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#11 Re: Wie modern darf Theater sein (was die Inszenierung betri

Verfasst: Mi 25. Sep 2013, 16:07
von Catholic
Janina,ich finde es auch in Ordnung,die Ausstattung und die Kostüme zu aktualisieren,wenn es Beides zum Stück,dessen Inhalt und Aussage passt,aber genau daran happert es oft.
Wenn der Komponist eine Oper bewusst im 18.Jahrhundert spielen lässt um darin bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse der Zeit damals anzuprangern,dann macht es wenig bis keinen Sinn,das Stück in die Gegenwart zu "übertragen",am "Besten" noch mit einem Schauspieler,der sich zwischenzeitlich auf der Bühne auszieht...wobei das noch "harmlos" wäre.

Janina hat geschrieben: Die Menschheit und ihr Streben nach Glück und Liebe wird sich seit Jahrtausenden kaum verändert haben, da halte ich es nur für angebracht, die Ausstattung zu aktualisieren.

#12 Re: Wie modern darf Theater sein (was die Inszenierung betri

Verfasst: Mi 25. Sep 2013, 16:30
von Janina
Ach, ich denke eher, Brechts "Zurückdatierung" in den 30jährigen Krieg ist bereits eine Satire auf die Gegenwart. Weil Gegenwart halt heute genauso ist.

#13 Re: Wie modern darf Theater sein (was die Inszenierung betri

Verfasst: Mi 25. Sep 2013, 21:12
von Pluto

#14 Re: Wie modern darf Theater sein (was die Inszenierung betri

Verfasst: Mi 25. Sep 2013, 23:51
von Magdalena61
Catholic hat geschrieben:Wenn der Komponist eine Oper bewusst im 18.Jahrhundert spielen lässt um darin bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse der Zeit damals anzuprangern,dann macht es wenig bis keinen Sinn,das Stück in die Gegenwart zu "übertragen",am "Besten" noch mit einem Schauspieler,der sich zwischenzeitlich auf der Bühne auszieht...wobei das noch "harmlos" wäre.
*zustimm* Die Inszenierung sollte die Aussage; den Inhalt eines Stückes nicht verändern oder gar pervertieren, sondern unterstreichen; verdeutlichen, und damit die eigenen Aktivitäten der Absicht des Komponisten/ Autors unterordnen.

Aber mit der Bibel verfährt man ebenso. Anstatt (demütig) den Willen Gottes zu erforschen und zu verstärken, degradiert man sie zu einem Ideenlieferanten zwecks Legitimation eigener Pläne und Wünsche.
LG

#15 Re: Wie modern darf Theater sein (was die Inszenierung betri

Verfasst: Do 26. Sep 2013, 06:36
von barbara
Janina hat geschrieben:Ach, ich denke eher, Brechts "Zurückdatierung" in den 30jährigen Krieg ist bereits eine Satire auf die Gegenwart. Weil Gegenwart halt heute genauso ist.

Zustimmung zu dem.

Autoren müssen auch uneitel genug sein, ihr Stück an die Regisseure zu übergeben, die damit alles von "wortwörtliches Halten an alle Details" bis "freie Interpretation im Sinn unverbindlicher Empfehlungen" damit anstellen können.

Ob der Geist des Stücks damit getroffen wird, ist wohl dem Talent des Regisseurs und der Schauspieler überlassen, nicht unbedingt eine Frage danach, wie textgetreu ausgestattet und aufgeführt wurde.

grüsse, barbara

#16 Re: Wie modern darf Theater sein (was die Inszenierung betri

Verfasst: Do 26. Sep 2013, 09:09
von Demian
Was Modernität anbelangt: „[...]Sehen Sie: seit den ersten Versuchen des Einzelnen, unter der Flut flüchtiger Ereignisse sich selbst zu finden, seit dem ersten Bestreben, mitten im Gelärm des Tages hineinzuhorchen bis in die tiefsten Einsamkeiten des eigenen Wesens, – giebt es eine Moderne Lyrik.
[361] Und das ist – bitte erschrecken Sie nicht – etwan seit dem Jahre 1292. Dieses ist das Jahr aus dem Advente der großen Renaissance, in welchem Dante die einfache Geschichte seiner ersten, jungen Liebe in der Vita nuova erzählt. Wer durchaus Stammbäume liebt, der möge ruhig in dem Dichter der Divina Comedia den Ahnherrn unseres jungen Dichtergeschlechtes erkennen und eingestehen, daß es von altem Adel ist. Den anderen wieder kann ich die Versicherung geben, daß in dem Vorbilde des hohen Florentiners für jeden Schaffenden die Gewähr liegt, ein ahnenloser Erster zu sein, wenn er nur tief genug in sich hineinhorcht bis zu jenem Nochniegesagten und Neuen, welches mit ihm beginnt[...]
“ - Rainer Maria Rilke

Außerdem Egon Schiele: „Kunst kann nicht modern sein; Kunst ist urewig.“ Diese beiden Denkrichtungen beschreiben sehr gut den Spannungsbogen der modernen Kunst. Für Rilke ist moderne Kunst ein persönlicher Seelenausdruck des Menschen, die dem eigenen Wesen entnommene Vorstellungswelt. Als wäre man ein ahnenloser Erster. Schiele hingegen negiert lieber gleich solche Unterteilungen - und ist damit ( im rilkeschen Sinne ) natürlich auch modern. Arbeitstechnisch befreit er sich dadurch aber von einengenden Begrifflichkeiten. So gesehen ist er also durchaus hypermodern.

