Sein und Wahrnehmung II

Säkularismus
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Thaddäus
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#211 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » Sa 19. Dez 2015, 22:53

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Es scheint mir immer, du wolltest solche ganz gewöhnlichen subjektiven Einschätzungen, die wir tagtäglich vermutlich dutzendfach vornehmen, schlichtweg abstreiten, was ich dann wiederum für eher absurd halte.
Das Zustandekommen dieser Einschätzungen wird von meiner Vermutung ohne Probleme abgedeckt.

Ich gehe sogar davon aus, dass es in einer sensorischen Wahrnehmung, die mit einem evolutionär entstandenen Verstehmechanismus arbeitet, unumgänglich ist, dass es zu „phänomenalen Versteheindrücken“ kommt.
iOla lieber Silverbullet,
lass uns hierüber noch einmal genauer sprechen, denn ich glaube, dass ist ein wichtiger Punkt. Dann lass uns zu den anderen Punkten deiner Antwort kommen. Ich schreibe nur gerade in einem anderen Thread viel, weshalb ich dich noch um etwas Geduld bitte ...

JackSparrow
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#212 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von JackSparrow » So 20. Dez 2015, 15:18

Thaddäus hat geschrieben:Nun ja, was Gedanken sind und wie das Gehirn sie hervorbringt, ist sicherlich keine leicht zu klärende Sache.
Außer man misst bei einer Versuchsperson die Hirnaktivität und kommt dann zu dem Schluss, dass es sich bei Gedanken um Aktionspotenziale im Neokortex handelt und dass unterschiedliche Gedanken mit unterschiedlichen Verteilungsmustern korrelieren.

Der Grundfehler besteht - nach Gabriel - darin, zu glauben, es könne nur existieren, was materiell existiert. Diese Annahme schränkt das, was wir in der Welt real vorfinden können
Etwas Immaterielles können wir nicht real vorfinden. Um es von Dingen abgrenzen zu können, die wir real vorfinden können, bezeichnen wir das Immaterielle daher als "Fantasie", während wir das Materielle als "Wirklichkeit" bezeichnen.

Der Grundfehler von Esoterikern besteht darin, zu glauben, man müsse diese beiden Definitionen aus irgendwelchen Gründen vertauschen oder gar abschaffen. Aber begründen können sie diesen Glauben nicht.

Dennoch gibt es offenbar "Gegenstände des Denkens", denen in der Welt reale und materielle Gegenstände entsprechen, wie Tische und Stühle, aber auch solche, denen fiktionale und also immaterielle Gegenstände entsprechen, wie Zahlen, Frodo und Verfassungen.
Offenbar erzeugen verschiedene Situationen verschiedene Muster von Gehirnaktivität.

Gäbe es eine immaterielle Ursache, müsste die für die Aktionspotenziale erforderliche Energie in irgendeiner Nervenzelle plötzlich aus dem Nichts entstanden sein. Das verletzt aber den Energieerhaltungssatz, welcher besagt, dass die Gesamtenergie des Universums konstant bleibt.

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Thaddäus
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#213 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » Mi 23. Dez 2015, 18:22

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Es scheint mir immer, du wolltest solche ganz gewöhnlichen subjektiven Einschätzungen, die wir tagtäglich vermutlich dutzendfach vornehmen, schlichtweg abstreiten, was ich dann wiederum für eher absurd halte.

Die Frage ist, ob man das Ziel dieser Einschätzungen, also die behaupteten Existenzen, ohne weitere Beweise voraussetzen darf – ob man sich also nur auf diese Einschätzungen verlassen sollte.

Meine Antwort ist: „auf keinen Fall“.

Vertreter „der Philosophie“ sind da offensichtlich ganz anderer Meinung.

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Nun ja, was Gedanken sind und wie das Gehirn sie hervorbringt, ist sicherlich keine leicht zu klärende Sache.
Richtig, aber dennoch ist diese Frage elementar.
Wenn man hier vorschnell von unbestätigten Existenzen ausgeht, dann kann man irgendwann die Suche nicht mehr mit der vorliegenden Gehirntechnik in Einklang bringen.

Ich wundere mich, dass Philosophen diese Frage nicht detailliert klären.
Das tun die Philosophen schon. Dir gefällt bislang nur nicht, was sie herausfinden. ;)

Ich spreche von Bewusstsein, Gedanken, propositionalen Einstellungen, Gefühlen, Wünschen, Hoffnungen usw., und du sprichst in deinen Antworten immer wieder von behaupteten und unbestätigten Existenzen.

