Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Philosophisches zum Nachdenken
Novas
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#1 Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von Novas » Fr 20. Mär 2015, 20:07

Ein Artikel zum Thema "METAphysik". Wer sich wirklich dafür interessiert, das Verhältnis geistig-spiritueller und naturwissenschaftlicher Sichtweisen zu verstehen, der kann sich das ja mal zu Gemüte führen.

Über die Vorsilbe meta und das Verhältnis von Metaphysik zu Wissenschaft

"Vorausgesetzt, man weiß was mit Physik gemeint ist, dann versteht man was Metaphysik bedeutet wohl erst dann, wenn man die Vorsilbe meta versteht.

Seit je her wird Metaphysik als Disziplin von dem verstanden, das über die Physik hinausgeht. Zu der Zeit, als der Begriff Metaphysik entstanden ist, verstand man unter Physik jedoch noch ganz allgemein die Naturwissenschaft, sodass unter Metaphysik das verstanden wurde, was über die empirische (d.h. erfahrbare) Natur hinaus bestehen mag. Daraus ergibt sich, dass unter dem Präfix meta “darüber hinaus” oder “jenseits von” zu verstehen wäre. Metaphysik wäre demnach in griechischer Wendung gleichbedeutend mit Hyperphysik oder Transphysik, bzw. in lateinischer Wendung eine Supra-, Ultra-, Super- oder Extraphysik. Denn all diese Vorsilben bezeichnen ein “über, hinaus, hinüber, oberhalb oder außerhalb”.

Ich halte diese Bedeutung von meta jedoch für unzureichend und schließe mich damit der Meinung von Johannes Hirschberger an, der in Geschichte der Philosophie (Band 1, S. 183, Komet Verlag) folgendes zu bedenken gibt:

“Daß das meta, hyper, trans nicht ein Hinüberfliegen in eine ganz andere Welt bedeuten muss, wie es Hume und Kant in ihrer Metaphysikkritik behaupten, aber auch schon die Kirchenväter und manche Scholastiker behaupten, ergibt sich aus den Metaphysikkommentaren der Ammonios-Schule. Infolge der modernen Festlegung des Sinnes von Metaphysik könnte es geschehen, daß wir das meta von vornherein falsch deuten, im Sinne nämlich einer totalen Trennung.”

Ich bringe meta daher viel mehr in Verbindung zu methexis (Teilhabe) und verstehe unter einer Metaeigenschaft von Dingen eine Eigenschaft, die diesen Dingen zwar transzendent ist, d.h. über die Genzen der Dinge hinaus und damit außerhalb derselben liegt, die den Dingen aber zugleich auch immanent ist, d.h. in den Dingen als eine Grundlage enthalten ist, und an dieser Eigenschaft teilhaben.

Meta bezeichnet mir daher eine auf einer übergeordneten Ebene liegende dialektische Synthese von immanent und transzendent und somit, je nach Perspektive entweder immanente Transzendenz oder transzendente Immanenz. Ich werde bei späterer Gelegenheit noch darzustellen versuchen, warum man ersteres als Gott, zweiteres hingegen als Seele bezeichnen könnte.

Ein leicht fassbares Beispiel für etwas mit Metaeigenschaft ist der Raum, der einerseits als Weltraum außerhalb der Körper materieller Dinge liegt, und ihnen bereits ab ihrer Körperoberfläche außenseitig transzendent ist, der andererseits aber auch als Volumen in den Körpern materieller Dinge vorhanden ist, ihnen ab ihrer Körperoberfläche innenseitig immanent ist und für die Dinge grundlegend ist, da sie durch den Raum überhaupt erst ausgedehnt sein können.

Vor dem Hintergrund dieser Bedeutung von meta ergibt sich nun, dass Metaphysik und Wissenschaft dadurch in Verbindung stehen, dass die Prinzipien der Metaphysik zwar wissenschaftlich nicht als Notwendigkeiten zu rechtfertigen sind, dennoch aber in den Wissenschaften als deren Grundlage enthalten sind. Der Begriff der Wahrheit, Singularitäten oder auch die Behauptung der Unveränderlichkeit von Naturkonstanten oder -gesetzen sind Beispiele dafür.

Dabei bedeutet transzendent nun nicht, dass diese Prinzipien außerhalb der Welt in einem Jenseits liegen, denn wenn wir den Begriff Welt als Totalität allen Seins (siehe Teil 1der Beiträge dieser Serie) verstehen, dann gibt es ihr gegen über kein Jenseits bzw. keine Transzendenz, sondern transzendent bedeutet hier, dass metaphysische Prinzipien außerhalb der wissenschaftlich gesicherten Erkenntnismöglichkeiten liegen und somit dem logisch denkenden Verstande transzendent sind, der sich deshalb bei der Erwägung dieser Prinzipien in Widersprüche verwickelt (Antinomien bei Kant). Der dialektisch wertenden Vernunft hingegen sind diese Prinzipien immanent und allein insofern ist die Vernunft, wie Kant es ausdrückte, das Vermögen der Prinzipien. Die Setzung metaphysischer Prinzipien zur Grundlegung der Wissenschaften ist somit eine Vernunftsetzung, die im Rahmen der Modalitäten alleine die Möglichkeit (50 % ige Wahrscheinlichkeit) ihres Wahrheitwertes beanspruchen kann.

