Descartes und die menschliche Seele

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#11 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Di 20. Sep 2016, 12:41

lovetrail hat geschrieben:"Dualismus" ist die einfachste und gröbste Form, um die zwei Bereiche Materie und Geist zu bezeichnen.
Leider ist dies aber widerlegt, weil...
1.) Niemand die Schnittstelle zum Körper identifizieren kann, und
2.) Es keine Energiequelle gibt, mit der die Signale in elektrische Impulse umgewandelt werden, bevor sie an den Körper gelangen.

lovetrail hat geschrieben:Die Fleischwerdung des Logos in Christus zeigt mE auch den Weg, wie Geist in die Materie kommt.
Ausgeschlossen!
Denn auch damit kann man auf o.a. Punkte keine befriedigende Lösung anbieten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

JackSparrow
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#12 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von JackSparrow » Di 20. Sep 2016, 13:01

lovetrail hat geschrieben:Ich denke, was überwunden ist, das ist ein eindimensionaler Idealismus, bei dem nur der Geist real wäre. Das andere Extrem ist der heutzutage herrschende ontologische Naturalimus
Idealismus ist Naturalismus. Den Elementarteilchen des Universums dürfte es relativ egal sein, wenn du sie plötzlich nur noch als "Geist" bezeichnen und dafür Materie für inexistent halten möchtest. Es ist ja nicht so, dass sich dadurch irgendjemandes Leben in irgendeiner Weise verändern würde.

Die Fleischwerdung des Logos in Christus zeigt mE auch den Weg, wie Geist in die Materie kommt.
Gesucht ist also etwas, das unsichtbar, unpersönlich und unzerstörbar ist, sich im Himmel befindet, sich durch die Luft bewegen kann, sich mit Neugeborenen verbindet, nach dem Tod wieder in die Atmosphäre entfleucht und sich mit griechisch "pneuma" (Hauch) übersetzen lässt.

Ich glaube ich habe den Mechanismus entschlüsselt: Die Kontaktstelle zwischen Körper und Geist sind die Lungen, genauer gesagt die Alveolen.

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Halman
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#13 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Halman » Di 20. Sep 2016, 15:12

lovetrail hat geschrieben:Ich denke, was überwunden ist, das ist ein eindimensionaler Idealismus, bei dem nur der Geist real wäre. Das andere Extrem ist der heutzutage herrschende ontologische Naturalimus, bei dem Geist/Bewusstsein/Bedeutung/Sinn als Produkt des Gehirns aufgefasst werden.
Alleine schon das Alltagsverständnis widerlegt eine solche These, da wir ständig damit konfrontiert sind, wie unsere Gedanken Wirklichkeit werden. (unsere Wünsche, Ängste, Vorstellungen...).
Ja, es ist zweifelsfrei korrekt, dass wir mit unseren Gedanken, Wünschen, Ängsten und Vorstellungen konfrontiert werden, doch diese Erfahrungen offenbaren uns meines Erachtens noch nicht, ob es sich dabei um natürliche oder übernatürliche Phänomene handelt. Wir erfahren erst einmal nur, dass Gedanken und Geist existieren.
Vielleicht sollten wir es aus einer anderen Perspektive betrachten. Damit spiele ich auf die Ebenen des Diskurses an.

