Descartes und die menschliche Seele

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#1111 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Mo 21. Nov 2016, 09:07

closs hat geschrieben:Hier geht es lediglich darum, dass wir Wahrnehmung/Wissenschaft nicht per Wahrnehmung/Wissenschaft überprüfen können.
Okay. Warum bringst du dann das Thema wieder darauf, die Welt könnte eine Illusion sein?

closs hat geschrieben:Man muss SETZEN, dass Realität und Wahrnehmung übereinstimmen - und das tut auch jeder. - Aber es bleibt Setzung.
Ich kann verstehen, dass DU setzen musst, aber wir anderen brauchen dafür keine Setzung; wir brauchen nur die Beobachtung. Ein einfacher Spaziergang im Wald in der Finsternis reicht um sich zu vergewissern, dass die Realität ist.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es geht um deine Behauptung, dass Descartes Aussage die Existenz einer res cogitans belegt.
Tut sie auch. Die Res cogitans ist vor jeder darauf folgenden Setzung.
Da ist wieder das Problem der Setzung. Warum musst du immer setzen?
Du setzt, dass die res cogitans existiert und meinst Descartes hätte es gezeigt. Das zeigt nur wie zirkelschlüssig die Argumentation ist.

Fazit: Setzungen sollten spärlich verwendet werden, nach Möglichkeit nur dann wenn es nicht anders geht.

closs hat geschrieben:Der entscheidende Punkt ist: "Inhärenz" ist nicht gleich "Identität".
Die Inhärenz des Geistes ist nichts weiter als so was wie eine Eigenschaft des Körpers — untrennbar. Geist ohne Körper gibt es nicht.

closs hat geschrieben:Konkreter: Der menschliche Geist kann auch dann existieren, wenn der "Inhärenz-Partner" nicht mehr da ist.
I-wo... :lol:
Der Geist ist vom Menschen genauso wenig wegzudenken, wie z.B. seine Masse.

Wikipedia:
In der Philosophie bezeichnet der Begriff Inhärenz den Umstand, dass manche Eigenschaften notwendig zu bestimmten Sachen dazugehören. Es besteht ein inniger Zusammenhang (Inhärenz) zwischen einer Eigenschaft und dem Träger der anhaftenden oder innewohnenden Eigenschaft. Die Inhärenz unterstreicht also Zusammenhänge und Abhängigkeiten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#1112 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Mo 21. Nov 2016, 12:45

Pluto hat geschrieben:Warum bringst du dann das Thema wieder darauf, die Welt könnte eine Illusion sein?
Weil wir es nicht merken würden, wenn es so wäre.

Pluto hat geschrieben:Ich kann verstehen, dass DU setzen musst, aber wir anderen brauchen dafür keine Setzung; wir brauchen nur die Beobachtung.
Würde ich da einsteigen, wo Du es machst, bräuchte ich auch keine Setzung. - Du steigst ein, NACHDEM die Setzung bereits geschehen ist, über die Du nicht redest bzw. die Dir nicht bewusst ist.

Pluto hat geschrieben:Du setzt, dass die res cogitans existiert und meinst Descartes hätte es gezeigt.
Nein - Descartes hat gezeigt, dass die einzig sichere Wahrnehmung das Ich ist, weil sogar die Anzweiflung des Ich zum Ergebnis führt, dass "jemand" der Anzweifelnde ist. - Diesen Anzweifelnden nennt Descartes "ICH".

In diesem Sinne muss man gar nicht setzen, dass das ICH existiert, weil es logisch zwingend existiert. - Was man eventuell setzen müsste, wäre, dass Logik funktioniert. Aber wahrscheinlich nicht mal das.

Pluto hat geschrieben:Ein einfacher Spaziergang im Wald in der Finsternis reicht um sich zu vergewissern, dass die Realität ist.
Wenn Du das, was Dir erscheint (egal ob Illusion oder "echt"), als "Realität" bezeichnest, hast Du recht.

Pluto hat geschrieben:Der Geist ist vom Menschen genauso wenig wegzudenken, wie z.B. seine Masse.
Vom LEIBLICHEN Menschen, ja.

