Sein und Wahrnehmung II

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Benutzeravatar
Thaddäus
Beiträge: 1231
Registriert: Sa 14. Sep 2013, 18:47

#221 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » Sa 26. Dez 2015, 09:41

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Aus meiner Sicht gibt es letztlich keine Gedanken, propositionalen Einstellungen, Gefühle, Wünsche, Hoffnungen usw., kein Bewusstsein.
So kommen wir nicht weiter, denn mit dieser Aussage begehst du einen performativen Widerspruch!
Nein, das tue ich nicht.
Aus der Nummer lasse ich dich nicht heraus, SilverBullet, denn etwas zu bestreiten und gleichzeitig zu behaupten, man bestritte es nicht , ist nun einmal ein offensichtlicher Widerspruch und bevor dir das nicht klar ist, kommen wir auch nicht weiter.

SilverBullet hat geschrieben: Die „Existenz von Gedanken“ und das Zustandekommen der „Überzeugung vom Vorhandensein von Gedanken“ sind zwei vollständig unterschiedliche Bereiche.
Ja, und genau DU vermischst das hier offenkundig.
Es ist zunächst völlig unerheblich, welche Theorien du dir darüber entwickelst, wie Gedanken zustande kommen oder Bewusstseinserlebnisse oder Qualia-Erlebnisse etc. Es geht im Augenblick nur um eines: Stimmst du folgenden Aussagen zu oder nicht?

A:
Menschen sind sich bewusst und wissen, dass sie bewusst sind, solange sie bewusst sind; und Menschen haben bewusste Gedanken und wissen, welche Gedanken sie haben; und Menschen haben z.B. Farb- und Geschmackserlebnisse und können sich nicht darüber täuschen, genau dieses Farb- und Geschmackserlebnis zu haben, das sie aktuell haben; und Menschen haben propositionale Einstellungen zu Sachverhalten und es ist selbst eine propositionale Einstellung zu einem Sachverhalt der Ansicht zu sein, es gäbe keine propositionalen Einstellungen.


Es ist an dieser Stelle uninteressant, ob und wie du dieses phänomenal von jedem Menschen unmittelbar feststellbare Wissen um die eigenen Bewusstseins-Zustände erklärst (oder ob bestimmte Tiere es auch haben etc.). Ich will von dir nur wissen, ob du dem zustimmst oder nicht?

Jede weitere Diskussion kann nämlich nur auf deiner Antwort hierzu aufbauen.


SilverBullet hat geschrieben: Wenn es aber darum geht, herauszufinden, wie diese Situation zustande kommt und dabei lediglich das Gehirn als objektiv existenzielle Grundlage/Verbindung vorhanden ist, dann sollte man einen Schritt zurück machen.
Nein: hinter das subjektive Wissen darum, was unter A aufgezählt wird, kann man keinen Schritt zurück machen. Stattdessen kann jede weitere Erklärung nur auf diesen subjektiv feststellbaren phänomenalen Tatsachen aufbauen!
Bestreitest du die phänomenalen Tatsachen unter A, dann erübrigt sich unsere Diskussion deshalb, weil du dann bestreitest, dass du und ich bewusst sind, wir Gedanken haben könnten, die wir hier austauschen, wir keine Farb- oder Geschmackserlebnis haben können und wir auch keine Ansichten haben, die wir austauschen könnten. Kurzum: du bestrittest dann die Möglichkeit, dass wir hier als bewusste Wesen über irgendetwas diskutieren könnten.
Da wir das aber gerade tun, ist es offensichtlich widersprüchlich die unter A aufgezählten phänomenalen Fakten zu bestreiten.



SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Es ist also ganz und gar kein "Rätsel" warum solche <„unhintergehbaren“ und „nicht bestreitbaren“ Ansprüche> aufgestellt werden können! Es ist im Gegenteil sogar ganz und gar offensichtlich, warum sie aufgestellt werden können. Wir können sie aufstellen, weil wir sie faktisch haben!
Kann man sich auf so ein Urteil verlassen?
Was sind Urteile wert, wenn sie von jemandem kommen, der keinerlei Hintergrundanalyse durchführen kann?
Du denkst also, du kannst dich nicht darauf verlassen, genau den Geschmack zu schmecken, den du schmeckst, wenn du in einen Apfel beißt? Genau diesen Geschmack zu schmecken ist im Gegenteil sogar das einzige, worauf du dich verlassen kannst! Es ist also gerade umgekehrt zu fragen, wie du darauf kommst, du könntest dich darüber täuschen zu schmecken, was du schmeckst?
Täuschen kann man sich lediglich darüber, ob es tatsächlich ein Apfel ist, den man schmeckt. So könnte es sein, dass man dir dein Leben lang Birnen für Äpfel verkauft hat (also eine Begriffsvertauschung vorliegt). In diesem Falle schmeckst du immer noch, was du konkret schmeckst und nennst lediglich den Apfel "Birne" und umgekehrt. Immer noch kannst du dich aber nicht darüber irren, was du schmeckst.

SilverBullet hat geschrieben: Den Geschmack als eigene „phänomenale Existenz“ gibt es dabei (aus meiner Sicht) aber nicht.
Ich weiß nicht, was „phänomenale Existenz“ bedeuten soll, von der du hier sprichst. Phänomenal kannst du aber feststellten, dass du Geschmackserlebnisse hast und zwar völlig unabhängig davon, welche Erkärung du dir nachträglich dafür zurechtlegst, weshalb du sie haben kannst.