Ich greife diesen wesentlichen Punkt einmal heraus, denn ich denke, dass wir den klären können.

Um ihn zu klären, möchte ich ein Zitat von Markus Gabriel einbringen (Fett gesetzte Wörter von Gabriel, rot gesetzter Text von Thaddäus):

Bis heute meint man im Anschluss an die auf Descartes folgenden Debatten der frühen Neuzeit, es gelte, einen Streit zwischen zwei großen Positionen zu entscheiden. Der Dualismus behauptet, es gebe neben Gehirndingen noch ein Bewusstseinsding im Universum, während der Monismus dies bestreitet. Der Neuromonismus behauptet, das Bewusstseinsding sei entweder mit dem ganzen Gehirn oder mit einigen Gehirnarealen und deren Aktivitäten identisch. Beide Positionen setzen aber voraus, dass das Bewusstsein ein Ding ist, was bereits der entscheidende Fehler ist.
Richtig ist, dass wir nicht bestreiten können, bewusst zu sein, solange wir bewusst sind. Wir können uns zwar in der Frage täuschen, ob jemand oder etwas Anderes bewusst ist (weshalb überhaupt jemand auf den Gedanken verfallen kann, Computer, Saugroboter, Thermostate, Flüsse, Galaxien oder was auch immer könnten bewusst sein), aber nicht in der Frage, ob wir selber bewusst sind. Daraus folgt nur leider nicht, dass wir deswegen auch schon wüssten, was Bewusstsein ist. Wir wissen nur, dass wir darüber verfügen oder, wenn man so will, dass wir es sind - wenn es denn stimmen sollte, dass unser Selbst, das, was uns zu denjenigen macht, für die wir uns halten, über unser Bewusstsein definiert ist. [Gabriel, Ich ist nicht Gehirn, 2015, 160-162]
Die subjektive Feststellung, dass wir Gedanken(inhalte) und Bewusstsein haben, Emotionen, alle möglichen qualitativen Sinnesempfindungen und propositionale Einstellungen etc. und das wir anderen Menschen (aber auch gelegentlich Tieren und Maschinen) unterstellen, ebenfalls über Bewusstsein zu verfügen ist die eine Sache - eine unhintergehbare Sache sogar (da man sie nicht ohne performativen Widerspruch bestreiten kann). So etwas zu haben bedeutet aber natürlich noch lange nicht, dass wir darum schon wissen, was Bewusstsein, Selbstbewusstsein, Gedanken usw. sind und wie sie funktionieren.
Man darf also nicht denken, unhintergehbar festzustellen, dass man Bewusstsein, Selbstbewusstsein, Gedanken und Emotionen etc. hat würde bereits bedeuten, man behaupte damit gleicheitig, es müsse Gedankendinge, das Bewusstseins- und Selbsbewusstseinsding, das Qualiading, Gefühlsdinge usw. geben. Wenn man das nämlich denkt, dann trennt man - wie Descartes - bereits zwischen einem Materie- und Geistesding und fragt sich natürlich, wie der Geist, das Bewusstsein usw. denn ein Ding sein kann?

Wenn ich oben also sage, wir hätten unbestreitbar Bewusstein, Gedanken, Qualiaerlebnisse usw., dann behaupte ich damit nicht schon Existenzen im Sinne von dinglichen Dingen, sondern ich behaupte nur, dass wir solches haben in dem Sinne, dass wir es einfach in unserem subjektiven Erleben feststellen können.


JackSparrow hat gerade wieder vermutet, ein Gedanke könne doch auch einfach der Erregungszustand irgendwelcher Nervenbahnen oder von Hirnarrealensein . Richtig daran ist, dass Nervenbahnen und Hirnarreale aktiv sein müssen, damit wie Gedanken, Bewusstsein, Selbstbewusstein, Qualiaerlebnisse usw. überhaupt haben können. Damit sind Gedanken, Bewustsein, Selbstbewusstein, Qualiaerlebnisse usw. aber noch lange nicht vollständig beschrieben, denn in der Regel wissen wir auch, welche Inhalte unsere Gedanken, Qualiaerlebnisse und überhaupt Bewusstseinserlebnisse haben und wie das sein kann, das erklärt seine Erklärung schlicht und einfach nicht. Die Aktivität eines Hirnarreals zu messen bedeutet eben nicht, damit auch zu wissen, welche Erlebnisse diese Person deshalb hat.

