Das Gehirn

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Pluto
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#1 Das Gehirn

Beitrag von Pluto » Do 25. Apr 2013, 17:44

Ich mach mal mit der Diskussion über das Gehirn hier weiter, weil diese nicht so gut zum Ernährungsthread passt.

barbara hat geschrieben:Dass etwas "Ausdruck des Bewusstseins" ist, erklärt gar nichts, da völlig unklar ist, was Bewusstsein ist. Zumindest im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs gibt es zum Thema Bewusstsein eine Unzahl an Ideen und Theorien, aber es gibt keine klare, eindeutige Definition, die in die Nomenklatur aufgenommen worden ist.
Hi Barbara.

Das ist so nicht ganz richtig.
Seitdem G. Bush sen. die 1990'er Jahre zum Jahrzent des Gehirns ausrief, gab es auf diesem Gebiet immense Fortschritte. Eine Studie in Belgien hat bspw. schon zur Jahrhundertwende ganz präzise Vorstellungen der Entstehung des Bewusstseins postuliert. Hier die vorgeschlagene Theorie (englisch):
We then propose a theoretical framework that synthesizes those facts: the hypothesis of a global neuronal workspace. This framework postulates that, at any given time, many modular cerebral networks are active in parallel and process information in an unconscious manner. An information becomes conscious, however, if the neural population that represents it is mobilized by top-down attentional amplification into a brain-scale state of coherent activity that involves many neurons distributed throughout the brain. The long-distance connectivity of these `workspace neurons' can, when they are active for a minimal duration, make the information available to a variety of processes including perceptual categorization, longterm memorization, evaluation, and intentional action. We postulate that this global availability of information through the workspace is what we subjectively experience as a conscious state.
[Stanislas Dehaene, Lionel Naccache, 2001]
Ganz ähnliche Ideen wurden von namhaften Wissenschaftlern beidseits des Atlantik aufgegriffen. Z. Bsp.
Consciousness Explained, Daniel Dennett
Das Gehirn und seine Wirklichkeit, Gerhard Roth
Descartes Irrtum, Antonio Damasio
Der Egotunnel, Thoms Metzinger
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#2 Re: Das Gehirn

Beitrag von closs » Fr 26. Apr 2013, 06:55

Pluto hat geschrieben:ganz präzise Vorstellungen der Entstehung des Bewusstseins postuliert.
Die Gretchenfrage ist hier - was versteht man unter Entstehung:

* Wird das Bewusstsein durch das Gehirn GESCHAFFEN?
ODER
* Erhält das Bewusstsein durch das Gehirn seine Daseins-Bühne?

Damit sind in etwa naturalistische und christliche Haltung definiert.

barbara
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#3 Re: Das Gehirn

Beitrag von barbara » Fr 26. Apr 2013, 07:07

Der Stand der Diskussion dürfte, wie üblich, durch Wiki einigermassen zusammengefasst werden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bewusstsein

wie ich sagte: keine allgemein gültige Definition, viele Ideen - durchaus interessante Ideen, das bestreite ich keineswegs - aber keine Einigung.

"Bewusstsein" wird dann in der Wissenschaft angekommen sein, wenn die Definitino dafü rso wenig Spielraum lässt wie die Definition von "Femur" oder von "CH4", wo man klar und eindeutig sagen kann, was alles in diese Kategorie passt und was nicht.

Auch das Qualia-Problem ist nach wie vor weit von einer Lösung entfernt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Qualia

schliesslich sorgt das mechanistische Denken nach Descartes ja eben gerade dafür, dass Qualia aussortiert werden und nur die messbaren Sachverhalte berücksichtigt werden.

Hier hat Wissenschaft noch eine grössere Veränderung in ihrer Struktur vor sich, um dieses Problem zu lösen; nicht einfach bloss das Finden neuer Inhalte.

