Aufklärung durch Wissenschaft

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R.F.
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#21 Re: Die Diktatur des Relativismus

Beitrag von R.F. » Mi 11. Jun 2014, 20:11

Andreas hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wenn es etwas gibt was mir auf den Keks geht, dann sind es solche Versuche, die Naturwissnschaft zu verunglimpfen, und ihren Wert für den Fortschritt herabzusetzen...
Das kommt halt ganz auf den Blickwinkel an. Das Leben hat auf diesem Planeten in Milliarden Jahren ungeheure Fortschritte gemacht. Das beschreibt die Naturwissenschaft mit der Evolutionstheorie. Das Leben machte diese Fortschritte aber ohne die Naturwissenschaft.
- - -
Also dieses Argument lese ich zum ersten Mal...Bild

Pluto
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#22 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von Pluto » Mi 11. Jun 2014, 20:28

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nenne mir eine wissenschaftliche Errungenschaft oder Weiteretnwicklung des Mittelalters, die nicht mit Kriegführung zu tun hatte!
Guck mal im Netz unter "Erfindungen im Mittelalter".
Außer der Einführung der Dreifelderbeackerung, nichts Welbwegendes... und das in tausend Jahren. :roll:
Ein Feuerwerk der Erfindungen brachte das dunkle Mittelalter wahrlich nicht, ganz im Gegenteil. Viele Errungenschaften des Altertums gingen in eben diesen Jahrhunderten für immer verloren. [Quelle]
closs hat geschrieben:Meine Aussage war, dass das streng "katholische" Italien bis zu Goethes Zeiten kulturell voran war
Italien gab es nicht. Es gab einen "Kirchenstaat" (vorläufer des Vatikan), und Städte wie Genua, Florenz, Venedig, usw, die von unabhängigen Fürsten regiert wurden.
closs hat geschrieben:Auch technisch - denke an Leonardo. - Denke an die Förderung Leonardos durch den stock-gläubigen Franz I (von Frankreich) - ehrlich, Dein Ansatz ist grundfalsch.
*seufz* :(
Leonardo war ein Zeitgenosse Galileis.
closs hat geschrieben:Luther war allenfalls Nutznießer der Renaissance. - selbst war er ausdrücklich KEIN "Aufgeklärter" im Sinne unseres üblichen Verständnisses. - Lies mal den Briefwechsel zwischen ihm und Erasmus von Rotterdam (welcher tatsächlich ein Aufklärer war)
Trotzdem... Als Geistlicher und Reformator war Luther sehr populär und beeinflusste die damalige Aufbruchstimmung positiv. Deshalb gilt Luther heute auch als Wegbereiter der Aufklärung.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Halten wir uns doch einfach an Wikipedia...
Diese ganz allgemeine Definition ist gut, aber halt nicht hinreichend. - Denn dann sind die Atombombe und Landminen auch eine Kultur-Errungenschaft - und die BILD-Zeitung auch. - Da sollten wir schon jeweils differenzieren.
Wo willst du Grenzen setzen? Waren antike Flammenwerfer oder Steinschleudern auch keine Errungenschaft der römischen Kultur?
Ich finde die Wiki-Definition i.O.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#23 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von closs » Mi 11. Jun 2014, 21:02

Pluto hat geschrieben:Außer der Einführung der Dreifelderbeackerung, nichts Welbwegendes... und das in tausend Jahren.
Ach Du lieber Gott. - Meinst Du etwa, dass die Zivilisierung Mitteleuropas von 500 bis 1.500 GEGEN die Kirche stattgefunden hat? Woher denkst Du eigentlich, kommt der Begriff "christliches Abendland" her?

Pluto hat geschrieben:Italien gab es nicht.
Natürlich - es gab auch kein Deutschland und kein Frankreich - es ist geografisch gemeint.

