Warum haben wir ein Weltbild?

Säkularismus
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Pluto
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#21 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Pluto » Di 10. Mai 2016, 17:47

Savonlinna hat geschrieben:Aber bei einer musikliebenden Kuh geht es noch einen Schritt weiter. Aber auch das zählt offenbar noch zum phänomenalen Bewusstsein. ->
"Ein Lebewesen, das phänomenales Bewusstsein besitzt, nimmt nicht nur Reize auf, sondern erlebt sie auch", schreibt Wikil
Die Katze, die beim Gekraultwerden schnurrt, erlebt offenbar Behagen, und die heillos glupschende Kuh hat - körperlich sichtbar - auch irgendwas erlebt.

Bei beiden könnte man doch zumindest das sagen, dass sie einen Ausschnitt von der Welt kennen und wiedererkennen. Die Katze jedenfalls kommt immer zu mir, weil sie das angenehme Kraulen einfordert. Also haben sie ein Bild von der Welt.
Aber sie wissen nicht, dass sie ein Bild von der Welt haben.
Einige Neurologen bezeichnen das als "Kernbewusstsein".
Dieses sog. Kernbewusstsein ist eine Fähigkeit (Eigenschaft?) des Gehirns. Es ist vermutlich sehr alt und daher auch in der Tierwelt weit verbreitet. Es ermöglicht z.B. einen Schmerzreiz oder die Lust als Gefühl zu empfinden.
Was uns Menschen von den Tieren unterscheidet, ist das erweiterte Bewusstsein, d.h. das rationale Denken, Planen und Vorstellen, woraus dann auch die Künste, Musik und Religion entstanden.

Deshalb glaube ich, dass das Weltbild etwas spezifisch menschliches ist was uns von anderen Tieren unterscheidet.

Savonlinna hat geschrieben:Obwohl man auch da wieder hinterfragen kann:
Wann ist das Wort "wissen" angebracht, wann nicht?
"Wissen" die Vögel, die allabendlich um 19 Uhr zum Vogelhäuschen kommen, weil diese von meinen Hausgenossen zu dieser Zeit gefüllt wird, dass es da was zu holen gibt, oder nennt man das besser nur Instinkt?
Nö. Es ist mehr als Instiknt.
Ich denke da spielt Erinnerung und Training eine große Rolle (vgl. Pawlow'sche Hunde). Es zeigt, dass Vögel in der Lage sind Erinnerungen im Gehirn abzuspeichern. Diese Speicherung ist natürlich unentbehrlich für ein Bewusstsein.

Aber ob man Vögeln ein erweitertes Bewusstsein zugestehen sollte, sei dahingestellt. Ich glaube, eher nicht. Da ist der Mensch wohl einzigartig.

Savonlinna hat geschrieben:Dann scheinen wir darin einer Meinung. Man kann das "Bewusstsein" nennen.
Wie so oft... ja. :thumbup:
Wir sollten es aber nicht zur Gewohnheit werden lassen. :angel:

Savonlinna hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich denke diese Art der Erinnerung ist in einer Kuh rudimentär vorhanden, in einem Regenwurm nicht, und in einem Dinosaurier-Gehirn vielleicht.
Du lenkst den Fokus nun auf das Erinnerungsvermögen.
Ja. Weil ich glaube, dass die Fähigkeit sich zu erinnern ein sehr wichtiger Bestandteil des Bewusstseins ist, und somit auch für das Weltbild wichtig.

Savonlinna hat geschrieben:Und genau darüber habe ich in der letzten Zeit öfter nachgedacht. Das Rätsel Bewusstsein scheint mir tatsächlich eng mit dem Rätsel "Erinnerungsvermögen" verknüpft zu sein.
Genau so sehe ich es auch. Erst das Erinnerungsvermögen erlaubt uns einen "Film" aus der ICH-Perspektive aufzubauen, und uns so an die Abläufe in der Vergangenheit zu erinnern.

