Steht Evolution im Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte?

Evolution vs. Schöpfung Debatte, Alter der Erde
Geologie, Plattentektonik, Archäologie, Anthropologie
Pluto
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#1 Steht Evolution im Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte?

Beitrag von Pluto » So 8. Sep 2013, 11:11

Ein eingefleischter Kreationist von der Art eines Kent Hovind oder Werner Gitt würde diesen Text ohne zu zögern bejahen. Aber schauen wir uns die Entstehung der Schöpfungsgeschichte genauer an, kann man das auch durchaus anders sehen.

Hatten die Menschen, die damas die Bibel schrieben, ausreichendes Wissen, dass sie die physikalisch-chemischen Vorgänge der Evolution des Lebens verstanden hätten, hätte man (Gott) sie ihnen damals erläutert? Vermutlich nicht.
Aus meiner Sicht kann man die Schöpfungsgeschichte durchaus als eine in verständlichen Bildern gezeichnete Geschichte der Entstehung des Universums, des Lebens und schließlich des Menschen, verstehen.

Wer sich aber auf den Standpunkt stellt, die Geschichte der Bibel sei wortwörtlich zu nehmen, dem unterstelle ich eine fundamentalistische Grundhaltung die nicht mehr so richtig in unsere Zeit passt. Sind das wirklich dieselben Leute, die die Errungenschafen der Wissenschaft nutzen?
Es erinnert mich an die Geschichte jenes texanischen Ölbohringenieurs, der die ganze Woche über mit seinen Kollegen über das Alter der geologoschen Schichten diskutiert, und am Sonntag in seiner Kirche genauso gelassen über eine 6000 Jahre alte Erde spricht. Was geht in einem solchen Menschen vor?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#2 Re: Steht Evolution im Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte?

Beitrag von closs » So 8. Sep 2013, 11:47

Pluto hat geschrieben:Es erinnert mich an die Geschichte jenes texanischen Ölbohringenieurs, der die ganze Woche über mit seinen Kollegen über das Alter der geologoschen Schichten diskutiert, und am Sonntag in seiner Kirche genauso gelassen über eine 6000 Jahre alte Erde spricht. Was geht in einem solchen Menschen vor?
Ich würde das als "dissoziative Identitätsstörung" bezeichnen - Betroffene bilden unterschiedliche Wahrnehmungsmuster, die abwechselnd die Kontrolle über ihr Verhalten übernehmen. Diese Wahrnehmungsmuster sind autonom, also unverbunden. - Verbindet man sie, gibt es einen Kurzschluss mit allen Folgen (Aggression, Lebenskrisen, etc.). Insofern vermeiden dissoziative Identitätsstörungen Aggressionen und Lebenskrisen - aber eben nicht auf Dauer - irgendwann bricht alles zusammen - spätestens wenn der Mensch ins Licht der Erkenntnis gestellt wird (wann auch immer das ist).

Das klingt hart, ist aber die Regel - übrigens AUCH in der säkularen Gesellschaft. - Gerade haben sich wieder zwei Spitzen-Manager das Leben genommen (siehe letzte ZEIT), was laut Artikel und auch meiner persönlichen Überzeugung etwas damit zu tun hat, wenn in EINER Person mehrere verbindliche UND in sich widersprüchliche Kontroll-Instanzen sind - das hält keiner auf Dauer aus. - Im Volksmund nennt man das übrigens (medizinisch fälschlich) "Schizophrenie".

Um Deine Frage zu beantworten: Da geht NICHTS vor - eben weil die unterschiedlichen Kontroll-Instanzen auseinander gehalten werden. - Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. - Oder wie Adorno sinngemäß sagte: "Am Wochentagen Juden vergasen und am Sonntag Hausmusik machen unter den "Betenden Händen" von Dürer.

Ein großes Problem auch innerhalb des Christentums.

Pluto
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#3 Re: Steht Evolution im Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte?

Beitrag von Pluto » So 8. Sep 2013, 12:13

closs hat geschrieben:Um Deine Frage zu beantworten: Da geht NICHTS vor - eben weil die unterschiedlichen Kontroll-Instanzen auseinander gehalten werden. - Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. - Oder wie Adorno sinngemäß sagte: "Am Wochentagen Juden vergasen und am Sonntag Hausmusik machen unter den "Betenden Händen" von Dürer.