Doch gerade gegen Strukturänderungen wehren sich viele.

grüsse, barbara

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#4 Re: Das Gehirn

Beitrag von Pluto » Fr 26. Apr 2013, 08:40

barbara hat geschrieben:Der Stand der Diskussion dürfte, wie üblich, durch Wiki einigermassen zusammengefasst werden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bewusstsein

wie ich sagte: keine allgemein gültige Definition, viele Ideen - durchaus interessante Ideen, das bestreite ich keineswegs - aber keine Einigung.
Hi Barbara,
Keine gültige Definiton ist mir eindeutig zu wenig.

Was in dem Wiki-Artikel überhaupt nicht erwähnt wird, ist die wegweisende Arbeit des engl. Philosophen Gilbert Ryle, der bereits 1949 in seinem Buch "A Concept of Mind" mit Hilfe der Thermodynamik aus der Physik :shock: nachweisen konnte, dass jeglicher Dualismus von Körper und Geist unmöglich ist, weil dieser ein Perpetuum Mobile nach sich ziehen würde. Damit wurde mit einem Schlag die 300 Jahre vorherrschende Lehmeinung eines cartesianischen Modells obsolet, die die Seele als steuernder "Homunculus" in der "Kommandozentrale" des Gehirns sahen. Seit Ryle bleiben eigentlich bis heute nur noch zwei monistische Modelle des Geistes übrig.

Einerseits steht ein rein exsistenzieller Materialismus, bei dem Geist/Bewusstsein als reines Produkt unseres wachen, denkenden Gehirns postuliert wird. Demgegenüber steht ein spirituell initierter Monismus, den man durch die Notwendigkit der Zugabe eines "gewissen Etwas", nennen wir es mal den Odem Gottes charakterisieren kann.

barbara hat geschrieben:Auch das Qualia-Problem ist nach wie vor weit von einer Lösung entfernt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Qualia
Ganz recht!
Das Qualia-Problem ist wohl der wichtigste Faktor in der Frage nach der Notwendigkeit eines "spirituellen Etwas" als Ausgangspunkt des menschlichen Geistes.

Deshalb meine Frage an dich (und andere Interessierte):
Woraus besteht nun dieses "gewisse Etwas", (nennen wir es den Odem Gottes), und vor allem, wie würde sich ein Mensch mit einem solchen Geist, von einem geistlosen "Zombie"in der Praxis unterscheiden?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#5 Re: Das Gehirn

Beitrag von Pluto » Fr 26. Apr 2013, 08:49

closs hat geschrieben:Die Gretchenfrage ist hier ...
* Wird das Bewusstsein durch das Gehirn GESCHAFFEN?
ODER
* Erhält das Bewusstsein durch das Gehirn seine Daseins-Bühne?

Damit sind in etwa naturalistische und christliche Haltung definiert.
Ja so kann man das auch sehen.

Deshalb an dich die Frage. Wie würdest du zwischen diesen beiden Arten von Bewusstsein in der Praxis unterscheiden?
Welches wären die entscheidenden Merkmale, an denen man das festellen könnte?
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#6 Re: Das Gehirn

Beitrag von closs » Fr 26. Apr 2013, 10:13

Pluto hat geschrieben:Wie würdest du zwischen diesen beiden Arten von Bewusstsein in der Praxis unterscheiden?
Da es nur eine Praxis/eine Realität gibt, gibt es nichts zu unterscheiden - wo es was zu unterscheiden gibt, ist die Bewertung der Realität.

Nehmen wir mal als Fallbeispiel die beiden Administratoren Magdalena und Pluto - Magdalena ist Christin, Pluto ist Agnostiker. - Beide bilden also die beiden hier zur Diskussion stehenden Entwürfe ab. - Magdalena wird ihr Bewusstsein als Gottgegebenes verstehen, Pluto als Folge seines Gehirns. - Ist deshalb deren Realität anders? - Zunächst mal im Prinzip NEIN, weil unabhängig von ihren Entwürfen beide aus dem selben "Kessel" kommen - konkret:

WENN Magdalena recht hat, ist nicht nur Magdalena von Gott geschaffen, sondern auch Pluto. - Wenn Pluto recht hat, dann ist nicht nur Plutos Bewusstsein ausschließlich Folge seines Gehirns, sondern dann gilt das auch für Magdalena. - Warum?