Pluto hat geschrieben:Geist ohne Körper gibt es nicht.
Das ist eine weltanschauliche und somit unwissenschaftliche Aussage.

SilverBullet
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#1113 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von SilverBullet » Mo 21. Nov 2016, 13:26

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:„Systeme“ gibt es erst einmal gar nicht, sondern nur „den Umgang mit Zusammenhängen“.
Ich spreche von WAHRNEHMUNGS-Systemen - also die Art des Umgangs mit Zusammenhängen und deren Definition.
Von welchen Systemen (Art des Umgangs mit Zusammenhängen und deren Definition) sprichst du?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Dann ist aber auch die Idee falsch, dass „da etwas der Fall ist“.
Das dagegen ist ganz furchtbar falsch
Wie sollte eine Idee in irgendeiner Art verwertbar sein, wenn gar kein Zusammenhang dazu vorliegt?
Das Wort „Geist“ ist lediglich eine „Sprechreaktion“, die aus vollständiger Unwissenheit heraus geboren wurde.
Dies ändert aber rein gar nichts an der Unwissenheit.

Demgegenüber ändert das Finden von Zusammenhängen sehr wohl die Unwissenheit.

Auf dieser Basis wirken sich Antworten auf Wie-Fragen locker leicht auf Was-Fragen aus – kein Problem.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Der Begriff „Täuschung“ ist nur möglich wenn zuvor eine Entscheidung über die Existenzverhältnisse getroffen wurde.
Das tut er doch.
Natürlich tut er das, aber anders, als es dir gerade aufgefallen ist.
Er geht von vorn herein davon aus, eine unsichtbare Denk-Instanz zu sein, die eine Wahrnehmung hat, in der ein Körper vorkommt.
=> Das "Ergebnis" steckt (wie so oft beim Philosophietheater) bereits von Anfang an drin.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Tatsächlich gibt es keinerlei Grund von „Täuschung“ zu sprechen, wenn es um Wahrnehmung geht.
Das deutet wieder darauf hin, dass Du DEINE/die menschliche Wahrnehmung…
Welchen Grund sollte es denn geben?

Anstatt meine „böse menschliche Wahrnehmung“ als Anthropozentrismus anzuprangern (reiner Taschenspielertrick), hättest du einfach einen Grund nennen können – Fehlanzeige.

closs hat geschrieben:Descartes hat gezeigt, dass die einzig sichere Wahrnehmung das Ich ist, weil sogar die Anzweiflung des Ich zum Ergebnis führt, dass "jemand" der Anzweifelnde ist. - Diesen Anzweifelnden nennt Descartes "ICH".

In diesem Sinne muss man gar nicht setzen, dass das ICH existiert, weil es logisch zwingend existiert.
Mit welcher logischen Operation wird hierbei „gezeigt“?
„Wenn ich handle, dann handle ich“
„Wenn ich zweifle, dann zweifle ich“

Das ist leider keine Logik mit Mehrgewinn, denn es wird bereits hineingesteckt, was herauskommen soll.

Interessant wird es jedoch, wenn man fragt: „was macht denn das Ich, wenn es zweifelt?“
Ab diesem Moment gibt es nämlich plötzlich kein Wissen mehr!

Wie kann es sein, dass „das Ich“ handelt und schlagartig aber gar nichts mehr darüber weiss?
Ganz einfach:
„das Ich“ ist kein Ding, sondern ein Zusammenhang (besser: eine Zusammenhangsmenge).
„Das Zweifeln“ ist keine Handlung, sondern nur der Zusammenhang einer Handlung.

Wer hierbei tatsächlich aktiv ist, wie dies durchgeführt wird und für wen/was die Zusammenhänge aufgebaut werden, ist vollständig offen.

=> Das ist konsequentes Zweifeln.
=> Von dieser Basis ausgehend, kann überlegt werden, wie ein Umgang mit Zusammenhängen eine Art „Sicherheit“ ergeben könnte.

closs
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#1114 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Mo 21. Nov 2016, 14:20

SilverBullet hat geschrieben:Von welchen Systemen (Art des Umgangs mit Zusammenhängen und deren Definition) sprichst du?
Ein Beispiel wäre das kritisch-rationale Wahrnehmungssystem (= was nicht intersubjektiv nachweisbar ist, ist irrelevant).

