Eine AfD-Aussteigerin berichtet

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CoolLesterSmooth
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#171 Re: Eine AfD-Aussteigerin berichtet

Beitrag von CoolLesterSmooth » Sa 10. Nov 2018, 16:27

closs hat geschrieben:Aber das ist doch nicht das Problem Gottes - es ist doch das Problem des Menschen.
Ja, da unter den Menschen die Leidtragenden zu finden sind. Falls man jedoch der Behauptung glauben schenkt, dass die Gesetze von Gott kommen, dann ist es ein Gott-gemachtes Problem.

Was ist "Wohlergehen"? Das, was man dafür hält?
Ja und nein, ich denke wir könnten durchaus Faktoren finden, bei denen sich die Mehrheit einig ist, dass es sich dabei um einen Teil von Wohlergehen handelt, doch dahingehend, wie man diese Faktoren befriedigt und welche Relevanz sie haben, findet man selbst in dieser Mehrheit große Unterschiede. Longo, Coyne und Joseph (2017) beispielsweise nennen 14 verschiedene Faktoren (Happiness, Vitality, Calmness, Optimism, Involvement, Awareness, Acceptance, Self-Worth, Competence, Development, Purpose, Significance, Congruence und Connection), ich denke die würde jeder hier unterschiedlich gewichten.
Einfaches Beispiel: Ich fühle mich schlecht, wenn ich zum Zahnarzt gehe, tue es aber trotzdem, weil ich glaube (!), dass es für mein Wohlergehen langfristig besser ist. - Wenn diese Fähigkeit zur Projektion über den Tag hinaus nicht ausgebildet ist, bleibt man daheim - man spürt ja noch nichts. - Insofern lautet bei jedem Thema die Frage: "Was ist langfristig der richtige Weg?".
Und es geht ja auch nicht nur um das eigene Wohlergehen. Bei so einem einfachen Beispiel ist das natürlich etwas konstruiert, aber ich bin nicht nur für mich selbst verantwortlich, sondern auch für meine drei Kinder, daher ist es wichtig dass ich deren Versorgung nicht durch Vernachlässigung meiner Gesundheit gefährde (natürlich greifen hier auch wieder weitere Faktoren, z.B. ist auch meine Frau berufstätig, es gibt Absicherungen durch den Staat etc, durch das Ausfallenlassen eines Zahnarztbesuchs ist die geregelte Zukunft meiner Kinder nur bedingt gefährdet).

Nach meinem Verständnis muss die damalige Sicht/die damaligen Umstände entscheidend für ein Urteil sein. - Will heißen: Es darf nur darum gehen, ob das in der Bibel Geschilderte in der damaligen Zeit richtig war.
Du sagst es selbst, "ob [es] richtig war", nicht ob es als richtig empfunden wurde. Damals wurde X als moralisch korrekt empfunden, da diese und jene Umstände existierten, aber war X, selbst in Anbetracht dieser und jener Umstände, wirklich moralisch korrekt? Um genau diese Unterscheidung geht mir ja, evtl. habe ich mich einfach nicht klar ausgedrückt.

CoolLesterSmooth hat geschrieben:A) das, was Gott in den mosaischen Gesetzen vorgibt ist (zumindest teilweise) unmoralisch
"Unmoralisch" aus heutiger Sicht oder in virtueller Verantwortung des "Was hätte ich damals als Verantwortlicher gemacht?"?
Selbst wenn wir die Immoralität des ganzen Konzeptes, dass ich einen Menschen besitzen darf durch den Kontext der damaligen Zeit relativieren würden, ich weiß beim besten Willen nicht, wie ein Kontext aussehen muss, in dem ich beispielsweise Exodus 21, (20-)21 als moralisch vertretbar einordnen würde.