Das Problem ist meiner Meinung nach ein semantisches, denn der Begriff "Geist" ist ein Polysem. Daher erscheint mir eine Begriffsanalyse notwendig, also die Frage zu stellen: Was ist Geist? Mein Vorschlag ist einfach die im Vorsatz verlinkte Quelle als Grundlage zu verwenden.
Was hat eine "Erscheinung", ein Gheis, vor dem man erschaudert, mit den Gedanken eines Menschen zu tun? Die Verwirrung entsteht meiner Meinung nach dadurch, dass wir aus historischen Gründen das selbe Wort mit verschiedenen Bedeutungen verwenden.
Gott ist ein Geistwesen, so wie die Engel Geister sind. Dies bestätigt auch Wikipedia:
Gott als die Quelle der rûah ist selbst Geistwesen.
Dies solle man meiner Meinung nach streng vom Begriff des menschlichen Geistes trennen, denn die Erfahrung der Hirnforschung legt nahe, dass der menschliche Geist direkt mit dem Gehirn zusammenhängt. Diesbezüglich verweise ich auf folgendes Zitat aus dem Buch Wille und Gehirn:
Zitat aus Wille und Gehirn (Seiten 87-88):
In der inneren Führung durch Willen im Bunde mit der schöpferischen Fähigkeit des Frontalhirns liegt die Freiheit zu neuen Lösungen, Freiheit nicht gegen, sondern mit der Natur. Ausstieg aus der Natur ist unmöglich; auch für geistige Tätigkeit, die ja Informationsverarbeitung durch Ordnungsänderung ist, ist Energie nötig. Der Wille steht nicht über dem Gehirn, der Geist sitzt nicht hinter dem Gehirn. Bei einer Verletzung der Retina des Auges z.B. sieht das Sehhirn (der visuelle Cortex) den Defekt als dunkles Skotom. Hingegen wird ein akuter Ausfall der ganzen Sehrinde (durch bilateralen Gefäßinsult der Arteria calcarina) nicht wahrgenommen: Der Patient ist blind, ohne dies zu sehen (Rindenblindheit, auch Seelenblindheit genannt). ... Das Seelische lebt nicht außer dem Gehirn, sondern es ist der Innenaspekt der Informationsverarbeitung im Menschengehirn, das bewusste Sehen ist beim Menschen eine Funktion der Hirnrinde (...). Ähnlich ist es mit dem Gewissen: wenn es durch Läsion des Frontalhirns verschwindet, merkt der Mensch den Verlust zunächst nicht; er kann sich sogar fröhlich einer Witzelsucht hingeben, durch leidvolle Erfahrung und Übung kann er aber einsichtiger werden.
Spricht dies nicht für eine kausale Korrelation von Geist und Gehirn? Muss man Geist zwingend als übernatürlich oder "feinstofflich" begreifen? Ich meine, der menschliche Geist ist kein "Stoff" irgendweiner Art, sondern ein System hochkomplexer Hirnprozesse.
Um dies zu untermauern, führe ich einige Zitate aus meinen Buch an, indem es um die kausalen Beziehungen zwischen Hirn-Läsionen und Störungen des Geistes geht.
Zitat aus Wille und Gehirn (Seiten 43-44):
Wir kennen die Lokalisation des Willens im Frontalhirn vor allem aus den Folgen von Hirnläsionen beim Menschen, gewisser Vorstufen des Willens aber auch aus Hirnläsionen, Faserverbindungen (Jones & Powell 1970, Nauta 1971, Kawamura 1977, Pandya & Yeterian 1990) und Nervenzelltätigkeit (Fuster & Rolls) im Gehirn von Affen, seit 1965 aber auch aus den elektrischen Hirnpotentialen und Hirnmagnetfeldern beim Menschen (Kornhuber & Deecke, Lang et al.) sowie in letzter Zeite auch aus bildgebenden Verfahren, ...
Die Farbmakierungen sind von mir.
Zitat aus Wille und Gehirn(Seiten 46):
Aber auch diese Erfahrungen nahm man seltsamerweise kaum zur Kenntnis, denn bis vor kurzem wurde die Diskussion in den USA über die Funktion des präfrontalen Cortex oft durch den Begriff "working memory" (...) beherrscht, der von Goldman-Rakic eingeführt wurde, aber nur eine Umbenennung der 1935 von Jacobsen bei Affen entdeckten Störung des Kurzzeitgedächnisses durch Läsionen der fronto-lateralen Konvexität war.