SilverBullet hat geschrieben:Wie sollte eine Idee in irgendeiner Art verwertbar sein, wenn gar kein Zusammenhang dazu vorliegt?
Du meinst: In DEINEM System nicht vorliegt. - Es kann "Realität" geben, von denen Du nichts weißt und zu der Du keine Zusammenhänge kennst.

SilverBullet hat geschrieben:Er geht von vorn herein davon aus, eine unsichtbare Denk-Instanz zu sein, die eine Wahrnehmung hat, in der ein Körper vorkommt.
Er stellt alles in Frage, stellt auch das ICH in Frage und stellt fest, dass gerade das, was das Ich in Frage stellt, ein Agens ist, dass er ICH nennt. - Oder würdest Du behaupten, dass ein Nichts zweifeln kann?

SilverBullet hat geschrieben:Welchen Grund sollte es denn geben?
Das ist erst die nächste Frage. - Die erste Frage ist, OB Wahrnehmung vom Wahrnehmenden auf die Frage hin qualifiziert werden KANN, ob sie Täuschung ist oder nicht. - Beantworte doch erst mal Frage 1.

SilverBullet hat geschrieben:Mit welcher logischen Operation wird hierbei „gezeigt“?
Descartes stellt alles in Frage, stellt auch das ICH in Frage und stellt fest, dass gerade das, was das Ich in Frage stellt, ein Agens ist, dass er ICH nennt. - Oder würdest Du behaupten, dass ein Nichts zweifeln kann?

SilverBullet hat geschrieben:von dieser Basis ausgehend, kann überlegt werden, wie ein Umgang mit Zusammenhängen eine Art „Sicherheit“ ergeben könnte.
Nein - damit kann man sich pragmatisch einrichten, aber keine grundlegenden Fragen beantworten.

SilverBullet hat geschrieben:„Das Zweifeln“ ist keine Handlung, sondern nur der Zusammenhang einer Handlung.
Also gibt es ein Zweifeln ohne Zweifler?

SilverBullet
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#1115 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von SilverBullet » Mo 21. Nov 2016, 17:36

quote hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Von welchen Systemen (Art des Umgangs mit Zusammenhängen und deren Definition) sprichst du?
Ein Beispiel wäre das kritisch-rationale Wahrnehmungssystem (= was nicht intersubjektiv nachweisbar ist, ist irrelevant).
Und du bist der Meinung, dass ich dieses System zu erfüllen versuche, wenn ich sage, dass alle Existenzzusammenhänge anzuzweifeln sind, und von dieser Basis ausgehend eine möglichst grosse in sich geschlossenen Zusammenhangsmenge gesucht werden muss?

Hast du noch nie eine Situation gehabt, in der du zwei- oder mehrmals nachsehen musstest, bis dir klar war, was der Sachverhalt ist und wie er vorliegt?
Falls ja, was hast du dabei eigentlich gemacht?

=> ganz einfach: du hast die Menge an Zusammenhängen vergrössert
=> ich vertrete kein System, sondern ich verwende eine Eigenschaft der Wahrnehmung: das Streben nach möglichst vielen Zusammenhängen.

quote hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Wie sollte eine Idee in irgendeiner Art verwertbar sein, wenn gar kein Zusammenhang dazu vorliegt?
Du meinst: In DEINEM System nicht vorliegt
Du hast mir doch gerade eben noch zugestimmt, dass es für eine Wahrnehmung keinen Zugang geben kann, wenn kein Zusammenhang vorliegt.
Kein Zusammenhang, kein Zugang, keine Verwertbarkeit -> eigentlich logisch

quote hat geschrieben:Er stellt alles in Frage, stellt auch das ICH in Frage und stellt fest, dass gerade das, was das Ich in Frage stellt, ein Agens ist, dass er ICH nennt. - Oder würdest Du behaupten, dass ein Nichts zweifeln kann?
Es wird „alles“ an Hand eines Szenarios in Frage gestellt, bei dem von vorn herein eine unsichtbare Denk-Instanz der/das Handelnde ist.
Dann ist es natürlich lediglich ein Theaterspiel auf die Folgerung zu „schliessen“, dass es ja „das Ich“ sei, das handelt :-)

Er stellt zu keiner Zeit sein Szenario in Frage!
Aus gutem Grund, denn damit würde die Reihenfolge des Zweifeltheaters in sich zusammenfallen.
Er weiss nämlich bei keinem Behauptungsschritt, ob dies im Einklang mit der Realität steht.

