Die Matrix als Kopfkino

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ThomasM
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#31 Re: Die Matrix als Kopfkino

Beitrag von ThomasM » Fr 23. Aug 2013, 09:44

Hall Pluto
Pluto hat geschrieben: Meine Setzungen (Axiome) zur wissenschaftlicchen Erkenntnis sind, dass...
(a) die Welt in der wir leben, existiert.
(b) wir Modelle errichten können, die Vorhersagen machen über diese Welt.
(c) wir diese Vorhersagen mit unseren Sinnen, bzw. mit entsprechenden Messgeräten überprüfen können.
Ich stimme closs insofern zu, als dass (a) die absolute Basis ist.

Um b und c zu formulieren, benötigen wir meines Erachtens eine weitere Annahmen, nämlich die, dass die Welt (deren Existenz wir annehmen) durch unsere Sinne korrekt erfassbar ist.

Das ist ja das Problem bei der Matrix. Da gibt es ja auch eine Realität. Aber sie ist ganz anders, als wie wir durch unsere Sinne wahrnehmen können.
Wenn wir dann die Setzungen a, a_Zusatz, b und c nehmen, gibt es eine interessante Vermutung, deren Korrektheit oder nicht-Korrektheit nachzuweisen ist

Naturalistische Vermutung:
Die Modelle, die wir uns von der Welt machen und deren Korrektheit wir überprüfen können, können prinzipiell vollständig sein. D.h. jedes Phänomen der Welt kann vollständig und umfassend durch ein Modell beschrieben werden.

Kann die naturalistische Vermutung nachgewiesen oder widerlegt werden? Wenn nein, darf man sie als neue Setzung nehmen?

Gruß
Thomas
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Pluto
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#32 Re: Die Matrix als Kopfkino

Beitrag von Pluto » Fr 23. Aug 2013, 11:00

ThomasM hat geschrieben:Um b und c zu formulieren, benötigen wir meines Erachtens eine weitere Annahmen, nämlich die, dass die Welt (deren Existenz wir annehmen) durch unsere Sinne korrekt erfassbar ist.
Naja... Das ist in (b) enthalten, weil es durch die Modellbildung und Überprüfbarkeit der Vorhersagen impliziert wird.

Das ist ja das Problem bei der Matrix. Da gibt es ja auch eine Realität. Aber sie ist ganz anders, als wie wir durch unsere Sinne wahrnehmen können.
Das Matrix-Modell bricht durch das Beispiel des Sandstrands zusammen (vgl. Daniel Dennet, "Comsciousness Explained", 1996: Wenn wir mit den Fingern in trockenen Sand buddeln und die Sandkörnern riseln lassen, etnsteht eine derartige Datenflut an Gefühlen, dass jede Simulation versagt weil sie an den Daten "erstickt".

Kann die naturalistische Vermutung nachgewiesen oder widerlegt werden? Wenn nein, darf man sie als neue Setzung nehmen?
Ja. Ich kann alles was ich will zum Axiom erheben, und Theorien darauf bauen. Versagen diese Theorien, dann verkommt das Axiom zu einer falsifizierten Hypothese, aber so lange das nicht der Fall ist, kann ich die naturalistische Vermutung als Axiom aufrecht erhalten.

Lamarck brachte dazu das Beispiel des Axioms, "Die Erde ist flach". Eine daraus abgeleitete These ist, dass man am Rand herunter fällt. Diese These kann man widerlegen, indem man feststellt was passiert wenn man immer "geradeaus" fährt. Man kommt irgendwann zum Ausgangspunkt zurück, ohne jemals irgendwo von der Scheibe herunter zu fallen.
These widerlegt ==> Axiom ungültig.