CoolLesterSmooth hat geschrieben:B) die mosaischen Gesetze sind nicht von Gott
Das ist reine Glaubenssache. - Aus meiner Sicht ist das AT eine Zeit der Finsternis, in der der ab und an Lichter aufleuchten, die in Vogelschau eine Struktur haben, die ins NT hinweist. - Konkret: Nach meinem Verständnis sind es menschliche Gesetze, die in der Hoffnung gemacht wurden, Gott gerecht zu werden. - Noch konkreter: Wenn es im AT heißt "Gott spricht" (das kommt oft vor), heißt das oft nichts anderes als "Im Namen des Gesetzes" (so würden wir es heute sagen) - es muss also NICHT heißen "Gott spricht in diesem Moment".
Für sich alleine genommen habe ich überhaupt kein Problem mit dieser Ansicht, würde sie sogar unterschreiben, da ich die Gesetze in der Bibel ebenfalls auf Menschen und nicht auf einen Gott zurückführe (ich gehe sogar noch weiter und führe gar nichts in der Bibel auf einen Gott zurück, da ich keine überzeugenden Belege für den Gott der Bibel sehe).
Man könnte jetzt weiter drauf eingehen, woran du dann festmachst, wann in der Bibel tatsächlich etwas so gemeint ist, wie es da steht und wann nicht und ob Glaube überhaupt irgendeinen Wert für diese (oder eine ähnliche) Fragestellung hat. Aber das würde das Thema nur noch weiter zerfasern.

CoolLesterSmooth hat geschrieben:C) unsere moralische Einschätzung bestimmter Sachverhalte (in der wir uns eigentlich einig sind) ist fehlerhaft.
Ich finde schon, dass sie fehlerhaft ist.
Grundsätzlich ja, aber in diesem konkreten Fall? Es sei noch einmal auf Exodus 21,21 verwiesen.

Es geht auch nicht um eine Rein-Waschung von Sklaverei - aber es geht sehr wohl darum, dass jede Kultur ein Wort nach ihren eigenen geschichtlichen Erinnerungen versteht.
[...]
"Sklaverei" im AT kann etwas ganz anderes gewesen sein
Du hängst dich zu sehr an dem Wort "Sklaverei" auf, mir ist eigentlich gleich, wie wir die Praktiken nennen, die im AT legitimiert und gefordert werden, du darfst gerne einen anderen Begriff vorschlagen. Eine andere Bezeichnung ändert jedoch nichts daran, dass es in meinen Augen verachtenswerter Dreck ist. Die [anderer Begriff für Sklaverei] ist da ja auch nur ein Beispiel, die mosaischen Gesetze sind eine Goldgrube der Abartigkeit.
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CoolLesterSmooth
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#172 Re: Eine AfD-Aussteigerin berichtet

Beitrag von CoolLesterSmooth » Sa 10. Nov 2018, 16:57

Magdalena61 hat geschrieben: Wie gesagt: Wer Migranten nicht zu Außenseitern machen und damit in eine Rolle stecken will, aus der sie ihr Leben lang nicht mehr herauskommen, der sollte das Recht auf Asyl auf die wirklich lebensbedrohlichen Fluchtursachen beschränken. Und zwar konsequent.
Was hat die Fluchtursache mit der Integrierbarkeit zu tun?