Kann man den Körper tatsächlich weglassen und die Wahrnehmung läuft immer noch?
-> Descartes weiss es nicht, aber er behauptet und suggeriert es.

Das ist Philosophie: Unwissenheit als Wissen verkaufen.
Genauso wie es Philosophie ist, genauso wertlos ist es :-)

quote hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Welchen Grund sollte es denn geben?
Das ist erst die nächste Frage.
Nein, denn „Täuschung“ enthält bereits den Entwurf einer Denk-Instanz.
Welchen Grund sollte es für diesen Entwurf geben?

quote hat geschrieben:Oder würdest Du behaupten, dass ein Nichts zweifeln kann?
Für dich scheint es nur entweder „das Ich“ oder das Nichts zu geben, wobei du beiden, in Bezug auf „Zweifel“ mit maximaler Ahnungslosigkeit gegenüberstehst.

Wie ich geschrieben habe:
Um Zusammenhänge aufzubauen, muss ein Reaktionssystem vorliegen.
Dieses Reaktionssystem muss aber nicht in den Zusammenhängen eine Rolle spielen.

quote hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:von dieser Basis ausgehend, kann überlegt werden, wie ein Umgang mit Zusammenhängen eine Art „Sicherheit“ ergeben könnte.
Nein - damit kann man sich pragmatisch einrichten, aber keine grundlegenden Fragen beantworten.
An welcher Stelle war Wahrnehmung jemals etwas anderes als pragmatisch?:
Sobald ein Irrtum droht bzw. vorliegt, passt sich der Vorgang an.
Wahrnehmung ist von Haus aus eine Reaktion, eine Wirkung.

quote hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:„Das Zweifeln“ ist keine Handlung, sondern nur der Zusammenhang einer Handlung.
Also gibt es ein Zweifeln ohne Zweifler?
Gibt es „die Handlung des Zweifelns“, ohne dass der „behauptete Zweifler“ sagen kann, wie das eigentlich geht und was er dabei macht?
=> sollte doch eigentlich eher nicht der Fall sein

Wann ist ein „Ding“ ein Zweifler?
Gibt es ein spezielles „Zweifelding“ oder ist „der Zweifel“ ein Abschnitt (so wie ein Arm) an einem „Ich-Ding“?

Wie weit müsste die Selbstreflexion eines „Ich“-Dings gehen, damit man mit Sicherheit von einem eigenständigen „Ding“ sprechen kann?
Reicht „Ich zweifle“ aus oder müsste das „Ich-Ding“ sagen können, was es dabei macht, wie es vorgeht, welche Zusammenhänge genau berücksichtigt werden usw.?

In diesem Sinne:
Warum können Menschen oftmals gar nicht sagen, warum sie zweifeln?
Wie passt das Unbewusste zum „Ich“-Ding?
Wieso ist das „Ich“-Ding gezwungen, Schräge zu sehen, wo doch gar keine Schräge ist (siehe „schräge Linien“)?

Was macht ein „Ich“-Ding während eine „Täuschung“ abläuft?
Muss man sich das so vorstellen, wie wenn ein Fisch Fernsehen schaut :-)

(reichlich eigenartige Fragen, aber sie passen exakt zur Behauptung von Descartes)

Pluto
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#1116 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Mo 21. Nov 2016, 17:44

closs hat geschrieben:Ein Beispiel wäre das kritisch-rationale Wahrnehmungssystem (= was nicht intersubjektiv nachweisbar ist, ist irrelevant).
Nicht "Wahrnehmungssystem", sondern Methodik.
Ein "kritisch-rationales Wahrnehmungssystem" gibt es NICHT.