Zitat aus Wille und Gehirn (Seite 54 ):
Weiter gelten als Frontalhirntests der Contingency Naming Test, der Rey Complex Figure Test (Anderson et al. 2002) und der Trail Making Test (Moll et al. 2002) Erhöhte Ablenkbarkeit nach präfrontalen Läsionen wurde auch bei Affen bestätigt (Grüninger & Pribram 1969).
Auf Seite 67f. wird u.a. auf die Auswirkungen im Sozialverhalten bei Läsionen der Amygdala bei Affen eingegegangen:
- Ausschaltung der Amygdala bei erwachsenen Affen führt zu weniger Misstrauen (daher bei Kameraden beliebt)
- "beidseitige Läsionen der Amygala bei Affen in früher Kindheit (Alter 2 Wochen)" führt zu "Enttäuschungen durch zu große Sorglosikeit" und somit kausal zu mehr Ängstlistkeit im Sozialverhalten, aber keineswegs autistisch und ansonsten unaufällig. (Prather et al. 2001).
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ThomasM
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#14 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von ThomasM » Di 20. Sep 2016, 15:25

Pluto hat geschrieben: Nach heutigem Wissensstand der Neurologie (Hirnforschung) ist Descartes' Vorstellung falsch.
Wieso das eigentlich?

Die heutige Hirnforschung bestätigt das Problem Descartes schlicht und einfach. Wir können das Funktionieren des Gehirns bis auf zelluläre Ebene chemisch/biologisch beschreiben, können aber immer noch nicht sagen, was Bewusstsein eigentlich ist und wie es zustande kommt.
Auch der Begriff des Geistes ist nach wie vor nebulös.

Selbst, wenn man sagt "Bewusstsein gibt es nicht", so bleibt doch die Tatsache, dass ich mich als "ich" fühle. Ich höre meine Gedanken, aber nicht die der anderen. Ich fühle meine Gefühle, aber nicht die der anderen.
Ich sage tagsüber "ich bin mir meiner bewusst", aber ich erinnere mich, dass ich das nachts nicht sagen konnte, weil ich geschlafen habe. Und wenn ich sterbe, dann ist "ich" nicht mehr da. Wie kommt das?

Damit bleibt das Problem bestehen und ist nach wie vor ungelöst.
Ob Descartes Dualismus zu retten ist, bliebe offen. Sein Versuch, diesen mechanisch aufzubauen ist sicherlich falsch.
Meiner Meinung nach bieten die Quantenfluktuationen die Möglichkeit, die bislang offene Frage der Kopplung zwischen Seele und Materie zu beschreiben (aber nicht zu erklären). Auch das Energieproblem ist gelöst, da quantenmechanische Fluktuationen ihre Energie aus der Umgebung nehmen.
Nachweisbar wäre dieses Modell, wenn man nachweisen könnte, dass manche (aber nicht alle) Hirnzustände die Eigenschaften eines makroskopischen Quantensystems aufweisen.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#15 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von ThomasM » Di 20. Sep 2016, 15:32

Halman hat geschrieben: Das Seelische lebt nicht außer dem Gehirn, sondern es ist der Innenaspekt der Informationsverarbeitung im Menschengehirn, das bewusste Sehen ist beim Menschen eine Funktion der Hirnrinde
Obiges zitierst du relativ kritiklos.
Kannst du sagen, wie man auf diese Aussage kommt, wie man sie beweist?

Ein Beispiel:
Angenommen du hättest ausschließlich einen Schallplattenspieler (die Jüngeren mögen googeln, was das ist) und keine anderen Möglichkeiten der Technik.
Müsstest du dann nicht auch sagen "Die Musik ist ein Aspekt der Schallplatte".
Du hättest keine Möglichkeit zu zeigen, dass Musik auch ganz anders entstehen und abgespielt werden kann, vielleicht sogar als Idee, als Kopf kino, als CD, mit Instrumenten usw. usw.
Und wenn Musik so viele Möglichkeiten hat, real zu werden, muss man der Melodie nicht eine Existenz in sich zubilligen?
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#16 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von lovetrail » Di 20. Sep 2016, 16:02

Halmann, auch der Mensch ist ein Geistwesen. Die Bibel sagt uns, dass Gott der Vater der Geister ist. Da ist natürlich auch der Mensch inkludiert.
Wir Menschen haben aber andere Leiber als zB Engel.

