Fragen an den (die) Experten: Naturalistisches Axiom

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Lamarck
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#61 Re: Fragen an den (die) Experten: Naturalistisches Axiom

Beitrag von Lamarck » Di 13. Aug 2013, 16:04

Hi Anton B.!

Anton B. hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: Bitte gebe mir eine Quelle dafür, dass Axiome in der Naturwissenschaft existieren. Ich jedenfalls habe nochmals umfangreiche Recherchen dazu angestellt und -- nichts gefunden.
Und, ja: Wenn es sowas doch gibt und in reputabler Literatur dargestellt wird -- ich würde mich wirklich freuen, wenn mich da jemand darauf aufmerksam machen könnte!




Bild
[Quelle: amazon.de]




Oben hattest Du den Mittelstraß erwähnt. Jetzt habe ich den entsprechenden Band in der Hand und finde unter dem Lemma System, axiomatisches eine Literaturliste, die für den Start dicke reichen dürfte. Das meiste davon ist zwar aus begreiflichen Gründen der Mathematik zugewandt, aber in Auswahl doch auch die NW i. e. S. betreffend (hier in meiner Notation, man macht ja selber auch so einiges):


  • Hermes, H. (1938): Eine Axiomatisierung der allgemeinen Mechanik (repr. 1970).
    Ludwig, G. (1970): Deutung des Begriffs >physikalische Theorie< und axiomatische Grundlegung der Hilbertraumstruktur der Quantenmechanik durch Hauptsätze des Messens.
    Reichenbach, H. (1924): Axiomatik der relativistischen Raum-Zeit-Lehre.
    Sneed, J. D. (1971): The Logical Structure of Mathematical Physics.
    Stegmüller, W. (1979): The Structuralist View of Theories. A Possible Analogue of the Bourbaki Programme in Physical Science.
    Szabó, A. (1964): The Transformation of Mathematics into Deductive Science and the Beginnings of Its Foundation on Definitions and Axioms.
    Tarski, A. (1930): Fundamentale Begriffe der Methodologie der deduktiven Wissenschaften.
    Woodger, H. J. (1937): The Axiomatic Method in Biology. [vgl. http://www.nature.com/nature/journal/v1 ... 265a0.html]


Woodger findet sich als umfangreiche Leseprobe hier: http://books.google.de/books?id=s888AAA ... &q&f=false




Cheers,

Lamarck
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)

Anton B.
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#62 Re: Fragen an den (die) Experten: Naturalistisches Axiom

Beitrag von Anton B. » Di 13. Aug 2013, 17:59

Lamarck hat geschrieben:Oben hattest Du den Mittelstraß erwähnt. Jetzt habe ich den entsprechenden Band in der Hand und finde unter dem Lemma System, axiomatisches eine Literaturliste, die für den Start dicke reichen dürfte. Das meiste davon ist zwar aus begreiflichen Gründen der Mathematik zugewandt, aber in Auswahl doch auch die NW i. e. S. betreffend (hier in meiner Notation, man macht ja selber auch so einiges):
Danke, Lamarck! Schaue ich mir auch noch genauer an. Ich erinnere mich an einen kleinen Hype in den 1970gern, die Naturwissenschaften, besser gesagt, einzelne "große" Theorien der Naturwissenschaften, zu axiomatisieren. In den Geowissenschaften war die Plattentektonik am Ende der 70er ein beliebtes Ziel. Jedenfalls zeigt sich dies wohl auch an den Veröffentlichungsjahren der gelisteten Literatur.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

barbara
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#63 Re: Fragen an den (die) Experten: Naturalistisches Axiom

Beitrag von barbara » Mi 14. Aug 2013, 10:25

ThomasM hat geschrieben: Und hier würde ich Barbara widersprechen. Wir kennen durchaus Vorgänge, die sind im Detail nicht-regelhaft, nicht modellierbar. Und das sind die bereits öfter genannten Zufälle.

Um auf mein Lieblingsbeispiel des einzelnen radioaktiven Atoms zurückzukommen. Ich kann so oft ich will ein solches Atom in einer magnetischen Falle fangen und so oft ich will fragen, wann es denn zerfällt. Ich werde es niemals wissen. Ich bin immer überrascht, wenn es denn tatsächlich zerfällt. Ich kann keine Regel finden - ausser eine Regel der Wahrscheinlichkeit.

Doch dann frage ich nicht mehr nach dem Zeitpunkt des Zerfalls, dann frage ich, wie wahrscheinlich das ist. Ich löse das Problem, indem ich es umformuliere und meine ursprüngliche Frage vergesse.

Heisenberg beschreibt in "der Teil und das Ganze" ein Gespräch, in dem seine Gesprächspartnerin - eine Philosophin, keine Naturwissenschaftlerin - partout nicht davon zu überzeugen war, dass es diesen Zufall gibt. Weil das implizite Axiom der Regelhaftigkeit so tief in ihr verankert war, dass sie sich noch nicht mal vorstellen konnte, es könnte auch anders sein. Und nein, dazu war es nicht nötig, dass sie sich dieses Axioms bewusst war und es formulieren konnte.

Es gibt ja auch heute noch genug Leute, die davon ausgehen, dass die Natur vollständig determiniert ist und die Zufälle des Atomzerfalls nicht akzeptieren, und das trotz dem Wissen, dass es gute Naturwissenschaft ist.

grüsse, barbara

Pluto
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#64 Re: Fragen an den (die) Experten: Naturalistisches Axiom

Beitrag von Pluto » Mi 14. Aug 2013, 13:57

barbara hat geschrieben:Es gibt ja auch heute noch genug Leute, die davon ausgehen, dass die Natur vollständig determiniert ist und die Zufälle des Atomzerfalls nicht akzeptieren, und das trotz dem Wissen, dass es gute Naturwissenschaft ist.
Beim Determinismus geht man ja davon aus, dass jedes Ereignis durch vorhergehende Ereignisse fest vorbestimmt ist, so dass das Universum sich als schicksalhafte Kausalkette entwickelte. Heute glauben die wenigsten Leute an eine strenge Form des Determinismus (Schicksalshaftigkeit, oder Prädestination).

Thomas' Beispiel vom radioaktiven Zerfall hat mehr mit der Frage der reinen Kausalität zu tun. Im Altertum galt das Gesetz der Kausalität -- ex nihilo nihil fit -- was ja selbst heute noch viele Leute am Urknall zweifeln lässt. Allerdings haben schon seit Jahrtausenden einige Philosophen geahnt, dass mit er Kausalität der Welt, nicht alles stimmt. In der modernen Philosophie werden diese Zweifel nicht mehr diskutiert. Auf Grund solcher quantenmechanischen Phänomene, wie der radioaktive Zerfall, oder dem Casimir-Effekt, kommen immer mehr Physiker zur Erkenntnis, dass die Welt NICHT nur kausal abläuft, sondern dass ein Element der Beliebigkeit darin vorkommt. Dass das nicht nur negative Folgen hat, erkennt man daran, dass solche Zufälle, den Urknall auch ohne schöpferische Intervention plausibel macht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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