SilverBullet hat geschrieben: Selbst wenn du von der Existenz von „Farbe“ und einem „Subjekt/Ich“ ausgehen möchtest, muss dir klar sein, dass „Du“, als Bewusstseinskern, nicht die Farbe selbst, sein kannst.
Somit musst du immer eine Verstehreaktion auf „das Andere“ leisten. Es muss zu einem Kontakt und einer anschliessenden Wirkung kommen.
Die Wirkung ist in diesem Fall das Ablaufen der „Überzeugung vom Vorhandensein von Farbe“.
Das bedeutet, dieser Verstehvorgang muss der innerste Schritt, die innerste, unmittelbarste Funktion, sein.
Erst wenn dieser Vorgang geklärt ist, kann man den Existenzstatus „des Anderen“ untersuchen.
Nein, wenn ich ein bestimmtes Farberlebnis habe, dann muss ich überhaupt keine "Verstehreaktion auf das Andere" leisten, um ein Farberlebnis zu haben. Ich habe das Farberlebnis und fertig. Jede weitere Erklärung, warum ich Farberlebnisse phänomenal haben kann, kommt erst nach diesem Erlebnis ud stellt eine nachträgliche physikalische oder neurologische Erklärung dar, die ich aber nicht benötige umd Farberlebnisse haben zu können!
Ich komme auch nicht zu der Überzeugung, z.B. Schmerzen zu haben. Ich habe Schmerzen. Wie Wittgenstein in seinen Überlegungen zur Möglichkeit von Privatsprachen nachwies, ist es sogar sinnlos zu formulieren: "Ich weiß, dass ich Schmerzen habe". Ich weiß nicht, dass ich Schmerzen habe und ich bin auch nicht überzeugt, Schmerzen zu haben, sondern ich HABE einfach Schmerzen.


SilverBullet hat geschrieben: Schau dir mal dieses Bild an:
Linien

Sind die Linien schräg?
Auch im Falle dieser optischen Täuschung kann ich mich nicht darüber irren, was ich sehe, also welche Seh-Erlebnis ich habe. Ich kann mich nur darüber irren, was es ist. Wenn ich im dunklen Park eine bedrohliche Gestalt sehe, dann sehe ich in diesem Augenblick eine Gestalt, auch wenn sie sich bei Helligkeit als Busch herausstellt.

SilverBullet hat geschrieben: Nein, ich weise explizit daraufhin, dass es (aus meiner Sicht) nur innerhalb der Abläufe zu den Bedeutungszusammenhängen „Haben von Gedanken“ und „Haben von Bewusstsein“ kommen kann. Dies ist aber eine virtuelle Form, also keine, mit der Wirklichkeit vergleichbare Existenz.
Bewusst zu sein, Farb- und Geschmackserlebnisse zu haben, propositionale Einstellungen zu Sachverhalten haben zu können usw. gehört für dich also nicht zur Wirklichkeit?
Dann stimmt offenbar mit deinem Wirklichkeitsbegriff etwas nicht!
Denn er deckt offensichtlich deine phänomenalen Erlebnisse und deine Fähigkeit, propositionale Einstellungen und alle möglichen Gedanken haben zu können, nicht ab. Dann gehört dein Satz: "Dies ist aber eine virtuelle Form, also keine, mit der Wirklichkeit vergleichbare Existenz" - deiner eigenen Aussage nach! - NICHT zur Wirklichkeit! Eine ziemlich abenteuerliche Behauptung, möchte ich meinen! Denn du behauptest damit nicht weniger, als dass z.B. die Diskussion, die wir hier führen, NICHT zur Wirklichkeit gehört.


SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Ich stimme dir aber zu, dass wir offenbar Gehirn und Nervenbahnen benötigen, um bewusst sein zu können, Gedanken haben zu können usw.
Ich bin mir nicht so sicher, ob du mir zustimmst.

Letztlich möchtest du (vermutlich) auf die „immateriellen Existenzen“ hinaus.
Zumindest erkläre ich mir so dein Bestreben, Texte von „Markus Gabriel“ und den „Neuen Realismus“ als Untermauerung deiner Position zu verwenden.
Ich zitiere Gabriel, weil ich gerade sein Buch "Ich ist nicht Gehirn" lese und dort bespricht er unter anderem, was wir hier auch diskutieren. Deshalb zitiere ich ihn. Seine Ausführungen sind mir gerade präsent.
Ich zitiere auch ausschließlich ganz konkrete Argumentationen zu speziellen Aspekten unseres Themas, so dass man konkret auf diese eingehen kann (und sollte). Dafür muss man weder Neuer Realist sein, noch seine Sinnfeldontlogie gut finden. Man muss nur seine konkreten Argumente verstehen.

SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#222 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » Sa 26. Dez 2015, 13:52

Thaddäus hat geschrieben:Aus der Nummer lasse ich dich nicht heraus, SilverBullet, denn etwas zu bestreiten und gleichzeitig zu behaupten, man bestritte es nicht , ist nun einmal ein offensichtlicher Widerspruch und bevor dir das nicht klar ist, kommen wir auch nicht weiter.
Ich sage, „etwas zu bezweifeln“ ist eine reine Fähigkeit, zu der es die wirkliche Existenz „des Zweifels“ nicht geben muss – somit kann über die virtuellen Bedeutungszusammenhänge eines Ablaufes, die Existenz „des Zweifels“ angezweifelt werden.
Man kann den Vorgang dann sogar als „den Zweifel“ bezeichnen, denn der Vorgang ist ja nur virtuell, also nicht wirklich existent.

Die Virtualität hat halt nun mal den Vorteil, dass Zusammenhänge ablaufen, ohne dass sie wirklich existieren.

Thaddäus hat geschrieben:Es ist zunächst völlig unerheblich, welche Theorien du dir darüber entwickelst, wie Gedanken zustande kommen oder Bewusstseinserlebnisse oder Qualia-Erlebnisse etc.
Diese „Unerheblichkeit“ kann ich nicht nachvollziehen – ich sage doch gerade, dass Gedanken nicht existenziell zustande kommen, sondern, dass nur die „Überzeugung Gedanken zu haben“ stattfindet.
Das sind zwei unterschiedliche Bereiche.

Thaddäus hat geschrieben:Es ist an dieser Stelle uninteressant, ob und wie du dieses phänomenal von jedem Menschen unmittelbar feststellbare Wissen um die eigenen Bewusstseins-Zustände erklärst (oder ob bestimmte Tiere es auch haben etc.). Ich will von dir nur wissen, ob du dem zustimmst oder nicht?
Es tut mir leid, aber es ist ganz und gar nicht uninteressant und das von dir behauptete Wissen ist nicht bewiesen, wodurch es ein reines „Bauchwissen“ ist.
Aus meiner Sicht gibt es nur die Überzeugung, dass „die Linien schräg sind“, aber schräge Linien sind in dem Beispiel keine vorhanden (siehe unten).