Kritik üben ist leicht; Alternativen bringen ist hier gefragt.
Was gibt es für Alternativen zur kritisch-rationalen Untersuchungsmethode?

closs hat geschrieben:Du meinst: In DEINEM System nicht vorliegt.
Wir sind nicht gezwungen, solche unbegründeten Behauptungen anzuerkennen. Man kann sie auch als private Wunschvorstellung deklarieren und zurückweisen.
Mit anderen Worten... Die Pluralität von Systemen ist nichts weiter als eine unbegründete Behauptung, getrieben von inneren Wunschvorstellungen!
Außergewöhnliche Behauptungen erfordern ebenso außergewöhnliche Belege. - [Carl Sagan]
Kannst du zeigen, dass es mehrere Systeme gibt?

closs hat geschrieben:Er stellt alles in Frage, stellt auch das ICH in Frage und stellt fest, dass gerade das, was das Ich in Frage stellt, ein Agens ist, dass er ICH nennt. - Oder würdest Du behaupten, dass ein Nichts zweifeln kann?
Natürlich nicht. Nur er kann in diesem Moment nicht Körper von Geist unterscheiden.

closs hat geschrieben:Das ist erst die nächste Frage. - Die erste Frage ist, OB Wahrnehmung vom Wahrnehmenden auf die Frage hin qualifiziert werden KANN, ob sie Täuschung ist oder nicht. - Beantworte doch erst mal Frage 1.
Die allererste Frage ist, WER oder WAS nimmt wahr?
Wahrnehmung betrifft immer zuerst den Körper, was natürlich nicht die Existenz von Geist negiert.

closs hat geschrieben:Also gibt es ein Zweifeln ohne Zweifler?
Nein, natürlich nicht.
Der Punkt ist: Rein geistlich geht GAR NICHTS. Er [Descartes] nimmt zunächst mit dem Körper wahr.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1117 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Mo 21. Nov 2016, 18:37

Pluto hat geschrieben:Ein "kritisch-rationales Wahrnehmungssystem" gibt es NICHT.
Das ist dasselbe. - "Methodik" bedeutet, nach welchen Regeln man seine Wahrnehmungen organisiert.

Pluto hat geschrieben:Was gibt es für Alternativen zur kritisch-rationalen Untersuchungsmethode?
Das ist keine Kritik. - Sie ist als das, was sie ist, super. Nur hat sie halt ihre methodischen Grenzen - das ist absolut normal.

Alternative für NICHT kritisch-rational untersuchbare Fragen ist bspw. die Hermeneutik - aber das ist streng genommen keine "Alternative", weil die kritisch-rationale Methodik auf den Feldern, auf denen sie einsetzbar ist, alternativlos gut ist.

Pluto hat geschrieben:Wir sind nicht gezwungen, solche unbegründeten Behauptungen anzuerkennen.
NAtürlich nicht. - Wenn etwas rational-kritisch nicht begründet ist, ist es da raus. - Aber dann sollte man erst gar nicht versuchen, ontologische Fragen zu stellen. - Dann steigt man halt an der Stelle ein, an der die kritisch-rationale Methodik beginnt zu funktionieren. - Und so sagt es ja auch Popper: "Wir nehmen die Welt so, wie sie uns erscheint".

Pluto hat geschrieben:Die Pluralität von Systemen ist nichts weiter als eine unbegründete Behauptung
DIese Behauptung ist sehr gut begründet - aber eben nicht auf kritisch-rational-methodischer Ebene.

Pluto hat geschrieben: Nur er kann in diesem Moment nicht Körper von Geist unterscheiden.
Ontologisch insofern schon, dass er nachweist, dass das ICH trotz radikalem Skeptizismus übrigbleibt, die Materie aber nicht.

Pluto hat geschrieben:Die allererste Frage ist, WER oder WAS nimmt wahr?
In unserem Fall: Das ICH, selbst wenn es nicht körperlich ist. (Denn das Körperliche hält dem radikalen Skeptizismus nicht stand.

Pluto hat geschrieben:Wahrnehmung betrifft immer zuerst den Körper
Diesen Satz kann man sagen, wenn man auf "Stufe Popper" einsteigt - aber das ist viel später. - Im Grunde ist dies schon wieder eine Hypothese auf "WIE-Basis" ("WIE geht Wahrnehmung ab?").

