Intellektuelle Redlichkeit

Philosophisches zum Nachdenken
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sven23
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#51 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von sven23 » So 10. Mai 2015, 07:43

Yusuke hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben:aber es bleibt die Tatsache, dass der christliche Judenhass als solcher nichts mit der "Verbandelung" zu tun hat.
Kannst du das mal mehr begründen? ich verstehe nicht, warum es nichts mit dem, von closs genannten, "Sündenfall" zu tun hat.
Weil der "Sündenfall", also die Verbandelung von kirchlicher mit weltlicher Macht nicht die eigentliche Ursache für den Antisemitismus des Christentums ist. Die Grundlage dafür liefert das neue Testament. Selbst Luther, der die Kirche wegen ihrer allzu weltlichen Ausrichtung spaltet, ist trotzdem ein ziemlich übler Antisemit und kann sich dabei auf die Bibel berufen. Lange vor Hitler rief er zu brennenden Synagogen auf.
http://www.bibelkritik.ch/kirchenkritik/e13.htm
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Zeus
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#52 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von Zeus » So 10. Mai 2015, 08:56

sven23 hat geschrieben:
Yusuke hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben:aber es bleibt die Tatsache, dass der christliche Judenhass als solcher nichts mit der "Verbandelung" zu tun hat.
Kannst du das mal mehr begründen? ich verstehe nicht, warum es nichts mit dem, von closs genannten, "Sündenfall" zu tun hat.
Weil der "Sündenfall", also die Verbandelung von kirchlicher mit weltlicher Macht nicht die eigentliche Ursache für den Antisemitismus des Christentums ist. Die Grundlage dafür liefert das neue Testament. Selbst Luther, der die Kirche wegen ihrer allzu weltlichen Ausrichtung spaltet, ist trotzdem ein ziemlich übler Antisemit und kann sich dabei auf die Bibel berufen. Lange vor Hitler rief er zu brennenden Synagogen auf.
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OK.

Den Judenhass der Christen hatte seine Wurzel im NT.
Die Judenverfolgung im römischen Reich begann nach der "Verstaatlichung" der Kirche durch Theodosious.
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Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
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barbara
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#53 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von barbara » So 10. Mai 2015, 09:03

Samantha hat geschrieben: Was ist denn schon intellektuell unredlich?

Intellektuell unredlich ist, sich bei der Interpretation gegebener Fakten nicht an die Logik zu halten; Sich zu weigern, Dinge zu Ende zu denken, wenn das Resultat nicht mit persönlichen Vorlieben übereinstimmen könnte; mit verschiedenen Ellen messen, abhängig von persönlichen Vorlieben.


Dies hört sich irgendwie so an, als müsste man intelligent sein, um mitreden zu dürfen.

Dummheit ist unabsichtlich und kann durch Erklärungen und Studium in den meisten Fällen behoben werden. Aber redlich muss man sein! - ehrlich gegenüber sich selbst, udn mutig genug, auch mal zu sagen "das ist jetzt aber anders, als ich immer gemeint habe, da muss ich wohl nochmals über die Bücher, die Fakten stützen meine Meinung nicht."


gruss, barbara

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Yusuke
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#54 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von Yusuke » So 10. Mai 2015, 09:21

Hi Zeus,

erstmal danke für deinen Beitrag, Zeus.
Zeus hat geschrieben: Weil der Hass gegen die Juden schon lange vor dem "Sündenfall" geschürt […] zwar durch Paulus, [...] ältestem Brief, dem Thessalonicherbrief, lesen wir zum Beispiel: (1. Thess 2,14-16)
Stimmt, den Wortlaut kann man als antisemitisch deuten, aber ich sehe es aus folgenden Gründen als problematisch allein die Schriften des Neuen Testaments als antisemitisch abzustempeln.

1.) Paulus hat zwar gegen Juden gesprochen, aber damit kann es sich unmöglich um ALLE Juden handeln, sondern um einen spezifischen Teil, die auch Paulus nachdem Leben trachteten.

2.) Paulus war selbst Jude (eig. Israelit, wie er selbst bezeugt) und das es auch unter Juden Probleme untereinander gab, das ist bekannt (s. Pharisäer, Saduzäer, etc.).

3.) Sollte man die NT-Schriften trotzdem als antisemitisch verurteilen, dann sollte man es genauso mit den Schriften des Alten Testaments tun (auf die sich Paulus bezieht).