Thaddäus hat geschrieben:Phänomenal kannst du aber feststellten, dass du Geschmackserlebnisse hast und zwar völlig unabhängig davon, welche Erkärung du dir nachträglich dafür zurechtlegst, weshalb du sie haben kannst.
Nein, ich sehe es so:
ich kannst nur feststellen, dass ich der Überzeugung bist „etwas“ zu haben. Das hat aber mit der Existenz von „etwas“ nichts zu tun.
Insofern ist die Formulieren „etwas zu haben“ eigentlich falsch (umgangssprachlich ist es aber ok).

Thaddäus hat geschrieben:Nein: hinter das subjektive Wissen darum, was unter A aufgezählt wird, kann man keinen Schritt zurück machen.
Doch, indem man hinterfragt, ob es sich wirklich um Wissen handelt, oder ob es vielleicht nur um eine unbewiesene Voraussetzung innerhalb des Umganges mit Bedeutungszusammenhängen geht.

Zitat-Thaddäus:“Stattdessen kann jede weitere Erklärung nur auf diesen subjektiv feststellbaren phänomenalen Tatsachen aufbauen!

Du setzt etwas voraus, was für deinen Ansatz zwar zentral wichtig ist, das du aber in keiner Weise beweisen kannst (bzw. noch nicht gemacht hast).
Ich sage: du kannst deine eigenen Denk-Handlungen nicht durchschauen, so dass du dir die existenziellen Zusammenhänge der Hintergründe erschliessen kannst.

Dass du versuchst es so darzustellen, als sei es unnötig die Hintergründe im Auge zu behalten oder, als könnte man das gar nicht, sehe ich als Ausweichmanöver.
Bei keiner Technologie, bei keiner Forschung ist es ratsam, mitten hineinzuspringen und Modelle aufzustellen, die eine Verbindung zu bisher bewiesenen Zusammenhängen ausser acht lassen.

Thaddäus hat geschrieben:Bestreitest du die phänomenalen Tatsachen unter A, dann erübrigt sich unsere Diskussion deshalb, weil du dann bestreitest, dass du und ich bewusst sind, wir Gedanken haben könnten, die wir hier austauschen, wir keine Farb- oder Geschmackserlebnis haben können und wir auch keine Ansichten haben, die wir austauschen könnten.
Was hast du daran nicht verstanden, wenn ich sage, dass es zu den Fähigkeiten, also den Funktionen kommt, aber dass es nicht die Existenzen gibt?

Du machst elementare Abstraktionsfehler:
Wir tauschen keine Gedanken aus. Du sendest mir keinen Gedanken.
Dieser Text ist nur eine Codierung, ein Hilfsmittel, um Bedeutungen zusammenzustellen.
Mein Gehirn muss aus den Symbolen, die du aufstellst, in kleinen Schritten die Zusammenhänge aufbauen, zu denen es dann, zur Koordination mit anderen Abläufen, die „Überzeugung vom Haben eines Gedankens“ stattfinden lässt.

Das scheint dir gar nicht bewusst zu sein, denn:
Zitat-Thaddäus: „Kurzum: du bestrittest dann die Möglichkeit, dass wir hier als bewusste Wesen über irgendetwas diskutieren könnten.
Da wir das aber gerade tun, ist es offensichtlich widersprüchlich die unter A aufgezählten phänomenalen Fakten zu bestreiten.


Versuch mal rein gedanklich, also ohne Hilfsmittel der materiellen Kommunikation, mit mir Kontakt aufzunehmen – das müsste dir eigentlich gelingen, wenn Gedanken ein existierender Teil der Wirklichkeit sein sollen.

Thaddäus hat geschrieben:Du denkst also, du kannst dich nicht darauf verlassen, genau den Geschmack zu schmecken, den du schmeckst, wenn du in einen Apfel beißt? Genau diesen Geschmack zu schmecken ist im Gegenteil sogar das einzige, worauf du dich verlassen kannst!
Nein, ich kann mich nicht darauf verlassen, dass sich hinter meiner Überzeugung „etwas zu schmecken“ eine „imaginäre Existenz“ befindet.
Darauf, dass die Überzeugung „etwas zu schmecken“ einen praktisch sinnvollen Zusammenhang zu den Daten vom Apfel darstellt, verlasse ich mich.

Zitat-Thaddäus: „Es ist also gerade umgekehrt zu fragen, wie du darauf kommst, du könntest dich darüber täuschen zu schmecken, was du schmeckst?
Weil ich nicht weiss, aus was „Geschmack“ bestehen soll , und am Vorgang nur ein aktives Gehirn beteiligt ist, das (als Datenverarbeitung) nicht im Verdacht steht „Geschmack“ entstehen lassen zu können – sozusagen: weil die Wirklichkeit meine Überzeugung nicht bestätigt.


(es folgt Teil 2)

SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#223 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » Sa 26. Dez 2015, 13:53

Thaddäus hat geschrieben:Nein, wenn ich ein bestimmtes Farberlebnis habe, dann muss ich überhaupt keine "Verstehreaktion auf das Andere" leisten
Das „Farberlebnis“ ist (aus meiner Sicht) die "Verstehreaktion auf das Andere" von der ich spreche. Wir waren uns doch einige, dass „Rot“ eine Bedeutung ist.
Bedeutungen werden (aus meiner Sicht) „verstanden“, indem sie in einem Zusammenhang verwendet werden.

Zitat-Thaddäus: „Ich komme auch nicht zu der Überzeugung, z.B. Schmerzen zu haben. Ich habe Schmerzen.

Wie willst du diese Behauptung beweisen?