Pluto hat geschrieben:Der Punkt ist: Rein geistlich geht GAR NICHTS.
Die Logik sagt etwas anderes. - Auf "Popper-Basis" hast Du recht.

Descartes würde vermutlich eine Zwischenposition einnehmen und sagen: "Im Dasein geht geistig nichts ohne Körper ab". - So sehe ich es auch.

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#1118 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Mo 21. Nov 2016, 19:46

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ein "kritisch-rationales Wahrnehmungssystem" gibt es NICHT.
Das ist dasselbe. - "Methodik" bedeutet, nach welchen Regeln man seine Wahrnehmungen organisiert.
Pluto hat geschrieben:Was gibt es für Alternativen zur kritisch-rationalen Untersuchungsmethode?
Das ist keine Kritik. - Sie ist als das, was sie ist, super. Nur hat sie halt ihre methodischen Grenzen - das ist absolut normal.

Alternative für NICHT kritisch-rational untersuchbare Fragen ist bspw. die Hermeneutik - aber das ist streng genommen keine "Alternative",
Eben. Die Hermeneutik unterliegt willkürlichen Regeln und ist somit keine Alternative.

closs hat geschrieben:weil die kritisch-rationale Methodik auf den Feldern, auf denen sie einsetzbar ist, alternativlos gut ist.
Wer behauptet, das sie nicht universell einsetzbar ist (wie es Popper vorgeschlagen hatte)?

closs hat geschrieben:Wenn etwas rational-kritisch nicht begründet ist, ist es da raus.
Der Punkt ist, er ist UNIVERSELL raus, und nicht bloß systemintern, wie du behautest.

closs hat geschrieben:Aber dann sollte man erst gar nicht versuchen, ontologische Fragen zu stellen.
Ganz meine Meinung! :mrgreen:
closs hat geschrieben:Dann steigt man halt an der Stelle ein, an der die kritisch-rationale Methodik beginnt zu funktionieren.
Am Anfang, gleich nach der Fragestellung, oder kannst du begründen, warum das nicht so sein könnte?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Die Pluralität von Systemen ist nichts weiter als eine unbegründete Behauptung
DIese Behauptung ist sehr gut begründet - aber eben nicht auf kritisch-rational-methodischer Ebene.
Nein. Sie ist überhaupt nicht zu rechtfertigen, weil sie reines Wunschdenken repräsentiert.

closs hat geschrieben:Ontologisch insofern schon, dass er nachweist, dass das ICH trotz radikalem Skeptizismus übrigbleibt, die Materie aber nicht.
Auch otologisch nicht, denn der eigene Körper ist überhaupt nicht wegzudenken. Das einzig Verlässliche für Descartes, ist die Existenz seines Körpers.
Und du willst das unter den Teppich kehren?

closs hat geschrieben:In unserem Fall: Das ICH, selbst wenn es nicht körperlich ist. (Denn das Körperliche hält dem radikalen Skeptizismus nicht stand.
Geht nicht. Ohne Gehirn ist keine Erinnerung möglich, also auch kein Denken.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wahrnehmung betrifft immer zuerst den Körper
Diesen Satz kann man sagen, wenn man auf "Stufe Popper" einsteigt - aber das ist viel später.
Inwiefern "später"? Was genau meinst du, ist früher als der das körperliche Gefühl?
Pluto hat geschrieben:Im Grunde ist dies schon wieder eine Hypothese auf "WIE-Basis" ("WIE geht Wahrnehmung ab?").
Richtig. Die Frage ist, warum lehnst du das ab?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Der Punkt ist: Rein geistlich geht GAR NICHTS.
Die Logik sagt etwas anderes.
Hier gibt es nur eine Logik: das körperliche Gefühl.
Natürlich haben wir das GEFÜHL, geistig wahrzunehmen, aber das geht deshallb, weil Gest ein körperlicher Prozess ist.

closs hat geschrieben:Descartes würde vermutlich eine Zwischenposition einnehmen und sagen: "Im Dasein geht geistig nichts ohne Körper ab". - So sehe ich es auch.
Das ganze Denken eines Menschen ist zuerst körperlich. Das ist die EINZIGE Erkenntnis, die Decartes aus seinem "cogito ergo sum" schließen kann.