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#214 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Hemul » Mi 23. Dez 2015, 21:15

Thaddäus hat geschrieben:JackSparrow hat gerade wieder vermutet, ein Gedanke könne doch auch einfach der Erregungszustand irgendwelcher Nervenbahnen oder von Hirnarrealensein . Richtig daran ist, dass Nervenbahnen und Hirnarreale aktiv sein müssen, damit wie Gedanken, Bewusstsein, Selbstbewusstein, Qualiaerlebnisse usw. überhaupt haben können. Damit sind Gedanken, Bewustsein, Selbstbewusstein, Qualiaerlebnisse usw. aber noch lange nicht vollständig beschrieben, denn in der Regel wissen wir auch, welche Inhalte unsere Gedanken, Qualiaerlebnisse und überhaupt Bewusstseinserlebnisse haben und wie das sein kann, das erklärt seine Erklärung schlicht und einfach nicht. Die Aktivität eines Hirnarreals zu messen bedeutet eben nicht, damit auch zu wissen, welche Erlebnisse diese Person deshalb hat.
:thumbup:
Besser hätte ich dat auch nicht formulieren können. ;)
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

SilverBullet
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#215 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » Mi 23. Dez 2015, 22:24

Thaddäus hat geschrieben:Ich spreche von Bewusstsein, Gedanken, propositionalen Einstellungen, Gefühlen, Wünschen, Hoffnungen usw., und du sprichst in deinen Antworten immer wieder von behaupteten und unbestätigten Existenzen.
Na ja, ich habe dich bereits mehrmals gefragt, aus was diese „Dinge“ sein sollen.
Warum gibst du darauf keine Antwort?

Aus meiner Sicht gibt es letztlich keine Gedanken, propositionalen Einstellungen, Gefühle, Wünsche, Hoffnungen usw., kein Bewusstsein.

Nur die Fähigkeit zum Ablauf einer Meinung/Überzeugung, dass diese „Dinge“ vorhanden sind.

Thaddäus/Markus Gabriel hat geschrieben:Richtig ist, dass wir nicht bestreiten können, bewusst zu sein, solange wir bewusst sind.
Sind wir denn tatsächlich bewusst?

Wenn ich „Farbe sehe“, ist dann da auch „Farbe“ oder geht etwas anderes vor?
Wenn jemand (mit Synästhesie) die Wörter einer Textzeile dreidimensional im Raum verteilt sieht, sind sie dann auch dreidimensional im Raum verteilt?

Ist das dann jedes Mal ein „Bewusstsein“, also eine Erkenntnis der tatsächlichen Situation, des tatsächlichen Ablaufes?

Ich würde sagen: Nein.

Die Meinung/Überzeugung einer „bewussten Situation“, spielt zwar eine Rolle, aber die gleichzeitige (so wie ich es sehe, von dir bestätigte), völlige Unkenntnis ist ein Indiz, dass etwas ganz anderes abläuft.

Wenn das (wie ich es vermute) der Fall ist, dann kann die Voraussetzung „solange wir bewusst sind“ nicht verwendet werden.

Thaddäus hat geschrieben:Die subjektive Feststellung, dass wir Gedanken(inhalte) und Bewusstsein haben, Emotionen, alle möglichen qualitativen Sinnesempfindungen und propositionale Einstellungen etc. und das wir anderen Menschen (aber auch gelegentlich Tieren und Maschinen) unterstellen, ebenfalls über Bewusstsein zu verfügen ist die eine Sache - eine unhintergehbare Sache sogar (da man sie nicht ohne performativen Widerspruch bestreiten kann). So etwas zu haben bedeutet aber natürlich noch lange nicht, dass wir darum schon wissen, was Bewusstsein, Selbstbewusstsein, Gedanken usw. sind und wie sie funktionieren.
Rein mit dem Denken/Bewusstsein hast du nur die „subjektive Feststellung“ zur Verfügung.
Das ist ein, in sich geschlossener Bedeutungsraum, der sich nicht selbst von aussen beurteilen kann.
Genau das ist aber der (aus meiner Sicht) falsche philosophische Anspruch.

Allein, dass du nach und nach einräumen musst, keinerlei Ahnung zu haben, was diese „Dinge“ sind und wie sie funktionieren, sollte eigentlich jedem zu erkennen geben, dass es sich beim Bewusstsein nicht gerade um einen „Experten in eigener Sache“ handeln kann.