Ganz wichtig: mit „Überzeugung“ ziele ich nicht auf eine „politische Meinungsbildung“ ab, sondern auf eine bestimmte Form der Einschränkung innerhalb der möglichen Auswertungsreaktionen einer Wahrnehmung. Sozusagen: die kannst das „Haben von Schmerzen“ nicht in Frage stellen, genauso wenig wie das „irgendwie So-Sein der Schmerzen“, auch wenn du keinerlei Analyse durchführen und Hintergrundwissen aufbauen kannst.

„Überzeugung“ könnte damit der Mechanismus sein, mit dem Qualia ablaufen (siehe „schräge Linien“).

Thaddäus hat geschrieben:Auch im Falle dieser optischen Täuschung kann ich mich nicht darüber irren, was ich sehe, also welche Seh-Erlebnis ich habe. Ich kann mich nur darüber irren, was es ist.
Aus meiner Sicht irrst du dich, wenn du von einem „Sehen“ ausgehst.
Dass du mit der Bedeutung „Ich sehe schräge Linien“ umgehst, ist klar.
Aber das betrifft nur deinen Umgang, nicht die Existenz der „schrägen Linien“.
Wenn du also davon ausgehst, dass dieses „Gesehene“ wirklich existiert, kannst du irren.

Aus meiner Sicht handelt es sich hier um einen reinen Verstehvorgang.
Wir sehen keine schrägen Linien, sondern wir verstehen die Sehdaten über die Bedeutung „Ich sehe schräge Linien“ (natürlich nicht in Form von Sprache, sondern in einer Überzeugung ohne Sprache)

Ich habe gerade ein Experiment gemacht, denn es gibt die theoretische Möglichkeit, dass das Gehirn, die Sehdaten umkonstruiert, sozusagen eine Stauchung und eine Dehnung in eine neue Bildversion einrechnet.

Um diesem Umstand experimentell auf die Spur zu kommen, habe ich das Bild verändert, indem ich links und rechts eindeutig horizontale (parallele) schwarze Linien eingezeichnet habe. Ausserdem habe ich den „Schrägbereich“ verkleinert, so dass man alle drei Bereiche mit einem Blick erfassen kann.

Bild

1.
Wenn das Gehirn das Bild umkonstruieren würde, dann müsste ich auch in den eindeutig parallelen Bereichen, Höhenunterschiede erkennen können, wenn ich daneben den „Schrägeindruck“ habe.
-> das ist nicht der Fall. (zumindest hat man nur sehr selten den Eindruck es könnte so sein)
2.
Wenn das Gehirn das Bild umkonstruieren würde, dann müsste ich, im Überblick, einen Unterschied zwischen linkem und rechtem Parallelbereich erkennen können.
-> das ist nicht der Fall. (zumindest hat man nur sehr selten den Eindruck es könnte so sein)

D.h. das unglaubliche Ergebnis lautet:
Ich kann den Eindruck herstellen, dass links und rechts die gleichen Abstände vorhanden und dennoch über eine Schräge verbunden sind – konstruktiv ist das eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.
Der mittlere Bereich ist „schräg“, aber die direkt und zwar korrekt angrenzenden Bereiche sind „parallel“ mit gleichen Abständen.
Geometrisch kann man diesen „Zustand“ eigentlich nicht herstellen.

Ich sehe darin ein starkes Indiz, dass es sich innerhalb der Wahrnehmungsauswertung nicht um ein Bild handelt, das gesehen wird, sondern um eine reine Überzeugungskonstruktion. „Punktuell“ kann sozusagen meine Überzeugung wechseln.

Im „Spiel der Überzeugungen“ ist es kein Problem, obwohl es existenziell nicht realisiert werden kann.

Wenn du der Meinung bist, dass das „von dir Gesehene“ zur Wirklichkeit gehört, dann solltest du diese Unmöglichkeit erklären können.
Wenn du der Meinung bist, dass das Gehirn über einen „Emergenzvorgang“(?) eine „imaginäre Wirklichkeit“ aufbaut, dann solltest du das „Phänomen in meinem Bild“ gut erklären können.

Thaddäus hat geschrieben:Dann stimmt offenbar mit deinem Wirklichkeitsbegriff etwas nicht!
Denn er deckt offensichtlich deine phänomenalen Erlebnisse und deine Fähigkeit, propositionale Einstellungen und alle möglichen Gedanken haben zu können, nicht ab. Dann gehört dein Satz: "Dies ist aber eine virtuelle Form, also keine, mit der Wirklichkeit vergleichbare Existenz" - deiner eigenen Aussage nach! - NICHT zur Wirklichkeit! Eine ziemlich abenteuerliche Behauptung, möchte ich meinen! Denn du behauptest damit nicht weniger, als dass z.B. die Diskussion, die wir hier führen, NICHT zur Wirklichkeit gehört.
Unter Wirklichkeit verstehe ich, objektive Existenzen, die eine Wirkung entfalten können.

Dieser Wirklichkeits-Begriff muss keine „phänomenalen Erlebnisse“ abdecken, denn ich sehe diese nicht als „objektive Existenzen mit einer Wirkung“ an.

Mein Satz „Dies ist…“ liegt hier als Text/Symbol-Codierung vor. Die physikalischen Phänomene, rund um die Textdarstellung existieren, aber die Bedeutungszusammenhänge, also das Verstehen des Textes, kommt virtuell zustande.

Jemand der die Symbole nicht aktiv interpretieren kann, hat zu den Bedeutungen keinen Zugang, obwohl die Textdarstellung auch für ihn zur Wirklichkeit gehört.

Benutzeravatar
Thaddäus
Beiträge: 1231
Registriert: Sa 14. Sep 2013, 18:47

#224 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » So 27. Dez 2015, 09:07

Deine Antworten, SilverBullet, werden immer kurioser!
Zum einen kämpfst du gegen vermeintliche Annahmen von mir, die ich aber gar nicht mache, zum anderen bezweifelst du selbstverständliche phänomenale Zustände, die nicht abstreitbar sind.