Pluto hat geschrieben:Städte wie Genua, Florenz, Venedig, usw, die von unabhängigen Fürsten regiert wurden.
Und die meisten davon waren in den Grenzen des "Römischen Reichs deutscher Nation". Und von da aus kamen ja viele Impulse über die Alpen nach Mitteleuropa.

Pluto hat geschrieben:Leonardo war ein Zeitgenosse Galileis.
E B E N. - Und wurde von den christlichen Fürsten und Königen gesponsort.

Pluto hat geschrieben: Als Geistlicher und Reformator war Luther sehr populär und beeinflusste die damalige Aufbruchstimmung positiv.
Richtig - dazu kam der Buchdruck mit beweglichen Lettern.

Pluto hat geschrieben: Deshalb gilt Luther heute auch als Wegbereiter der Aufklärung.
Von der Wirkung her stimmt das - nicht aber von seiner Gesinnung.

Pluto hat geschrieben:Ich finde die Wiki-Definition i.O.
Ich auch - nur ist sie nur sehr begrenzt einsetzbar.

Pluto
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#24 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von Pluto » Mi 11. Jun 2014, 21:19

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Außer der Einführung der Dreifelderbeackerung, nichts Welbwegendes... und das in tausend Jahren.
Ach Du lieber Gott. - Meinst Du etwa, dass die Zivilisierung Mitteleuropas von 500 bis 1.500 GEGEN die Kirche stattgefunden hat? Woher denkst Du eigentlich, kommt der Begriff "christliches Abendland" her?
GEGEN die Kirche durfte man nicht sein, dann drohten Kerkerhaft und Folter. Aber es herrschte in jener Zeit weitgehend erfinderischer Stillstand — daher auch "dunkles Zeitalter". Die Kirche duldete keine Neuerungen die sich gegen ihre Doktrin wandte. Leider wirkt sich das heute in vielen fundamentalistischen Glaubensrichtungen als Ultrakonservatismus aus.
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Deshalb gilt Luther heute auch als Wegbereiter der Aufklärung.
Von der Wirkung her stimmt das - nicht aber von seiner Gesinnung.
Seine Gesinnung spielt hier keine Rolle: Für das Volk war er Teil des Aufbruchs in eine "neue Zeit".
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich finde die Wiki-Definition i.O.
Ich auch - nur ist sie nur sehr begrenzt einsetzbar.
Inwiefern?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#25 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von closs » Mi 11. Jun 2014, 22:16

Pluto hat geschrieben:GEGEN die Kirche durfte man nicht sein,
Das ist richtig. - Die Kirche war damals ähnlich mächtig wie heute der Materialismus.

Pluto hat geschrieben: Aber es herrschte in jener Zeit weitgehend erfinderischer Stillstand
Man muss zwischen Früh-, Hoch- und Spät-MA unterscheiden. - Von 500 bis 1100 n.Chr. waren die Menschen weitgehend damit beschäftigt, ihre Wurst auf den Teller zu bekommen. Schau Dir mal die Bevölkerungsdichte Mittel-Europas damals an - die Vernetzung dieser dünnen Besiedlung erfolgte übrigens so gut wie ausnahmslos durch Mönche. - Von 1100 bis 1300 war die Infrastruktur so gut, dass es zu einer Blüte kam - und das Stadtwesen mit seinen Zünften. - Ab 1300 kam es wieder zu einer Delle - aus klimatischen Gründen.

Vergleiche es mal mit Deutschland nach dem 2. WK: Erst mühsame Aufbaujahre, dann das "Wirtschaftswunder" (hier: Hoch-MA), dann einige Wirtschafts-Krisen - aber irgendwie ging es insgesamt bergauf.

Pluto hat geschrieben:daher auch "dunkles Zeitalter"
Das ist eine Erfindung der Renaissance - so wie der heutige moderne Mensch die 50ger Jahre des 20. Jh. als "unaufgeklärt" und zurückgeblieben versteht. - Ein Golf des Jahres 2011 ist natürlich fortschrittlicher als ein VW-Käfer im Jahr 1950. Das muss aber nicht heißen, dass die Menschen damals zurückgeblieben waren. - Apropos: Während des 30jährigen Kriegs (also voll in der Zeit der Aufklärung) gab es auch Rückschritte - die Zeiten ließen nicht mehr zu.

