Arme Bettler

Politik und Weltgeschehen
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Pluto
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#1 Arme Bettler

Beitrag von Pluto » So 20. Okt 2013, 23:32

Zum Thema Betteln hatte ich letzte Woche ein persönliches Erlebnis was mich zum nachdenken anregte, und nun möchte ich mal die Meinungen hier erfragen.

Doch zuerst die Situation.
Ich war letzte Woche in Deutschland und nutzte die Gelegenheit zum Grosseinkauf im Supermarkt. Als ich gerade damit begonnen hatte, den Inhalt meines vollbeladenen Einkaufswagen in mein Auto umzuladen, erschien auf einmal aus dem Halbdunkel des Parkplatzes ein nahöstlich aussehender Mann mittleren Alters, mit schmutzigen Kleidern und Dreitagebart, und murmelte in gebrochenem, fast unverständlichen Deutsch ob ich ein paar Euros übrig hätte. Ich verneinte so höflich wie möglich. Danach auf dem Nachhauseweg dachte über diese Situation nach: Hatte ich richtig gehandelt?

Sehr peinlich... Stell dir vor du kommst gerade mit voll gepacktem Einkaufswagen aus dem Laden und verweigerst einem armen Schlucker ein, zwei Euros die dir nicht wirklich fehlen würden.
Dann sagte ich mir als Gegenargument, in Deutschland muss doch Keiner wirklich hungerleiden.... Jeder kann ja Hartz IV, Wohngeld, usw. beantragen, und selbst im Asylantenheim werden die Leute mit dem Nötigsten versorgt.

War mein Verhalten richtig, den Mann abzuweisen, von dem ich nicht wusste ob er das Geld wirklich gebraucht hätte, oder ob er nur eine Show abzog um mich abzuzocken? Habt ich Ähnliches erlebt? War euch die Situation peinlich? Wie habt ihr reagiert?

Was denkt ihr, wäre das richtige Verhalten (a) aus christlicher Sicht, und (b) aus humanitärer Sicht?
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closs
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#2 Re: Arme Bettler

Beitrag von closs » Mo 21. Okt 2013, 00:01

Pluto hat geschrieben:Was denkt ihr, wäre das richtige Verhalten (a) aus christlicher Sicht, und (b) aus humanitärer Sicht?
a und b sollten in pastoralen Dingen dasselbe sein. Aber was?

Es gibt sowohl Profi-Faulenzer als auch richtig arme Menschen - man kann das oft nicht unterscheiden. - Wir haben das folgendermaßen gelöst:

Bei Straßenmusikanten geben wir (fast) immer was. - Ansonsten fragen wir (nicht immer, aber oft) und bekommen oft die Antwort: "Ich habe Hunger" oder "Die Kinder haben Hunger". - Daraufhin bietet meine Frau an, etwas zu essen zu kaufen. - Manche wenden sich ab (aha!!) - andere sind dankbar für das Angebot. - Wird das Angebot gerne angenommen, sind wir recht großzügig. - Etwa jeder Dritte will was essen.

Pluto
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#3 Re: Arme Bettler

Beitrag von Pluto » Mo 21. Okt 2013, 00:22

closs hat geschrieben: Daraufhin bietet meine Frau an, etwas zu essen zu kaufen. - Manche wenden sich ab (aha!!) - andere sind dankbar für das Angebot. - Wird das Angebot gerne angenommen, sind wir recht großzügig. - Etwa jeder Dritte will was essen.
Eine ausgezeichnete Alternative die schnell die "Spreu vom Weizen" trennt. Danke.
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Magdalena61
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#4 Re: Arme Bettler

Beitrag von Magdalena61 » Mo 21. Okt 2013, 00:30

Aber wenn ich vor einem Discounter angesprochen werde, zuerst noch die gekaufte Ware ins Auto laden muß-- bei mir dauert das immer etwas länger, da ich fast immer mit einem sehr voll bepacktem Einkaufswagen zum Fahrzeug komme-- und ich bin müde und habe Kinder dabei, und die fangen auch an zu nerven, dann möchte ich nach Hause und nicht nochmals in den Markt hineinlaufen müssen.

Mir gefällt es nicht sonderlich, abends auf einem Parkplatz, möglichst noch abseits, also da, wo nicht so viel Licht ist, angesprochen zu werden. Das hat so etwas von Überrumpelung an sich.
Gleichzeitig muß man aufpassen, nicht einem Trickbetrüger(duo) aufzusitzen, deshalb: Handtasche mit Geldbeutel und allen Karten vor dem Beifahrersitz im Fußraum verstauen, während die gekaufte Ware in die Kisten im Laderaum einsortiert wird und -- die Türen abschließen.
Den Autoschlüssel habe ich immer in der Hosen- oder Manteltasche.
Um mich nicht selbst auszusperren. -- Wenn die Türen per Funkfernbedienung verriegelt werden, dann ist die Klappe des Kofferraums ebenfalls abgeschlossen, sobald ich sie zumache, und dann käme ich selber nicht mehr ins Auto hinein.
LG
God bless you all for what you all have done for me.