SilverBullet hat geschrieben: Ich sage, „etwas zu bezweifeln“ ist eine reine Fähigkeit, zu der es die wirkliche Existenz „des Zweifels“ nicht geben muss
Natürlich ist Zweifeln-zu-können eine (übrigens geistige bzw. mentale) Fähigkeit. Ich habe nie etwas anderes behauptet. Ich habe auch nie behauptet, dass Zweifeln, Farb- und Geschmackseindrücke zu haben oder bewusst zu sein etc. in irgendeiner Weise materielle Dinge sind oder geistige Wesenheiten ähnlich den platonischen Ideen oder dergleichen.
Die Feststellung, dass Menschen zweifeln können, Farb- und Geschmackseindrücke haben können, Schmerzen haben können, bewusst sein können usw. geht auch nicht einher mit der Annahme, es handele sich dabei um wie Engel herumschwebende geistige Entitäten.

Du tust aber hartnäckig so, als ob ich solche geistigen Entitäten behaupten würde und kämpfst damit offensichtlich gegen Windmühlenflügel.
Eine Aussage anzuweifeln ist ein performativer Sprechakt und nichts anderes: "Ich glaube, dass es morgen schneien wird!"; "Nein, ich glaube das nicht." Die Aussageformulierung: "Nein, ich glaube das nicht" IST der Zweifel. Der Zweifel ist ein Sprechakt, kein geistiges Etwas, kein eigenständiges immaterielles Ding!

Es würde sehr helfen, wenn du endlich einsähest, dass ich keine übersinnlichen Entitäten annehme, wenn ich feststelle:
A:
Menschen sind sich bewusst und wissen, dass sie bewusst sind, solange sie bewusst sind; und Menschen haben bewusste Gedanken und wissen, welche Gedanken sie haben; und Menschen haben z.B. Farb- und Geschmackserlebnisse und können sich nicht darüber täuschen, genau dieses Farb- und Geschmackserlebnis zu haben, das sie aktuell haben; und Menschen haben propositionale Einstellungen zu Sachverhalten und es ist selbst eine propositionale Einstellung zu einem Sachverhalt der Ansicht zu sein, es gäbe keine propositionalen Einstellungen.
Da ich keine geheimnisvollen "Existenzen" behaupte, zeigt der folgende Satz von dir nur dein völliges Missverstehen auf...

Was hast du daran nicht verstanden, wenn ich sage, dass es zu den Fähigkeiten, also den Funktionen kommt, aber dass es nicht die Existenzen gibt?
Wie gesagt, bestreite ich das nicht, denn ich behaupte solche von dir befürchteten Existenzen nicht.


Gleichwohl ist es aber ein fact in the world, dass Menschen zweifeln, Farb- und Geschmackserlebnisse haben, bewusst sind, Gedanken denken und auch ausdrücken können, Schmerzen haben usw.usf.


SilverBullet hat geschrieben: Man kann den Vorgang dann sogar als „den Zweifel“ bezeichnen, denn der Vorgang ist ja nur virtuell, also nicht wirklich existent.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass du selbst nicht bemerkst, wie kurios diese Aussage ist!
Etwas Virtuelles (die virtuelle Darstellung eines Baumes auf deinem Bildschirm z.B.) oder etwas Fiktionales (wie z.B. die literarische Figur des Frodo Beutlin) sind natürlich "irgendwie existent" (wären sie es nicht, könnte ich hier gerade nicht darüber schreiben, aber es gilt zu klären, was mit "existieren" in diesem Zusammenhang genau gemeint ist). Was sie nicht sind - und nur das kannst du meinen: sie sind natürlich nicht real-gegenständliche Dinge wie Tische, Flusspferde oder Planeten!

Diese deine Verwechslung ist aber sehr aufschlussreich, denn sie zeigt, dass du Exisitieren gleichsetzt mit real-gegenständlich-materiellem Existieren. Und wegen dieser materialistischen Gleichsetzung scheiterst du daran, das faktische Vorhandensein von virtuellen Darstellungen, fiktionalen Hobbits, Zahlen, Wünschen, Hoffnungen, Qualia-Erlebnissen, Schmerzen, Gedanken usw.usf. - als unbestreitbare facts in the world - irgendwie erklären zu können. Du musst sie gemäß deiner materialistischen Gleichsetzung als nicht-existent ansehen, was aber offenkundig unsinnig ist, denn all dies gibt es in der Welt, nur eben nicht als real-gegenständliche Dinge im Universum.


Diese deine materialistische Gleichsetzung trägt sogar Züge einer ideologischen Weltanschauung, denn du bist eher bereit, offensichtlich in der Welt Vorhandenes zu bestreiten, als einzugestehen, dass deine Gleichsetzung von Existieren mit Real-gegenständlich-materiell-Existieren falsch sein könnte.
Virtuelles (Filme, Computerspiele etc.) und Fiktionales (literarische Figuren etc.) existieren nicht auf diese Weise, aber sie sind gleichwohl facts in the world. Wenn die Figur des Faust nicht in irgendeiner Weise existieren würde, dann gäbe es nicht zahllose Doktorarbeiten über ihn usw.

Gedanken, Qualia-Erlebnisse, Bewusstsein, Schmerzen usw. sind nun weder etwas Virtuelles, noch etwas Fiktionales. Schmerzen sind nicht virtuell oder fiktional und der Geschmack eines Apfels, in den man beißt, ebensowenig!
Sie sind stattdessen phänomenal unmittelbar gegeben. Man hat sie ...

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Phänomenal kannst du aber feststellten, dass du Geschmackserlebnisse hast und zwar völlig unabhängig davon, welche Erkärung du dir nachträglich dafür zurechtlegst, weshalb du sie haben kannst.
Nein, ich sehe es so:
ich kannst nur feststellen, dass ich der Überzeugung bin „etwas“ zu haben. Das hat aber mit der Existenz von „etwas“ nichts zu tun.
Insofern ist die Formulieren „etwas zu haben“ eigentlich falsch (umgangssprachlich ist es aber ok).
Nein, du bist nicht nur der ÜBERZEUGUNG bewusst zu sein, diese und jene Gedanken zu haben, Schmerzen zu haben, den Geschmack eines Apfels zu schmecken usw. Du BIST bewusst, du HAST diese und jene Gedanken, du HAST Schmerzen und du SCHMECKST den Geschmack des Apfels.

