Die Wissenschaft braucht ein Paradigma des Lebendigen

Evolution vs. Schöpfung Debatte, Alter der Erde
Geologie, Plattentektonik, Archäologie, Anthropologie
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Demian
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#1 Die Wissenschaft braucht ein Paradigma des Lebendigen

Beitrag von Demian » Mo 15. Sep 2014, 21:14

Um nochmal quer einzusteigen: es erscheint mir wichtig – und auch sachlich richtig – wenn wir die Evolution als Ausdruck der Kooperation und Kreativität lebendiger Systeme beschreiben. Wie können wir solche Systeme beschreiben ohne ein Paradigma des Lebendigen?

Betrachten wir den wissenschaftlichen Kontext des Begriffes der Kooperation:

KOOPERATION MIT DER EVOLUTION
"Kooperation" ist ein neues Schlüsselwort im modernen Verständnis der Welt. Die aktuelle Natur- und Sozialwissenschaft - ob Ökologie, Biologie, Physik, Kosmologie, Systemtheorie, Pädagogik, Soziologie oder Ökonomie - kommt ohne den Begriff "Kooperation" nicht mehr aus. Das Wissenschaft der Gegenwart sieht sich einer neuen Sichtweise verpflichtet: der interdisziplinären, interkulturellen und systemischen Betrachtung der Welt als einer organischen Ganzheit. Während das alte, vom Darwinismus und Rationalismus geprägte Weltbild die Konkurrenz zwischen den Teilen eines Ganzen in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen stellte, stehen wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts an einem Wendepunkt: In den Mittelpunkt der Forschung gerät mehr und mehr das Zusammenspiel der Teile im Ganzen, die Beziehungsstrukturen, Gesetze, Mechanismen der Kooperation, die das Leben auf dem Planeten Erde im Gleichgewicht halten. Biologen entdecken Kooperationen und Symbiosen bei Bakterien, Pflanzen, Bäumen, zwischen Tieren unterschiedlicher Gattungen, bei Menschen, in biologischen und sozialen Systemen. Die physikalische Grundlagenforschung erkennt, daß wir die Struktur der Wirklichkeit nur dann richtig erkennen können, wenn wir das Umfeld des untersuchten Gegenstandes miteinbeziehen. Die mathematische Spielforschung entdeckt, daß die Natur kooperative Lösungen überall bevorzugt. Die moderne Erforschung der lebenden sozialen und biologischen Systeme entdeckt Kreisläufe, gegenseitige Abhängigkeit, Rückkopplungen, Selbstregulation, Vielfalt und Flexibilität als Grundregeln der Kooperation."

"Pädagogik und Kreativitätsforschung erkennt die Bedeutung von Teamarbeit und fächerübergreifender Zusammenarbeit. Politkwissenschaften widmen sich den Möglichkeiten internationaler zusammenarbeit. Gesellschaftswissenschaftler halten die Zusammenarbeit und Kooperation zwischen Mensch und Natur, zwischen Gesellschaftssystemen, zwischen Staaten, zwischen Schichten, sozialen Gruppen und Individuen immer mehr für eine Grundbedingung unseres Überlebens. Und auch die globalisierte Wirtschaft experimentiert seit Jahren mit neuen Mischformen aus Kooperation und Konkurrenz, um den Herausforderungen der Gegenwart gewachsen zu sein. Überall zeigt sich, daß Konkurrenz nur im Rahmen einer größeren Kooperation existiert und sinnvoll ist. Kooperation ist das übergeordnete Prinzip des Lebens und der Evolution. Sie ist damit auch die basis aller kulturellen Evolution.