Es ist wirklich arg konstruiert, eine normale zivilisatorische Evolution derart wertend zu diskreditieren. - Wenn man ein Loch mit Steinen zuschüttet, ist der letzte doch nicht wertvoller, weil er obenauf liegt.

Pluto hat geschrieben:Für das Volk war er Teil des Aufbruchs in eine "neue Zeit".
Ja - da kam dann mit den neuen Kommunikations-Mitteln eine "neue Zeit" - in der Tat. - Ein gutes Beispiel dafür, dass Inhalt und Rezeption zwei Paar Stiefel sind - aber das ist normal.

Pluto hat geschrieben:Inwiefern?
Weil sie nichts anderes sagt, als dass "Kultur" das ist, was nicht natürlich entsteht. - Wenn aber ein Begriff so heterogen ist, dass er sowohl Shakespeares Werke als auch Pilz-Kulturen umfasst, ist er gerade so mal als theoretischer Überbegriff brauchbar.

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#26 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von Pluto » Mi 11. Jun 2014, 22:39

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:GEGEN die Kirche durfte man nicht sein,
Das ist richtig. - Die Kirche war damals ähnlich mächtig wie heute der Materialismus.
Ich bevorzuge eher den Vergleich zu einer Theokratie wie der heutige Iran.
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Aber es herrschte in jener Zeit weitgehend erfinderischer Stillstand
Man muss zwischen Früh-, Hoch- und Spät-MA unterscheiden. - Von 500 bis 1100 n.Chr. waren die Menschen weitgehend damit beschäftigt, ihre Wurst auf den Teller zu bekommen.
Interessantt, das gerade in dieser Zeit, die Mönche in den Klostern die Zeit fanden, die Schriften der antiken Lehrer zu übersetzen.
closs hat geschrieben:Von 1100 bis 1300 war die Infrastruktur so gut, dass es zu einer Blüte kam - und das Stadtwesen mit seinen Zünften. -
Aber eben immer noch kein wirklich grundlegender wissenschaftlicher Fortschritt, bis Brahe, Kopernikus und Galilei das alte aristoteliaische Weltbild erschütterten.
closs hat geschrieben:Vergleiche es mal mit Deutschland nach dem 2. WK: Erst mühsame Aufbaujahre, dann das "Wirtschaftswunder" (hier: Hoch-MA), dann einige Wirtschafts-Krisen - aber irgendwie ging es insgesamt bergauf.
Die Aufbaujahre in Deutschland waren aber sehr fruchtbar, was wissenschaftlichen Fortschritt angeht. Deshalb finde ich, dass dein Vergleich ziemlich hinkt. Zu dem sind die Zeiträume nicht vergleichbar. Der Vergleich erscheint mir sehr konstruiert — Historiker stellen einen Solchen nicht an.
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Für das Volk war er Teil des Aufbruchs in eine "neue Zeit".
Ja - da kam dann mit den neuen Kommunikations-Mitteln eine "neue Zeit" - in der Tat. - Ein gutes Beispiel dafür, dass Inhalt und Rezeption zwei Paar Stiefel sind - aber das ist normal.
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Inwiefern?
Weil sie nichts anderes sagt, als dass "Kultur" das ist, was nicht natürlich entsteht. - Wenn aber ein Begriff so heterogen ist, dass er sowohl Shakespeares Werke als auch Pilz-Kulturen umfasst, ist er gerade so mal als theoretischer Überbegriff brauchbar.
Sehe ich nicht so. Für mich it es ein Zeichen für die Vielseitigkeit und Faszination des meschlichen Geistes.
Ist doch schön wenn Menschen so kulturell individuell sind.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#27 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von closs » Mi 11. Jun 2014, 22:58

Pluto hat geschrieben:Ich bevorzuge eher den Vergleich zu einer Theokratie wie der heutige Iran.
Das ist durchaus nicht von der Hand zu weisen. - Aber: Ist das der heutige Materialismus in heutiger Sicht auf subtile Weise nicht auch? Oder der Legalismus innerhalb mancher Demokratien?