Wie dann diese „unhintergehbaren“ und „nicht bestreitbaren“ Ansprüche aufgestellt werden können, ist mir ein Rätsel.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn ich oben also sage, wir hätten unbestreitbar Bewusstein, Gedanken, Qualiaerlebnisse usw., dann behaupte ich damit nicht schon Existenzen im Sinne von dinglichen Dingen, sondern ich behaupte nur, dass wir solches haben in dem Sinne, dass wir es einfach in unserem subjektiven Erleben feststellen können.
Ich kann mit dieser Nicht-XXXX-Strategie leider nichts anfangen.
Es sind also noch nicht „dingliche Dinge“ – sozusagen keine „materielle Materie“.

Sag doch einfach, was es sein soll.

Thaddäus hat geschrieben:….denn in der Regel wissen wir auch, welche Inhalte unsere Gedanken, Qualiaerlebnisse und überhaupt Bewusstseinserlebnisse haben
Langsam.

Vielleicht ist „Inhalt“ das falsche Wort.
Wir verstehen nicht den „Inhalt von Rot“, sondern wir verstehen die „Bedeutung von Rot“.
Um ehrlich zu sein „hat Rot keine Bedeutung“, sondern „Rot ist die Bedeutung“.

Das „Haben eines Gedankens“ ist eine Bedeutung, über die (zusammen mit vielen anderen) das Bewusstsein stattfindet - aber nur innerhalb der Abläufe, auf die diese Bedeutung eine Auswirkung hat, also ein Zusammenhang besteht.

Und plötzlich wird es spannend:

Mit den Begriffen „Bedeutung“, „Zusammenhang“ und „Ablauf“ sind wir vollständig im Möglichkeitsbereich einer Datenverarbeitung.

Wenn es also gelingt, die „Vorgänge im Bewusstsein“ in Bedeutungszusammenhänge aufzuschlüsseln, dann ist die Lösung des Rätsels greifbar nahe.

(Neben dem aktiven Gehirn werden dann keine weiteren Existenzen benötigt)

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#216 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von JackSparrow » Do 24. Dez 2015, 00:33

Thaddäus hat geschrieben:Damit sind Gedanken, Bewustsein, Selbstbewusstein, Qualiaerlebnisse usw. aber noch lange nicht vollständig beschrieben,
Wenn man die Lücken zwischen zwei Wahrnehmungen nicht wahrnehmen kann, fühlt es sich eben so an, als gäbe es ein kontinuierliches Bewusstsein.

In Wirklichkeit werden aber die verschiedenen Anteile einer bestimmten Wahrnehmung unabhängig voneinander in ganz verschiedenen Gehirnregionen verarbeitet. Es gibt keine Zentrale, in der alle Wahrnehmungen zusammenlaufen und dann "bewusst" werden. Da war der Buddha schon deutlich näher dran als Descartes.

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#217 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Halman » Do 24. Dez 2015, 02:04

JackSparrow hat geschrieben:In Wirklichkeit werden aber die verschiedenen Anteile einer bestimmten Wahrnehmung unabhängig voneinander in ganz verschiedenen Gehirnregionen verarbeitet. Es gibt keine Zentrale, in der alle Wahrnehmungen zusammenlaufen und dann "bewusst" werden. Da war der Buddha schon deutlich näher dran als Descartes.
Das ist so nicht ganz korrekt. Das Bewusstwerden hat meiner Meinung nach viel mit dem Frontalhirn zu tun (s. HIER).
Unser Gehirn arbeitet sowohl distributiv (W. Singer) und „hierarchisch“ (Kornhuber, Deecke, s. HIER).
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#218 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » Do 24. Dez 2015, 18:25

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Ich spreche von Bewusstsein, Gedanken, propositionalen Einstellungen, Gefühlen, Wünschen, Hoffnungen usw., und du sprichst in deinen Antworten immer wieder von behaupteten und unbestätigten Existenzen.
Na ja, ich habe dich bereits mehrmals gefragt, aus was diese „Dinge“ sein sollen.
Warum gibst du darauf keine Antwort?
Ich habe dir bereits mehrfach hierauf geantwortet. Schon dass du nach "Dingen" suchst, ist bereits der cartesianische Fehler, den du übernimmst. D.h. DU suchst nach einem BewusstseinsDING, von dem ich (und Gabriel im obigen Text) sagen, dass es das nicht gibt. Ich sage lediglich, dass jeder unzweifelhaft und unhintergehbar feststellen kann, dass er Bewusstsein hat, propositionale Einstellungen Qualiaerlebnisse usw. Das heißt, ich behaupte lediglich, dass du, wenn du z.B. in einen Apfel beißt, empfinden kannst, wie er schmeckt. Möchtest du das bestreiten?
Wenn du das bestreitest, dann tue es jetzt und hier und schreibe, dass du es bestreitest!
Dann ist aber unsere Diskussion zuende, denn ich kann niemanden ernst nehmen, der ernsthaft behauptet, er könne nicht schmecken, wie ein Apfel schmeckt (wenn er nicht an einer Krankheit leidet, die seinen Geschmackssinn ausschaltet).