Für ein jenseitiges Sein gibt es keinerlei Belege. Das einzige was du hast ist die Hoffnung, dass mit dem Tod nicht alles vorüber ist.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1119 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Mo 21. Nov 2016, 20:23

Pluto hat geschrieben: Die Hermeneutik unterliegt willkürlichen Regeln und ist somit keine Alternative.
Ob willkürlich oder nicht: Es ist wirklich keine Alternative, weil sie in einem Bereich unterwegs ist, der außerhalb des Kritischen Rationalismus ist.

Davon abgesehen ist Hermeneutik in der Verarbeitung ihrer Inhalte wissenschaftlich korrekt - jeder Schritt ist intersubjektiv nachvollziehbar.

Pluto hat geschrieben:Wer behauptet, das sie nicht universell einsetzbar ist (wie es Popper vorgeschlagen hatte)?
Sie ist überall für Bereiche einsetzbar, die ihr gemäß sind. So kann man sie auch in Literatur und Theologie in abgesteckten Sachbereichen gut einsetzen.

Popper meint damit sicherlich nicht, dass sie zu allen Fragen das Mittel der Wahl ist.

Pluto hat geschrieben:Der Punkt ist, er ist UNIVERSELL raus, und nicht bloß systemintern, wie du behautest.
Das ist ein Irrtum bzw. eine weltanschauliche Aussage. - Denn dies hieße, dass sich das, was der Fall ist, an einer Methodik orientieren müsste: "Oh - ich bin ja gar nicht der Fall - die Methode verbietet es". :D

Pluto hat geschrieben:Am Anfang, gleich nach der Fragestellung, oder kannst du begründen, warum das nicht so sein könnte?
X-mal passiert: Der Kritische Rationalismus kann nur da eingesetzt werden, wo intersubjektiv überprüfbare Ergebnisse rauskommen können. Bei nicht-falsifizierbaren Dingen geht es nicht - bspw: "Kann Wahrnehmung/Wissenschaft Täuschung sein?". - Der Kritische Rationalismus MUSS hier setzen, dass Wissenschaft NICHT Täuschung ist.

Pluto hat geschrieben: Sie ist überhaupt nicht zu rechtfertigen, weil sie reines Wunschdenken repräsentiert.
Auch das ist wieder eine weltanschauliche Aussage.

Pluto hat geschrieben: Das einzig Verlässliche für Descartes, ist die Existenz seines Körpers.
Genau NICHT. - Das einzig sicher Erkennbare für Descartes ist das ICH. - Ob dies geistiger oder körperlicher Natur ist, spielt bei dieser Erkenntnis keine Rolle.

Jetzt kannst Du natürlich sagen "Aha - das ICH ist aber nur körperlich denkbar". - Möglicherweise hast Du recht - aber es ist eine nicht falsifizierbare Feststellung, denn Du kannst nicht falsifizieren, dass das ICH auch geistig denkbar ist".

Pluto hat geschrieben:Geht nicht. Ohne Gehirn ist keine Erinnerung möglich, also auch kein Denken.
Ebenfalls nicht falsifizierbar. - Was Du meinst ist: "Unter naturalistischen/materialistischen Gesichtspunkten ist ohne Gehirn keine Erinnerung möglich, also auch kein Denken". - Es könnte aber anders sein.

Du zählst weiße Schwäne - das reicht nicht.

Pluto hat geschrieben:Inwiefern "später"? Was genau meinst du, ist früher als der das körperliche Gefühl?
"Später" bedeutet "Nach der Setzung, dass die Wahrnehmung nicht täuscht". - Denn nur die Wahrnehmung des ICH ist ontologisch sicher - alles andere, also auch das Körperliche, kann Täuschung sein, selbst wenn wir es 100Mal nicht so glauben. Wir können es aber nicht ausschließen.