Man kann Geist aber auch moderner "Bewusstsein" nennen.

Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, eine Verbindung zwischen Bewusstsein und Gehirn auf der materiellen Ebene zu suchen.

LG lovetrail
Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!

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#17 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Scrypt » Di 20. Sep 2016, 16:34

lovetrail hat geschrieben:Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, eine Verbindung zwischen Bewusstsein und Gehirn auf der materiellen Ebene zu suchen.
Wenn das eine aus dem anderen hervorgeht - sich also aus dem Grad der kognitiven Fähigkeiten ergibt - macht es sogar nur(!) dort Sinn. :0)

Auch andere Tiere haben außerdem ein Bewusstsein, natürlich ein weniger umfassendes als bei uns der Fall.

Achso und:
lovetrail hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Ich bin davon überzeugt, dass die Hirnforschung dafür spricht, dass Geist und Bewusstsein im Gehirn entstehen.
Wenn der Geist lediglich ein Produkt des Gehirns wäre (bzw der Evolution des Gehirns), dann ist Gott wohl auch nur ein solches Produkt.
Das könnte man durchaus so sagen.
Hinsicht dazu steht und fällt ein jedes Glaubenskontrukt mit dem Glaube schlecht hin.

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Halman
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#18 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Halman » Di 20. Sep 2016, 18:13

lovetrail hat geschrieben:Halmann, auch der Mensch ist ein Geistwesen.
Nein, dies verstehe ich anders. Paulus unterscheidet zwischen den fleischlichen und irdischen Leibern der Vergänglichkeit und den geistlichen und himmlischen Leibern der Unvergänglichkeit. Engel und Dämonen sind Geistwesen, auch Gott ist ein Geist, aber wir Menschen sind KEINE Geistwesen in diesem Sinne. Wir haben Geist in zweierlei Weise in uns:
1. In Form des kognitiven Geistes, der offenbar mit dem Gehirn zu tun hat.
2. Der Lebensodem (Lebensgeist, s. mein Beitrag)
Aber diese "geistigen" Aspekte des Menschen sind holistisch am menschlichen Leib gekoppelt. Die Gesamtheit ist die Menscheseele. Diese ist sterblich und kann nicht im Himmel leben.

lovetrail hat geschrieben:Die Bibel sagt uns, dass Gott der Vater der Geister ist. Da ist natürlich auch der Mensch inkludiert.
Darf ich fragen, wo dies in der Bibel steht? Ist es ein Zitat aus einem Pslam?

lovetrail hat geschrieben:Wir Menschen haben aber andere Leiber als zB Engel.
Ja, wir Menschen haben laut Pauli Worten einen σωμα ψυχικον (sôma psychikón), wohingegen Geistwesen einen σωμα πνευματικον (sôma pneumatikón) haben (s. hierzu mein Beitrag v. Do 17. Sep 2015, 00:07). Nur ein sôma pneumatikón kann bei Pneuma ho thẹos (Joh 4:24) im Himmel leben, weil nur dieser ἐπουράνια (epouránia; lat.: caelẹstia), also himmlisch ist.
Paulus lehrt: 40 Und es gibt himmlische Leiber und irdische Leiber. Aber anders ist der Glanz der himmlischen, anders der der irdischen; ... es wird gesät ein natürlicher Leib, es wird auferweckt ein geistlicher Leib. Wenn es einen natürlichen Leib gibt, so gibt es auch einen geistlichen. ... Dies aber sage ich, Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht erben können, auch die Vergänglichkeit nicht die Unvergänglichkeit erbt.

Diese Leiber unterscheiden sich:
1. Natürliche Leiber sind irdisch und vergänglich.
2. Geistliche Leber sind himmlisch und unvergänglich.