SilverBullet hat geschrieben: Aus meiner Sicht gibt es letztlich keine Gedanken, propositionalen Einstellungen, Gefühle, Wünsche, Hoffnungen usw., kein Bewusstsein.
So kommen wir nicht weiter, denn mit dieser Aussage begehst du einen performativen Widerspruch!

Deine Aussage: "Aus meiner Sicht gibt es letztlich keine Gedanken, propositionalen Einstellungen, ..." IST bereits eine propositionale Einstellung!

Wenn du also bestreiten willst, dass deine Aussage : "Aus meiner Sicht gibt es letztlich keine Gedanken, propositionalen Einstellungen, ..." eine propositionale Einstellung ist, dann musst du aufzeigen, inwiefern das keine propositionale Einstellung ist.
Solange du das nicht leistest, ist deine Aussage schlicht nur widersprüchlich.

Und weshalb sollte ich mir die Mühe machen, jemanden zu antworten, dessen ganze Argumentation auf einem performativen Widerspruch aufbaut?

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#219 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » Fr 25. Dez 2015, 09:32

SilverBullet hat geschrieben: Allein, dass du nach und nach einräumen musst, keinerlei Ahnung zu haben, was diese „Dinge“ sind und wie sie funktionieren, sollte eigentlich jedem zu erkennen geben, dass es sich beim Bewusstsein nicht gerade um einen „Experten in eigener Sache“ handeln kann.
Bevor wir uns Gedanken darüber machen können, was diese "Dinge" sind, müssen du und JackSparrow vor allem erst einmal zugestehen, dass diese "Dinge" überhaupt der Fall sind.

Und der Fall ist, dass wir und als unmittelbar und unhintergehbar bewusst erleben, wenn wir bewusst sind (also nicht, wenn wir ohnmächtig sind), dass wir anderen ebenfalls zusprechen, bewusst zu sein (sonst könnten wir uns hier keine Posts schreiben), dass wir propositionale Einstellungen haben (z.B. darüber, was du von meinen Posts und ich von deinen halte usw.), dass wir Qualiaerlebnisse haben, emotionale Erlebnisse usw. und dass wir Gedanken haben und auch wissen, welche Inhalte diese Gedanken haben (So habe ich gerade einen Gedanken des Inhaltes, dass du und JackSparrow immer noch bestreitet, dass ihr und ich Gedanken habt und wissen, welche Gedanken wir haben.)

Dies alles ist feststellbar der Fall! Aber du und JackSparrow bestreitet noch, dass dies der Fall ist!

Solange du und JackSparrow bestreitet, dass diese "Dinge" überhaupt der Fall sind, können wir nicht darüber diskutieren, wie diese "Dinge" zustande kommen und wie sie erklärt werden können.


SilverBullet hat geschrieben: Wie dann diese „unhintergehbaren“ und „nicht bestreitbaren“ Ansprüche aufgestellt werden können, ist mir ein Rätsel.
Es handelt sich nicht um Ansprüche (was für Ansprüche?), sondern es handelt sich um von dir (und jedem anderen) jederzeit feststellbare Fakten!
Nicht nur kann jeder selbst feststellen, dass er bewusst ist, wenn er bewusst ist, sondern er weiß auch, dass er sich darüber nicht täuschen kann, dass er bewusst ist, solange er bewusst ist. Genau so wenig, wie er sich darüber täuschen kann, wie etwas schmeckt, wenn er es schmeckt usw.
Es ist also ganz und gar kein "Rätsel" warum solche <„unhintergehbaren“ und „nicht bestreitbaren“ Ansprüche> aufgestellt werden können! Es ist im Gegenteil sogar ganz und gar offensichtlich, warum sie aufgestellt werden können. Wir können sie aufstellen, weil wir sie faktisch haben!

SilverBullet hat geschrieben: Ich kann mit dieser Nicht-XXXX-Strategie leider nichts anfangen.
Es sind also noch nicht „dingliche Dinge“ – sozusagen keine „materielle Materie“.

