"Ich verkündige euch große Probleme"

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Magdalena61
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#1 "Ich verkündige euch große Probleme"

Beitrag von Magdalena61 » Di 31. Dez 2013, 14:58

Warum mein Kollege nie wieder in die Kirche geht

„Ich war seit gefühlt 20 Jahren mal wieder in einem evangelischen Gottesdienst.“ So beginnt die Mail eines Kollegen an mich, den viele aus dem Fernsehen kennen.
Seinen Freunden, die gerade zu Besuch sind, sei gelungen, ihn zu Weihnachten in eine Kirche zu schleppen.

„Ich war wirklich in Weihnachtsstimmung und bereit, mich von der frohen Botschaft erfassen zu lassen. Nur – die Botschaft war nicht froh, sondern das Pädagogen-Gelaber eines Gleichstellungs- und Flüchtlingsbeauftragten.“

Dabei lautet doch die Botschaft des Engels in der Heiligen Nacht: „Siehe, ich verkündige euch große Freude!“ und nicht: „Ich verkündige euch große Probleme!“

Natürlich muss, kann und darf Kirche auch politisch sein, doch hat Altkanzler Helmut Schmidt recht, wenn er sich wünscht: „Predigt ist etwas anderes als die ,Tagesschau‘.“

Warum machen Kirchen also nicht die einzig überfüllten Gottesdienste des Jahres zu einer Werbung für sich selbst und für die tolle Botschaft von Freude und Hoffnung?

Warum werden stattdessen blutleere Vorträge gehalten, wie sie jeder Krankenkassenfunktionär und jeder Parteipolitiker besser hinbekommt?
Mein Kollege jedenfalls, seit seinem letzten Gottesdienst-Besuch „niedergeschlagen von der Weltenmoral des Herren Pfarrers“, will nie mehr eine Kirche betreten.

Ich kann das bedauern, verdenken kann ich es ihm nicht.
BILD am Sonntag
Von Peter Hahne

:)
Gut, dass jemand das mal sagt.

"Gottesdienste" dieser Sorte sind mir leider auch bekannt. Man- sprich: Der Christ- möchte Gott begegnen, jedenfalls ist das bei mir so. Man steht früher auf, geht oder fährt extra hin, sucht eventuell mühsam einen Parkplatz... richtet sich im Versammlungsraum/ der Kirche für etwa eine Stunde häuslich ein, schaltet innerlich um auf "Gottesdienst"... und dann?

Man wartet und wartet... und wenn das Ganze fertig ist, dann ist man innerlich etwas verwirrt, hat eigentlich nichts wirklich begriffen und fragt sich, ob sich der Aufwand jetzt rentiert hat.

Wenn man es wagt, darüber zu sprechen und etwa zu bemerken, diese Veranstaltung sei total langweilig gewesen, bekommt man möglicherweise zur Antwort: "Es liegt an dir! -- Wenn du nicht erwartest, << etwas zu hören>>, wenn du nicht offen bist dafür, dann hörst du auch nichts!"
Dann bin ich also zu anspruchsvoll oder nicht fromm/ demütig genug. (?) :roll:

Und wenn ich es als Zeitverschwendung ansehe, mir Vorträge, wie sie in dem Zitat da oben beschrieben werden anzuhören, bin ich ein schlechter Christ, der zu faul ist, um sich einer Gemeinde anzuschließen.

Hm.... diese Erfahrungen sind aber nicht überall gleich.

Sicher, ich erwarte nicht Highlights ohne Ende; ein Pastor oder Prediger ist auch nur ein Mensch und kann nicht ununterbrochen Höchstleistungen bringen.
Aber.... irgendwelche Vorträge über Psychologie, die Bewerbung gemeindespezifischer Gurus... oder politische Statements bis hin zu reinrassiger Polemik... Anklagen der Sünden anderer... Drohbotschaften und Moralpredigten, in denen die Zuhörer nieder und klein gemacht werden, bis sie bald nicht mehr wissen, wie sie heißen...will ich in der Kirche, am Sonntag im Gottesdienst, WIRKLICH nicht hören. Dafür können diese "Propheten" doch eine Extraveranstaltung ansetzen, wenn sie meinen, es sei notwendig, das Volk dahingehend zu belehren.