Wenn du überzeugt von etwas bist, dann nimmst du eine propositionale Einstellung zu etwas ein, das wahr oder falsch sein kann, also fallibel ist.

"Ich bin überzeugt davon, dass die Lichtgeschwindigkeit nicht überschritten werden kann." Diese Überzeugung kann nun entweder wahr oder falsch sein.

Du kannst aber nicht überzeugt davon sein, Schmerzen zu haben, denn dass du Schmerzen hast, darüber kannst du dich nicht irren. Es gibt kein wahr oder falsch in Bezug auf deine Schmerzen (es gibt allenfalls Simulanten, die Schmerzen vortäuschen, dann aber eben keine haben).
Schmerzen zu haben (genau so wie bewusst zu sein, Gedanken zu haben, Qualia-Erlebnisse zu haben etc.) sind keine propositionalen Einstellungen!

Stelle dir vor, du gehst zum Arzt und der fragt dich: "Und, warum sind Sie hier?" Und du antwortetest: "Ich bin überzeugt davon, Schmerzen zu haben". Der Arzt würde dich wahrscheinlich irritiert ansehen und seine korrekte Gegenfrage müsste lauten, wenn du das zu ihm gesagt hättest: "Dann sind sie sich also nicht sicher, ob sie Schmerzen haben?" und du müsstest wiederum korrekt antworten: "Ja, ich bin mir nicht sicher, ob ich Schmerzen habe, aber ich bin überzeugt davon, Schmerzen zu haben."
Genau so kurios wie dieses Gespräch ist deine Annahme, du hättest von deinen unmittelbaren phänomenalen Eindrücken lediglich Überzeugungen!
Nicht nur das, würde der Arzt wahrscheinlich vermuten - wenn du darauf beharrst, nur der Überzeugung zu sein, Schmerzen zu haben - dass bei dir im Kopf etwas nicht stimmt.

Da Schmerzen zu haben ein unmittelbares phänomenales Erlebnis ist, gibt es keinen Zweifel daran, ob du Schmerzen hast oder nicht. Schmerzen zu haben ist keine propositionale Einstellung.


Ich breche hier ab, weil es sonst viel zu viel Antwort wird.
Zuletzt geändert von Thaddäus am So 27. Dez 2015, 12:09, insgesamt 1-mal geändert.

Hemul
Beiträge: 19835
Registriert: So 21. Apr 2013, 11:57

#225 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Hemul » So 27. Dez 2015, 11:00

Thaddäus hat geschrieben:Stelle dir vor, du gehst zum Arzt und der fragt dich: "Und, warum sind Sie hier?" Und du antwortetest: "Ich bin überzeugt davon, Schmerzen zu haben". Der Arzt würde dich wahrscheinlich irritiert ansehen und seine korrekte Gegenfrage müsste lauten, wenn du das zu ihm gesagt hättest: "Dann sind sie sich also nicht sicher, ob sie Schmerzen haben?" und du müsstest wiederum korrekt antworten: "Ja, ich bin mir nicht sicher, ob ich Schmerzen habe, aber ich bin überzeugt davon, Schmerzen zu haben."
Genau so kurios wie dieses Gespräch ist deine Annahme, du hättest von deinen unmittelbaren phänomenalen Eindrücken lediglich Überzeugungen!Nicht nur das, würde der Arzt wahrscheinlich vermuten - wenn du darauf beharrst, nur der Überzeugung zu sein, Schmerzen zu haben - dass bei dir im Kopf etwas nicht stimmt.
Meine Güte-echt luschtisch was hier so abgeht. :Smiley popcorn: Meiner Meinung nach-würde der Arzt hier vermuten, dass der Patient a) irgend einen bekloppten Verwandten in Höcklinghausen wohnen hat u. b) unverzüglich die Jungs mit der Zwangsjacke anfordern. :wave:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#226 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Pluto » So 27. Dez 2015, 11:05

Hemul hat geschrieben:Meine Güte-echt luschtisch was hier so abgeht. :Smiley popcorn: Meiner Meinung nach-würde der Arzt hier vermuten, dass der Patient a) irgend einen bekloppten Verwandten in Höcklinghausen wohnen hat u. b) unverzüglich die Jungs mit der Zwangsjacke anfordern. :wave:
Was willst du damit eigentlich sagen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Hemul
Beiträge: 19835
Registriert: So 21. Apr 2013, 11:57

#227 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Hemul » So 27. Dez 2015, 11:08

Hemul hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Stelle dir vor, du gehst zum Arzt und der fragt dich: "Und, warum sind Sie hier?" Und du antwortetest: "Ich bin überzeugt davon, Schmerzen zu haben". Der Arzt würde dich wahrscheinlich irritiert ansehen und seine korrekte Gegenfrage müsste lauten, wenn du das zu ihm gesagt hättest: "Dann sind sie sich also nicht sicher, ob sie Schmerzen haben?" und du müsstest wiederum korrekt antworten: "Ja, ich bin mir nicht sicher, ob ich Schmerzen habe, aber ich bin überzeugt davon, Schmerzen zu haben."
Genau so kurios wie dieses Gespräch ist deine Annahme, du hättest von deinen unmittelbaren phänomenalen Eindrücken lediglich Überzeugungen!Nicht nur das, würde der Arzt wahrscheinlich vermuten - wenn du darauf beharrst, nur der Überzeugung zu sein, Schmerzen zu haben - dass bei dir im Kopf etwas nicht stimmt.
Meine Güte-echt luschtisch was hier so abgeht.
PS: Warum machst Du eigentlich um Dein "NICHTS-QUANTENVAKUUM" einen Bogen? 8-)
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#228 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Pluto » So 27. Dez 2015, 16:57

