agrarische Gerechtigkeit und machte darin einen Vorschlag, das Problem zu lösen, das sich auch damals aus der voranschreitenden Konzentration des (Land-)Besitzes in der Hand einer Schicht Wohlhabender ergab, der eine Großzahl besitzloser und sozial deklassierter Menschen gegenüberstand.

Die augenfällige Gerechtigkeitslücke schloss Paine mit der Feststellung, die Erde mit all ihren natürlichen Gütern sei das unveräußerliche Eigentum der gesamten Menschheit, und somit stünde jedem bedingungslos ein Anteil am gemeinsamen Eigentum zu. Auf dieser Basis schlug Paine vor, die Besitzer, die das Land für ihre Zwecke nutzten, sollten eine Art Bodenpacht in einen Fond einzahlen, aus dem mit Beginn des 22. Lebensjahres jeder Mensch unabhängig von seinem Besitzstand eine Auszahlung als Entschädigung für den Verlust seines Anteils am Gemeingut und darüber hinaus eine regelmäßige Rentenzahlung ab dem 51. Lebensjahr erhielte.

Das Neue und Revolutionäre an Paines Vorschlag liegt darin, dass jeder Mensch ein Recht auf dieses Einkommen hat und zwar unabhängig von der Arbeit, die er in seinem Leben leistet. Damit ist der entscheidende Schritt vollzogen hin zu einer vollständigen Entkoppelung von existenzsicherndem Einkommen und Arbeit, wie sie heute allen echten Grundeinkommenskonzepten zugrunde liegt. Sie unterscheiden sich von Paines Konzept lediglich darin, dass sie Formen der Besteuerung vorschlagen, die unserer heutigen Wirtschaftsordnung und Produktivität angemessener sind, sowie eine sukzessive Auszahlung des Grundeinkommens ab dem 1. Lebensjahr.
http://www.nanna-hucke.de/f%C3%BCr-ein- ... einkommen/

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#440 Re: Bedingungsloses Grundeinkommen

Beitrag von piscator » So 13. Sep 2015, 15:15

barbara hat geschrieben:Sport ist so eine Sache, wo 99.99% der Aktiven Geld zahlen, und die besten 0.01% (oder ein noch kleinerer Bruchteil) so herausragend sind, dass sie alle lukrativen Verträge erhalten.
Dennoch haben auch die 99.99%, die Vereinsbeiträge und Hallenmieten zahlen, und die Juniorentrainings leiten etc, offensichtlich Freude am Sport.
Wieder ein Argument mehr, warum Leute mit einem bedingungslosen Grundeinkommen NICHT nur faul auf den Sofa hängen werden. Der gesellschaftliche Nutzen von Vereinssport ist ja unbestritten: sozialer Zusammenhalt, Alt und Jung kommen zusammen, gemeinsam was Konstruktives machen, Leistung die sich lohnt, ein gutes Gefühl durch körperliche Bewegung...
Seltsamerweise findet man aber in den Vereinen so gut wie keine Hartzer oder sonstige Sozialhilfeempfänger, die dort freiwillig soziale oder eine andere nützliche Arbeit verrichten. Auch im örtlichen Tierschutzverein sind die auch nicht zu finden. Das Ganze ist für mich wieder so ein mühsam konstruierter Versuch, der arbeitenden Bevölkerung das BGE schmackhaft zu machen.

Es ist nun mal Tatsache, dass ein großer Teil der Menschen, die hierzulande Transferleistungen erhalten, weder willens noch in der Lage sind, für ihr Leben selbst zu sorgen. Es hat schon seinen Grund, warum Miete, Heizung, Strom und Wasser von der Behörde direkt bezahlt werden und der Leistungsempfänger dieses Geld nicht in die Finger bekommt. Sonst würde ein Großteil dieser Gelder für Spielautomaten, Alkohol, Nagelmodellage, Haarverlängerungen und Tattoos draufgehen.

Wer denkt, dass ein notorischer Sozialhilfeempfänger sein Leben in den Griff bekommt, nur weil er plötzlich Geld hat, ist naiv.

Ich sauge mir das nicht aus den Fingern; in über 30 Jahren beruflicher Tätigkeit habe ich extrem wenig Menschen bzw. gar keine Menschen getroffen, die ihre Situation als Transferleistungsempfänger zum Anlass genommen haben, freiwillig etwas für die Gesellschaft zu tun. Im Gegenteil.

Bis vor wenigen Monaten habe ich noch versucht, einem Teil dieser Menschen Jobs bei Kunden zu verschaffen, die ich berate. Das Ergebnis war enttäuschend.

Ich bin nach wie vor der Ansicht, das hinter dem BGE Menschen stehen, die ausschließlich ihr eigenes Wohl im Sinn haben. Die Masse der Sozialhilfeempfänger ist denen egal, die sind nur Mittel zum Zweck. Die meisten Argumente empfinde ich als reines Gesülze, das erinnert mich stark an die "pseudolinken Genossen" aus meiner Jugendzeit, die sich durch Schule und Studium schmarotzten und anschließend im eigentlich verhassten Staatdienst gelandet sind, weil dort die soziale Hängematte um Klassen besser war als in der freien Wirtschaft.
Meine Beiträge als Moderator schreibe ich in grün.

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