Pluto hat geschrieben: Die Frage ist, warum lehnst du das ab?
Ich lehne es nicht ab, sondern denke erst darüber nach, nachdem die Schritte vorher erledigt sind. - Sobald die Schritte davor erledigt sind, stimme ich Dir zu.

Pluto hat geschrieben:Hier gibt es nur eine Logik: das körperliche Gefühl.
Das ist wiederum eine weltanschauliche und keine ontologische Aussage.

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#1120 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Mo 21. Nov 2016, 22:55

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wer behauptet, das sie nicht universell einsetzbar ist (wie es Popper vorgeschlagen hatte)?
Sie ist überall für Bereiche einsetzbar, die ihr gemäß sind.
Warum dies Einschränkung?

closs hat geschrieben:Popper meint damit sicherlich nicht, dass sie zu allen Fragen das Mittel der Wahl ist.
Genau das ist aber der Fall. Er wollte den kR überall einsetzbar sehen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Der Punkt ist, er ist UNIVERSELL raus, und nicht bloß systemintern, wie du behautest.
Das ist ein Irrtum bzw. eine weltanschauliche Aussage.
Kein Irrtum, aber es steht dir frei, deine Behauptung zu belegen.
closs hat geschrieben:Denn dies hieße, dass sich das, was der Fall ist, an einer Methodik orientieren müsste
Da das was der Fall ist, reine Behauptung ist, ist das irrelevant.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Am Anfang, gleich nach der Fragestellung, oder kannst du begründen, warum das nicht so sein könnte?
X-mal passiert: Der Kritische Rationalismus kann nur da eingesetzt werden, wo intersubjektiv überprüfbare Ergebnisse rauskommen können. Bei nicht-falsifizierbaren Dingen geht es nicht
Wenn die Wissenschaft etwas nicht untersuchen kann, dann gibt es

closs hat geschrieben:Der Kritische Rationalismus MUSS hier setzen, dass Wissenschaft NICHT Täuschung ist.
Natürlich. Die Wissenschaft setzt von Anfang an, dass die Welt untersuchbar ist.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Sie ist überhaupt nicht zu rechtfertigen, weil sie reines Wunschdenken repräsentiert.
Auch das ist wieder eine weltanschauliche Aussage.
Mag sein, dass du das so siehst, aber es entspricht der Wahrheit.

closs hat geschrieben:Das einzig sicher Erkennbare für Descartes ist das ICH. - Ob dies geistiger oder körperlicher Natur ist, spielt bei dieser Erkenntnis keine Rolle.
Im Gegenteil, es ist ausschlaggebend., denn das ICH ist (wie der Geist) ein körperlicher Prozess.

closs hat geschrieben:Jetzt kannst Du natürlich sagen "Aha - das ICH ist aber nur körperlich denkbar". - Möglicherweise hast Du recht - aber es ist eine nicht falsifizierbare Feststellung, denn Du kannst nicht falsifizieren, dass das ICH auch geistig denkbar ist".
Doch. Man kann das vorübergehende Verschwinden des ICH an Epilepsie-Patienten sehr schön feststellen.

closs hat geschrieben:Was Du meinst ist: "Unter naturalistischen/materialistischen Gesichtspunkten ist ohne Gehirn keine Erinnerung möglich, also auch kein Denken". - Es könnte aber anders sein.
Nein. Das kann es nicht, denn nur das Gehirn kann Erinnerungen speichern.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Inwiefern "später"? Was genau meinst du, ist früher als der das körperliche Gefühl?
"Später" bedeutet "Nach der Setzung, dass die Wahrnehmung nicht täuscht".
Das ist Voraussetzung für wissenschaftliche Arbeit, und muss nicht ständig bestätigt werden.

closs hat geschrieben:alles andere, also auch das Körperliche, kann Täuschung sein, selbst wenn wir es 100Mal nicht so glauben. Wir können es aber nicht ausschließen.
Gewiss können wir es ausschließen. Allein schon wegen der Unmöglichkeit einer Simulation in Echtzeit.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Hier gibt es nur eine Logik: das körperliche Gefühl.
Das ist wiederum eine weltanschauliche und keine ontologische Aussage.
Wenn die Aussage stimmt, ist das nicht relevant.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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