Weil Realität nicht Folge von Wahrnehmung ist. - Es gibt viele Wahrnehmungen, aber nur eine Realität.

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#7 Re: Das Gehirn

Beitrag von barbara » Fr 26. Apr 2013, 18:30

Pluto hat geschrieben: monistische Modelle des Geistes übrig.

Darauf können wir uns einigen: was immer es ist, es ist monistisch.


Einerseits steht ein rein exsistenzieller Materialismus, bei dem Geist/Bewusstsein als reines Produkt unseres wachen, denkenden Gehirns postuliert wird. Demgegenüber steht ein spirituell initierter Monismus, den man durch die Notwendigkit der Zugabe eines "gewissen Etwas", nennen wir es mal den Odem Gottes charakterisieren kann.

Mir stellt sich eher die Frage: ist Materie ein Spezialfall von Geist oder ist Geist ein Spezialfall von Materie?

ich neige zur ersten Idee; nicht zuletzt darum, weil ich selbst Geist als primär erfahre, die materielle Umsetzung als sekundär. Ich habe zB zuerst die Idee, ein Bild zu malen, und das Malen selbst ist erst der zweite Schritt. Der auch gar nicht immer stattfindet, sehr oft bleibt es nur bei der Idee. Aber dass ein Mensch irgend etwas herstellt, ohne im Voraus eine Idee oder eine Absicht oder einen Willen gehabt zu haben, ist mir noch nie begegnet.

Ein weiterer Aspekt, der für das Primat des Geistes spricht, ist die geistförmige Natur der Materie, wenn man nur die Materie genau genug betrachtet. Irgendwann gibt's nichts Festes mehr, sondern viel Leere und Wahrscheinlichkeitswellen.... das ganze Handfeste unserer Anschauung ist eine Illusion. Wenn auch eine sehr gelungene Illusion, mit guter Grafik und überzeugenden 3D-Effekten. :angel:



Deshalb meine Frage an dich (und andere Interessierte):
Woraus besteht nun dieses "gewisse Etwas", (nennen wir es den Odem Gottes), und vor allem, wie würde sich ein Mensch mit einem solchen Geist, von einem geistlosen "Zombie"in der Praxis unterscheiden?

Das "gewisse Etwas" ist die Grundsubstanz von allem, was ist. Es ist nichts, was "Materie plus Zusatz" ist, sondern es ist Materie mit allem, was sie ist - mit Leben, mit Geist, mit Bewusstsein begabt schon bis in die kleinsten Teilchen hinunter. (was auch das ärgerliche Problem löst bzw irrelevant macht, wo die Grenze von "Leben" zu "nicht leben" gezogen werden soll)

grüsse, barbara

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#8 Re: Das Gehirn

Beitrag von Pluto » Sa 27. Apr 2013, 02:03

barbara hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: monistische Modelle des Geistes übrig.
Darauf können wir uns einigen: was immer es ist, es ist monistisch.
Dankeschön!

barbara hat geschrieben:Mir stellt sich eher die Frage: ist Materie ein Spezialfall von Geist oder ist Geist ein Spezialfall von Materie?

ich neige zur ersten Idee; nicht zuletzt darum, weil ich selbst Geist als primär erfahre, die materielle Umsetzung als sekundär. Ich habe zB zuerst die Idee, ein Bild zu malen, und das Malen selbst ist erst der zweite Schritt.
Verzeih mir, es ist komisch, dass mir schon vorher klar war, wozu du neigen würdest. :D

