Die Früchte des Reduktionismus.

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#21 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » So 21. Dez 2014, 19:40

Pluto hat geschrieben:Wissen schafft klarheit. — Was ist in diesem Zusammenhang ein "Wissens-Puzzle"?
Nehmen wir mal die reduktionistisch arbeitende historisch-kritische Methode.

Aus dem, was man hier ständig hört, kommt für mich folgendes raus:
1) Die jeweiligen Einzel-Punkte sind gut begründet.
2) Es stimmt hinten und vorne nicht mit Blick aufs Ganze.

Das meine ich mit "Puzzle": Die Einzelteile sind blitz und blank geputzt - es fehlt aber der große Wurf, das Bild zu erkennen, zu dem diese Puzzles gehören.

Pluto
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#22 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von Pluto » So 21. Dez 2014, 19:45

closs hat geschrieben:Nehmen wir mal die reduktionistisch arbeitende historisch-kritische Methode.
Aus dem, was man hier ständig hört, kommt für mich folgendes raus:
closs hat geschrieben:1) Die jeweiligen Einzel-Punkte sind gut begründet.
Was will man mehr?

closs hat geschrieben:2) Es stimmt hinten und vorne nicht mit Blick aufs Ganze.
Das ist mir zu pauschal.
Was genau stimmt denn objektiv nicht an den einzelnen Schlussfolgerngen einer historisch-kritischen Anaylse der Bibel?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#23 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » So 21. Dez 2014, 19:59

Pluto hat geschrieben:Was will man mehr?
Nicht Wissens-Pünktchen, sondern echte Erkenntnis.

Pluto hat geschrieben:Was genau stimmt denn objektiv nicht an den einzelnen Schlussfolgerngen einer historisch-kritischen Anaylse der Bibel?
Den großen geistigen Entwurf kann man weder verifizieren noch falsifizieren - Du wirst also keine objektive Begründung bekommen können. - Was Du bekommen kannst ist, ist eine schlüssige Begründung, zu der es aber jederzeit einen Gegenentwurf geben kann - so ist das in der Dialektik. - Erkennen kann man nur selbst.

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sven23
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#24 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » So 21. Dez 2014, 20:59

closs hat geschrieben:Nehmen wir mal die reduktionistisch arbeitende historisch-kritische Methode.

Aus dem, was man hier ständig hört, kommt für mich folgendes raus:
1) Die jeweiligen Einzel-Punkte sind gut begründet.
2) Es stimmt hinten und vorne nicht mit Blick aufs Ganze.

Das meine ich mit "Puzzle": Die Einzelteile sind blitz und blank geputzt - es fehlt aber der große Wurf, das Bild zu erkennen, zu dem diese Puzzles gehören.

Wenn man genügend Puzzle-Steine zusammenhat und sich immer noch kein zusammenhängendes Bild ergibt, könnt das auch daran liegen, daß es dieses Bild überhaupt nicht gibt. Es ist ein Phantom, das nur in der Vorstellung der Puzzler existiert.
Puzzle-Exegese bestünde nun darin, die Puzzlesteine so zu deformieren, daß man sie der Form nach irgendwie zusammenbringt, aber ein sinnvolles Bild entsteht immer noch nicht, eher ein Zerrbild. ;)
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#25 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » So 21. Dez 2014, 21:23

sven23 hat geschrieben:Wenn man genügend Puzzle-Steine zusammenhat und sich immer noch kein zusammenhängendes Bild ergibt, könnt das auch daran liegen, daß es dieses Bild überhaupt nicht gibt.
Auch DAS ist möglich. - Man wird es mit den Möglichkeiten des Puzzelns nie herausfinden.

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sven23
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#26 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » Mo 22. Dez 2014, 07:17

Sehen wir uns mal folgende Grafik an:
Grey_square_optical_illusion.jpg
Grey_square_optical_illusion.jpg (174.32 KiB) 247 mal betrachtet
Quelle: Wikipedia

Bei reduktionistischer Betrachtung würde unserem Gehirn auffallen, daß die Felder A und B exakt den gleichen Grauwert haben.
Da unser Gehirn aber darauf konditioniert ist, holistisch zu sehen, d. h. das Gesamtbild mit einzubeziehen, liefert es uns eine Falschinformation. Es weigert sich geradezu, die Felder als gleich zu erkennen.
Fazit: die holistische Sehweise ist im Alltag eine sinnvolle und bewährte Methode, kann aber auch zu Fehlinterpretationen führen.
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#27 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Mo 22. Dez 2014, 11:22

sven23 hat geschrieben:Bei reduktionistischer Betrachtung würde unserem Gehirn auffallen, daß die Felder A und B exakt den gleichen Grauwert haben. Da unser Gehirn aber darauf konditioniert ist, holistisch zu sehen, d. h. das Gesamtbild mit einzubeziehen, liefert es uns eine Falschinformation.
Denkfehler. - Das Gehirn macht das absichtlich, weil es Informationen in einem Zusammenhang sieht - am Zusammenhang gemessen, ist die Wahrnehmung KEINE Täuschung. - Im Vergleich zu anderen Zusammenhängen ist es selbstverständlich eine Täuschung.