Ich würde eher den umgekehrten Weg einschlagen und sagen, dass Migranten hier unabhängig vom Grund für die Migration die Chance bekommen sollen, sich ihren Platz zu verdienen. Ich denke jeder, der etwas mehr mit Flüchtlingen zu tun hat oder hatte, kennt Fälle in denen der Wunsch zu Arbeiten da ist, aber die Erlaubnis durch den Staat fehlt, weil noch nicht klar ist, ob die betroffene Person bleiben darf oder nur geduldet ist (oder der Abschiebungstermin bekannt ist), oder das Herkunftsland passt nicht oder was auch immer. Ich kenne Migranten die deswegen Ausbildingsstellen nicht bekommen haben, obwohl zwischen ausbildendem Betrieb und fast-Auszubildenden eigentlich alles klar war, nur die Erlaubnis zu arbeiten hat eben gefehlt und der Betrieb hat nichts davon, seine Ausbildungsstelle auf unbestimmte Zeit unbesetzt lassen und drauf zu hoffen, dass die Behörden in die Puschen kommen.
Mir ist doch egal, ob einer hier ist, weil es daheim Bomben hagelt oder weil er daheim aus welchen Gründen auch immer verfolgt wird oder weil er daheim einfach keine wirtschaftliche Perspektive mehr sieht. Wenn er (oder sie) hier bereit ist, zu arbeiten, dann sollte die Chance gegeben werden. Zum einen wirkt Arbeit Wunder bei der Integration, zum anderen entlastet es den Staat und es fördert die Akzeptanz in der Gesellschaft. Dass es auch Migranten gibt die hier herkommen, um die Früchte des Sozialstaats zu genießen, ist unbestritten und schade, aber ich habe das Gefühl, dass viele Deutsche in ihrer Ablehnung (aus wirtschaftlichen Gründen) gar nicht mehr zwischen denen, die nicht arbeiten wollen und denen, die nicht arbeiten dürfen, unterscheiden.

Dein Ansatz würde das Problem in dieser Hinsicht eher verschärfen, denn wenn man die Asylgründe einschränkt, kommen deswegen ja nicht weniger Menschen, du hast dann einfach nur noch mehr, die in irgendwelchen Einrichtungen rumhängen, weil weil ihnen nicht erlaubt wird, sich ihren Platz zu verdienen.
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#173 Re: Eine AfD-Aussteigerin berichtet

Beitrag von closs » Sa 10. Nov 2018, 17:43

CoolLesterSmooth hat geschrieben:Falls man jedoch der Behauptung glauben schenkt, dass die Gesetze von Gott kommen, dann ist es ein Gott-gemachtes Problem.
Dass Gott will, dass der Mensch im dialektischen Raum von gut und böse zu Eigen-Erkenntnis kommt, ist SEIN Ding - richtig.

CoolLesterSmooth hat geschrieben:aber war X, selbst in Anbetracht dieser und jener Umstände, wirklich moralisch korrekt? Um genau diese Unterscheidung geht mir ja.
Wer soll das entscheiden? - Wer es entschiede, würde immer von SEINEM Verständnis von "moralisch korrekt" ausgehen. - Ich frage mich, ob es damals das Wort "moralisch" in unserem heutigen Verständnis schon gab.

Mit anderen Worten: Man muss (wie immer) hermeneutische Vorannahmen vorschalten, um danach zu urteilen. - Aber welche sind die wahren Vorannahmen? ---Aus göttlicher Sicht scheinen diese Vorannahmen zu sein: Das irdische Leben ist keine Selbstverwirklichungs-Anstalt im heutigen Verständnis, sondern eine Erkenntnis-Anstalt = an die göttliche Wahrheit so weit zu kommen, wie es möglich ist - egal ob über Freude oder Leid.

CoolLesterSmooth hat geschrieben:ich weiß beim besten Willen nicht, wie ein Kontext aussehen muss, in dem ich beispielsweise Exodus 21, (20-)21 als moralisch vertretbar einordnen würde.
Könnte ich ebenfalls nicht. - Aber hier kommt wieder die andere Frage: Wer spricht bei diesen Gesetzen eigentlich?

Mit anderen Worten: Dein Beispiel steht aus meiner Sicht sozusagen für einen "Paragraphen im Strafgesetzbuch", wo bei uns vielleicht stehen könnte "Werden Erlöse auf Immobilien unter 10 Jahren nach Kauf der Immobilie erzielt, sind diese zu versteuern".