Obwohl der Begriff der Kooperation fast allgegenwärtig ist, haben die neuen Erkenntnisse der modernen Wissenschaft in unserer Kultur noch keine Wurzeln geschlagen. Denn der Mythos der modernen Zivilisation widerspricht dem ganzheitlichen kooperativen Denken: Er betont immer noch das Primat der "Konkurrenz" als obersten Wert unserer Wahrnehmung, unseres Welt- und Menschenbildes. Das Forschungsprojekt "Kooperation mit der Evolution", daß auf dieser Webpage vorgestellt wird, hat sich zum Ziel gesetzt, die Vielfalt kooperativer Ansätze in der Wissenschaft, der Alltagswelt, in Philosophie und Glaubenswelten zusammenzutragen und weiterzuentwickeln. Ziel ist es, die Kooperation als Grundwert für die Zukunft durchzusetzen, um damit das kreative Potential des Menschen im Sinne der Evolution zu nutzen."

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Demian
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#2 Re: Die Wissenschaft braucht ein Paradigma des Lebendigen

Beitrag von Demian » Mo 15. Sep 2014, 21:31

Dazu sehr lesenswert ... "Das Lebende lebendiger werden lassen: Wie uns neues Denken aus der Krise führt" von Hans Peter Dürr.

"'Mit seinem Bewusstsein und seiner Fähigkeit zum absichtsvollen Handeln hat der Mensch eine neue Stufe des Lebendigen erklommen. Sie ermöglicht ihm, die Welt auf doppelte und recht unterschiedliche Weise wahrzunehmen. Er erlebt sie zunächst ganz unmittelbar innerlich, weil er, wie alles andere Teil dieser Welt ist; und er erfährt sie dann nochmals anders über seine Sinne in seinem hellen Bewusstsein als etwas Äußeres, von sich Abgetrenntes. Es ist die Betonung der äußeren Welt, die von der Trennung ausgeht, durch die der Mensch sich selbst als Lebewesen in Frage stellt und mit sich selbst auch ein Großteil des höher entwickelten Lebens auf der Erde in Gefahr bringt. Es ist die Negierung der inneren Wahrnehmung der Wirklichkeit als einer Ganzheit, welche den Menschen zu seiner Naturvergessenheit führt und ihn dazu verleitet, sich im Wettstreit mit anderen den Ast abzusägen, auf dem er sitzt...'"

Bild
Quelle


Quantenphysik und Zen im Dialog
"Die vorliegenden Gespräche verfolgen nicht das Ziel, die Wissenschaft in den Schleier der Mystik zu hüllen oder die Erkenntnisse des Zen durch wissenschaftliche Resultate zu untermauern. Es geht auch nicht um oberflächliche Ähnlichkeiten zwischen Zen und Quantenphysik, sondern vielmehr darum, Wissenschaft und Spiritualität in einem größerern Ganzen zu sehen. Darüber hinaus wird aufgezeigt, dass die sogenannte "realistische" Wahrnehmung auf sehr wackeligen Beinen steht.

Das Gespräch spiegelt die Lebensräume eines westlichen Zen-Lehrers W.Walter, E'un-Ken (Wolke der Weisheit) und eines hochgradigen Quantenphysikers Prof. Dr. Hans-Peter Dürr (alternativer Nobelpreisträger) wider. Beider erzählen serhr lebendig über Ihre Erfahrungen bezüglich einer virtuellen Wirklichkeit"

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#3 Abiogenese und Evolution

Beitrag von Pluto » Mo 15. Sep 2014, 22:42

Demian hat geschrieben:Um nochmal quer einzusteigen: es erscheint mir wichtig – und auch sachlich richtig – wenn wir die Evolution als Ausdruck der Kooperation und Kreativität lebendiger Systeme beschreiben.
Es ist nicht zu leugnen, dass Kooperation eine Begleiterscheinung besonders der Evolution von Säugetieren (und der Vögel) ist, die alle mehr oder weniger ausgeprägt den Altrusimus (Nächstenliebe unter Tieren) leben.

