#1 Simulation von Evolution
Verfasst: Sa 3. Jan 2015, 16:44
Ich möchte mal diesen thread starten, weil ich vor etwa 4 Jahren über ein Problem gestolpert bin, das entweder zeigt, dass ich zu dumm bin oder eventuell, dass wir Menschen im Prinzip zu dumm sind. Vielleicht seid ihr ja schlauer.
Es geht um die Simulation von Evolutionsvorgängen mit Hilfe eines Computer Programms. Die Vorteile solcher Simulationen sind offensichtlich, ein Computer Programm läuft schneller ab, als die Wirklichkeit, die Parameter lassen sich manipulieren und Zwischenschritte lassen sich detailliert untersuchen.
Außerdem sind Programmiertechniken in Form von evolutionären Algorithmen inzwischen weit verbreitete Technik.
Da ich in der IT Branche zuhause bin und mich dieses Thema fasziniert, habe ich mich ein wenig schlau gemacht. Dabei habe ich herausgefunden, dass alle evolutionären Algorithmen und auch alle Simulationen von Evolution (z. B. die AVIDA artificial live platform http://de.wikipedia.org/wiki/Avida ), die ich kenne, mit einem wesentlichen Trick arbeitet: der Selektionsfunktion
Die Selektionsfunktion ist eine vom Programmierer hereingesteckte Funktion, die "von außen" ein bestimmtes Ziel, eine Richtung programmiert. Sie ist sozusagen der Anker der Teleologie, die Vorgabe des Programmierers, wohin sich die künstlichen Organismen entwickeln sollen.
Schaue ich nun in die Natur, dann kann ich nicht erkennen, wo denn diese Selektionsfunktion ist. Die Selektion in der Natur wird durch die Umwelt, durch die Wechselwirkung zwischen den Arten erzeugt, sie ergibt sich sozusagen "implizit" aus dem Kontext. Ich habe mich gefragt, ob es nicht möglich ist, genau das zu simulieren, eine Simulation von Evolution, die ohne Selektionsfunktion auskommt.
Durch Zufall stieß ich auf eine Methode, von der ich das Gefühl hatte, dass genau das möglich ist. Ich griff diese Methode auf und programmierte eine künstliche Welt, in der meine Lebewesen nur ein Ziel hatten - Vermehrung - und baute Umweltfaktoren ein (mehrere Ressourcen, die unterschiedlich für die Vermehrung notwendig waren, Aufnahme der Ressourcen, Mangelgebiete der Ressourcen, etc), um Selektionsdrücke zu erzeugen. Ich hoffte, auf diese Weise ein gut zu untersuchendes System zu bekommen, in der sich auch Neues formen kann.
Zunächst sah alles recht vielversprechend aus.
Ich nahm ein Anfangs-Lebewesen, das ich so einfach wie möglich aufbaute. Es war gerade in der Lage, sich ab und zu zu vermehren und sich fortzubewegen. Schaltete ich die Mutation aus, dann konnte man sehr schön sehen, wie nur wenige Exemplare so gerade eben ihr Dasein fristeten.
Dann schaltete ich Mutation ein. Zunächst geschah nicht viel. Dann nach einer mittleren Zeit (nicht immer dieselbe, aber immer dieselbe Größenordnung), geschah es. Plötzlich gab es eine explosionsartige Vermehrung entlang der Gebiete, wo viele Ressourcen verfügbar waren. Vollkommen im Sinne der Evolution, ein schönes Phänomen.
Jetzt kommt mein Problem:
Ich hatte erwartet, dass ich durch einen Vergleich der Genome der Lebewesen zu Beginn mit den Lebewesen, die sich explosionsartig vermehrten herausbekommen können würde, welche Eigenschaft im Genom dieses Phänomen hervorgerufen hat. Welcher Schritt, welche Änderung hat den Übergang von dem Lebewesen, das sein Dasein gerade eben fristet zu dem Lebewesen, das sich gut vermehrt, hervorgerufen?
Daran bin ich gescheitert.
Obwohl ich alle Details untersuchen konnte, obwohl ich die tausend oder so Genomvarianten, die entstanden waren, in eine Datei ausgeben und untersuchen konnte, ich habe keine Veränderung gefunden, von der ich sagen konnte "die war es". Ich konnte noch nicht einmal die Verbindung der erfolgreichen Exemplare zu der Tatsache herstellen, dass sie erfolgreich sein müssten.
Obwohl ich der Schöpfer dieser Welt war, obwohl ich alle Details und alle Parameter im Griff hatte, obwohl ich den digitalen Lebewesen im wahrsten Sinn zuschauen konnte, ich konnte keine "Ursache" für den Erfolg finden. Daher habe ich nach einer Weile aufgegeben.
Wie seht ihr das?
Die Natur ist unendlich viel reichhaltiger und komplexer als meine künstliche Welt.
Haben wir überhaupt eine Chance, Evolution auf diesem tiefen Level zu verstehen?
Wie sollen wir in den riesigen Genomen der Realität das Wichtige von dem Unwichtigen trennen?