Manche Gemeinden setzen auf "Lobpreis"; möglichst poppig und trotzdem eintönig. Für meinen Geschmack ist eine dreiviertel Stunde "Lobpreis" VOR dem eigentlichen Gottesdienst einfach.... ZU VIEL.

Andere setzen das Abendmahl inklusive Gebete und so VOR den Godi, und die Besucher, die nicht zum Abendmahl gehen, müssen warten, bis die Frühgänger fertig sind, das heißt: Der Event für die Nichtabendmahlsbesucher fängt nicht pünktlich an. Man hat sich abgemüht, um pünktlich da zu sein, und dann steht man (blöd) herum und wartet, weil die Ersten noch nicht fertig sind.

Nochmal andere machen eine Bibelstunde, ebenfalls für nicht ganz Freiwillige, vor dem eigentlichen Gottesdienst.
Wenn man reinkommt, ist die Luft verbraucht, das halte ich nicht lange aus- mir wird schlecht.
Da ist man ja schon müde, bevor man überhaupt einen Ton gesungen oder gebetet hat.

Aber.... was erwarte ich eigentlich, wenn ich mir die Mühe mache, einen Gottesdienst zu besuchen? Was kann ich erwarten- was wäre wichtig und richtig?
LG
God bless you all for what you all have done for me.

R.F.
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#2 Re: "Ich verkündige euch große Probleme"

Beitrag von R.F. » Di 31. Dez 2013, 16:30

Magdalena61 hat geschrieben: - - -
Gut, dass jemand das mal sagt.
- - -
Ich habe Peter Hahne mal während einer so genannten Zeltmission beobachtet, kenne seine evangelikale Einstellung auch aus seinen Büchern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er von der Existenz des biblischen Gottes ausgeht.

Während der selben Veranstaltung hielten auch andere Evangelikale Vorträge. Dass sich bei einem besonder auffälligen Vortrag nicht die ganze Evangelen-Schar von ihren Sitzen erhob und das Zelt verließ, kann höchstens noch mit einer gewissen Nachsicht entschuldigt werden. Der Bursche wollte sich offensichtlich mit seinem zwar in flotte Worte gefassten, aber unglaublich dümmlichen Vortrag nur über die Runden retten. Ich habe übrigens später einige Hörer nach ihrer Meinung gefragt. Sie schüttelten nur den Kopf über den unverschämten Kerl...Solche Leute sind für die Menschheit insgesamt gefährlicher als etwa der leicht durchschaubare Richard Dawkins, von dem ich gerade zwei Bücher lese...

Und der Hahne? Wenn der in seinem Vortrag die Erwartung der “Juden” an Jesus schriftgemäß wiedergegeben hätte, wäre er im hohen Bogen aus dem Zelt geschmissen worden...
Magdalena61 hat geschrieben: Sicher, ich erwarte nicht Highlights ohne Ende; ein Pastor oder Prediger ist auch nur ein Mensch und kann nicht ununterbrochen Höchstleistungen bringen.
Es können sich in unserer Zeit lediglich zwei Persönlichkeiten solche Höchstleistungen erlauben - und selbst diese werden umgebracht...
Magdalena61 hat geschrieben: - - -
Drohbotschaften und Moralpredigten, in denen die Zuhörer nieder und klein gemacht werden, bis sie bald nicht mehr wissen, wie sie heißen...
- - -
Das juckt die Hauptübeltäter kein bisschen. So lange die nicht von höchster Stelle gestoppt werden, machen die weiter...