Du kannst ja versuchen das Axiom der Überprüfbarkeit von Vorhersagen aus naturalistischen Modellen (Vermutungen), zu Fall zu bringen. :P
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

ThomasM
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#33 Re: Die Matrix als Kopfkino

Beitrag von ThomasM » Fr 23. Aug 2013, 11:13

Pluto hat geschrieben: Das Matrix-Modell bricht durch das Beispiel des Sandstrands zusammen (vgl. Daniel Dennet, "Comsciousness Explained", 1996: Wenn wir mit den Fingern in trockenen Sand buddeln und die Sandkörnern riseln lassen, etnsteht eine derartige Datenflut an Gefühlen, dass jede Simulation versagt weil sie an den Daten "erstickt".
Hier widersprichst du dir aber selber. Du hast zwar Recht aus der Sicht der heutigen Silizium-Chips Computer Technologie.
Du bist aber auch der Meinung, dass das Gehirn nichts anderes ist als ein biochemischer Computer. Und das Gehirn bewältigt die Datenflut ohne weiteres.
Damit ist auch die Matrix Technologie möglich.

Oder du sagst, das Gehirn ist mehr als nur ein Computer, dann würde ich dir auch zustimmen.

Pluto hat geschrieben: Du kannst ja versuchen das Axiom der Überprüfbarkeit von Vorhersagen aus naturalistischen Modellen (Vermutungen), zu Fall zu bringen. :P
Oh, das ist super einfach :lol:

Man nehme nur das Modell von Hawkings, dass Universen als n-branes über einen Zufallsprozess entstehen und vergehen. Das ist nicht überprüfbar. Nie.Weil wir dazu aus unserem Universum herausgreifen müssten, was per Definitionem nicht geht. Aber ein naturalistisches Modell ist es.

Ein Schuh wird daraus, wenn du c etwas umformulierst und foderst, dass nur solche Modelle gültige Modelle sind, die nachweisbar nachprüfbar sind.

Gruß
Thomas
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#34 Re: Die Matrix als Kopfkino

Beitrag von Pluto » Fr 23. Aug 2013, 12:01

ThomasM hat geschrieben:Hier widersprichst du dir aber selber. Du hast zwar Recht aus der Sicht der heutigen Silizium-Chips Computer Technologie. Du bist aber auch der Meinung, dass das Gehirn nichts anderes ist als ein biochemischer Computer. Und das Gehirn bewältigt die Datenflut ohne weiteres.
Damit ist auch die Matrix Technologie möglich.
Das ist keineswegs ein Widerspruch. Das Gehirn empfängt die Daten; es muss die Empfindungen nicht erzeugen! Ein viel einfacheres Rechenproblem. Bei der Simulation stehen so viele Parameter gleichzeitig miteinander in Wchselwirkung, dass Informatiker sie als Combinatorial Explosion (engl.) bezeichnen.

Oh, das ist super einfach :lol:
Man nehme nur das Modell von Hawkings, dass Universen als n-branes über einen Zufallsprozess entstehen und vergehen. Das ist nicht überprüfbar. Nie. Weil wir dazu aus unserem Universum herausgreifen müssten, was per Definitionem nicht geht. Aber ein naturalistisches Modell ist es.
Ein Schuh wird daraus, wenn du c etwas umformulierst und foderst, dass nur solche Modelle gültige Modelle sind, die nachweisbar nachprüfbar sind.
Die Multiverse-Theorie ist nicht überprüfbar, das stimmt.
Und du hast recht, man muss das Falsifizierbarkeitskriterium voraussetzen.

In der Praxis haben sich aber diese drei naturalistischen Axiome bestätigt. Auf diesen einfachen Grundlagen wurden/werden ganze Kulturen aufgebaut, die sich in der realen Welt bewähren.

Was sagt uns das?
Wenn unsere Warhnehmung die Realität nicht einigermaßen richtig widergibt — alles nur "Kopfkino" wie closs es darstelt — dann wären wir Menschen als Art niemals so erfolgreich im Aufbau unserer Zivilisation gewesen. Wir wären längst an der realen Welt gescheitert.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

ThomasM
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#35 Re: Die Matrix als Kopfkino

Beitrag von ThomasM » Fr 23. Aug 2013, 12:33

Pluto hat geschrieben: Das Gehirn empfängt die Daten; es muss die Empfindungen nicht erzeugen! Ein viel einfacheres Rechenproblem. Bei der Simulation stehen so viele Parameter gleichzeitig miteinander in Wchselwirkung, dass Informatiker sie als Combinatorial Explosion (engl.) bezeichnen.
Mir ist inzwischen ein instruktives Beispiel eingefallen, das zeigt, dass die Datenmenge bei einer Simulation wohl überschätzt wird.