Vor allem die menschliche Fähigkeit zur Kooperation ist zweifelsfrei eines der ganz entscheidenden Faktoren in unsere Entwicklung. Das zeigt sich ganz deutlich in der Fähigkeit uns in komplexen Teams und hierarchischen Strukturen einzuordnen, die es uns ermöglichen sogar unseren Planeten zu verlassen und andere Welten zu erforschen und zu erobern.

Aber Kooperation ist nicht der einzige Faktor.

Man darf die anderen besonderen Fähigkeiten des Menschen dabei nicht vergessen, wie z. Bsp. die Symbolik (mit der Sprache als ultimative Form der Sybolik), unsere Fähigkeit den Ausgang von Handlungen zu durchdenken und diese mit hoher Genauigkeit vorherzusehen, oder auch die Technologien die wir schon sehr frü entwickelten. Auch unsere (gar nicht selbstverständliche) Wahl einer (meist) monogamen Lebensform in der Familie, oder das Klinken-System mit dem wir stets verbessertes Wissen an Folgegenerationen weitergeben waren ganz wesentliche Merkmale unseres Erfolgs.

Alle diese Faktoren zusammen waren/sind notwendig, damit wir (bei 7 Milliarden Individuen - Tendenz steigend) das weitaus erfolgreichste Säugetier aller Zeiten sind und es zu einer noch nie gekannten Dominanz über alle anderen Lebewesen auf Erden verhalfen.


PS: Was wir leider oft vergessen, ist das diese Dominanz auch Verantwortung für diesen Lebensraum mit sich bringt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#4 Re: Die Wissenschaft braucht ein Paradigma des Lebendigen

Beitrag von Salome23 » Mo 15. Sep 2014, 23:14

Ich behaupte mal, dass ohnehin nur aus Eigennutz kooperiert wird und nicht Altruismus die Motivation ist.

Pluto
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#5 Re: Die Wissenschaft braucht ein Paradigma des Lebendigen

Beitrag von Pluto » Mo 15. Sep 2014, 23:19

Salome23 hat geschrieben:Ich behaupte mal, dass ohnehin nur aus Eigennutz kooperiert wird und nicht Altruismus die Motivation ist.
Auch... ;)
Ich sehe sowohl Kooperation als auch Altruismus als Spielarten des Eigennutzes.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#6 Re: Die Wissenschaft braucht ein Paradigma des Lebendigen

Beitrag von Demian » Di 16. Sep 2014, 01:23

Salome23 hat geschrieben:Ich behaupte mal, dass ohnehin nur aus Eigennutz kooperiert wird und nicht Altruismus die Motivation ist.
Selbstverständlich tut Altruismus gut. Es macht glücklich und erfüllt das Leben mit Sinn. Aber was heißt hier „nur“? Leben IST Beziehung. Es gibt kein Leben OHNE Beziehung. Leben ist EINZIG UND ALLEIN BEZIEHUNG - Energie, Wärme, Intimität, Verbundensein mit einem größeren Ganzen. Auf einer tieferliegenden Ebene, der Seinsebene, gibt es diese Verbundenheit immer.

WER ist der Nutznießer des Eigennutzes? Das SELBST. Aber es gibt - und gab noch nie - ein von der Welt, dem Ganzen isoliertes Selbst. Deswegen erzeugt Selbstliebe liebevolle und altruistische Handlungen - und deswegen liebe ich mich selbst, wenn ich andere liebe. Und deswegen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ich Liebe zurück bekomme. ;)
Zuletzt geändert von Demian am Di 16. Sep 2014, 01:55, insgesamt 2-mal geändert.