Rembremerding
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#3 Re: "Ich verkündige euch große Probleme"

Beitrag von Rembremerding » Di 31. Dez 2013, 18:28

Magdalena61 hat geschrieben:
Aber.... was erwarte ich eigentlich, wenn ich mir die Mühe mache, einen Gottesdienst zu besuchen? Was kann ich erwarten- was wäre wichtig und richtig?
LG
Eine "Mühe" sollte es natürlich nicht sein, wenn man einen Gottesdienst besucht, sondern eine Freude. Etwa dieselbe Freude, wie wenn man nach langer Zeit wieder seinen geliebten Partner treffen und sehen kann.
Und das er-warte ich dann auch in einem Gottesdienst. Die Ankunft des Herrn. Einzig wegen ihm bin ich dort.

Da ist natürlich auch die menschliche Seite eines Gottesdiensts, der Pastor, Pfarrer und die Geschwister. Mancher Gottesdienst kann durch einen Prediger durchaus zu einem Vortragsabend wie in der Volkshochschule werden. Für manche Geschwister wird ein Gottesdienst auch zur Neuigkeitenbörse oder zum Laufsteg. Auch übermäßiges Gehopse oder Gitarrensolis lassen mehr die Menschen als Gott in den Mittelpunkt rücken.

Wichtig ist m.E. bei einem Gottesdienst ihn auch zu verstehen, warum dies und jenes geschieht, was dieses oder jenes Ritual/Symbol/Gebet bedeutet. Und schließlich: Neben dem Opfer, welches unser Herr für uns gebracht hat, sollte man auch selbst etwas aufopfern: Zeit, seine Schwächen und Sünden, seine Sorgen, sein Leid, seine Hoffnungen und Bitten etc. All dies kann man ebenso auf den Altar legen. Es geht darum mit Gott Zeit zu verbringen, zu hören, im Geiste zu fragen und antworten, ein Zwiegespräch zu führen.

Wenn ich manchmal etwas enttäuscht aus einem Gottesdienst gehe und zu mir sage: "Irgendwie hat mir das heute nichts gebracht", dann höre ich den Herrn sagen: "Mir hast Du heute auch nichts gebracht" oder: "Mir schon, den Tod am Kreuz". Dann werde ich wieder demütig oder voller Freude sowie Dankbarkeit und der Herr hat mir doch wieder was gebracht.

:wave: Servus
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2Lena
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#4 Re: "Ich verkündige euch große Probleme"

Beitrag von 2Lena » Mi 1. Jan 2014, 09:09

"Ich verkünde euch große Probleme", lautete die Überschrift, die Kirchenmüdigkeit war der Inhalt. Aus das Thema bin ich heute am Neujahrstag ganz nüchtern zugesteuert.

Oh, wie haben die Leute früher bei einer "AT-Predigt" gelacht.
Das ist "von gestern"
Heute weint man über nebensächliche Predigten.


Der umgekehrte Fall:
Heute folgt man der glänzenden Marketingstrategie: Sylvesterfeieren z.B.
Wozu man das macht eigentlich?
Ich begrüße jeden Tag frisch und munter - wenn es hell wird und die Sonne aufgeht!

Was war an 2013 so besonders, dass das Ende mitten in der Nacht gefeiert wurde.
Was ist an 2014 hoffnungsvoll, dass es nachts mit so viel Knallerei begrüßt werden sollte?

Warum macht man mitten in der Nacht wegen einem Kalender Wirbel - der vor 2014 Jahren begann und nicht mal mehr den astronomischen "Jahresanfang" zeigt. Kein Monat stimmt mehr mit dem Mond überein, kein Saattermin mit der Bezeichnung von Jahreszeiten, kein Fest mehr mit der Natur.

Ich verstehe, die Geschäftswelt braucht einen einheitlichen Kalender.
Dort spielen weder die Zeiten, noch die Jahreszeiten eine Rolle.
Aber ich lebe von der Natur.

