Belgien: Aktive Sterbehilfe für Minderjährige

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Magdalena61
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#1 Belgien: Aktive Sterbehilfe für Minderjährige

Beitrag von Magdalena61 » Mo 17. Feb 2014, 22:42

Donnerstag, 13.02.2014

Als eines der ersten Länder der Welt erlaubt Belgien die aktive Sterbehilfe für Minderjährige. Die Abgeordnetenkammer verabschiedete am Donnerstag nach einer zweitägigen Debatte das entsprechende Gesetz. Im Parlament stimmten 86 Abgeordnete für die neuen Regeln, 44 dagegen. 12 Parlamentarier enthielten sich. Nun muss nur noch König Philippe das Papier unterzeichen - seine Unterschrift gilt als sicher.

Die umstrittene Gesetzesänderung erlaubt es Kindern und Jugendlichen, die unheilbar krank sind und unerträgliche Schmerzen haben, über den Zeitpunkt ihres Todes zu entscheiden. Sie benötigen die Zustimmung der Eltern, zudem müssen der behandelnde Arzt, unabhängige Kollegen und ein Psychologe einwilligen - aber die grundsätzliche Entscheidung liegt beim Kind.

Bis zuletzt hatten Gegner gegen die Abschaffung der Altersgrenze gekämpft, allen voran die katholische Kirche. "Man beurteilt die Jugend als rechtlich nicht geeignet, wichtige wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen", sagte der belgische Erzbischof André-Joseph Léonard. "Und plötzlich sollen sie fähig sein, zu entscheiden, dass man sie sterben lässt."
Viele bezweifeln die Urteilsfähigkeit von Kindern. Kritische Mediziner schrieben in einem offenen Brief, es gebe "nicht die geringste objektive Methode", um die geforderte Entscheidungsfähigkeit festzustellen.
spiegel.de
:?
Sterbehilfe | 14.02.2014 - Brüssel
"Einfach erschreckend", findet Palliativmediziner Lukas Radbruch diese Entwicklung. Der Leiter des Zentrums für Palliativmedizin am Malteser Krankenhaus in Bonn befürchtet Entgleisungen, die mit der neuen Regel einhergehen. "Zu leicht können Äußerungen der Kinder falsch verstanden werden", warnt er.

Selbst gesunde Jugendliche in der Pubertät äußerten nicht selten Suizidgedanken. Das könne in der Krankheit schnell als Wunsch nach aktiver Sterbehilfe interpretiert werden.

"Natürlich steigt auch der Druck auf die Eltern, der aktiven Sterbehilfe für ihr leidendes Kind zuzustimmen", so Radbruch. Die Situation, die auch so kaum auszuhalten ist, könnte dann durch Uneinigkeit in der Familie noch erschwert werden.
Quelle
:?
Ich bezweifele, dass Kinder sich darüber im Klaren sind, was es heißt, zu sterben.
Auch Erwachsene können nicht wirklich souverän entscheiden, wenn sie unter Druck stehen, wenn sie Schmerzen und Angst haben.

Dann wollen sie vielleicht einfach nur die belastenden Situation beenden, "egal wie".
LG
God bless you all for what you all have done for me.

closs
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#2 Re: Belgien: Aktive Sterbehilfe für Minderjährige

Beitrag von closs » Di 18. Feb 2014, 00:15

Magdalena61 hat geschrieben:Ich bezweifele, dass Kinder sich darüber im Klaren sind, was es heißt, zu sterben.
Habe da lange mit meiner Frau gesprochen, die Hospizarbeit kennt und in Fragen nach Leben und Tod aus hier nicht wichtigen Gründen sehr "daheim" ist.

Folgendes hat sich dabei heraus kristallisiert:
Einerseits: Man kann Leute nicht einfach fragen: "Sollen wir Dir was geben, wenn's dem Tode zugeht und es eh eine Frage von Tagen oder Wochen ist".
Andererseits: Es ist EBENSO gegen den Willen Gottes, wenn Menschen zwischen Leben und Tod eingesperrt werden, nur weil es der medizinische Forstschritt erlaubt.

Die schwierige Aufgabe wäre nun, die Grenzlinie zwischen "einerseits" und "andererseits" zu finden - das geht (wahrscheinlich) nur individuell - und auch nur mit individuellem geistlichem Beistand des Betroffenen und dessen Angehörigen.

Salome23
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#3 Re: Belgien: Aktive Sterbehilfe für Minderjährige

Beitrag von Salome23 » Di 18. Feb 2014, 00:21

Andererseits: Es ist EBENSO gegen den Willen Gottes, wenn Menschen zwischen Leben und Tod eingesperrt werden, nur weil es der medizinische Forstschritt erlaubt.
Dann kann er ja was dagegen tun-oder ?