Hemul hat geschrieben:
Hemul hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Stelle dir vor, du gehst zum Arzt und der fragt dich: "Und, warum sind Sie hier?" Und du antwortetest: "Ich bin überzeugt davon, Schmerzen zu haben". Der Arzt würde dich wahrscheinlich irritiert ansehen und seine korrekte Gegenfrage müsste lauten, wenn du das zu ihm gesagt hättest: "Dann sind sie sich also nicht sicher, ob sie Schmerzen haben?" und du müsstest wiederum korrekt antworten: "Ja, ich bin mir nicht sicher, ob ich Schmerzen habe, aber ich bin überzeugt davon, Schmerzen zu haben."
Genau so kurios wie dieses Gespräch ist deine Annahme, du hättest von deinen unmittelbaren phänomenalen Eindrücken lediglich Überzeugungen!Nicht nur das, würde der Arzt wahrscheinlich vermuten - wenn du darauf beharrst, nur der Überzeugung zu sein, Schmerzen zu haben - dass bei dir im Kopf etwas nicht stimmt.
Meine Güte-echt luschtisch was hier so abgeht.
PS: Warum machst Du eigentlich um Dein "NICHTS-QUANTENVAKUUM" einen Bogen? 8-)
Versteht Jemand den Zusammenhang zwischen dem Quantenvakuum und die Wahrnehmung von Schmerzen? :engel:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#229 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » So 27. Dez 2015, 17:17

Thaddäus hat geschrieben:Der Zweifel ist ein Sprechakt, kein geistiges Etwas, kein eigenständiges immaterielles Ding!
Was soll hierbei ein „Sprechakt“ sein? - die Absicht?
Welche Art von Existenz möchtest du damit vermitteln?

Thaddäus hat geschrieben:Es würde sehr helfen, wenn du endlich einsähest, dass ich keine übersinnlichen Entitäten annehme
…
Wie gesagt, bestreite ich das nicht, denn ich behaupte solche von dir befürchteten Existenzen nicht.
…
Gleichwohl ist es aber ein fact in the world, dass Menschen zweifeln, Farb- und Geschmackserlebnisse haben, bewusst sind, Gedanken denken und auch ausdrücken können, Schmerzen haben usw.usf.
…
Etwas Virtuelles (die virtuelle Darstellung eines Baumes auf deinem Bildschirm z.B.) oder etwas Fiktionales (wie z.B. die literarische Figur des Frodo Beutlin) sind natürlich "existent" (wären sie es nicht, könnte ich hier gerade nicht darüber schreiben). Was sie nicht sind - und nur das kannst du meinen: sie sind natürlich nicht real-gegenständliche Dinge wie Tische, Flusspferde oder Planeten!
Verstehe ich das richtig:
1.
Du behauptest keine „übersinnlichen Existenzen“, also nur Existenzen, die mit den Sinneszellen in Kontakt treten können?
=> Angewandt auf das „Haben von Gedanken“ bedeutet dies:
Ein „Gedanke“ soll „Etwas“ sein, das man haben kann und das mit den Sinneszellen in Kontakt treten kann. Mir ist diese „Idee“ ehrlich gesagt sehr unbekannt, aber bestimmt kannst du das auf ein solides Beweisfundament stellen.

2.
Du verwendest die Formulierung „fact in the world“, um auszudrücken, dass Menschen „Etwas“ haben, wobei „fact in the world“ anscheinend eine Alternative zum Existenz-Begriff sein soll, also „Etwas“, das irgendwie „anders“ existieren soll (vermutlich, nicht objektiv)?
=> „Fact in the world“ ist eine komische Behauptung, denn ausser dass du der „subjektiven Überzeugung“ bist, „Gedanken zu haben“ (also tatsächlich „Etwas“) kannst du keine weitere Angabe über dieses „Fact“ machen.
Das ist zu wenig, denn du kannst weder erklären, wie es zu dieser „subjektiven Überzeugung“ kommt, noch aus was eine „subjektive Überzeugung“ und ein „Gedanke“ sein sollen.
Ausserdem: Was soll das denn für eine „World“ sein, in der dieses „Fact“ existieren soll?
Ist diese „World“ zufällig, eigenartig identisch mit dem Rätsel, dass du lösen möchtest?

3.
Du denkst, dass virtuelle Zusammenhänge „existieren“ müssen, weil sie eine Funktion ergeben können. Dass du den Begriff „existieren“ in Anführungszeichen setzt, bedeutet wohl, dass du eine andere Existenz als eine „real-gegenständliche“ meinst, die aber (laut Punkt 1) mit den Sinneszellen in Kontakt treten können soll?
=> Zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form existieren die virtuellen Zusammenhänge einer Datenverarbeitung, auf eine Art, dass sie mit den Sinneszellen in Kontakt treten können?
Anders gefragt, wann vernichte ich deiner Meinung nach eine Existenz, wenn ich den Strom zu meinem PC abschalte?

Thaddäus hat geschrieben:Du kannst aber nicht überzeugt davon sein, Schmerzen zu haben, denn dass du Schmerzen hast, darüber kannst du dich nicht irren.
Selbstverständlich kann ich in der Existenzannahme von „Etwas“ falsch liegen.
Genau in der gleichen Art, wie ich (und du) der Überzeugung bin, „schräge Linien zu sehen“, obwohl es diese Schräge (wegen der gleichzeitig vorhandenen Randbereiche) nicht in Form einer Flächenpräsentation geben kann (siehe mein Linienbeispiel).

Interessant ist, dass du zu den „schrägen Linien“ auffällig wenig sagst (im aktuellen Beitrag rein gar nichts).
Die Existenz derartiger Sehdaten widerspricht allen Möglichkeiten einer flächigen Liniendarstellung. Eine Aufbereitung solcher Sehdaten als „Darstellung“ ist somit nicht durch das Gehirn möglich.
=> es handelt sich nicht um eine („getäuschte“) Aufbereitung von Sehdaten und die „schrägen Linien“ werden nicht gesehen.
=> es findet ein ganz anderer Vorgang statt, als man ihn umgangssprachlich mit dem „Sehen von Linien“ bezeichnet.

„Der Mensch hat Schmerzen“ ist eine praktische Alltagsformulierung,
Aber: bei der Realisierung ist nichts beteiligt, das man als „den Schmerz“ bezeichnen könnte.
Es liegt ein anderer Vorgang zugrunde.