Die Apfelbäume halten sich an sie, die Saatkörnern, die Zugvögel ...
Sogar die Sonne macht, glaube ich, bisweilen was sie will und nicht was im Kalender steht. Ihr mit dem Mess-Stab hinterherlaufen kann ich leider nicht.

barbara
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#5 Re: "Ich verkündige euch große Probleme"

Beitrag von barbara » Mi 1. Jan 2014, 09:59

Da lob ich mir doch die Katholiken: ein bekanntes Ritual, das grösstenteils fest steht, ausgewogen komponiert ist mit zuhören, beten, singen, sitzen und stehen - und wenn der Pfarrer in seinen zehn oder zwanzig Minuten Predigt mal etwas erzählt, das nicht so schlau ist, so ist das auch nicht so schlimm. Man kann sich von der Struktur des Rituals tragen lassen.

gruss, barbara

2Lena
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#6 Re: "Ich verkündige euch große Probleme"

Beitrag von 2Lena » Mi 1. Jan 2014, 16:36

Ja Barbara, der Banknachbar wird es schon richtig machen. Aufstehen, niederknien, Kreuzzeichen zur richtigen Zeit, alles eingeübt nach festen Regeln - auf Komando hin!

Es wäre zu schön, wenn die Leute die Inhalte der Messfeier über ihre Symbole wieder verstehen könnten. Aber, mit den Symbolen allein ist es nicht getan. Das sind lediglich Makrobausteine. Durch sie wird, vom Prinzip her, die Basis jeder Wissenschaft vermittelt, seit langer Zeit schon.

barbara
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#7 Re: "Ich verkündige euch große Probleme"

Beitrag von barbara » Mi 1. Jan 2014, 16:59

2Lena hat geschrieben:Ja Barbara, der Banknachbar wird es schon richtig machen. Aufstehen, niederknien, Kreuzzeichen zur richtigen Zeit, alles eingeübt nach festen Regeln - auf Komando hin!

Richtig. Extrem entspannend!


Es wäre zu schön, wenn die Leute die Inhalte der Messfeier über ihre Symbole wieder verstehen könnten. Aber, mit den Symbolen allein ist es nicht getan. Das sind lediglich Makrobausteine. Durch sie wird, vom Prinzip her, die Basis jeder Wissenschaft vermittelt, seit langer Zeit schon.

In der Schule ist das Auswendig-Lernen von Gedichten ja leider nicht mehr so in. Aber es verhält sich doch in der Tat so: das, was man als Kind auswendig gelernt hat, lernt man als Erwachsener erst richtig in seiner Tiefe schätzen... und man BRAUCHT diesen Grundstock an Auswendig-Gelerntem, dass man als Erwachsener Material hat, das man bearbeiten und hinterfragen kann.

Dass die Katholiken sich etwas mehr der esoterischen Seite ihrer Konfession zuwendeten, der Symbolik und ihrer Bedeutung, das wäre sehr schön. Allerdings glaube ich, Franziskus hat grad andere Probleme, die dringender sind.

gruss, barbara

Salome23
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#8 Re: "Ich verkündige euch große Probleme"

Beitrag von Salome23 » Mi 1. Jan 2014, 17:24

2Lena hat geschrieben:Ja Barbara, der Banknachbar wird es schon richtig machen. Aufstehen, niederknien, Kreuzzeichen zur richtigen Zeit, alles eingeübt nach festen Regeln - auf Komando hin!
:lol:
Ordnung muss sein! 8-) -kann doch nicht jeder grad mal machen, wie ihm grade lustig ist-das würde Chaos ergeben...
Ohhhh... ich liebe Chaos :engel:

2Lena
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#9 Re: "Ich verkündige euch große Probleme"

Beitrag von 2Lena » Do 2. Jan 2014, 20:25

Barbara hat geschrieben:Franziskus hat grad andere Probleme, die dringender sind.
Oh! Und die wären ...
Ist schon erstaunlich, dass er das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis auswendig aufsagt und nicht weiß, was seine Vorgänger damit gemeint haben. Sie schufen ein Lebenskonzept mit den wichtigsten Gesetzen.

Ich finde es ein starkes Stück, dass die Messfeier nicht mehr als das bekannt ist - was sie einmal war. Es mag einer noch so fromm tun während einer Messfeier. Er mag die Riten auswendig kennen. Ein Papagei kann auch nachplappern und "Pi" sagen. Er ist mit dem "Pi" aber nicht imstande, die Zahl für die Kreisberechnung zu liefern.

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