Ich spiele gerne das Online Rollenspiel World of Warcraft. Früher ist man da durch Landschaften geritten oder gelaufen und hat die Landschaft dabei bewundern können. Das machte einen sehr flüssigen Eindruck, mit einer VR Brille hätte man sich vermutlich sogar ganz in der Landschaft verlieren können.

Dann wurden in dem Spiel Flugtiere eingeführt, aber zunächst nur für die neuen Gebiete. Die alten Gebiete wurden erst nach weiteren zwei Jahren "flugfähig". Die Begründung war ganz einfach. Beim Rendern der Landschaft wurde der Bodenblick des Spielers berücksichtigt. Es wurde gar nicht alles gerendert, sondern nur das, was der Spieler sieht. Durch das Flugtier wurde eine zusätzliche Dimension geöffnet, die bei dem Rendering Trick nicht berücksichtigt wurde.

Die Moral: Simuliere nicht alles, sondern nur das, worauf es ankommt oder was sich aus Blick des Betrachters verändert. Und schon reduziert sich die benötigte Datenmenge gewaltig (das war auch der Grund für den Rendering Trick bei WoW, denn die Daten sollten durch eine schwache DSL Leitung passen).

Gruß
Thomas
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#36 Re: Die Matrix als Kopfkino

Beitrag von closs » Fr 23. Aug 2013, 13:17

Bei aller Bewunderung für diese Diskussion: Was haben Simulations-Möglichkeiten oder Nicht-Möglichkeiten mit der ontologischen Aussage zu tun, dass der Mensch GRUNDSÄTZLICH nicht entscheiden kann, ob das was er wahrnimmt "echte" Realität oder Kopfkino ist? - "Kopfkino" heißt doch NICHT, dass irgendjemand etwas bewusst simuliert, sondern dass die Welt buchstäblich monadische Vorstellung ist.

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#37 Re: Die Matrix als Kopfkino

Beitrag von Lamarck » Fr 23. Aug 2013, 13:33

Hi closs!

closs hat geschrieben: Bei aller Bewunderung für diese Diskussion: Was haben Simulations-Möglichkeiten oder Nicht-Möglichkeiten mit der ontologischen Aussage zu tun, dass der Mensch GRUNDSÄTZLICH nicht entscheiden kann, ob das was er wahrnimmt "echte" Realität oder Kopfkino ist? - "Kopfkino" heißt doch NICHT, dass irgendjemand etwas bewusst simuliert, sondern dass die Welt buchstäblich monadische Vorstellung ist.

Es gibt keine ontologischen Aussagen - nur logische oder unlogische ... . Und da der Solipsismus prinzipiell nicht widerlegbar ist, ist 'die Welt' in der Tat nur als 'monadische' Vorstellung zu haben ... .




Cheers,

Lamarck
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#38 Re: Die Matrix als Kopfkino

Beitrag von Lamarck » Fr 23. Aug 2013, 13:41

Hi ThomasM!

ThomasM hat geschrieben: Mir ist inzwischen ein instruktives Beispiel eingefallen, das zeigt, dass die Datenmenge bei einer Simulation wohl überschätzt wird.

Ich spiele gerne das Online Rollenspiel World of Warcraft. Früher ist man da durch Landschaften geritten oder gelaufen und hat die Landschaft dabei bewundern können. Das machte einen sehr flüssigen Eindruck, mit einer VR Brille hätte man sich vermutlich sogar ganz in der Landschaft verlieren können.

Dann wurden in dem Spiel Flugtiere eingeführt, aber zunächst nur für die neuen Gebiete. Die alten Gebiete wurden erst nach weiteren zwei Jahren "flugfähig". Die Begründung war ganz einfach. Beim Rendern der Landschaft wurde der Bodenblick des Spielers berücksichtigt. Es wurde gar nicht alles gerendert, sondern nur das, was der Spieler sieht. Durch das Flugtier wurde eine zusätzliche Dimension geöffnet, die bei dem Rendering Trick nicht berücksichtigt wurde.