CoolLesterSmooth hat geschrieben:Man könnte jetzt weiter drauf eingehen, woran du dann festmachst, wann in der Bibel tatsächlich etwas so gemeint ist, wie es da steht und wann nicht und ob Glaube überhaupt irgendeinen Wert für diese (oder eine ähnliche) Fragestellung hat.
Hehe - das ist intersubjektiv nur unter Menschen nachvollziehbar, die die gleichen hermeneutischen Grundlagen haben, also gleich ticken. - Mit Wissenschaft ist da nix. - Es klingt wie die Frage "Wie willst Du beweisen, dass Mozart geniale Musik geschrieben hat?" - ein Künstler merkt es sofort, jemand der auch Dieter Bohlen für genial hält, sicherlich nicht.

CoolLesterSmooth hat geschrieben:Grundsätzlich ja, aber in diesem konkreten Fall? Es sei noch einmal auf Exodus 21,21 verwiesen.
Im Fall 21,21 würde ich sagen, dass darin KEIN spiritueller Nährwert ist und mit dem, was wir unter "moralisch" verstehen, nicht ansatzweise vereinbar ist. - Beim nächsten oder übernächsten Vers kann es schon ganz anders sein.

CoolLesterSmooth hat geschrieben:Die [anderer Begriff für Sklaverei] ist da ja auch nur ein Beispiel, die mosaischen Gesetze sind eine Goldgrube der Abartigkeit.
Müsste man echt in jedem Einzefall prüfen. - In diesem speziellen Fall sehe ich eher eine Sozial-Regelung für "Menschen zweiten Grads" - also welche Rechte haben sie (immerhin!) und welche nicht. - Man findet dies auch heute con variatione - auch bei uns: Nimm nur mal die Gegenüberstellung "Beamter im Staatsdienst" versus "rumänischer Fließband-Schlachter".

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Münek
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#174 Re: Eine AfD-Aussteigerin berichtet

Beitrag von Münek » Fr 16. Nov 2018, 02:59

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Deine obige Frage ist aus heutiger Erkenntnissicht nur zu beantworten mit "Die Bibel diskriminiert Frauen".
So ist es. Das ist in einer patriarchalischen Gesellschaft so.
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:- Aber es ist halt anders gemeint und eben nur verständlich, wenn man so einen weiten geistesgeschichtlichen resp. spirituellen Bogen macht, wie ich es eben versucht habe - mit anderen Worten: Nicht mehrheitsfähig. :lol:
Nein. Es ist nicht anders gemeint. Vor allem Paulus war ein unverbesserlicher Chauvinist.
So ist es. Dieser Chauvi erdreistete sich sogar, der Frau die EBENBILDLICHKEIT Gottes abzusprechen (1. Kor. 11:7):

"Der Mann darf sein Haupt nicht verhüllen, weil er Abbild und Abglanz Gottes ist; die Frau aber ist Abglanz des Mannes."

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#175 Re: Eine AfD-Aussteigerin berichtet

Beitrag von closs » Fr 16. Nov 2018, 08:05

Münek hat geschrieben:Dieser Chauvi erdreistete sich sogar, der Frau die EBENBILDLICHKEIT Gottes abzusprechen (1. Kor. 11:7)
Wird das im allgemeinen so interpretiert?

Wie auch immer: Wir sind uns einig, dass solche Aussagen heute nicht vermittelbar sind, zumal wir ja nicht wissen, was damit gemeint ist. - Klingt in heutigen Ohren durchaus herb und ist als Vermittlungs-Grundlage nicht geeignet.

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#176 Re: Eine AfD-Aussteigerin berichtet

Beitrag von Martinus » Fr 16. Nov 2018, 09:24

Münek hat geschrieben:
Fr 16. Nov 2018, 02:59
Dieser Chauvi erdreistete sich sogar, der Frau die EBENBILDLICHKEIT Gottes abzusprechen (1. Kor. 11:7):[/b]


tja , wo er recht hat da hat er halt recht. Da kann Mann nix machen.
Angelas Zeugen wissen was!