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#7 Re: Die Wissenschaft braucht ein Paradigma des Lebendigen

Beitrag von Pluto » Di 16. Sep 2014, 01:28

Demian hat geschrieben:Leben ist EINZIG UND ALLEIN BEZIEHUNG
Ich denke, du überschätzt hier die Bedeutung einer Beziehung im Leben, zumindest in der Natur als Ganzheit. Ich meine, selbst bei den "ultrasozialen" Menschen ist dies falsch.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#8 Re: Die Wissenschaft braucht ein Paradigma des Lebendigen

Beitrag von Demian » Di 16. Sep 2014, 01:30

Pluto hat geschrieben:
Demian hat geschrieben:Leben ist EINZIG UND ALLEIN BEZIEHUNG
Ich denke, du überschätzt hier die Bedeutung einer Beziehung im Leben, zumindest in der Natur als Ganzheit. Ich meine, selbst bei den "ultrasozialen" Menschen ist dies falsch.

Liebe, Glück, Schönheit, Verständnis, Mitgefühl, das gibt es meiner Ansicht nach nicht "gegen", sondern nur MIT, IN, DURCH, IN BEZIEHUNG zur Welt. Wir sind ja nichts anderes, wir sind Leben, Teilhaber seines Systems, eines bestimmten Feldes, in dem wir wirken – daher kommt der Begriff der WIRKLICHKEIT – das Wir, welches wir sind, wirkt – und dieses WIR besitzt auch die Funktion von „ICHheit“, von Individualität, die aber immer in ihrer BEZIEHUNG zum Ganzen existiert.
Zuletzt geändert von Demian am Di 16. Sep 2014, 03:58, insgesamt 3-mal geändert.

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#9 Re: Die Wissenschaft braucht ein Paradigma des Lebendigen

Beitrag von Salome23 » Di 16. Sep 2014, 01:57

Demian hat geschrieben:
Salome23 hat geschrieben:Ich behaupte mal, dass ohnehin nur aus Eigennutz kooperiert wird und nicht Altruismus die Motivation ist.
Selbstverständlich tut Altruismus gut. Es macht glücklich und erfüllt das Leben mit Sinn.
Altruismus -bedeutet in der Alltagssprache „Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit, durch Rücksicht auf andere gekennzeichnete Denk- und Handlungsweise“, kann bis heute jedoch nicht allgemeingültig definiert werden.

Wenn x mich um 5 Euro bittet, weil x kein Geld mehr hat für bsw. Lebensmittel-und ich x einfach so 5 Euro gebe, damit x sich das Benötigte kaufen kann-handle ich altruistisch im Sinne von uneigennützig...
Und es tut mir eventuell nicht grade gut-und es macht mich eventuell auch nicht unbedingt glücklich, diese 5 Euro(welche ich möglicherweise selber für etwas gebraucht hätte) zu geben.

Du bist dran! :D

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#10 Re: Die Wissenschaft braucht ein Paradigma des Lebendigen

Beitrag von Demian » Di 16. Sep 2014, 02:01

Salome23 hat geschrieben:Altruismus -bedeutet in der Alltagssprache „Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit, durch Rücksicht auf andere gekennzeichnete Denk- und Handlungsweise“, kann bis heute jedoch nicht allgemeingültig definiert werden.
Einverstanden. Was ist Selbstlosigkeit? Heißt es, dass ich mein Selbst außer acht lasse? Es heißt für mich ganz einfach, dass ich mein Selbst nicht als getrennt erlebe, sondern in Beziehung. Je tiefer, intimer und intensiver meine Beziehungen sind, desto lebendiger erlebe ich mein Leben.

http://de.wikipedia.org/wiki/Humanistische_Psychologie

Das können wir alltäglich beobachten. Menschen die glücklich sind, sind glücklich, weil sie glückliche Beziehungen haben, weil sie dem Leben nahe sind. Menschen die hingegen unglücklich sind, haben mangelhafte Beziehungen und fühlen sich vom Leben entfernt. Das ist die Wurzel allen psychologischen Leidens oder Glücks. Deshalb macht es mich glücklich, wenn ich anderen helfe.

Die ganze Evolution ist fundamental BEZIEHUNG des Lebens innerhalb des Lebens, eben ein SYSTEM des Lebens. Nicht außerhalb, sondern innerhalb dieses Systems bewege und entfalte "ich" mich.

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