Die Moral: Simuliere nicht alles, sondern nur das, worauf es ankommt oder was sich aus Blick des Betrachters verändert. Und schon reduziert sich die benötigte Datenmenge gewaltig (das war auch der Grund für den Rendering Trick bei WoW, denn die Daten sollten durch eine schwache DSL Leitung passen).

Nein, mit Deinem Flugtier wurde die Warcraft-Welt sogar komplexer. Das Echtzeit-Rendering ist nur eine Form der Datenkompression der unterlegten virtuellen Umgebung; nicht ganz verlustfrei, denn sie kostet Zeit (Das ist übrigens eine hübsche Interpretation zum Zeitbegriff) und Rechenraum (Eine hübsche Interpretation zum Raumbegriff) auf Deiner Maschine, um damit die nötige Server- und Verbindungsleistung zu verteilen.




Cheers,

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#39 Re: Die Matrix als Kopfkino

Beitrag von closs » Fr 23. Aug 2013, 13:53

Lamarck hat geschrieben: Und da der Solipsismus prinzipiell nicht widerlegbar ist, ist 'die Welt' in der Tat nur als 'monadische' Vorstellung zu haben ... .
Es ist auch Ausdruck von Solipsismus, wenn man nonchalant davon ausgeht, dass sich die eigene Wahrnehmung auf eine Welt bezieht, die auch ohne diese Wahrnehmung ist. - Damit wir uns recht verstehen: Auch ich gehe davon aus - aber ich weiß, dass es eine Setzung, also ein Glaube, ist.

Der eigentliche Solipsismus besteht darin, dass man sich dessen nicht bewusst ist - das ist wie bei SChizophrenen: Ein echter Schizophrener wird nie sagen können: Ich bin schizophren.

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#40 Re: Die Matrix als Kopfkino

Beitrag von Pluto » Fr 23. Aug 2013, 15:07

Lamarck hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Bei aller Bewunderung für diese Diskussion: Was haben Simulations-Möglichkeiten oder Nicht-Möglichkeiten mit der ontologischen Aussage zu tun, dass der Mensch GRUNDSÄTZLICH nicht entscheiden kann, ob das was er wahrnimmt "echte" Realität oder Kopfkino ist? - "Kopfkino" heißt doch NICHT, dass irgendjemand etwas bewusst simuliert, sondern dass die Welt buchstäblich monadische Vorstellung ist.
Es gibt keine ontologischen Aussagen - nur logische oder unlogische ... . Und da der Solipsismus prinzipiell nicht widerlegbar ist, ist 'die Welt' in der Tat nur als 'monadische' Vorstellung zu haben ... .
Bei Husserl klingt das ein wenig anders:
Entwicklung der Welt ist Entwicklung des Bewusstseins, und alles Physische ist selbst nur eine Beziehung zwischen Bewusstseinen, deren Wesen so geartet ist, dass wir in unserem Denken sie setzen müssen in Form der physikalischen Materien, Kräfte, Atome etc., womit wir im Grunde Leibnizens Monadenlehre erneuert hätten.
[Edmunf Husserl (1908)]
Husserl erneuert, sprich ergänzt und überholt, verbessert... Leibniz' Monadenlehre.

Hinzu kommt was ich zuvor schon schrieb:
Pluto hat geschrieben:In der Praxis haben sich aber diese drei naturalistischen Axiome bestätigt. Auf diesen einfachen Grundlagen wurden/werden ganze [Zivilisationen] aufgebaut, die sich in der realen Welt bewähren.
So falsch kann unsere Warhnehmung der Welt nicht sein. Wir Menschen haben nicht nur überlebt, sondern wir haben uns darüber hinaus, auf der ganzen Welt verbreitet. Dort wo die Natur unwirsch war, haben wir unsere Umwelt an uns angepasst (etwas was kein anderes Tier bisher konnte).

Ich behaupte mal, dass...
(a) Die Werkzeuge der Wissenschaft (Intersubjektivität und Wiederholbarkeit) uns zu einem besseren Bild der Welt verhelfen, als jedes andere uns bekannte Instrumentarium.
(b) die Menschen solche Leistungen nicht hätten erbringen können, wenn ihre Warhnehmung so falsch wäre, wie sie uns closs zu vermitteln versucht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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