Da die Prinzipien der Metaphysik nun als apriorische Grundlage in allen Wissenschaften enthalten sind, kann der sichere Gang einer Metaphysik nur darin bestehen, diese unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnis zu gründen, und nicht völlig losgelöst davon in rein spekulativer Religion herumzutappen.

Nachdem wir in den vorangegangenen Beiträgen dargestellt haben, was wir unter Substanz verstehen und warum wir den Raum als immaterielle Substanz betrachten, wir hier nun auch die Metaeigenschaft des Raumes dargestellt haben, wird der nächste Beitrag von den Dimensionalitäten als der Struktur des Raumes handeln." Quelle: https://tituspauly.wordpress.com/2015/0 ... senschaft/
Zuletzt geändert von Novas am Fr 20. Mär 2015, 23:47, insgesamt 1-mal geändert.

Anton B.
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#2 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von Anton B. » Fr 20. Mär 2015, 20:56

Novalis hat geschrieben:Ein Artikel zum Thema "METAphysik". Wer sich wirklich dafür interessiert, geistig-spirituelle und naturwissenschaftliche Sichtweisen zu verstehen, der kann sich das ja mal zu Gemüte führen.
Wer sich dafür interessiert, hat aber bestimmt auch schon das hier gelesen:

David Hume (1747): Philosophical Essays Concerning Human Understanding. -- London.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Novas
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#3 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von Novas » Fr 20. Mär 2015, 22:20

Anton B. hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Ein Artikel zum Thema "METAphysik". Wer sich wirklich dafür interessiert, geistig-spirituelle und naturwissenschaftliche Sichtweisen zu verstehen, der kann sich das ja mal zu Gemüte führen.
Wer sich dafür interessiert, hat aber bestimmt auch schon das hier gelesen:

David Hume (1747): Philosophical Essays Concerning Human Understanding. -- London.

Magst Du ein paar Gedanken oder Auszüge dazu schreiben? Mich interessiert's... und was ist deine eigene Sichtweise zu dieser Thematik? Danke sehr! ;)

Anton B.
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#4 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von Anton B. » Sa 21. Mär 2015, 14:48

Nun ja, auf Humes und Kants Auseinandersetzung mit der Metaphysik wird in Deinem Zitat ja schon kurz verwiesen.

Die "Metaphysikkritik" Humes hat aus der Sichtweise eines "skeptizistischen Empirismus" heraus festgestellt, dass einzelne metaphysische "Projekte" nicht wissenschaftlich betreibbar sind. Aus unserer heutigen Sicht sind die wissenschaftlichen Kriterien entsprechenden Disziplinen als "Formal- und "Realwissenschaften" zu bezeichnen.

Der Terminus "Metaphysik" ist in der zeitgenössischen Philosophie "schwach" besetzt. Dein Text versucht nun, Metaphysik neu zu bestimmen und zu begründen, warum auch Transzendenz Gegenstand wissenschaftlicher Betätigung sein kann.

Du bringst Beispiele, wie den "Raum", "Wahrheit", "Singularitäten" oder auch die "Behauptung der Unveränderlichkeit von Naturkonstanten oder -gesetzen". "Wahrheit" und "Singulatität" sind im wissenschaftlichen Kontext verwendete Begriffe der (geistig-)formalen Wissenschaften Mathematik und Logik. "Raum" ist ein vorwissenschaftliches Konstrukt und die "Unveränderlichkeit von Naturkonstanten oder -gesetzen" wird einfach angenommen, ja! Aber beides wird innerhalb von Modellen und nicht von grundlegenden Vorkonstrukten benutzt. Und das ist auch schon der entscheidende Unterschied zu Deiner Sicht aus der transzendenten Metaphysik heraus: Weder Raum noch die Unveränderlichkeit von was auch immer sind Grundlage oder a-priori-Annahmen der Wissenschaft. Als Elemente von Modellen/Theorien sind sie jederzeit durch die Falsifikation des jetzigen Modells und dem Durchsetzen eines neuen Modells -- möglicherweise ohne unseren Raumbegriff und ohne die Annahme einer Unveränderlichkeit -- gefährdet.