Ein großes Problem auch innerhalb des Christentums.
Hmm... Du gehst auf meinen letzten Punkt ziemlich stark ein. Halte ich alles für richtig was du dazu sagst.

Meine eigentliche Frage galt der Schöpfungsgeschichte an sich, und wie sie von unterschiedlichen Menschen gelesen, bzw. intepretiert wird. Deshalb nochmals die Frage in die Runde:

Muss man die Schöpfungsgeschichte denn wörtlich nehmen, oder kann man sie auch als bildhafte Darstellung in den Worten der damaligen Bibelschreiber verstehen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#4 Re: Steht Evolution im Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte?

Beitrag von closs » So 8. Sep 2013, 12:28

Pluto hat geschrieben:Muss man die Schöpfungsgeschichte denn wörtlich nehmen, oder kann man sie auch als bildhafte Darstellung in den Worten der damaligen Bibelschreiber verstehen.
Man muss die Schöpfungsgeschichte NICHT wörtlich nehmen - und nach meinem Wissensstand tut es auch beispielswiese die Katholische Kirche nicht.

Man sollte sie deshalb nicht wörtlich verstehen, weil damit verwischt wird, dass die göttliche Existenz eine geistige Existenz ist und somit auch die ebenbildliche Existenz des Menschen eine geistige Existenz ist - dafür gibt es den Begriff des "Geistleibs", der als Hülle der menschlichen Identität zu verstehen ist. - Das heißt NICHT, dass der Mensch eine dualistische Natur hat, sondern vielmehr, dass seine Existenz in Zeit und Materie (= Dasein) eine Ableitung der geistigen Identität ist. - So wird es seit Jahrtausenden verstanden - oder eben auch nicht.

Schöpfungsgeschichte wörtlich nehmen, hieße nun wirklich, eine Dualität zwischen Geist- und Leibes-Identität zu postulieren. - Denn wie könnte es ein Vereintsein zwischen Schöpfer und Schöpfung ("Visio Beatifica") geben, wenn Gott und Mensch auf ewig in verschiedenen "Aggregatszuständen" (materiell/geistig) wären?

Die Schöpfungsgeschichte ist eine gleichnishafte Erzählung über fundamentale geistige Realitäten, die das "Woher", "Jetzt" und "Wohin" in einen Zusammenhang bringen - allerdings mit Mitteln, die dem Menschen verständlich sind ("Gleichnis") - ober eben auch nicht. :lol:

ThomasM
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#5 Re: Steht Evolution im Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte?

Beitrag von ThomasM » So 8. Sep 2013, 16:13

Pluto hat geschrieben: Muss man die Schöpfungsgeschichte denn wörtlich nehmen, oder kann man sie auch als bildhafte Darstellung in den Worten der damaligen Bibelschreiber verstehen.
Man kann die Schöpfungsgeschichte auch so verstehen, wie die Absicht, mit der sie geschrieben wurde.
Nämlich als theologische Botschaft.

Es kommt in der Schöpfungsgeschichte gar nicht auf das an, was wir heute als den naturwissenschaftlichen Ablauf ansehen, es geht um die geistlich-theologischen Fragestellungen.
Es geht um Fragen wie, wer ist Gott? Sind die Gestirne Götter? Woher kommt es, dass der Mensch leiden muss? Woher kommt die Trennung von Gott und Mensch?

Das da in einer Zeit etwas geschehen ist und in welcher Reihenfolge ist reichlich unerheblich gewesen. Höchstens die 7 Tage sind eine nachträgliche Rechtfertigung der 7-Tage Ruheregel, die sonst nicht von den Menschen eingesehen wurde.

Und daher lautet die Antwort: Die Evolution steht in keinerlei Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte, da sie völlig verschiedene Themen behandelt. Nur wenn man die Evolution als atheistische Grundlage missbraucht oder die Schöpfungsgeschichte als naturwissenschaftliches Lehrbuch heutiger machart, nur dann wird fälschlicherweise ein Widerspruch erzeugt.

Gruß
Thomas
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Pluto
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#6 Re: Steht Evolution im Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte?