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Münek
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#177 Re: Eine AfD-Aussteigerin berichtet

Beitrag von Münek » Fr 16. Nov 2018, 19:29

closs hat geschrieben:
Fr 16. Nov 2018, 08:05
Münek hat geschrieben:Dieser Chauvi erdreistete sich sogar, der Frau die EBENBILDLICHKEIT Gottes abzusprechen (1. Kor. 11:7)
Wird das im allgemeinen so interpretiert?
Was gibt es da zu interpretieren? Paulus behauptet, dass der Mann das ABBILD und der Abglanz Gottes sei, die Frau aber der Abglanz des Mannes. Deutlicher kann man doch die Frau nicht herabstufen.

Die Gottes-Ebenbildlichkeit des Menschen (= Mann und Frau) ist im ersten Schöpfungsbericht festgeschrieben. Paulus hat das kackfrech igno-
riert und sich an den zweiten Schöpfungsbericht gehalten, nach welchem die Frau aus der Rippe des Mannes geschaffen wurde und ihm als Ge-
hilfin dienen sollte.

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#178 Re: Eine AfD-Aussteigerin berichtet

Beitrag von Martinus » Fr 16. Nov 2018, 20:03

Münek hat geschrieben:
Fr 16. Nov 2018, 19:29

Was gibt es da zu interpretieren?


Geistlich! Das ist geistlich zu sehen, schon kann interpretiert werden :lol:
Angelas Zeugen wissen was!

closs
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#179 Re: Eine AfD-Aussteigerin berichtet

Beitrag von closs » Fr 16. Nov 2018, 21:24

Münek hat geschrieben:Was gibt es da zu interpretieren? Paulus behauptet, dass der Mann das ABBILD und der Abglanz Gottes sei, die Frau aber der Abglanz des Mannes. Deutlicher kann man doch die Frau nicht herabstufen.
Ich bin da sachlich nicht genau drin, bin aber misstrauisch, weil üblicherweise dumpf-platte Wörtlich-Verstehereien wenig Tiefgang haben. - Habe mal etwas rausgekramt:

Thomas Söding, Lehrstuhl Neues Testament
Katholisch-Theologische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum

"Paulus – Apostel der Frauen
Das negative Image, das Paulus als Frauenfeind hat, widerspricht seiner Beliebtheit, die er seit der Antike bei vielen religiös interessierten, theologisch wachen, kirchlich engagierten Frauen genießt – von Thekla bis Edith Stein.

1. Ein Mann mit großen Stärken und starken Schwächen
Der Blick ins Neue Testament zeigt einen Mann in seinem Widerspruch,

mit großartigen Visionen der Freiheit von Männern und Frauen,

aber auch mit kleinlichen Vorschriften für Frauen um des lieben Friedens willen.

Die Exegese unterscheidet heute mehrheitlich zwischen Briefen, die Paulus eigenhändig verfasst hat,

Briefen, die in seinem Namen – nach seinem Tode – von Schülern verfasst worden sind,

und der Apostelgeschichte des Lukas, die im zweiten Teil dem Missionar Paulus gewidmet ist.

Unter dem Aspekt des Frauenbildes finden sich in den Briefen der Paulusschule
tendenziell restriktivere Tendenzen als in den ursprünglichen Schreiben, während
die Apostelgeschichte die Nähe des Paulus zu Frauen, seinen Einsatz
für sie und seine Unterstützung durch sie betont. Paulus ist ein männlicher Typ mit einer männlichen
Sprache („Brüder“), der vor allem mit Männern zusammengearbeitet hat; aber durch seine Theologie,
seine Mission und seine Spiritualität, seine Betonung der Taufe und des Glaubens, seinen
Einsatz für Bildung und Caritas, mehr für Frauen, ihr Selbstbewusstsein und ihre
Freiheit getan hat, als alle anderen Figuren des Urchristentums. Wie wichtig in
seinem Kirchen - und Menschenbild Frauen sind, wird oft übersehen.