Bemerkenswert finde ich, dass Paulus i.V.m. pneumatikón ebenso den Ausdruck Sôma (Leib) gebraucht, wie in Verbindung mit psychikón (seelisch im Sinne von natürlicher, atmender Leib).
Zweifelsfrei haben wir nicht nur Bewusstsein, sondern auch Leiber. Ebenso zweifelsfrei steht für Paulus fest, dass es auch himmlische Leiber gibt. Dies verstehe ich so, dass himmlische Geistwesen nicht einfach leiblose Bewusstseins-Entitäten sind, sondern Geister mit geistigen Leibern, die von unseren physischen Leibern sehr verschieden sind.
Ich glaube, dass Jesus am 16. Nisan 33 n. Chr. in so einem gewandelten Leib, einem sôma psychikón, auferweckt wurde und mit diesen in den Himmel fuhr. Jesus war nicht einfach leibloses Bewusstsein, sondern war leiblich auferstranden. Einen solchen Geistleib erwartete auch Paulus und diese Hoffnung versprach Jesus seinen Jüngern gem. Joh 14:2-3.

lovetrail hat geschrieben:Man kann Geist aber auch moderner "Bewusstsein" nennen.
Geist umfasst in diesem Sinne auch das Unterbewusstsein. Damit kann dann aber nichts Leibliches gemeint sein. Kein sôma psychikón, wie ihn Jesus mit seiner Auferstehun bekam.

lovetrail hat geschrieben:Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, eine Verbindung zwischen Bewusstsein und Gehirn auf der materiellen Ebene zu suchen.
Ich denke doch. Die Korrelation der Hirnläsionen mit Änderungen kognitiver Fähigkeiten, aber auch seelischer Aspekte des Menschen, sprechen dafür, dass die Natur des Bewusstseins direkt mit dem Gehirn zu tun hat.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#19 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Di 20. Sep 2016, 18:23

ThomasM hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Nach heutigem Wissensstand der Neurologie (Hirnforschung) ist Descartes' Vorstellung falsch.
Wieso das eigentlich?
Ich habe es hier mit zwei Widerlegungen begründet.

ThomasM hat geschrieben:Die heutige Hirnforschung bestätigt das Problem Descartes schlicht und einfach. Wir können das Funktionieren des Gehirns bis auf zelluläre Ebene chemisch/biologisch beschreiben, können aber immer noch nicht sagen, was Bewusstsein eigentlich ist und wie es zustande kommt.
Auch der Begriff des Geistes ist nach wie vor nebulös.
Stimmt.
Aber in den letzten 20-30 Jahren wächst der Berg an Erkenntnissen der Hirnforschung, der uns vermuten lässt, WIE das Gehirn das Bewusstsein hervorbringt. Diese Vermutung ist übrigens nicht neu, geht sie doch auf den großen Philosophen des 19. Jahrhunderts, William James zurück. Doch schon in der Antike haben der große römische Arzt Galen, oder der Philosoph Plotin vermutet, dass bestimmte Dinge völlig unbewusst ablaufen, z.B. die Atmung, oder der Gang.

ThomasM hat geschrieben:Selbst, wenn man sagt "Bewusstsein gibt es nicht", so bleibt doch die Tatsache, dass ich mich als "ich" fühle. Ich höre meine Gedanken, aber nicht die der anderen. Ich fühle meine Gefühle, aber nicht die der anderen.
Richtig! Auch das muss die moderne Hirnforschung erklären können. Teilweise ist dies bereits gelungen!

ThomasM hat geschrieben:Ich sage tagsüber "ich bin mir meiner bewusst", aber ich erinnere mich, dass ich das nachts nicht sagen konnte, weil ich geschlafen habe.
Im Schlaf setzt das Bewusstsein aus. Wäre noch zu erklären, was dann Träume sind, nicht wahr?

ThomasM hat geschrieben:Und wenn ich sterbe, dann ist "ich" nicht mehr da. Wie kommt das?
Das ist verhältnismäßig einfach, eil die Erzeugung des ICH von einem gesunden Gehirn abhägig ist.

