Die Idee der Schönheit bei Schiller und Kant

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Demian
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#1 Die Idee der Schönheit bei Schiller und Kant

Beitrag von Demian » Mi 6. Nov 2013, 18:21

„Schönheit ist Freiheit in der Erscheinung“.[1] Dies ist Schillers Definition der Schönheit. Und diese ist es auch, die ihn von dem kantischen Ästhetikbegriff entfernt - oder ihn zumindest in ein verändertes Blickfeld rückt. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß Kant es war, der den Ästhetikbegriff als eine eigenständige philosophische Disziplin erschlossen und als verschieden von denen erkannt hat, die das theoretische Erkennen und das sittlich-praktische Handeln konstituieren.[2] Der Ästhetikbegriff wird von ihm als eigenständige philosophische Disziplin, neben denen der Ethik und der Wissenschaft aufgefaßt.

Für Kant ist die durch die Schönheit sich ausdrückende Ästhetik nicht objektivierbar und somit auch nicht durch theoretische oder praktische Philosophie zu erklären. Für ihn bedarf es anderer Prinzipien, um die „im Geschmacksurteil subjektiv beanspruchte Allgemeingültigkeit“ der Schönheit zu erklären.[...]

Der Vernunfts-, der Sinnlichkeits- und der Schönheitsbegriff bei Kant und Schiller

Schiller bewegt sich, so sagt er zu Beginn seiner Abhandlung über die ästhetische Erziehung des Menschen selber, bei seinen eigenen philosophischen Versuchen immer auf der Grundlage Kants.[5] Diese wird jedoch von ihm insofern erweitert, als daß er versucht, den sinnlichen Trieb, der bei Kant die Glückseligkeit ausmacht und zur Selbstliebe führt, als einen eigenständigen und wichtigen Trieb im Menschen zu konstituieren. Für Schiller ist es nicht möglich, diesen sinnlichen Teil des Menschen zu verleugnen. Er sieht den Bereich des ästhetischen Genusses, in dem für Schiller die Sinnlichkeit eine bedeutende Rolle spielt, als ein „Widerspiel des menschlichen Wesens“.[6] Er sagt aber auch, daß Schönheit zwar eine lustvolle Anschauung ist, in diese aber durchaus auch die Reflexion, also der Verstand hineinspielen würde.[7]

Schiller gründet seine Überlegungen darauf, daß er selber mit seinen Ausführungen in der ästhetischen Erziehung des Menschen dem Leser den Weg weisen möchte, die Menschen führen möchte, um den Verderbnissen der Zeit zu entfliehen. Gleich zu Beginn wendet er den Blick jedoch in eine Richtung, die für diese Aufgabe zumindest ungewöhnlich scheint, worauf er fast entschuldigend in einem eigenen Statement hinweist.[8] Anstatt sich mit dem Staate konkret auseinanderzusetzen (denn auf die Optimierung dessen gipfeln seine Ausführungen), thematisiert er die Ästhetik, durch die die Menschen in das Stadium der Freiheit gelangen sollen.

Schiller stellt dafür zwei im Menschen vorhandene Triebe vor, die in einem Widerstreit zueinander stehen - nämlich den Sinnlichen- und den Vernunfttrieb. Diese Pole, die für den Menschen in seiner Existenz bedeutend sind, müssen seiner Einschätzung nach miteinander verbunden werden. Für ihn als Poeten ist dafür die Ästhetik prädestiniert. Sie soll die Entfernung dieser beiden Pole im Menschen mindern und so dem Menschen ermöglichen zu einer Einheit zu gelangen. An dieser Stelle sollte man sich erneut die Definition Schillers von Schönheit nochmals in Erinnerung rufen, demzufolge Schönheit Freiheit in der Erscheinung ist.[9] Er versucht Schönheit als etwas autonomes darzustellen, ein Faktum, das im Menschen neben dem sinnlichen Trieb und dem Gesetz der Vernunft vorhanden ist. Ein Versuch, der ihn von der Position Kants unterscheidet, der eben keinen eigenständigen Ästhetikbegriff entwickeln konnte und glaubte, „der Mensch, der die Erfahrung des Schönen nicht aufgrund eines spezifischen Vermögens, eines sensus aestheticus etwa, macht, sondern in der Anspannung aller seiner Vermögen, ist in dieser ästhetischen Erfahrung auch im Ganzen seiner Vermögen und Kräfte betroffen, die seine sinnlich-vernünftige Natur ausmachen...“.[10] Ausdrücklich betont Schiller, daß die durch Schönheit erlangte Freiheit sich nicht vor der Natur beugen muß, daß sie zugleich aber in einem Zusammenhang mit dem Vernunftswesen (er nennt es Vernunftsvolk) steht.[11] Es ist die Tiefe der Schönheit, die das Rätsel der Welt zu lösen scheint ohne dieses jedoch erklären zu können und dadurch selber zum größten Rätsel empor wächst,[12] die Schiller in ihren Bann zieht und die seiner Auffassung nach nicht nur auf der Verstandesebene zu suchen ist.

Für Kant entstammt der ästhetische Genuß zuerst aus dem Erkenntnisvermögen. Es ist ein Genuß der erst durch die Verstandesebene entsteht und „erst durch nachträglich hinzutretende Akte ein Gastrecht auch in der Welt des tätigen Menschen, als ein Symbol seiner sittlichen Vollkommenheit“ erhält. Diese Auffassung kann Schiller nicht teilen. Er sagt, daß Schönheit und Ästhetik im Grunde mehr sein muß als das menschliche Erkenntnisvermögen; wenn sie das Innerste des Menschen derartig berührt und trifft, muß auch dessen Grund im tätigen Menschen gesucht werden.[13] An dieser Stelle verweist Schiller auf den Begriff der Sittlichkeit[...]
( Alexander Miró, Quelle )


closs
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#2 Re: Die Idee der Schönheit bei Schiller und Kant

Beitrag von closs » Mi 6. Nov 2013, 21:45

Na, lieber Demian, da schlägst Du jetzt aber richtig zu.

Eine Ergänzung dazu: Die Begriffe "Klassik" und "Romantik" haben insofern etwas mit diesem Thema zu tun, dass die Klassik nie etwas schön finden kann, was unsittlich ("böse") ist. Die Romantik dagegen trennt das strikt - Beispiel:

Als die Heimatstadt meiner Mutter im Krieg zerbombt wurde, hat man von den umliegenden Hügeln dieses Schauspiel sehen können: Die Schwärze der Nacht war durchbrochen von den nach oben schießenden Flag-Geschossen, von oben einschlagende Brandbomben und "Christbäume" (so nannte man die die langsam sinkenden Beleuchtungs-Bomben, damit die Bomber sehen konnten, wo sie ihre Bomben abzuladen hatten) - nach und nach haben dann die Bomben die ganze Stadt in Flammen aufgehen lassen. Dazu die akustische Begleitung von Motorengeräuschen und Explosionen.

Der Klassiker hätte dazu sagen können: "Dies ist ein schreckliches Schauspiel, weil es böse ist". - Der Romantiker hätte sagen können: "Das ist ein schönes Schauspiel, weil es so aussieht - egal ob es gut oder böse ist".

Schiller war eigentlich in seiner ästhetischen Zeit ein Klassiker, weshalb ich vermute, dass der das "Eigenleben" der Ästhetik unbewusst oder bewusst mit einem klassischen Ideal verbunden hat (etwa im Sinne von: "Böses kann nicht schön sein". - Am Ende seines Lebens war Schiller übrigens Romantiker (siehe "Demetrius") - ohne es zu wollen. Aber das wäre ein anderes Thema.

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