Ich arbeite als Altenpflegerin und mir kommt so manches unter :(
Erst vor kurzem verstarb eine meiner Klientinnen-wo wir (die sie lange betreuten)alle sagten: Gott sei Dank ist sie erlöst...
Was die Frau durchmachen musste, war wirklich sehr schlimm und da stellt sich immer wieder die Frage: Warum schaut der da oben zu?

closs
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#4 Re: Belgien: Aktive Sterbehilfe für Minderjährige

Beitrag von closs » Di 18. Feb 2014, 00:41

Salome23 hat geschrieben:Warum schaut der da oben zu?
Schwer bis nicht zu beantworten.

Aus eigener (und damit anekdotischer) Erfahrung vermute ich, dass Außen- und Innen-Sicht des Leids sehr unterschiedlich sein können. - Ich hatte vor 8 Jahren eine schwere Kopf-OP und war danach ziemlich übel drauf - u.a. mit Grand Mals, usw. - Subjektiv habe ich mich jedoch besser gefühlt als die Zeit davor (echter Berufs-Stress), weil ich gespürt habe, dass es mir so schlecht geht, dass ich loslassen kann/muss - ich habe eine ungeheure Freiheit gespürt. Verallgemeinern darf man das natürlich NICHT.

Wie ordnest Du es ein, dass (Quelle Amnesty International) ein Folteropfer berichtet hat, dass sie (es war eine Frau) am Ende die Zigaretten, die auf ihrem Fleisch ausgedrückt wurden, nur noch gerochen hat? - Diese Frau hat einen ihrer Peiniger übrigens bekehrt und ihn geheiratet. - Auch das ist nur eine Anekdote.

Könnten wir uns darauf einigen, dass jeder Fall eine eigengesetzliche Anekdote ist?

Salome23
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#5 Re: Belgien: Aktive Sterbehilfe für Minderjährige

Beitrag von Salome23 » Di 18. Feb 2014, 01:06

Wie ordnest Du es ein, dass (Quelle Amnesty International) ein Folteropfer berichtet hat, dass sie (es war eine Frau) am Ende die Zigaretten, die auf ihrem Fleisch ausgedrückt wurden, nur noch gerochen hat?
Gegenfrage: Wie ordnest du jene ein, die sich infolge posttraumatischer Belastungsstörungen (Vergewaltigung in der Kindheit etc.) ritzen oder unter Bulimie/Anorexie leiden und trotz vieler Gebete und Hoffnung auf Hilfe, keine(von oben) erhielten?

Verallgemeinern darf man das natürlich NICHT.
Ja-eben...

closs
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#6 Re: Belgien: Aktive Sterbehilfe für Minderjährige

Beitrag von closs » Di 18. Feb 2014, 01:53

Salome23 hat geschrieben: Wie ordnest du jene ein, die ...
Gar nicht - es sei denn, man würde "anekdotisch" als Einordnung verstehen - was ein Widerspruch in sich selbst ist.

Salome23 hat geschrieben: trotz vieler Gebete und Hoffnung auf Hilfe, keine(von oben) erhielten?
Woher wollen wir das wissen? - Auch der Daseins-Tod kann Hilfe sein - das kann man aber nur dann so sehen, wenn man die Daseins-Existenz nicht als einzige Existenz-Form des Menschen versteht. - Unter naturalistischen Gesichtspunkten gibt es in der Tat KEINE Antwort, sondern nur Verzweiflung.

Salome23
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#7 Re: Belgien: Aktive Sterbehilfe für Minderjährige

Beitrag von Salome23 » Di 18. Feb 2014, 09:56

closs hat geschrieben:
Salome23 hat geschrieben: trotz vieler Gebete und Hoffnung auf Hilfe, keine(von oben) erhielten?
Woher wollen wir das wissen?
Ich-durch Gespräche mit Betroffenen...
Schon als ich noch Gemeinde ging, sah bei so manchen nach aussen hin alles so aus, als wäre alles in Butter und Halleluja-Preis den Herrn..
Kam ich dann aber mit manchen ins Gespräch oder entstanden Freundschaften und man kam sich dadurch näher, dann lies so macher die Wahrheit raus ...
Das selbe in Foren, also christlichen Foren...
Leider ist es oft so, dass sich manche nicht mal darüber reden trauen und auch, dass man nur die Fälle erwähnt, wo Gott "angeblich" gewirkt haben soll, aber all das andere einfach verschwiegen wird.

Auch der Daseins-Tod kann Hilfe sein - das kann man aber nur dann so sehen, wenn man die Daseins-Existenz nicht als einzige Existenz-Form des Menschen versteht.
Keineswegs!
Sterben dürfen-also der Tod, kann sogar sehr willkommen sein, wenn man erkennt, das eine Lage aussichtslos ist und man unter unerträglichen Schmerzen leiden muss oder nur mehr dahin vegetiert...
Eben durch meinen Beruf werde ich immer wieder mit alten Menschen konfrontiert, deren sehnslichster Wunsch es ist, endlich sterben zu können, weil sie schlicht und einfach das Dasein schon müde sind...