Sag doch einfach, was es sein soll.
Ich sage die ganze Zeit, was es sein soll.
Wenn ich sage, du kannst jederzeit bei dir selbst feststellen, dass du Gedanken hast und weißt, welche Inhalte deine Gedanken haben; dass du bewusst bist und dabei gleichzeitig weißt, dass du dich auch nicht darüber täuschen kannst, dass du bewusst bist, solange du bewusst bist; dann sage ich dir doch ziemlich konkret, worum es sich handelt. Was ich noch nicht tue ist, diese zweifellos vorliegenden Sachverhalte, hirnphysiologisch oder sonstwie zu erklären zu versuchen. Und die Frage ist tatsächlich, ob es da überhaupt noch mehr zu erklären gibt!

SilverBullet hat geschrieben: Vielleicht ist „Inhalt“ das falsche Wort.
Wir verstehen nicht den „Inhalt von Rot“, sondern wir verstehen die „Bedeutung von Rot“.
Um ehrlich zu sein „hat Rot keine Bedeutung“, sondern „Rot ist die Bedeutung“.


Dem stimme ich zu! Am besten spricht man hier aber von einer rot-Empfindung, also einem rot-Qualium (da der Begriff der "Bedeutung" in der modernen Philosophie seit Frege anders verwendet wird).

SilverBullet hat geschrieben: Das „Haben eines Gedankens“ ist eine Bedeutung, über die (zusammen mit vielen anderen) das Bewusstsein stattfindet - aber nur innerhalb der Abläufe, auf die diese Bedeutung eine Auswirkung hat, also ein Zusammenhang besteht.
Hier sprichst du nun wieder von Gedanken und Bewusstsein und stellst Hypothesen über sie auf. Weiter oben bestreitest du aber, dass es Gedanken und Bewusstsein überhaupt gibt. Was denn jetzt?

SilverBullet hat geschrieben: Und plötzlich wird es spannend:

Mit den Begriffen „Bedeutung“, „Zusammenhang“ und „Ablauf“ sind wir vollständig im Möglichkeitsbereich einer Datenverarbeitung.

Wenn es also gelingt, die „Vorgänge im Bewusstsein“ in Bedeutungszusammenhänge aufzuschlüsseln, dann ist die Lösung des Rätsels greifbar nahe.

(Neben dem aktiven Gehirn werden dann keine weiteren Existenzen benötigt)
Ähem, - ich stelle oben genau solche Bedeutungszusammenhänge her, wenn ich darüber schreibe, dass wir unhintergehbar feststellen können, Gedanken, Bewusstsein, Qualia-Erlebnisse usw. zu haben und sie auch anderen Menschen immer schon zusprechen!

Ich stelle allerdings noch keine Spekulationen darüber an, ob es sich dabei um eine einfach Datenverarbeitung handelt, ob das Gehirn einer Comupter-CPU vergleichbar ist usw. Ich stimme dir aber zu, dass wir offenbar Gehirn und Nervenbahnen benötigen, um bewusst sein zu können, Gedanken haben zu können usw.

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#220 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » Fr 25. Dez 2015, 11:36

Thaddäus hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Aus meiner Sicht gibt es letztlich keine Gedanken, propositionalen Einstellungen, Gefühle, Wünsche, Hoffnungen usw., kein Bewusstsein.
So kommen wir nicht weiter, denn mit dieser Aussage begehst du einen performativen Widerspruch!
Nein, das tue ich nicht.

Die „Existenz von Gedanken“ und das Zustandekommen der „Überzeugung vom Vorhandensein von Gedanken“ sind zwei vollständig unterschiedliche Bereiche.

Die „Überzeugung vom Vorhanden sein von Gedanken“ (phänomenal, also nicht-sprachlich) führt dabei „genauso“ zu der Aussage: „Ich habe Gedanken“.

Im Alltag kann man ohne Probleme sagen „Ich habe Gedanken“ und von Gedanken, als etwas, irgendwie greifbar Existentiellem ausgehen – das funktioniert dort prima.

Wenn es aber darum geht, herauszufinden, wie diese Situation zustande kommt und dabei lediglich das Gehirn als objektiv existenzielle Grundlage/Verbindung vorhanden ist, dann sollte man einen Schritt zurück machen.

Da du anscheinend keine Idee, keinen Ansatz hast, aus was Gedanken usw. sein sollen, müsste das für dich ein zusätzlicher Anreiz sein, einen Schritt zurück zu machen.

Was hindert dich daran?

