Rilke und die Religion der Lust

Literatur, Malerei, Bildhauerei
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Demian
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#1 Rilke und die Religion der Lust

Beitrag von Demian » Mo 24. Jun 2013, 23:49

„Die gemeinsame Zeit war für Rilke, langjähriger Sekretär und Freund Rodins, von unschätzbarem Wert für sein künstlerisches Schaffen. Beide sahen die Leidenschaft und die Erotik der Liebe als eine maßgebliche Bedingung für ihr Werk an. Die Kunst sei ein geistiger Schaffensprozess. Sie "stammt von dem physischen her, ist eines Wesens mit ihm und nur wie eine leisere, entzücktere und ewigere Wiederholung leiblicher Wollust." Rilke und Rodin versuchen in Bild und Wort, die animalische Leidenschaft und die Flüchtigkeit des erotischen Augenblicks, einer Bewegung oder eines Momentes einzufangen.

Rilkes Auffassung von Leidenschaft und Lust wird schnell offenbar. Die Tatsache, dass die Erfahrungen mit diesen Phänomenen als von den meisten Menschen leichtfertig abgetane Trivialität aufgefasst wurde, "daß fast alle diese Erfahrung mißbrauchen und vergeuden und sie als Reiz an die müden Stellen ihres Lebens setzen und als Zerstreuung statt als Sammlung zu Höhepunkten", war Rilkes Motivation, sich intensiver mit dem Thema auseinander zu setzen. Immer wieder finden sich in seinen Gedichten implizite Aufforderungen, das wahre Gefühl nicht zu verleugnen oder zu missbrauchen, sondern als einen bewussten Prozess zu fühlen. "O daß der Mensch dieses Geheimnis, dessen die Erde voll ist bis in ihre kleinsten Dinge, demütiger empfinge und ernster trüge, ertrüge und fühlte, wie schrecklich schwer es ist, statt es leicht zu nehmen."

Rilke folgt seinen eigenen Prinzipien. Immer wieder versucht er, dem konkreten Wesen der Liebe auf den Grund zu gehen, sie zu entdecken und zu umschreiben. Starke Bilder einer animalischen Natur, der Erdverbundenheit lösen sich ab mit Attributen von großer Reinheit, Klarheit und Pathos. Ein immer währender Kult der Empfängnis, der Neuschaffung, der Hingebung und der Liebe wird beschworen. Sexualität artikuliert sich deutlich, aber nicht plump. Sie steht als Symbol der Befreiung, gar der Wiedergeburt, zumindest jedoch als Bedingung für das geistige Überleben des Menschen.Liebe wird gefeiert als Weg, das Göttliche im Menschen zu befreien - als Heilsweg zum Besseren. Rilke zelebriert seine subjektive Wahrnehmung der Ästhetik als Religion der Sinne. “

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