Ich erkenne weder die Notwendigkeit transzendenter Metaphysik für die Wissenschaft, noch sehe ich in der zeitgenössischen Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie eine Begründung dafür. Ich vermute, dass sich bei Hume "unsere" Wege trennen.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Pluto
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#5 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von Pluto » Sa 21. Mär 2015, 15:38

Novalis hat geschrieben:Magst Du ein paar Gedanken oder Auszüge dazu schreiben? Mich interessiert's... und was ist deine eigene Sichtweise zu dieser Thematik? Danke sehr! ;)
Es lohnt sich allemal, als angehender Metphysiker, mal die literarischen Quellen der eigenen Glaubensätze kritisch zu betrachten.

Hume, David, Untersuchung in Betreff des menschlichen Verstandes
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Pluto
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#6 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von Pluto » Sa 21. Mär 2015, 15:42

Anton B. hat geschrieben:Ich erkenne weder die Notwendigkeit transzendenter Metaphysik für die Wissenschaft, noch sehe ich in der zeitgenössischen Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie eine Begründung dafür. Ich vermute, dass sich bei Hume "unsere" Wege trennen.
Wenn nicht schon bei Lebniz oder Descartes, dann allerspätestens beim grossen Meister des Idealismus, Immanuel Kant. 8-)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Novas
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#7 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von Novas » Sa 21. Mär 2015, 15:53

Vielen Dank für deine erlesenen Gedanken, lieber Anton. Ich bin der Ansicht, dass Menschen ihrem Denken immer ein metaphysisches Paradigma zugrunde legen - sobald wir ein Weltbild formulieren und uns eine bestimmte Vorstellung vom Sein machen - sei es spirituell oder materialistisch. Wenn Pluto behauptet, dass das materialistische Weltbild wahr ist, dann weil er selbst von bestimmten Vorannahmen ausgeht, die er allen weiteren Schlussfolgerungen zugrunde legt.

Wenn wir uns überlegen, was eine passende Definition für "Geist" und "Materie" oder "Zeit" und "Raum" ist und woher das alles kommt, dann bewegen wir uns bereits im metaphysischen Bereich. Wie kann aus vermeintlich "toter" Materie plötzlich Leben und Bewusstsein entstehen? Da braucht es ein sinnvolles Paradigma.

Novas
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#8 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von Novas » Sa 21. Mär 2015, 15:59

Pluto hat geschrieben:Es lohnt sich allemal, als angehender Metphysiker, mal die literarischen Quellen der eigenen Glaubensätze kritisch zu betrachten.

Ja, jeder von uns sollte seine Glaubenssätze kritisch betrachten. Ob jemand eher religiös-spirituell denkt oder materialistisch spielt keine Rolle. Jedes Weltbild ist der Skepsis und Überprüfung würdig. Beispielsweise finde ich den eliminativen Materialismus (Stichwort "Neurowahn") sehr unappetitlich. ;) Denn wenn geistige Erlebnisse einseitig, als nicht existent oder irrelevant abgetan werden, dann kann das kein sinnvoller Weg sein.
Zuletzt geändert von Novas am Sa 21. Mär 2015, 16:07, insgesamt 1-mal geändert.

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#9 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von NIS » Sa 21. Mär 2015, 16:06

Energie entsteht durch eine Wechselwirkung von Objekten!

Diese Energie der Elementarteilchen war der Ursprung des Lebens!

Das heißt, es gab Ursprünglich mindestens Zwei Elementarteilchen, die auf einander gewirkt haben!

War der Ursprung des Universums Eindeutig, Gott, oder Zweideutig, die Elementarteilchen?

Oder bestand vielleicht der Geist Gottes aus diesen beiden Elementarteilchen?

"Ich bin Derselbe in Gut und Böse!" (NIS)

Wie entsteht eine biologische Zellteilung in einem Embryo?
Der Heilige Geist (Hauke)

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#10 Re: Metaphysik und das Verhältnis zur Wissenschaft

Beitrag von closs » Sa 21. Mär 2015, 16:33

Anton B. hat geschrieben:Ich erkenne weder die Notwendigkeit transzendenter Metaphysik für die Wissenschaft, noch sehe ich in der zeitgenössischen Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie eine Begründung dafür.
Im Sinne der Definition dessen, was Wissenschaft ist, erkenne ich ebenfalls keine Notwendigkeit. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für die zeitgenössische Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. - Insofern sind wir uns einig.

Allerdings bedingt diese Einigkeit ein Opfer - nämlich dass man damit eingesteht, dass Wissenschaft sowie zeitgenössische Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie nur einen Teil dessen abbilden können, was für den Menschen der Fall ist (einfachstes Beispiel: "Gott" könnte der Fall sein). - Solange Wissenschaft sowie zeitgenössische Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie dies erkennen, kann es ein gutes Einvernehmen zwischen Metaphysik und Wissenschaft geben - weil beides nicht interferiert.

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