Savonlinna hat geschrieben:Ja, aber Weltbilder entstehen fast immer aus Schmerz. Dem muss man entrinnen, der Freude muss man ja nicht einrinnen.
Und das unterscheidet dann vielleicht das von mir formulierte "Bild von der Welt" von einem Weltbild im menschlichen Sinn. ->
Sehe ich anders.
Schmerz will der Organismus entrinnen; es wendet sich aber hin zu Lust und Freude. Dabei ist es völlig egal, ob es sich um einen Menschen handelt, oder einen unbewussten Regenwurm.

Savonlinna hat geschrieben:Eine Versuchsratte im Käfig, die immer einen elektrischen Schlag kriegt, wenn sie einen bestimmten Draht berührt, wird ein Bild von der Welt haben, dass Draht Schmerz verursacht, obwohl daran leckeres Essen hängt.
Gleichzeitig wird sie die Erfahrung machen, dass ein anders aussehender Draht, an dem auch leckeres Essen hängt, ihr nichts antut und Befriedigung bringt.
Also besteht ihr Bild von der Welt aus dem, was Schmerz bringt und dem, was Befriedigung bringt.
Genau. Beides, Schmerz und Lust, ist für ein Lebewesen essentiell.

Savonlinna hat geschrieben:Das tut die Ratte nicht, da sie nicht verallgemeinert. Sie ist immer nur konkret. Sie meidet den Stromschlag, aber fragt sich nicht, wer ihr sowas antut.
Das tun erst die Menschen; sie demonstrieren gegen Tierversuche.
Interessante Schlussfolgerung. So weit hatte ich gar nicht gedacht.

Savonlinna hat geschrieben:Weltbild ist eben vielleicht so entstanden. Wir wollen verstehen, damit wir etwas ändern können.
Und was wir nicht ändern können, müssen wir auch verstehen, wenn unser Verstand nicht im Dreieick laufen will.
Ich würde es wie folgt formulieren:
Wir Menschen habe die Gabe, die (nahe) Zukunft vorherzusagen. Deshalb auch das Mitleid mit den Ratten und die Proteste der Tierschützer.

Savonlinna hat geschrieben:Aber da fängt es dann schon an. Wollen wir nur beruhigt werden, oder wollen wir wissen.
Je nachdem sind die Weltbilder fest oder dynamisch.
Das stimmt!
Hast du gut gesagt. :clap:
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#22 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Pluto » Di 10. Mai 2016, 18:47

Magdalena61 hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ist ein Weltbild fürs Überleben notwendig? Wozu brauchen wir das dann überhaupt?
Es dient der Orientierung. Weil wir ständig Entscheidungen treffen müssen.
Wer planen und entscheiden muß, der braucht einen Maßstab, eine Grundlage für seine Überlegungen.
See ich auch so.
Ich denke aber, die Reihenfolge war anders herum: WEIL wir bewusste Wesen sind, die vorausschauend planen können, haben wir uns ein Welbild. zimmern wir uns ein Weltbild, welches die Welt beschreibt, wie wir sie sehen.

Magdalena61 hat geschrieben:Jetzt kann man sich fragen, warum die denn unbedingt Macht haben und ausüben wollen.
Vermutlich ist der Wunsch nach Macht und Besitz einfach nur menschlich — sitzt tief in uns drin.
Wenn wir Menschen nicht konkurrenzfähig gewesen wären, hätten wir den Überlebenskampf über die Jahrmillionen wahrscheinlich gar nicht geschafft.
Heute läuft der Kampf nicht mehr so sehr mit dem Schwert, weil wir uns eine (hauchdünne) Schicht aus Kultur über gezogen haben. Also läuft der Kampf weiter in Worten, die zwar auch verletzten können, aber nicht tödlich sind.

PS:
Interessant finde ich in diesem Zusammenhang die Bemerkung eines Anthropologen: Der Mensch hat seit jeher eine Faszination für Fernlenkwaffen. Früher waren es Speere mit giftigen Spitzen, später Pfeil und Bogen. Heute sind es Kampfdrohnen.
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#23 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Novas » Di 10. Mai 2016, 19:46

Bastler hat geschrieben:Von frühester Kindheit habe ich mich mit meinen Eltern und meiner Schwester darüber gestritten - Konflikte gab es diesbezüglich zu Hauf. Denn alle anderen Menschen, die mir begegnet sind, hatten auch ein Weltbild, und zwar unverschämterweise ein anderes