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#5 Re: Arme Bettler

Beitrag von closs » Mo 21. Okt 2013, 00:56

Magdalena61 hat geschrieben:und ich bin müde und habe Kinder dabei, und die fangen auch an zu nerven, dann möchte ich nach Hause und nicht nochmals in den Markt hineinlaufen müssen.
Sehr verständlich. - Da haben wir einfach in unserer Lebensphase viel mehr Spielräume.

Mimi
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#6 Re: Arme Bettler

Beitrag von Mimi » Mo 21. Okt 2013, 02:47

Also bei uns in Freiburg ist das auch so eine Sache.
Es gibt wirklich Bedürftige: Gebe ich gern was.
Es gibt organisierte Schwindler – bandenmäßig. Wenn sie deutlich identifiziert sind: Nein.
Und Alkoholiker:
Meine Freundinn arbeitet in einem kleinen Geschäft, wo ich sie oft besuche. Fast täglich steht ein Mann draußen, ca 40 Jahre (in gewisser Weise bedürftig, da in Fetzen bekleidet). Diesem geben wir nichts. Er geht auf alle Leute zu und fragt wörtlich nach Geld zum Essen. Direkt nebenan ist ein Crepes-Imbiss. Dorthin ging eine Dame und kaufte ihm eine Mahlzeit.
Er warf das Essen vor ihr angewidert auf den Boden. Wir wissen, dass er Alkoholiker ist und ausschließlich für seine Sucht sammelt. Die Passanten wissen das natürlich nicht.

Solange ich aber nicht unterscheiden kann, ob jemand echt bedürftig ist – oder es sich um Schwindel handelt, gebe ich trotzdem etwas, ist sein Problem, wenn's nicht stimmt.
Allderdings nicht spät, bei Dunkelheit und in finsteren Ecken....
LG
"Jedes menschliche Wunschbild,
das in die christliche Gemeinschaft mit eingebracht wird,
hindert die echte Gemeinschaft und muss zerbrochen werden,
damit die echte Gemeinschaft leben kann."
Dietrich Bonhoeffer

barbara
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#7 Re: Arme Bettler

Beitrag von barbara » Mo 21. Okt 2013, 07:38

Mimi hat geschrieben: Er warf das Essen vor ihr angewidert auf den Boden. Wir wissen, dass er Alkoholiker ist und ausschließlich für seine Sucht sammelt. Die Passanten wissen das natürlich nicht.

Wenn einer in der Position angekommen ist, braucht er wohl auch genügend starken Stoff, um überhaupt den nächsten Tag überleben zu können... und ja, Alkohol ist auch Nahrung.

Betteln ist in jedem Fall etwas Beschämendes. Keiner, der das tut, hat ein Leben, mit dem ich tauschen möchte. Wirklich nicht. Ich mag da auch keinem eine Sucht vorwerfen. Und sicher nicht argumentieren, dass eine Sucht keine "echte" Bedürftigkeit sei. Im Gegenteil, Sucht IST Bedürftigkeit, und das von der übleren Sorte. Da hab ich Mitgefühl und nicht das Bedürfnis nach Moralpredigten.

- ich geb eher selten was, doch wenn, dann nicht nur ein paar Cent sondern grad grosszügiger. Wenn es sehr kalt ist, dann geb ich eher als im Sommer.

letzthin sass ihc mal in einem Café, nebenan zwei Frauen, die während längerer Zeit (während ich meinen Kaffee trank) über den Bettler lästerten, der draussen vor dem Kaffee sass. Vermutlich eine Person aus Rumänien. Vermutlich eine Person, die im Familienverband organisiert ist. Da geb ich üblicherweise nichts, doch das Gelästere der beiden Damen (die beide wohlhabend und bequem aussahen) hat mich so genervt, dass ich beim Rausgehen demonstrativ eine Note spendierten. argh.

gruss, barbara

Pflanzenfreak
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#8 Re: Arme Bettler

Beitrag von Pflanzenfreak » Mo 21. Okt 2013, 08:49

...wenn ich meinen Geldbeutel nicht vor seiner Nase rausklauben muss geb ich schon mal was. Z.B. den Euro vom Einkaufswagen oder so....

Malika
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#9 Re: Arme Bettler

Beitrag von Malika » Mo 21. Okt 2013, 13:12

Als ich in die Großstadt zog, hatte ich anfangs große Probleme, überhaupt nein zu sagen und gab da echt zu viel, das merkte ich und da dann schon. Inzwischen gehe ich häufig vorbei, denn an manchen Ecken sind es zu viele und manche sind auch zu unverschämt. Da sah ich einmal zwei bettelnde Punks und ging dann hinter ihnen vorbei, sodass dazwischen noch ein Stromkasten war, da rief mir noch einer nach: "Ey, nicht einfach vorbeigehen!" Da sehe ich es nicht ein. Hin und wieder kaufe ich mal so eine Straßenzeitung und gebe dann etwas mehr. Aber ich werde generell ungerne angesprochen und mache deshalb häufig einen Bogen, wenn jemand etwas von mir zu wollen scheint.

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