Pluto hat geschrieben:Interessantt, das gerade in dieser Zeit, die Mönche in den Klostern die Zeit fanden, die Schriften der antiken Lehrer zu übersetzen.
Ja - man hat auch in kargen Zeiten Interesse gezeigt, geistige Zivilisation aufzubauen. - Klassisch für Aufbaujahre, von denen die folgenden Jahrhunderte zehren sollen.

Pluto hat geschrieben:Aber eben immer noch kein wirklich grundlegender wissenschaftlicher Fortschritt, bis Brahe, Kopernikus und Galilei das alte aristoteliaische Weltbild erschütterten.
Und das war auch gut so. - Eigentlich war das eine Erblast aus der Antike, die im westlichen Abendland zu großer Blüte kam. Das östliche, ebenfalls christliche Abendland (Byzanz/Konstantinopel) hat dagegen Aristoteles weit weniger rezipiert. - Das wiederum hat die Renaissance beflügelt.

Eigentlich sprechen wir von verschiedenen Entwicklungen west-christlicher und ost-christlicher Kulturen.

Pluto hat geschrieben:Deshalb finde ich, dass dein Vergleich ziemlich hinkt.
War nur als Verständnishilfe gemeint - nicht historisch.

Pluto hat geschrieben:Ist doch schön wenn Menschen so kulturell individuell sind.
Freilich ist das schön. - Aber wenn man zwischen Ferrari und U-Boot unterscheiden will, reicht ein so generelles Wort wie "Fortbewegungsmittel" nicht aus.

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#28 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von Pluto » Do 12. Jun 2014, 00:55

closs hat geschrieben:Aber wenn man zwischen Ferrari und U-Boot unterscheiden will, reicht ein so generelles Wort wie "Fortbewegungsmittel" nicht aus.
Meinst du Ferrari Traktoren? :geek:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#29 Re: Aufklärung durch Wissenschaft

Beitrag von closs » Do 12. Jun 2014, 01:03

Pluto hat geschrieben:Meinst du Ferrari Traktoren? :geek:
Gab's übrigens auch von Porsche - die beiden scheinen gleich angefangen zu haben.

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#30 Re: Die Diktatur des Relativismus

Beitrag von barbara » Do 12. Jun 2014, 06:27

Pluto hat geschrieben: Aber erst die Entstehung des menschlichen Geistes (geistiger Intelligenz) ermöglichte es den Sammlern und Jägern der Frühsteinzeit, zunächst die Wirkung des Feuers zu entdecken, später es zu bändigen und für sich nutzbar zu machen, und noch später das Rad zu erfinden, sesshaft zu werden und sich mit der Bewirtschaftung des Bodens und der Viehzucht zu befassen. So entstanden dann die ersten Zivilisationen zwischen Euhprat und Tigirs, und im fernen Osten Chinas.

Das alles war aber nicht Wissenschaft. Wissenschaft im heutigen Sinn gibt's seit ca 500 Jahren, das heisst damals haben die Pioniere angefangen - und so richtig seit Descartes und der Idee der mechanistischen Weltanschauung. Die Erfindung des Rads und die Nutzung des Feuers sind viel älter. Nie hat jemand auf die Erfindung des Rads ein Patent angemeldet oder den Erstgebrauch des Feuers in peer-reviewed Fachzeitschriften veröffentlicht. Und was nicht in peer-reviewed Fachzeitschriften erscheint, und mit der nötigen methodischen Strenge und formaler Korrektheit dargestellt wird, ist NICHT Naturwissenschaft. sondern maximal eine Vorstufe dazu.

gruss, barbara

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