Im Grunde sind wir hier auch beim Thema Exegese: Vergleicht man Zitat 1 mit Zitat 2, kann etwas völlig anderes gemeint sein, selbst wenn es isoliert betrachtet gleich klingt.

Wir müssen aufpassen, dass wir das holistische Vermögen des Geistes nicht zu dessen Nachteil auslegen.

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#28 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » Mo 22. Dez 2014, 11:41

closs hat geschrieben:Denkfehler. - Das Gehirn macht das absichtlich, weil es Informationen in einem Zusammenhang sieht - am Zusammenhang gemessen, ist die Wahrnehmung KEINE Täuschung. -

Es ist trotzdem eine Täuschung, wenn auch aus der Notwendigkeit heraus, daß das Bild für unser Gehirn stimmig wirkt.

Ich habe sogar schon Wetten gewonnen, weil das einige einfach nicht wahrhaben wollten.

Deshalb muß man immer aufpassen, daß einem aus holistischem Eifer keine faulen Eier untergejubelt werden. In religiös-geistigen Dingen passiert das ganz schnell, ohne daß die Betroffenen das merkern oder wahrhaben wollen. Dann ist Reduktionismus angesagt, um die Theorie zu überprüfen.

Das interessante daran ist, daß sich das Gehirn auch dadurch nicht umstimmen läßt, daß man den Fehler kognitiv erkannt hat. Auch hier sehe ich Parallelen zu religiösen Glaubenssystemen.
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#29 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Mo 22. Dez 2014, 12:40

sven23 hat geschrieben:Das interessante daran ist, daß sich das Gehirn auch dadurch nicht umstimmen läßt, daß man den Fehler kognitiv erkannt hat.
Da findet ein Kategorie-Fehler statt - ein Beispiel:

Bei 10° C ist ein Speiseeis zu warm, eine Suppe aber zu kalt. - Das Gehirn sagt also: "Selbst wenn die Temperatur objektiv dieselbe ist, ist sie im einen Fall zu hoch und im anderen zu niedrig". - Und da lässt sich das Gehirn auch nicht umstimmen, obwohl es kognitiv erkennt, dass es in beiden Fällen 10°C sind. - Das ist kein Mangel, sondern ein Vorteil des Gehirns - es denkt holistisch.

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#30 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » Mo 22. Dez 2014, 12:48

closs hat geschrieben:Da findet ein Kategorie-Fehler statt - ein Beispiel:

Bei 10° C ist ein Speiseeis zu warm, eine Suppe aber zu kalt. - Das Gehirn sagt also: "Selbst wenn die Temperatur objektiv dieselbe ist, ist sie im einen Fall zu hoch und im anderen zu niedrig". - Und da lässt sich das Gehirn auch nicht umstimmen, obwohl es kognitiv erkennt, dass es in beiden Fällen 10°C sind. - Das ist kein Mangel, sondern ein Vorteil des Gehirns - es denkt holistisch.

Trotzdem präsentiert uns das Gehirn einen definitiven Fehler als eine richtige Lösung, es läßt sich täuschen, auch nachdem es den Fehler erkannt hat. Es ist eine Sinnestäuschung/Wahrnehmungfehler aufgrund falscher Informationsverarbeitung im Gehirn. Die Holistik wird hier zur Falle.

Hier noch ein schönes Beispiel: einfach den Mittelpunkt fixieren und den Kopf vor und zurück bewegen. Die Kreise drehen sich gegeneinander.
350px-Revolving_circles.svg.jpg
350px-Revolving_circles.svg.jpg (24.35 KiB) 241 mal betrachtet
Quelle: Wikipedia

Schöner kann man nicht zeigen, daß uns unser Gehirn mal wieder falsche Informationen liefert.

Ps. Warum fällt es dir eigentlich so schwer einzugestehen, daß wir optischen Sinnestäuschungen erliegen. Das kann doch niemand ernsthaft bestreiten.
Oder hast du mal wieder die falschen Setzungen? :lol:
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