2. Der Sohn einer jüdischen Mutter
Paulus hat sein Judesein nie verleugnet; er war stolz, „Hebräer von Hebräern“ zu sein.
Jude ist man aber durch eine jüdische Mutter. Der Name der Mutter wird
leider (wie der des Vaters) nicht überliefert; aber die Bedeutung der Mutter für den
jüdischen Messias Jesus hat Paulus in Gal 4,4f. betont; und nach den
Pastoralbriefen bezieht er sich auf den Glauben seiner Familie (2Tim 1,3), wobei er
unmittelbar danach mit Blick auf Timotheus dessen jüdische Mutter und
Großmutter erwähnt (2Tim 1,5).

3. Der Anwalt fraulicher Freiheit
Paulus entwickelt eine starke Theologie der Taufe und des Glaubens. Weder im
Glauben noch in der Taufe gibt es einen Unterschied zwischen Mann und Frau.
Das hat Paulus aus der urchristlichen Tauftheologie aufgenommen und theologisch
im Zeichen der Freiheit reflektiert. Die Beschneidung, die Paulus programmatisch
den Heidenchristen nicht auferlegt, unterscheidet zwischen Mann und Frau, die
Taufe nicht.

3. Der Gesprächspartner Lydias
Der erste europäische Christ ist eine Christin, die Purpurhändlerin Lydia in der
römischen Kolonie Philippi. Sie stellt ihr Haus Paulus, seinen Begleitern und der
ersten christlichen Gemeinde zur Verfügung. Sie ist nicht nur Objekt paulinischer
Belehrungen, sondern Gesprächspartnerin des Paulus. Es gibt viele weitere starke
Frauen in der Umgebung des Paulus, z.B. Priska, die mit ihm befreundete Ehefrau
Aquilas, in deren Betrieb er gearbeitet hat, als die Juden aus Rom vertrieben
worden waren und sich erst in Korinth, dann in Ephesus niedergelassen hatten
(Apg 18,2.18.26; 1Kor 16,9; Röm 16,3).

4. Der Fürsprecher Phoebes
Phoebe ist diejenige, die den Römerbrief von Korinth aus, wo Paulus ihn
geschrieben hat, in die Hauptstadt des römischen Imperiums gebracht und dort
www.rub.de/nt3 vermutlich auch erläutert hat. Sie ist Diakonin der Gemeinde von Kenchraeae,
einer Hafenvorstadt Korinths (Röm 16,1f.) und dort vielleicht vor allem für die
Diakonie, vielleicht aber auch für andere Gemeindeangelegenheiten tätig. Ob man
von einem regelrechten Diakonat schon sprechen kann, ist freilich strittig, weil die
Amtstheologie noch stark im Fluss ist.

5. Der Partner Junias
In Röm 16,7 grüßt Paulus jüdische Apostel, die er aus gemeinsamer
Gefangenschaft kennt. Andronikus und Junia(s). Für das gesamte
Altertum handelte es sich um ein Paar (wie Aquila und Priska). Seit dem Mittelalter erfährt
Junia jedoch eine theologische Geschlechtsumwandlung, die noch heute die
Einheitsübersetzung wie die Lutherbibel prägt.

6. Der Verfechter häuslicher Werte
Die Haustafeln, die sich nicht in echten Paulusbriefen, aber in Schreiben der
Paulusschule finden (Kol 3,18-4,1; Eph 5,22-6,6; vgl. 1Petr 2,18-
3,7), propagieren das Bild einer heilen Familie, in der sich alle Mitglieder rollenkonform
verhalten, wobei gesellschaftliche Konventionen die Rollen definieren, Haustafeln verbinden
ein konservatives Familienethos mit mehr oder weniger ausgeführten theologischen
Begründungen. Haustafeln schenken dem Verhältnis von Mann und Frau sowie
den Beziehungen zwischen Sklaven und Freien besondere Aufmerksamkeit.
Haustafeln betonen im Unterschied zu Paralleltexten die Reziprozität der
Beziehungen.