=> Im Neuen Testament handelt es sich wesentlich um einen inner-jüdischen Konflikt, deshalb finde ich es problematisch einfach als antisemitisch abzustempeln. Der Heide, z.B. Lukas schreibt nicht antisemitisch und er war Wegbegleiter des Paulus.

Zeus hat geschrieben:Auch im Johannesevangelium wird gegen die Juden gehetzt:
Dieses judenfeindlichste Evangelium der Bibel [...]

Hierbei machst du den gleichen Fehler wie bei Paulus. Nach historischer Forschung war auch Johannes ein Jude, d.h. bei diesen antisemitischen Äußerungen kann es sich unmöglich um die ganze jüdische Gemeinde handeln, sondern es handelt sich um einen bestimmten Gegnerkreis der Jünger Jesu. Es ist ein inner-jüdischer Konflikt.

Abschließend kann ich nur wiederholen, wenn man den jüdischen Schriften des Neuen Testaments als antisemitisch abstempelt, dann muss man es auch konsequent mit den Schriften des Alten Testaments tun. In beiden Schriften lassen sich antisemitische Formulierungen gegen „die Juden“ finden (Nur im AT eben von den Propheten/Gott).

Zeus hat geschrieben:Den Judenhass der Christen hatte seine Wurzel im NT.
Historisch korrekt müsste es lauten: "Der Judenhass der Judenchristen gegen andere Juden".
Zuletzt geändert von Yusuke am So 10. Mai 2015, 09:29, insgesamt 1-mal geändert.

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Zeus
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#55 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von Zeus » So 10. Mai 2015, 09:29

barbara hat geschrieben: Dummheit ist unabsichtlich und kann durch Erklärungen und Studium in den meisten Fällen behoben werden.
Dummheit ist angeboren. Gegen sie ist kein Kraut gewachsen. :cry:
Unwissenheit (oft mit Dummheit verwechselt) ist heilbar durch Erklärungen und Studium. :D
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sven23
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#56 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von sven23 » So 10. Mai 2015, 09:48

Yusuke hat geschrieben: Es ist ein inner-jüdischer Konflikt.
Das ist nur die halbe Wahrheit. Das entstehende Christentum vollzog ziemlich früh den Bruch mit dem Judentum und legte großen Wert auf die Abgrenzung. Unter diesem Aspekt ist auch die verniedlichende Darstellung von Pontius Pilatus zu sehen, der sich laut den Evangelisten die Hände in Unschuld waschen darf, während man die Verantwortung für den Tod des Gottessohns eindeutig zu den Juden hin schiebt, einmal in Form des Verräters Judas, dann in Form der Hohen Priester und schließlich in Form des jüdischen Mobs (kreuzigt ihn).
Hier wird der Grundstein gelegt für 2000 Jahre Antisemitismus.
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#57 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von Zeus » So 10. Mai 2015, 10:04

Yusuke hat geschrieben:Hi Zeus,

erstmal danke für deinen Beitrag, Zeus.
Zeus hat geschrieben: Weil der Hass gegen die Juden schon lange vor dem "Sündenfall" geschürt […] zwar durch Paulus, [...] ältestem Brief, dem Thessalonicherbrief, lesen wir zum Beispiel: (1. Thess 2,14-16)
Stimmt, den Wortlaut kann man als antisemitisch deuten, [...]
Ich habe das Wort "antisemitisch" in meinem Kommentar mit Bedacht NICHT benutzt.
Paulus war kein Antisemit, er war schließlich selbst Jude (mit römischer Staatsbürgerschaft).
Er wetterte gegen Juden, die die christliche Lehre nicht angenommen hatten.
Erst später in der Geschichte entwickelte sich daraus die allgemeine Judenfeindlichkeit, die man heute mit Antisemitismus bezeichnet.

Der Antijudaismus war in den Bibelversen des Neuen Testaments geboren, wuchs heran zum Antisemitismus und fand seinen schrecklichen Höhepunkt in den Konzentrationslagern von Auschwitz. - Johannes Maria Lehner
Zuletzt geändert von Zeus am So 10. Mai 2015, 10:14, insgesamt 1-mal geändert.
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#58 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von Yusuke » So 10. Mai 2015, 10:09

sven23 hat geschrieben:Das entstehende Christentum vollzog ziemlich früh den Bruch mit dem Judentum und legte großen Wert auf die Abgrenzung.