:D :thumbup:

Die Folge von Weltbildern ist wohl tatsächlich, dass es unausweichlich Weltbildkonflikte gibt. Aber muss man diese Konflikte zwangsläufig als etwas Schlechtes sehen? Die positive Kehrseite dieser Konflikte ist, dass sie den Zündstoff für interessante Auseinandersetzungen bilden. Ein Problem entsteht erst dann, wenn es Menschen nicht lernen, solche Konflikte sinnvoll, interessant, fruchtbar und belebend zu führen

Wenn man sich klar ist, dass es wirklich nichts anderes, als mögliche Bilder sind, dann kann man die verschiedenen durch sie vermittelten Sichtweisen spielerisch aufeinander prallen lassen, sodass die Funken der Wahrheit aufleuchten können. Eigentlich macht das ja Spaß, sonst würde wir gar keine Gespräche führen. Ganz passend dazu die „goldene Regel“ von Bruce Lee: „Nimm an, was nützlich ist. Lass weg, was unnütz ist. Und füge das hinzu, was dein Eigenes ist.“
Zuletzt geändert von Novas am Di 10. Mai 2016, 23:31, insgesamt 2-mal geändert.

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#24 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Novas » Di 10. Mai 2016, 20:31

Pluto hat geschrieben:Heute läuft der Kampf nicht mehr so sehr mit dem Schwert, weil wir uns eine (hauchdünne) Schicht aus Kultur über gezogen haben. Also läuft der Kampf weiter in Worten, die zwar auch verletzten können, aber nicht tödlich sind

Ich gehöre zu der Generation, die mit der digitalen Revolution groß geworden ist. Meines Wissens läuft der „Kampf“ heute auf weltweiten Servern ab, wo Kinder aus Deutschland mit Kindern aus Russland, Amerika, Korea und Chile MMORPGS (Massively multiplayer online role-playing games) suchten. Die Pädagogen sind deswegen sehr besorgt („Werden die Menschen in einer Generation Zombies sein, die nicht mehr miteinander kommunizieren können?“), aber ich sehe das sehr entspannt: das ist Völkerverständigung im 21. Jahrhundert.

Denn.... eine Generation, die weltweit Kontakte knüpfte, Kinder, die längst Weltbürger geworden sind, die Freunde überall auf der Welt haben, die werden vermutlich keinen nuklearen Weltkrieg führen wollen. Vielleicht werden sie gar keine Kriege mehr führen wollen. Stattdessen werden sie gemeinsam Probleme lösen, die uns heute unlösbar scheinen, und sie werden die Welt zu einem interessanteren und schöneren Ort machen. Mein Eindruck ist auch: je mehr „virtuelle Realität“ das menschliche Bewusstsein prägt, desto mehr spielen Menschen mit Weltbildern und Perspektiven, sodass man dann nicht mehr fragt: „ist dieses oder jenes Weltbild wahr?“ sondern eher: „was für einen Aspekt der Wahrheit sehe ich hier - und hier - und hier ....?“

In Eros, Kosmos, Logos schreibt Ken Wilber:

Die wichtigste Transformation oder Transzendenz besteht jedoch in der wachsenden Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, also nicht bloß einzusehen, daß andere die Dinge anders sehen, sondern deren Perspektive tatsächlich innerlich rekonstruieren zu können, in ihre Haut zu schlüpfen.


Ist Dir schon aufgefallen, dass immer öfter Kinofilme „Transzendenz“ thematisieren? Das scheint für viele Menschen ein Thema zu sein. Ein außerordentlich visionäres Werk ist für mich die Matrix-Trilogie der Wachowski-Brüder.

Eine meiner Lieblingsszenen ....

Neo: "Ich weiß, dass ihr irgendwo da draußen seid. Ich kann euch jetzt spüren. Ich weiß, dass ihr Angst habt, Angst vor uns. Angst vor Veränderungen. Wie die Zukunft wird weiß ich nicht. Ich bin nicht hier um Euch zu sagen wie die Sache ausgehen wird. Ich bin hier um euch zu sagen, wie alles beginnen wird. Ich werde den Hörer auflegen und den Menschen das zeigen, was sie nicht sehen sollen. Ich zeige ihnen eine Welt ohne Euch. Eine Welt ohne Gesetze, ohne Kontrollen und ohne Grenzen. Eine Welt, in der alles möglich ist. Wie es dann weitergeht, dass liegt ganz an euch."