7. Der Verteidiger der Mutterschaft
In den Pastoralbriefen kämpfen Paulusschüler
gegen eine „Gnosis“, die Sexualität verteufelt; sie propagieren christliche Mutterschaft (1Tim 2,15). Sie sehen nicht in den Schmerzen der Geburt eine Strafe Evas für den Sündenfall
(wie Gen 3,16), sondern eine Möglichkeit der Rettung für Eva, die sich hat verführen lassen.

8. Der Gegner weiblicher Lehre
In 1Kor 14,33-36 (vielleicht einer Interpolation) und in 1Tim 2,11-15 (einem höchstwahrscheinlich nachpaulinischen
Schreiben) wird Frauen das öffentliche Lehren in der Kirche verboten
– nicht, weil sie dumm bleiben sollen oder nichts zu
sagen hätten, sondern weil sich andere Sprecherrollen herausgebildet haben,
nämlich die gestandener Männer, die als Bischöfe fungieren sollen (1Tim 3). Der
Erste Korintherbrief argumentiert mit dem „Gesetz“ und dem allgemeinen Brauch,
der Erste Timotheusbrief auf widersprüchliche Weise mit der Schöpfungs - und
Sündenfallgeschichte.

9. Der Förderer weiblicher Diakone
In der Exegese des Ersten Timotheusbriefes ist bis in die heute führenden
Bibelübersetzungen hinein strittig, ob im Passus über die Diakone in 1Tim 3,11
deren Frauen oder weibliche Diakone gemeint sind – was immer deren besondere
Aufgabe unter dem Vorzeichen des Lehrverbotes von 1Tim 2,11-15 gewesen sein
könnte.

10. Der schwierige Freund Evas
In einer schwierigen Passage des Ersten Korintherbriefes, da Paulus sich mit
Fragen des Gottesdienstes zu beschäftigen beginnt, will er durchsetzen, dass auch
in Korinth – wie in jüdischen und judenchristlichen Gemeinden üblich –
Frauen, wenn sie im Gottesdienst prophetisch reden oder vorbeten (was sie nach 1Kor
14,33-36 eigentlich gar nicht dürften), einen Schleier tragen oder aber eine Frisur,
die das Haar nicht offen lässt (wie bei ekstatischen Mänaden). Um dies zu
begründen, setzt Paulus zuerst bei einer traditionellen Genesis –
Exegese an, die (wie später in 1Tim 2) die Inferiorität der Frau gegenüber dem Mann betont; von
der Christologie her aber bemerkt er die Unhaltbarkeit dieses Vorgehens und stellt
seine Anthropologie vom Kopf auf die Füße (1Kor 11)."


Ich diskutiere diese Äußerungen nicht - wenn ich doof wäre, würde ich jetzt sagen, dass ich mit diesem Zitat etwas "nachweisen" kann. :lol:

Martinus hat geschrieben:Geistlich! Das ist geistlich zu sehen, schon kann interpretiert werden
Richtig - alles andere ist Schwachsinn. - Man interpretiert Musik ja auch nicht damit, dass man mit Blaumann Musik-Instrumente transportiert.

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sven23
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#180 Re: Eine AfD-Aussteigerin berichtet

Beitrag von sven23 » Sa 17. Nov 2018, 07:13

closs hat geschrieben:
Fr 16. Nov 2018, 21:24
Ich diskutiere diese Äußerungen nicht - wenn ich doof wäre, würde ich jetzt sagen, dass ich mit diesem Zitat etwas "nachweisen" kann. :lol:

Das wäre ja auch in der Tat doof, denn du hast lediglich bewiesen, dass Söding die historisch-kritische Methode mit Kanonik verhunzt. Das ist schon einmal bei Ratzinger gescheitert.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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