Ist es die subjektive Feststellung, also die unmittelbare Überzeugung, dass Gedanken vorhanden sind?
Genau darin liegt doch die wesentliche Funktion.
Die „Überzeugung vom Vorhandensein“ ist die Elementarfunktion, über die das Bewusstsein stattfindet (aber „leider“ nicht existentiell, sondern nur im „Wechselspiel der Funktionen“).

Du bestätigst dies ja sogar (zumindest kann man es dahin interpretieren).
Zitat-Thaddäus: „Ich sage lediglich, dass jeder unzweifelhaft und unhintergehbar feststellen kann, dass er Bewusstsein hat

Ja, jeder stellt etwas fest => „jeder besteht“ aus diesen Überzeugungen.

Selbst wenn du von der Existenz von „Farbe“ und einem „Subjekt/Ich“ ausgehen möchtest, muss dir klar sein, dass „Du“, als Bewusstseinskern, nicht die Farbe selbst, sein kannst.
Somit musst du immer eine Verstehreaktion auf „das Andere“ leisten. Es muss zu einem Kontakt und einer anschliessenden Wirkung kommen.
Die Wirkung ist in diesem Fall das Ablaufen der „Überzeugung vom Vorhandensein von Farbe“.
Das bedeutet, dieser Verstehvorgang muss der innerste Schritt, die innerste, unmittelbarste Funktion, sein.
Erst wenn dieser Vorgang geklärt ist, kann man den Existenzstatus „des Anderen“ untersuchen.

Thaddäus hat geschrieben:Das heißt, ich behaupte lediglich, dass du, wenn du z.B. in einen Apfel beißt, empfinden kannst, wie er schmeckt. Möchtest du das bestreiten?
Wenn du das bestreitest, dann tue es jetzt und hier und schreibe, dass du es bestreitest!
Ich bestätige, dass es zur Überzeugung kommt, dass „ein konkreter Geschmack des Apfels vorliegt“, wobei aber keine Idee vorhanden ist, (aus) was Geschmack sein soll – also die Bedeutung ist glasklar (dennoch, irgendwie nicht von mir – zumindest bin ich mir dessen nicht bewusst), aber ansonsten: keine Analyse, kein Zugang, kein Verstehen.

Ich vermute, dass die Sensorzellen bei Kontakt mit dem Apfel, elektrische Impulse ans Gehirn liefern, die dort datenverarbeitungstechnisch ausgewertet werden, wodurch es im sonstigen Wechselspiel der Bedeutungszusammenhänge zum Ablaufen der „Überzeugung von Geschmack“ kommt (natürlich eine Phänomenal-Überzeugung, also nicht-sprachlich).

Den Geschmack als eigene „phänomenale Existenz“ gibt es dabei (aus meiner Sicht) aber nicht.

Ich bestreite also in keiner Weise die Überzeugung (die Feststellung), aber von einem „immateriellen Geschmack“, den man philosophisch, mit der Welt der Dinge auf die gleiche Realitäts-/Wirklichkeitsstufe stellen könnte, gehe ich nicht aus.

Thaddäus hat geschrieben:Es ist also ganz und gar kein "Rätsel" warum solche <„unhintergehbaren“ und „nicht bestreitbaren“ Ansprüche> aufgestellt werden können! Es ist im Gegenteil sogar ganz und gar offensichtlich, warum sie aufgestellt werden können. Wir können sie aufstellen, weil wir sie faktisch haben!
Kann man sich auf so ein Urteil verlassen?
Was sind Urteile wert, wenn sie von jemandem kommen, der keinerlei Hintergrundanalyse durchführen kann?

Schau dir mal dieses Bild an:
Linien

Sind die Linien schräg?
„Klar, unzweifelhaft, unhintergehbar erfahrbar - das Urteil passt“

Nein, leider passt das Urteil nicht – die Linien sind nicht schräg, sondern parallel.
(wer es nicht glaubt, kann Bereiche abdecken oder die Abstände nachmessen)

Jetzt, da du es weisst, versuch das Bild korrekt zu „sehen“ – auf geht’s, maximale Konzentration .

Warum gelingt es dir nicht?
Du kennst doch jetzt die Existenzverhältnisse und kannst die Wirklichkeit durch deinen Willen faktisch korrekt erfahren.

Warum ist die Schräge für dich „zwanghaft“ da, obwohl sie gar nicht da ist?

Bist du der Meinung, dass es „immaterielle schräge Linien“ oder die „immaterielle Schräge“ gibt?