.... :) eine Hintergrundinformation: als Neo den Telefonhörer auflegt kommt der Song: "Wake Up" von Rage Against The Machine.

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#25 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Savonlinna » Di 10. Mai 2016, 22:29

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Dann scheinen wir darin einer Meinung. Man kann das "Bewusstsein" nennen.
Wie so oft... ja. :thumbup:
Wir sollten es aber nicht zur Gewohnheit werden lassen. :angel:
Auf keinen Fall!
Das Forum will Blut sehen. :?

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#26 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Pluto » Di 10. Mai 2016, 22:29

Novalis hat geschrieben:Ich gehöre zu der Generation, die mit der digitalen Revolution groß geworden ist. Meines Wissens läuft der „Kampf“ heute auf weltweiten Servern ab, wo Kinder aus Deutschland mit Kindern aus Russland, Amerika, Korea und Chile MMORPGS (Massively multiplayer online role-playing games) suchten. Die Pädagogen sind deswegen sehr besorgt („Werden die Menschen in einer Generation Zombies sein, die nicht mehr miteinander kommunizieren können?“), aber ich sehe das sehr entspannt: das ist Völkerverständigung im 21. Jahrhundert.
Man sagte früher, eine Stunde TV pro Tag. Heute sitzen die Kids stundenlang vor dem PC oder i-Pad. In manchen Schulen werden diese Geräte ebenfalls schon eingesetzt.
Die Digitale Revolution lässt sich nicht aufhalten, und sie wird den Zeitgeist das Weltbild der Jugend nachhaltig verändern.
Ich gehöre zwar einer anderen Generation, aber ich sehe es auch entspannt.

Novalis hat geschrieben:In Eros, Kosmos, Logos schreibt Ken Wilber:

Die wichtigste Transformation oder Transzendenz besteht jedoch in der wachsenden Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, also nicht bloß einzusehen, daß andere die Dinge anders sehen, sondern deren Perspektive tatsächlich innerlich rekonstruieren zu können, in ihre Haut zu schlüpfen.
Nichts Neues unter der Sonne.
Bild

Novalis hat geschrieben:Ist Dir schon aufgefallen, dass immer öfter Kinofilme „Transzendenz“ thematisieren? Das scheint für viele Menschen ein Thema zu sein. Ein außerordentlich visionäres Werk ist für mich die Matrix-Trilogie der Wachowski-Brüder.
Ja. Finde ich auch spannend.
Transzendez fasziniert die Menschen eben.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#27 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Pluto » Di 10. Mai 2016, 22:30

Savonlinna hat geschrieben:Auf keinen Fall!
Das Forum will Blut sehen. :?
Na dann!
En garde, Savonlinna. :lol:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#28 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Savonlinna » Mi 11. Mai 2016, 19:53

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Auf keinen Fall!
Das Forum will Blut sehen. :?
Na dann!
En garde, Savonlinna. :lol:
War nur Spaß. :)

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich denke diese Art der Erinnerung ist in einer Kuh rudimentär vorhanden, in einem Regenwurm nicht, und in einem Dinosaurier-Gehirn vielleicht.
Du lenkst den Fokus nun auf das Erinnerungsvermögen.
Ja. Weil ich glaube, dass die Fähigkeit sich zu erinnern ein sehr wichtiger Bestandteil des Bewusstseins ist, und somit auch für das Weltbild wichtig.
Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Und genau darüber habe ich in der letzten Zeit öfter nachgedacht. Das Rätsel Bewusstsein scheint mir tatsächlich eng mit dem Rätsel "Erinnerungsvermögen" verknüpft zu sein.
Genau so sehe ich es auch. Erst das Erinnerungsvermögen erlaubt uns einen "Film" aus der ICH-Perspektive aufzubauen, und uns so an die Abläufe in der Vergangenheit zu erinnern.
An diesem Punkt würde ich gerne ein bisschen weitermachen.