#17 Re: Wie modern darf Theater sein (was die Inszenierung betri

Verfasst: Do 26. Sep 2013, 10:56
von Demian
Janina hat geschrieben:Ich denke schon, dass der "Zeitgeist" öfter als vermutet äußerst modern ist. Die Menschheit und ihr Streben nach Glück und Liebe wird sich seit Jahrtausenden kaum verändert haben, da halte ich es nur für angebracht, die Ausstattung zu aktualisieren.

Wenn man ein Stück schreibt - oder überhaupt schöpferisch tätig ist - liegt es eigentlich auf der Hand, dass niemand die eigenen Erzeugnisse derart betrachtet, interpretiert und aufgreift, wie man selbst. Ein Autor könnte es sich nicht leisten nachzuahmen, was einmal Mittelalter bei Chrétien de Troyes und Wolfgang von Eschenbach war. Ebenso verhält es sich mit der Inszenierung eines Stücks. Ich denke, wenn ein Künstler etwas veröffentlicht, dann verselbstständigt sich das Werk und es gehört in gewisser Weise der Welt.

Frei nach Thomas Bernhard: im Theater misslingt die Realisierung eines Stückes immer ( gemessen an der jeweiligen Vorstellung des Dichters beim Entwurf ). Er hatte darum eine sehr ablehnende Haltung gegenüber dem Theater; ich selbst sehe das weniger engstirnig: die Leute arbeiten eben mit dem Material.

#18 Re: Wie modern darf Theater sein (was die Inszenierung betri

Verfasst: Do 26. Sep 2013, 15:24
von Catholic
Besonders bei der Ausstattung kann das auch daneben gehen,wenn das Stück "klassisch" inszeniert wird ("Boss nicht modern!") und es dadurch angestaubt wirkt.
Umgekehrt muss man ein Stück nicht auf Biegen und Brechen in die Gegenwart "transportieren".
Wesentlich ist meiner Überzeugung nach,dass der Geist des Stückes getroffen wird.

barbara hat geschrieben: ...
Ob der Geist des Stücks damit getroffen wird, ist wohl dem Talent des Regisseurs und der Schauspieler überlassen, nicht unbedingt eine Frage danach, wie textgetreu ausgestattet und aufgeführt wurde.

grüsse, barbara

#19 Re: Wie modern darf Theater sein (was die Inszenierung betrifft)

Verfasst: Di 6. Mär 2018, 23:32
von Munro
Catholic hat geschrieben:Hallo,

wie seht ihr das mit den modernen,"zeitgenössischen" Theaterinszenierungen?
Findet ihr das grundsätzlicht gut oder steht ihr dem eher skekptisch gegenüber?
Ich frage deswegen,weil ich hier im Theater vor längerer Zeit eine Inszenierung von "Mutter Courage" gesehen habe,bei der mir Bert Brecht direkt leid tat,denn von seinem Stück war--mit Ausnahme der Personen und Dialoge nichts mehr zu erkennen.
Und ich schreibe es bewusst so, weil Brecht manche Szenen bewusst in einer bestimmten Zeit spielen liess.

Lieben Gruss
Euer Catholic,mittlerweile an den "modernen" Inszenierungen verzweifelnd.


Gutes Thema!
Ich bin früher immer gerne in Theater gegangen.
Inzwischen verzweifle ich auch ....

Wenn ich ein Drama von Shakespeare sehen möchte, dann möchte ich es so sehen, wie Shakespeare es geschrieben hat.
In die Neuzeit übersetzen kann ich mir es selber.

Dazu brauche ich keinen überkandidelten arroganten Doof-Regisseur, der das Stück nur zerstört.

#20 Re: Wie modern darf Theater sein (was die Inszenierung betrifft)

Verfasst: Mi 7. Mär 2018, 10:36
von Janina
Munro hat geschrieben:Wenn ich ein Drama von Shakespeare sehen möchte, dann möchte ich es so sehen, wie Shakespeare es geschrieben hat.
Das kann man doch an jeder Ecke.

Munro hat geschrieben:In die Neuzeit übersetzen kann ich mir es selber.
Und genau daran fehlt es. Zu einer Aktualisierung ist niemand wirklich in der Lage. Ich vermute mal jeder der hier anwesenden wird in der Schule mal was über den Nazionalsozialismus gelernt haben und bestenfalls erschüttert darüber sein, was in der Überzeugung mündet, dass sowas heute nie wieder möglich wäre.
Nur halten dabei alle Ausschau nach Seitenscheitel, Runen und dem römischen Gruß. Wenn die Nazis Flusenbärte und Nachhemden tragen und sich auf ihre "Religionsfreiheit" berufen, unter deren Schutzmantel sie ihre Nazi-Gesinnung ganz offen zur Schau tragen, wird das als Folklore betätschelt. Und wenn die Bewegung dann in ein Kalifat mündet, weiß wieder keiner, wie es dazu kommen konnte.