Dieses Bild sehe ich als Beispiel an, wie stark die „Überzeugung vom Vorhandensein“ sein kann: Wahrnehmung einer Ausprägung, die so gar nicht existieren kann.

Wie war das noch mit dem „Haben von Gedanken“?
(Naja, objektiv kann man „Gedanken“ nicht feststellen/auffinden)

Thaddäus hat geschrieben:Ich sage die ganze Zeit, was es sein soll.
Wenn ich sage, du kannst jederzeit bei dir selbst feststellen, dass du Gedanken hast und weißt, welche Inhalte deine Gedanken haben; dass du bewusst bist und dabei gleichzeitig weißt, dass du dich auch nicht darüber täuschen kannst, dass du bewusst bist, solange du bewusst bist; dann sage ich dir doch ziemlich konkret, worum es sich handelt.
Nein, denn deinem oder meinem Urteil unterliegt auf dieser Basis, keinerlei Analysekraft.
Wir verwenden dadurch in der „Beweisführung“ einen Zusammenhang, den wir eigentlich erklären wollen – so was ist aber nie gut.

Thaddäus hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:…sondern „Rot ist die Bedeutung“
Dem stimme ich zu! Am besten spricht man hier aber von einer rot-Empfindung, also einem rot-Qualium (da der Begriff der "Bedeutung" in der modernen Philosophie seit Frege anders verwendet wird).
Nein, das sollte man nicht tun, denn das Gehirn „empfindet“ nicht und des Weiteren kann keinerlei Vorgang analysiert werden (also liegt auch eher keine Handlung, kein Verlauf vor).

Schaltoperationen entsprechen (sofern sie zu einer korrekten Funktion führen) aber immer konkreten Bedeutungszusammenhängen.

Letztlich ist das Gehirn vorhanden, während das „Selbstverständnis“ aus der Wahrnehmungsverarbeitung rätselhaft ist.
Somit ist es ratsam eine Vereinheitlichung (vom Gehirn ausgehend) zu suchen. Da hilft es nichts, wenn man Begriffe verwendet, die in direkter Beziehung zum Rätsel stehen.

Thaddäus hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Das „Haben eines Gedankens“ ist eine Bedeutung, über die (zusammen mit vielen anderen) das Bewusstsein stattfindet - aber nur innerhalb der Abläufe, auf die diese Bedeutung eine Auswirkung hat, also ein Zusammenhang besteht.
Hier sprichst du nun wieder von Gedanken und Bewusstsein und stellst Hypothesen über sie auf. Weiter oben bestreitest du aber, dass es Gedanken und Bewusstsein überhaupt gibt. Was denn jetzt?
Nein, ich weise explizit daraufhin, dass es (aus meiner Sicht) nur innerhalb der Abläufe zu den Bedeutungszusammenhängen „Haben von Gedanken“ und „Haben von Bewusstsein“ kommen kann. Dies ist aber eine virtuelle Form, also keine, mit der Wirklichkeit vergleichbare Existenz.

Das Bewusstsein findet innerhalb von Bedeutungsfunktionen statt, von aussen betrachtet, existiert es aber nicht.
Es „bildet“ sich sozusagen eine Fähigkeit, ohne die darin behauptete Existenz.
(Das ist auch der Grund, warum ich den, von dir angesprochenen Widerspruch nicht begehe – ich kann die Existenz in Frage stellen, aber die Fähigkeit behalten/verwenden)

Thaddäus hat geschrieben:Ähem, - ich stelle oben genau solche Bedeutungszusammenhänge her, wenn ich darüber schreibe, dass wir unhintergehbar feststellen können, Gedanken, Bewusstsein, Qualia-Erlebnisse usw. zu haben und sie auch anderen Menschen immer schon zusprechen!
Nein, vom „unhintergehbaren Feststellen des Faktischen“ spreche ich nicht.
Ich ziele auch nicht auf „immaterielle Existenzen“ oder „materielle Bewusstseinsexistenzen“ ab.

Thaddäus hat geschrieben:Ich stimme dir aber zu, dass wir offenbar Gehirn und Nervenbahnen benötigen, um bewusst sein zu können, Gedanken haben zu können usw.
Ich bin mir nicht so sicher, ob du mir zustimmst.

Letztlich möchtest du (vermutlich) auf die „immateriellen Existenzen“ hinaus.
Zumindest erkläre ich mir so dein Bestreben, Texte von „Markus Gabriel“ und den „Neuen Realismus“ als Untermauerung deiner Position zu verwenden.

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