Zum Beispiel beboachte ich immer wieder, dass ich oft lange nicht auf einen Namen komme, an den ich lange nicht mehr gedacht habe:
und plötzlich ist er dann aus heiterem Himmel wieder da.
Jedesmal frage ich: auf Grund von was genau ist er mir wieder eingefallen?
Wie habe ich ihn abrufen können?

Einmal ist mir das etwas klarer geworden:
ich wollte mich mal an ein Auto-Kennzeichen erinnern von einem Auto, das in mir aus - na ja, einschlägigen Grunden - mal sehr wichtig gewesen war.
Lag 20 Jahre zurück und dieses Kennzeichen, das ich damals besser kannte als meinen eigenen Namen ;), fiel mir einfach nicht mehr ein.
Es war nichts zu machen.

Dann war ich irgendwann mal wieder in dieser Stadt, wo der Autobesitzer vor 20 Jahren, wie ich auch, studiert hatte und wo ich jedesmal, wenn ich um die Ecke bog, mich herzklopfend fragte: Steht das Auto da, wenn ich um die Ecke gegangen bin, oder steht es da nicht?
Ich kam nun also - 20 Jahre später - dieser erwähnten Ecke näher - und in dem Moment, wo ich um die Ecke bog, fiel mir diese Autnummer wieder ein.
Genau in dem Moment, wo ich mit keinem Körper den Schwenk um die Ecke machte.

Woraus ich nun schließe:
Erinnerung ist an Gestisches, an Bewegung gekoppelt. Erinnerung muss sich immer an etwas Dynamisches hängen, damit man sie hochziehen kann.

Pluto hat geschrieben:Erst das Erinnerungsvermögen erlaubt uns einen "Film" aus der ICH-Perspektive aufzubauen, und uns so an die Abläufe in der Vergangenheit zu erinnern.
Dazu noch was:
Ich habe beobachtet, dass dieser Erinnerungsfilm sich im Laufe der Jahrzehnte verändert: nicht verblasst, sondern durchaus klar bleibt, manchmal sogar noch klarer wird, aber trotzdem sich mitunter stark verändert.

Und dann fand ich einen Artikel in einer pschylogischen Zeitschrift, wo genau das auch stand:
die Erinnerung verändert sich, und zwar aus finalen Gründen:
sie hat nämlich einen Zweck: Material z.B. für eine Konfliktsituation hochzuschieben.
Man speichere also die Erinnerungen, um Material zu haben für akute Fragen.

Und weil der Mensch sich in seinen Fragen verändere - so die Zeitschrift -, verändert sich auch der Film.

Das passt jetzt wunderbar zu der Weltbild-Frage:
Wenn das Weltbild dazu dient, mit akuten Fragen klarzukommen, dann schiebt der Erinnerungskanal Material hoch, das sich klammheimlich inzwischen verändert hat, also vergilbtes und unbrauchbares Material quasi durch neueres und sinnvolleres Material ersetzt hat.
Die Erinnerung arbeitet also konstruktiv mit. :D

Auch sie ist lebendig und nicht statisch.
Zuletzt geändert von Savonlinna am Mi 11. Mai 2016, 21:26, insgesamt 1-mal geändert.

Novas
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#29 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Novas » Mi 11. Mai 2016, 20:55

Savonlinna hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Auf keinen Fall!
Das Forum will Blut sehen. :?
Na dann!
En garde, Savonlinna. :lol:
War nur Spaß. :)

Psychologen empfehlen ja manchmal, man solle auf ein Kissen schlagen zum Aggressionsabbau. Das Forum ist für manche eben das virtualisierte Kissen. :D Wir können es auch professionelles „Deeskalationsmanagement“ nennen.

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#30 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Savonlinna » Mi 11. Mai 2016, 21:25

Novalis hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Na dann!
En garde, Savonlinna. :lol:
War nur Spaß. :)

Psychologen empfehlen ja manchmal, man solle auf ein Kissen schlagen zum Aggressionsabbau. Das Forum ist für manche eben das virtualisierte Kissen. :D Wir können es auch professionelles „Deeskalationsmanagement“ nennen.
Und auf welches Kissen soll ich schlagen, wenn mich das virtualisierte Kissen aggressiv macht?

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