Ist überaupt denkbar, die Verbindungslinie zu einer genetischen Konfiguration zu den Umweltfaktoren zu ziehen und zwar nicht post-hum, sondern als Vorhersage?
Gruß
Thomas
Es geht um die Simulation von Evolutionsvorgängen mit Hilfe eines Computer Programms. Die Vorteile solcher Simulationen sind offensichtlich, ein Computer Programm läuft schneller ab, als die Wirklichkeit, die Parameter lassen sich manipulieren und Zwischenschritte lassen sich detailliert untersuchen.
Außerdem sind Programmiertechniken in Form von evolutionären Algorithmen inzwischen weit verbreitete Technik.
Da ich in der IT Branche zuhause bin und mich dieses Thema fasziniert, habe ich mich ein wenig schlau gemacht. Dabei habe ich herausgefunden, dass alle evolutionären Algorithmen und auch alle Simulationen von Evolution (z. B. die AVIDA artificial live platform http://de.wikipedia.org/wiki/Avida ), die ich kenne, mit einem wesentlichen Trick arbeitet: der Selektionsfunktion
Die Selektionsfunktion ist eine vom Programmierer hereingesteckte Funktion, die "von außen" ein bestimmtes Ziel, eine Richtung programmiert. Sie ist sozusagen der Anker der Teleologie, die Vorgabe des Programmierers, wohin sich die künstlichen Organismen entwickeln sollen.
Schaue ich nun in die Natur, dann kann ich nicht erkennen, wo denn diese Selektionsfunktion ist. Die Selektion in der Natur wird durch die Umwelt, durch die Wechselwirkung zwischen den Arten erzeugt, sie ergibt sich sozusagen "implizit" aus dem Kontext. Ich habe mich gefragt, ob es nicht möglich ist, genau das zu simulieren, eine Simulation von Evolution, die ohne Selektionsfunktion auskommt.
Durch Zufall stieß ich auf eine Methode, von der ich das Gefühl hatte, dass genau das möglich ist. Ich griff diese Methode auf und programmierte eine künstliche Welt, in der meine Lebewesen nur ein Ziel hatten - Vermehrung - und baute Umweltfaktoren ein (mehrere Ressourcen, die unterschiedlich für die Vermehrung notwendig waren, Aufnahme der Ressourcen, Mangelgebiete der Ressourcen, etc), um Selektionsdrücke zu erzeugen. Ich hoffte, auf diese Weise ein gut zu untersuchendes System zu bekommen, in der sich auch Neues formen kann.
Zunächst sah alles recht vielversprechend aus.
Ich nahm ein Anfangs-Lebewesen, das ich so einfach wie möglich aufbaute. Es war gerade in der Lage, sich ab und zu zu vermehren und sich fortzubewegen. Schaltete ich die Mutation aus, dann konnte man sehr schön sehen, wie nur wenige Exemplare so gerade eben ihr Dasein fristeten.
Dann schaltete ich Mutation ein. Zunächst geschah nicht viel. Dann nach einer mittleren Zeit (nicht immer dieselbe, aber immer dieselbe Größenordnung), geschah es. Plötzlich gab es eine explosionsartige Vermehrung entlang der Gebiete, wo viele Ressourcen verfügbar waren. Vollkommen im Sinne der Evolution, ein schönes Phänomen.
Jetzt kommt mein Problem:
Ich hatte erwartet, dass ich durch einen Vergleich der Genome der Lebewesen zu Beginn mit den Lebewesen, die sich explosionsartig vermehrten herausbekommen können würde, welche Eigenschaft im Genom dieses Phänomen hervorgerufen hat. Welcher Schritt, welche Änderung hat den Übergang von dem Lebewesen, das sein Dasein gerade eben fristet zu dem Lebewesen, das sich gut vermehrt, hervorgerufen?
Daran bin ich gescheitert.
Obwohl ich alle Details untersuchen konnte, obwohl ich die tausend oder so Genomvarianten, die entstanden waren, in eine Datei ausgeben und untersuchen konnte, ich habe keine Veränderung gefunden, von der ich sagen konnte "die war es". Ich konnte noch nicht einmal die Verbindung der erfolgreichen Exemplare zu der Tatsache herstellen, dass sie erfolgreich sein müssten.
Obwohl ich der Schöpfer dieser Welt war, obwohl ich alle Details und alle Parameter im Griff hatte, obwohl ich den digitalen Lebewesen im wahrsten Sinn zuschauen konnte, ich konnte keine "Ursache" für den Erfolg finden. Daher habe ich nach einer Weile aufgegeben.
Wie seht ihr das?
Die Natur ist unendlich viel reichhaltiger und komplexer als meine künstliche Welt.
Haben wir überhaupt eine Chance, Evolution auf diesem tiefen Level zu verstehen?
Wie sollen wir in den riesigen Genomen der Realität das Wichtige von dem Unwichtigen trennen?
Ist überaupt denkbar, die Verbindungslinie zu einer genetischen Konfiguration zu den Umweltfaktoren zu ziehen und zwar nicht post-hum, sondern als Vorhersage?
Gruß
Thomas