Ich habe dir dargelegt, dass ich mit dem Begriff „Überzeugung“ auf eine Verstehfestlegung innerhalb der Bedeutungszusammenhänge einer Wahrnehmung/Datenverarbeitung abziele und nicht auf eine „normale Meinungseinstellung“. Explizit habe ich dazu geschrieben, dass man diese Art der Überzeugung, auf Grund der Festlegung im Ablauf, nicht anzweifeln kann.

Dass du es dennoch so in deinem Arzt-Schmerzbeispiel darstellen möchtest, wirkt sehr komisch.

Thaddäus hat geschrieben:Da Schmerzen zu haben ein unmittelbares phänomenales Erlebnis ist, gibt es keinen Zweifel daran, ob du Schmerzen hast oder nicht.
Aus was soll ein „unmittelbares phänomenales Erlebnis“ gemacht sein?
Von was soll ein „unmittelbares phänomenales Erlebnis“ ausgehen können?
Auf welcher Wahrnehmungsübertragung soll ein „unmittelbares phänomenales Erlebnis“ beruhen?

Du wiederholst lediglich deine Behauptungen.
Motto: „Es ist so, es ist so, es ist so und SilverBullet muss es einfach akzeptieren“

Nö, das muss SilverBullet gar nicht machen, denn sein Lösungsansatz (Vermutung) zielt auf das „phänomenale Erlebnis“ als reinen Bedeutungszusammenhang ab, der von einer Datenverarbeitung (aktivem Gehirn), ohne Zauberkunststück, abgedeckt sein könnte.

Schwierig wird es hingegen, wenn man von Existenzen à la „Fact in the World“ (was auch immer das für Existenzen sein sollen) ausgehen möchte.
Diesen Schwierigkeiten stehst du gerade gegenüber, denn du kannst deine Position nur in Behauptungsform präsentieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass du vom Menschen ausgehend, über die Umgangssprache irgendwelche Erkenntnisse ableiten möchtest und gleichzeitig behauptest, man könne keinen Schritt zurück machen.
Du verwendest somit eine hinderliche Grobeinteilung und eine Informationsquelle, die erst durch die fertige Wahrnehmung entstehen konnte, und somit niemals zur Grundlage für die Herstellungserklärung der Wahrnehmung taugen kann –> ein ganz grosser Fehler.

Wenn dein Ansatz auf einem Fundament (z.B. Verbindung zum Gehirn) ruhen soll, dann musst du ihn schon explizit damit ausstatten – die umgangssprachlichen Grob-Behauptungen sind nicht ausreichend.
(z.B. könntest du damit anfangen und deinen „Existenz“-Begriff nicht durch Nicht-XXXX darstellen, sondern dadurch, um was es gehen soll - bitte keine "Codierungsfehler" nach dem Motto "Gedanken werden übertragen" einbauen)

Benutzeravatar
Thaddäus
Beiträge: 1231
Registriert: Sa 14. Sep 2013, 18:47

#230 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » So 27. Dez 2015, 19:44

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Der Zweifel ist ein Sprechakt, kein geistiges Etwas, kein eigenständiges immaterielles Ding!
Was soll hierbei ein „Sprechakt“ sein? - die Absicht?
Die von John Langshaw Austin und John Searle in den 50er und 60er Jahren ausgearbeitete Sprechakttheorie zeigt auf, inwiefern wir durch sprachliche Äußerungen (mündliche wie schriftliche) gleichzeitig Handlungen vollziehen. Berühmtes Beispiel: "Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil ..." (= performativer Sprechakt) Indem ein Richter dies ausspricht macht er nicht nur eine sprachliche Äußerung, sondern er verurteilt damit auch real den Angeklagten mit entsprechenden Folgen. Damit ist es eine Sprachhandlung, ein speech act, ein Sprechakt.
Es gibt verschiedene Arten von Sprechakten. Der illokutionäre Akt bringt die Absicht einer sprachlichen Äußerung zum Ausdruck:

Illokutionärer Akt (auch illokutionärer Sprechakt, Illokution oder illokutiver Akt) ist ein Fachbegriff der linguistischen Pragmatik. Er bezeichnet den eigentlichen Zweck eines Sprechaktes, also die dem Sprechakt zugrundeliegende Absicht des Sprechers. Dieser Zweck kann darin bestehen, eine Überzeugung, einen Wunsch, eine Absicht oder eine Emotion zum Ausdruck zu bringen oder eine Veränderung der Welt herbeizuführen. Es handelt sich um Eindeutschungen der englischen Kunstwörter illocution oder illocutionary act (sinngemäß â€šim Sprechen vollzogener Akt‘, von lateinisch locÅ«tiō = ‚Sprache‘ zu loqui = ‚sprechen‘), die John Langshaw Austin in seiner Sprechakttheorie eingeführt hat und die „das Vollziehen einer Handlung mit Hilfe einer sprachlichen Äußerung bezeichnen“. [aus Wiki, Stichwort Illokutionärer Akt]
Der performative Sprechakt zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht nur eine Absicht zum Ausdruck bringt, sondern durch seine Äußerung auch eine Handlung vollzogen wird. Z.B. also wie oben: "Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil ..." (durch einen Richter) oder auch "Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau" (durch einen Standesbeamten, Pfarrer oder Priester) oder "Hiermit taufe ich dich auf den Namen Titanic!"

Die Aussage von jemanden anzuweifeln fällt unter die illokutionären Sprechakte (ich bin mir gerade nicht mehr sicher, ob es tatsächlich ein performativer Sprechakt ist; ist aber auch nicht so wichtig für unsere Problematik).

SilverBullet hat geschrieben: Welche Art von Existenz möchtest du damit vermitteln?
Damit will ich überhaupt keine bestimmte Existenz vermitteln, sondern die Tatsache feststellen, dass wir, wenn wir z.B. an einer Aussage zweifeln, einen Wunsch äußern, eine Hoffnung aussprechen o.ä. einen Sprechakt vollziehen.

To be continued ...
Zuletzt geändert von Thaddäus am So 27. Dez 2015, 19:50, insgesamt 4-mal geändert.

Antworten