So formuliert kann ich dem nicht zustimmen, denn nicht das Christentum löste sich vom Judentum. Das Christentum enthält immer noch viele jüdische Züge, so spielt für Christen (bis heute) das AT eine große Rolle. Nein, es müsste lauten: Anfänglich christliche Juden lösten sich von nicht-christlichen Juden. Das beide Fraktionen miteinander nichts mehr zu tun haben wollten, liegt in den Unterschieden ihrer Ideologien zugrunde. Denn die nicht-christlichen Juden haben ihre christilchen "Brüder" aus den Synagogen (z.B. Paulus) vertrieben, weil sie ein Problem mit der christlichen Jesus-Mission hatten. Aus diesem inner-jüdischen Konflikt entstand immer größere Spannung unter Judenchristen und Juden der sich auch auf Heidenchristen übertragen hat, das mündete dann in den späten Antisemitismus der Kirche.

Es ist vergleichbar mit Platons Höhlengleichnis auf Jesus übertragen. Jesus (Jude) erhält eine neue Erkenntnis, möchte es anderen Juden mitteilen, wenige verstehen ihn, daraufhin gehen beide Gruppe verschiedene Wege. :lol:

sven23 hat geschrieben:Unter diesem Aspekt ist auch die verniedlichende Darstellung von Pontius Pilatus zu sehen, der sich laut den Evangelisten die Hände in Unschuld waschen darf, während man die Verantwortung für den Tod des Gottessohns eindeutig zu den Juden hin schiebt

Die Verharmlosung des Pilatus kommt aber ursprünglich von Judenchristen (Johannes).

Zeus hat geschrieben:Ich habe das Wort "antisemitisch" in meinem Kommentar mit Bedacht NICHT benutzt.
Mein Fehler, tut mir Leid. :oops:
Zuletzt geändert von Yusuke am So 10. Mai 2015, 10:14, insgesamt 1-mal geändert.

Samantha

#59 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von Samantha » So 10. Mai 2015, 10:12

barbara hat geschrieben:
Samantha hat geschrieben: Was ist denn schon intellektuell unredlich?
Intellektuell unredlich ist, sich bei der Interpretation gegebener Fakten nicht an die Logik zu halten; Sich zu weigern, Dinge zu Ende zu denken, wenn das Resultat nicht mit persönlichen Vorlieben übereinstimmen könnte; mit verschiedenen Ellen messen, abhängig von persönlichen Vorlieben.
Nein, es soll wohl meinen: "wer unehrlich ist, muss dumm sein. Oder nur Wissen mach klug und ehrlich." Doch wer so ehrlich wie möglich zu sich selber zu sein versucht, muss noch lange nicht irgendwelche publizierten Fakten interpretieren können - ist dann vielleicht dumm, aber nicht unredlich.

Dies hört sich irgendwie so an, als müsste man intelligent sein, um mitreden zu dürfen.
Dummheit ist unabsichtlich und kann durch Erklärungen und Studium in den meisten Fällen behoben werden. Aber redlich muss man sein! - ehrlich gegenüber sich selbst, udn mutig genug, auch mal zu sagen "das ist jetzt aber anders, als ich immer gemeint habe, da muss ich wohl nochmals über die Bücher, die Fakten stützen meine Meinung nicht."
Dummheit kann nicht immer behoben werden, sondern es kann nur von Intelligenten noch nicht vorhandenes Wissen erworben werden.

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#60 Re: Intellektuelle Redlichkeit

Beitrag von sven23 » So 10. Mai 2015, 10:26

Yusuke hat geschrieben: So formuliert kann ich dem nicht zustimmen, denn nicht das Christentum löste sich vom Judentum.

Das sehen die Juden wohl anders und ist auch nachvollziehbar. Wie hätten sie wohl sonst mit einer neuen, kleinen Sekte umgehen sollen? Die Abspaltung der Christen war die logische Konsequenz und Paulus betrieb sie von Anfang an.
(1. Thess 2,14-16): "Die (Juden) haben den Herrn Jesus getötet und die Propheten und haben uns verfolgt und gefallen Gott nicht und sind allen Menschen feind. Und um das Maß ihrer Sünden allewege voll zu machen, wehren sie uns, den Heiden zu predigen zu ihrem Heil. Aber der Zorn Gottes ist schon in vollem Maß über sie gekommen."

Damit legte er und die Evangelisten den Grundstein für den Antijudaismus und in der Folge für 2000 Jahre Antisemtismus, der durch die Kirche eifrig kultiviert wurde.
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