Weisst du closs, ich bin beruflich zur Zeit bei einem Pärchen der ZJ, es ist der Ehemann-der die Pflege benötigt.
Ein ganz liebes Ehepaar, ihm geht es nicht besonders gut und seine Frau ist im Moment ziemlich betrübt und lässt ihrem Kummer und Tränen freien Lauf.
Ich denke-sie wird sich wahrscheinlich voller Hoffnung im Gebet an Gott wenden.
Aber was für ein Trost wäre das-ihr mit solchen Worten zu begegnen-dass der Tod Hilfe sein kann, weil dieser nicht das Ende für Gläubige ist...
In diesem Moment wäre das eher ein Hohn ihr gegenüber-meinst du nicht?
Zuletzt geändert von Salome23 am Di 18. Feb 2014, 10:07, insgesamt 1-mal geändert.

closs
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#8 Re: Belgien: Aktive Sterbehilfe für Minderjährige

Beitrag von closs » Di 18. Feb 2014, 10:06

Salome23 hat geschrieben:durch Gespräche mit Betroffenen...
Dann hörst Du aber lediglich, was der Betroffene gerade selber weiß - frag mal 3 Monate später - es wird sich vermutlich etwas geändert haben, wenn es wirklich eng wird.

Salome23 hat geschrieben:In diesem Moment wäre das eher ein Hohn ihr gegenüber-meinst du nicht?
Doch - meine ich genau so. - Es ist ein Unterschied, ob man ÜBER etwas aus der Vogelschau diskutiert (wie wir hier) oder ob man mittendrin ist - beides ist richtig, aber nur an seinem Platz.

Meine Frau, die auch Altenpflegerin ist/war und vor allem Hospiz-Erfahrung hat, macht im Ernstfall NIE "schlaue" Sprüche, sondern lässt sich ausschließlich auf den Zustand des anderen ein - allenfalls mit dem sanften (!) Versuch, Dinge in eine Richtung zu lenken. - Das ist Pastorale (also Seelsorge) und nicht Fundamental-Theologie, die da abläuft.

Fundamental-Theologie sollte man machen, solange man noch nicht betroffen und bedroht ist - damit man zehren kann, wenn der Ernstfall da ist. Ist aber der Ernstfall da, braucht man damit nicht anzufangen.

Salome23
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#9 Re: Belgien: Aktive Sterbehilfe für Minderjährige

Beitrag von Salome23 » Di 18. Feb 2014, 10:13

closs hat geschrieben:
Salome23 hat geschrieben:durch Gespräche mit Betroffenen...
Dann hörst Du aber lediglich, was der Betroffene gerade selber weiß - frag mal 3 Monate später - es wird sich vermutlich etwas geändert haben, wenn es wirklich eng wird.
Was soll sich deiner Meinung nach drei Monate später geändert haben? Das Leid?
Closs-mag sein, dass es Fälle gibt, wo sich was ändert und genau die sind es, die dann hoch gehalten, also publik (gemacht) werden..
Aber all die andren eben nicht...

Salome23
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#10 Re: Belgien: Aktive Sterbehilfe für Minderjährige

Beitrag von Salome23 » Di 18. Feb 2014, 10:27

closs hat geschrieben:
Fundamental-Theologie sollte man machen, solange man noch nicht betroffen und bedroht ist - damit man zehren kann, wenn der Ernstfall da ist. Ist aber der Ernstfall da, braucht man damit nicht anzufangen.
Wenn der Ernstfall eintrifft, reagiert man ohnehin oft anders-da ist plötzlich irgendwie alles anders...
Beispiel:
Ich war mal in einer Extremsituation(will jetzt aber nicht ins Detail gehn) und ging zu einem befreundeten Ehepaar, um mich auszuheulen..
Man versuchte mich auf eine "christliche, rationale" Art zu trösten :roll:
Als aber dann der Hund des Ehepaars über die Regenbogenbrücke ging-da sah man es dann aber ganz anders und jeglicher Trost scheiterte bei der Ehefrau...
Es ist ein Unterschied, ob man über das Leid eines Hiobs diskutiert und nüchtern betrachtet-oder ob es einem selber trifft, da siehts dann eben schon ganz anders aus...

Und ich denke, genau so ist es was das Threadthema betrifft..
Wie reagiere ich, wenn mein eigenes Kind betroffen ist?
Ich vermute, man kann sowas nur beurteilen -wenn man in so eine Lage rein geworfen ist...
Und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass keiner jemals in so eine Situation kommen muss.

Nicht der Tod ist das Schlimmste, was einem widerfahren kann...

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