Das Problem ist einfach das Auffinden von Geist in unserem Uninversum.
Wenn wir den Kossmos betrachten, so besteht dieser (nach heutiger Lehrmeinung) nur zu etwa 4% aus herkümmlicher, Materie, wie wir sie kennen, als Atome, Moleküle, die Erde und die Sterne. Vom Rest ist etwa ein Viertel sog. dunkle Materie, das ist das Material zwischen und um den Sternen der Galaxien. Der alles überragende Rest besteht aus der dunklen Energie die das geamte Uninversum durchdringt, und dazu führt dass der Stoff der Raum-Zeit selbst expandiert. Ich bin sicher du kennst diese Theorien.

Wenn nun Geist die Vorstufe zu Materie sein soll, von welcher Materie redest du dann? Von der klassischen Materie die nur 4% des ganzen aus macht, oder ebenfalls von den 25 % dunkler Materie, von der wir nicht einmal wissen woraus si besteht.
Und letzte Frage für heute :D wie willst du dunkle Energie in deine These integrieren?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#9 Re: Das Gehirn

Beitrag von barbara » Sa 27. Apr 2013, 06:57

Pluto hat geschrieben: Das Problem ist einfach das Auffinden von Geist in unserem Uninversum.

Nein, es ist kein Problem, Geist zu finden. Schliesslich bist du selbst Geist (unter anderem) und übst geistige Tätigkeiten aus, wie zB nachdenken und deine Gedanken aufschreiben.

Ohne Geist wär da gar kein Pluto, der hier aktiv sein könnte.

Wenn wir den Kossmos betrachten, so besteht dieser (nach heutiger Lehrmeinung) nur zu etwa 4% aus herkümmlicher, Materie, wie wir sie kennen, als Atome, Moleküle, die Erde und die Sterne. Vom Rest ist etwa ein Viertel sog. dunkle Materie, das ist das Material zwischen und um den Sternen der Galaxien. Der alles überragende Rest besteht aus der dunklen Energie die das geamte Uninversum durchdringt, und dazu führt dass der Stoff der Raum-Zeit selbst expandiert. Ich bin sicher du kennst diese Theorien.

ja, so plusminus.

Wenn nun Geist die Vorstufe zu Materie sein soll, von welcher Materie redest du dann? Von der klassischen Materie die nur 4% des ganzen aus macht, oder ebenfalls von den 25 % dunkler Materie, von der wir nicht einmal wissen woraus si besteht.
Und letzte Frage für heute :D wie willst du dunkle Energie in deine These integrieren?

Der Geist ist nicht eine "Vorstufe" von Materie. Geist ist die "Substanz" (mangels eines besseren Wortes), aus der Materie besteht. Materie ist nicht etwas Anderes als Geist, sondern lediglich eine bestimmte Erscheinungsform von Geist. Bekanntlich kann ja Masse in Energie verwandelt werden und umgekehrt, sie sind in ihrem Wesen identisch.

Wie Wasser verschiedene Erscheinungsformen hat als Dampf, Eis, Wasser, so hat Geist verschiedene Erscheinungsformen als Gedanken, Emotionen, Materie, Sinn und so weiter.

für die dunklen und unbekannten Energieformen:
Wenn wir eine psychologische Analogie machen wollen: die 1-4% sichtbarer Materie kann man vergleichen mit dem bewussten Bewusstsein, während die grosse Masse von allem dem Unbewussten entspricht. Halt die ganz normalen Verhältnisse, wie wir sie überall finden.

grüsse, barbara
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#10 Re: Das Gehirn

Beitrag von closs » Sa 27. Apr 2013, 07:42

barbara hat geschrieben:Geist ist die "Substanz" (mangels eines besseren Wortes), aus der Materie besteht.
Das sehe ich genauso. - Genau das beschreibt den Grundkonflikt in den Anschauungen zwischen Christen und Naturalisten.

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