ThomasM hat geschrieben:Ob Descartes Dualismus zu retten ist, bliebe offen.
Der cartesianische Dualismus wurde vom englischen Philosophen Gilbert Ryle (in seinem Hauptwerk The Concept of Mind -1949) als Mythos entlarvt.

ThomasM hat geschrieben:Sein Versuch, diesen mechanisch aufzubauen ist sicherlich falsch.
Wie kannst du so sicher sein, ist es doch der einzige Weg der wissenschaftlich einen Sinn macht?

ThomasM hat geschrieben:Meiner Meinung nach bieten die Quantenfluktuationen die Möglichkeit, die bislang offene Frage der Kopplung zwischen Seele und Materie zu beschreiben (aber nicht zu erklären).
Deine Hypothese ähnelt derjenigen des Mathematikers und Nobelpreisträgers Roger Penrose
Leider konnte bisher kein Nachweis für deren Richtigkeit erbracht werden. Im Gegenteil seine Hypothese wird von den allermeisten seriösen Hirnforschern abgelehnt.

ThomasM hat geschrieben:Nachweisbar wäre dieses Modell, wenn man nachweisen könnte, dass manche (aber nicht alle) Hirnzustände die Eigenschaften eines makroskopischen Quantensystems aufweisen.
Wie soll das gehen?

Vermutlich nutzt das Gehirn die Quantenmechanik: Dies wurde sogar in Vögeln bei ihrer Orientierung am Magnetfeld de Erde bestätigt, aber einen Einfluss auf das Bewusstsein, wie du ihn dir vorstellst, konnte bisher gezeigt werden.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#20 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Di 20. Sep 2016, 19:22

Halman hat geschrieben:Die Gesamtheit ist die Menscheseele.
Dem will ich nicht widersprechen. Die zwei von dir erörterten Arten des Geistes erscheinen mir wie die zwei Seiten einer einzigen Münze.
Was spräche dagegen, es so zu sehen?

Halman hat geschrieben:Diese ist sterblich und kann nicht im Himmel leben.
Aha!? Und woher willst du das wissen? :shock:

lovetrail hat geschrieben:Die Bibel sagt uns, dass Gott der Vater der Geister ist. Da ist natürlich auch der Mensch inkludiert.
Was ist, wenn sich die Bibelschreiber in diesem Punkt geirrt haben?

lovetrail hat geschrieben:Wir Menschen haben aber andere Leiber als zB Engel.
Einverstanden! :thumbup:
Meiner Meinung nach, sind Engel Teil der menschlichen Erlebniswelt: sie sind also menschgemacht.

Ich will keinesfalls irgendjemand ausreden, er hätte Engel gesehen, oder z.B. ein "OBE" ("Out-of-Body Experience") gehabt, denn es gibt für die Zeugen keinen objektiven Grund solche subjektiven Erlebnisse zu erfinden. Man kann den Menschen solche Erlebnisse nicht ausreden oder sie gar als Lügen abtun: Das wäre unwissenschaftlich. Allerdings stellt sich mir die Frage, was ist der Grund für solche Erfahrungen? Ist dieser vielleicht auf eine Fehlfunktion eines völlig gesunden Gehirns zurückzuführen?

Der Schweizer Neurologe Olaf Blanke hat in den 1990-er Jahren dazu eine Serie von spannenden Experimenten an gesunden Menschen durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass er in der Lage war, den Sitz solcher OBEs in der rechten "teporoparietalen" Gehirnregion zu lokalisieren. Wird diese Region elektrisch gereizt, beschreiben die Probanden hinterher genau solche OBE Erfahrungen. Die Experimente Blankes sind natürlich noch kein Beweis, aber Hirnforscher arbeiten weiter an diesem hoch interessanten Phänomen.

Könnten OBEs eine Folge von natürlichen Reizen in einem durch die Operation extrem gestressten Gehirn sein? Könnten die Visionen von Engeln und anderen Wesen, die Folge solcher Reizungen in anderen Hirnregionen sein?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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