Beitrag von Pluto » So 8. Sep 2013, 17:25

ThomasM hat geschrieben:Die Evolution steht in keinerlei Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte, da sie völlig verschiedene Themen behandelt. Nur wenn man die Evolution als atheistische Grundlage missbraucht oder die Schöpfungsgeschichte als naturwissenschaftliches Lehrbuch heutiger machart, nur dann wird fälschlicherweise ein Widerspruch erzeugt.
Stelle fest... wir Beide sind da gar nicht so weit auseinander. :)

Du wirst (vor allem unter fundamentalen Christen) Leute finden, die sich sehr wohl die Evolution zu ihrem Feindbild gemacht haben, und sich dann davon angegriffen fühlen. Diese Leute werden dir sagen, dass Evolution eine Lüge ist, weil sie der Schöpfungsgeschichte widerspricht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#7 Re: Steht Evolution im Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte?

Beitrag von closs » So 8. Sep 2013, 19:04

Pluto hat geschrieben: Diese Leute werden dir sagen, dass Evolution eine Lüge ist, weil sie der Schöpfungsgeschichte widerspricht.
Ja - das ist ein Klotz am Bein der Exegese - allerdings nur in Randgruppen, die allerdings in den USA stark ist. - Ich erinnere hier an den an anderer Stelle benutzten Begriff der "dissoziativen Identitätsstörung".

Pluto
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#8 Re: Steht Evolution im Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte?

Beitrag von Pluto » So 8. Sep 2013, 19:46

closs hat geschrieben:Ja - das ist ein Klotz am Bein der Exegese - allerdings nur in Randgruppen, die allerdings in den USA stark ist. - Ich erinnere hier an den an anderer Stelle benutzten Begriff der "dissoziativen Identitätsstörung".
Nein. Es gibt eine große Gruppe von Unwissenden. Die Zahlen sprechen für sich.
In den USA sind es über 40% der Einwohner, die an eine Schöpfung festhalten; in dr Türkei sogar über 70% und selbst in Deutschland sollen etwa 20% der Bürger an der Evolution zweifeln.

Das sind nicht Radngruppen lieber closs.
Diese Leute bilden einen erheblichen Anteil einer von sich behaultenden aufgeklärten Bevölkerung (Ich verstehe es nicht).
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Rembremerding
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#9 Re: Steht Evolution im Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte?

Beitrag von Rembremerding » So 8. Sep 2013, 20:50

Pluto hat geschrieben: Du wirst (vor allem unter fundamentalen Christen) Leute finden, die sich sehr wohl die Evolution zu ihrem Feindbild gemacht haben, und sich dann davon angegriffen fühlen. Diese Leute werden dir sagen, dass Evolution eine Lüge ist, weil sie der Schöpfungsgeschichte widerspricht.
Innerhalb der fundamentalen RKK wirst du keine Leute finden, die so etwas sagen. Da wirst du hören: Die Evolution ist Teil von Gottes Schöpfung oder: Die Materie ist schöpfungsschwanger.
Schon lange vor dem II. vatikanischen Konzil haben katholische Exegeten nämlich genau gewusst, dass die ersten 11 Kapitel der Genesis weder Geschichte im heutigen Sinn, schon gar nicht Naturwissenschaft vor Augen haben, sondern dass es um die Reflexionen Israels über die Anfänge geht. Also damit geht es um die Frage, WIE Gott zu uns Menschen steht. Und: Es geht NICHT darum, WIE Gott die Welt geschaffen hat, sondern DASS Gott die Welt erschaffen hat.

Für Kreationisten ist diese Aussage aber unerheblich, da für sie die RKK sowieso nur Irrlehren verbreitet.
Dieser katholische User ist hier dauerhaft inaktiv

closs
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#10 Re: Steht Evolution im Widerspruch zur Schöpfungsgeschichte?

Beitrag von closs » So 8. Sep 2013, 23:03

Rembremerding hat geschrieben:Innerhalb der fundamentalen RKK wirst du keine Leute finden, die so etwas sagen. Da wirst du hören: Die Evolution ist Teil von Gottes Schöpfung oder: Die Materie ist schöpfungsschwanger.
So ist es. - Mal nebenbei, Pluto: Je mehr ich von diversen christlichen Splittergruppen (vor allem in Foren) mitkriege, desto mehr schätze ich die katholische Fundamentaltheologie.

Damit ist NICHT die weltliche Rolle der RKK über Jahrtausende gemeint, sondern ihr geistiges (oft wenig bekanntes) Fundament - insofern ausdrücklich Zustimmung zu rembremerding. - Konkret: Bei der RKK steht Evolution NICHT im Gegensatz zur Schöpfungsgeschichte.

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