Feindbild Naturwissenschaft

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#1 Feindbild Naturwissenschaft

Beitrag von Pluto » Sa 2. Mai 2015, 12:30

Die großen Denker der Vernunft und Aufklärung waren naturwissenschaftlich orientierte Menschen die zu Disziplinen wie Mathematik, Physik oder Medizin ihren Beitrag leisteten. Fast unbemerkt, waren sie auch die ersten Kognitionswissenschaftler.
Personen wie Spinoza, Descartes, Leibniz, Hume, Kant, Rousseau sind um so bewundernswerter, weil sie ihre Erkenntnisse zu einer Zeit niederschrieben, da es noch keine Theorien und kaum empirische Daten gab.

Bis in die heutige Zeit entspringen die meisten neuen Ideen den Naturwissenschaften. Man müsste meinen, dass die Geisteswissenschaften der Naturwissenschaft für ihre neuen Ideen dankbar wären. Aber dies ist nicht immer der Fall. Obschon fast alle Leute den Beitrag der Naturwissenschaft begrüßen wenn es sich um Gesundheit oder um Umweltmessungen geht, ist der Unmut groß wenn Naturwissenschaft in Gebiete der Geisteswissenschaft oder der Religion "mitredet".

Es sei irgendwie unschicklich oder anmaßend so die Argumentation wenn sich die Naturwissenschaft bemüht die großen Fragen der Menschheit zu beantworten. Die Argumente beinhalten dann Worte wie Determinismus, Reduktionismus, Positivismus oder Materialismus. Schlimmer noch... Während man die Augen gegenüber den Erkenntnissen der Naturwissenschaft verschließt, bezichtigt man die Protagonisten des Szientismus.


Warum eigentlich...?
Warum sind die Geisteswissenschaften so stark mit Vorurteilen gegenüber der Naturwissenschaft behaftet?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

barbara
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#2 Re: Feindbild Naturwissenschaft

Beitrag von barbara » Sa 2. Mai 2015, 13:14

Die meisten neuen Ideen entspringen den Werkstätten von Bastlern, die etwas zusammenbauen... die Theorie dazu wird meist erst nachher gefunden.

Jene Leute, die unser Leben verändert haben, heissen Henry Ford, Bill Gates und Steve Jobs.

Dass die Geisteswissenschaften etwas gegen Naturwissneschaften haben, stimmt doch gar nicht, ganz im Gegenteil; die Geisteswissenschaften versuchen doch, oder tun es, die empirische Seite zu betonen. gilt für die Psychologie, wo Freud'sche Analysen völlig out sind und Verhaltenstherapie in, oder für die Theologie, wo historisch-kritische Forschung das Nonplusultra ist.

Es gibt dann natürlich die Leute, die Wissenschaft nicht als Werkzeug benutzen, sondern einen Götzen daraus machen, und die werden für diese irrationale, unsinnige und schädliche Handlungsweise völlig zu Recht kritisiert. Was den Wert von Wissenschaft als mächtiges, vielseitiges Werkzeug aber keineswegs mindert.

gruss, barbara

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Savonlinna
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#3 Re: Feindbild Naturwissenschaft

Beitrag von Savonlinna » Sa 2. Mai 2015, 13:30

Pluto hat geschrieben: Warum sind die Geisteswissenschaften so stark mit Vorurteilen gegenüber der Naturwissenschaft behaftet?
Ist mir ehrlich gesagt, völlig neu. Bin noch nie einem solchen begegnet, und ich kenne viele davon.
Hast Du darüber Zahlen oder Auswertungen?

Man ist möglicherweise aber gegen Nestbeschmutzer allergisch, also gegen die, die von naturwissenschaftlichen Methoden nichts verstehen, aber in ihrem Namen reden und die Naturwissenschaft damit in den Dreck ziehen.
Zuletzt geändert von Savonlinna am Sa 2. Mai 2015, 14:47, insgesamt 1-mal geändert.

closs
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#4 Re: Feindbild Naturwissenschaft

Beitrag von closs » Sa 2. Mai 2015, 13:36

Pluto hat geschrieben:Warum sind die Geisteswissenschaften so stark mit Vorurteilen gegenüber der Naturwissenschaft behaftet?
Eigentlich ist das gar nicht so. - Nur können Naturwissenschaften aus Sicht der Geisteswissenschaften nicht mehr als Hilfswissenschaften sein. In diesem Sinne bin ich bspw. zuversichtlich, dass der geistige Begriff des "Geschlechterfluchs" irgendeinmal epigenetisch nachgewiesen werden kann - es gibt auch andere Beispiele.

Reibungen zwischen Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft gibt es dann, wenn man (Du tust es gelegentlich auch) beide Blöcke als komplementär darstellt - als würde jedes bißchen mehr Naturwissen den geistigen Sektor einschränken. - Diese Ansicht ist irrig.

Wir hatten ja bereits mehrfach das Beispiel mit der Evolutions-Theorie und der Auseinandersetzung mit Kardinal Schönborn - hier wird dieses Missverständnis recht klar. - Diesbezüglich wäre es irrig, eine Interferenz zwischen beiden Blöcken zu postulieren - es ist nicht so. - Denn selbst wenn die biolologische Entwicklung des Lebens bis zurück zur Abiogenese lückenlos naturwissenschaftlich erklärt werden könnte, hätte dies nicht, aber auch gar nichts, mit geistigen Fragestellungen zu tun.

Insofern gibt es eigentlich kein "Feindbild Naturwissenschaft" seitens der geistigen Fraktion. - Allerdings reagiert man empfindlich (ich auch), wenn die Naturwissenschaft meint, aus ihren Beobachtungen weltanschauliche (!) Schlussfolgerungen zu Lasten des Geistigen ziehen zu dürfen - DA ist der kritische Punkt.

Anton B.
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#5 Re: Feindbild Naturwissenschaft

Beitrag von Anton B. » Sa 2. Mai 2015, 14:33

Savonlinna hat geschrieben:Ist mir ehrlich gesagt, völlig neu. Bin noch nie einem solchen begegnet, und ich kenne viele davon.
Hast Du darüber Zahlen oder Auswertungen?

Man ist möglicherweise aber gegen Nestbeschmutzer allergisch, also gegen die, die von naturwissenschaftlichen Methoden nichts verstehen, aber in ihrem Namen reden und die Naturwissenschaft damit in den Dreck ziehen.
Kann ich mich voll anschließen. Und genauso gibt es die "Nestbeschmutzer", die von von geisteswissenschaftlichen Methoden nichts verstehen, in deren Namen reden und damit die Geisteswissenschaften in den Dreck ziehen.

In wissenschaftlichen Beiträgen -- im wissenschaftlichen Kontext publiziert -- habe ich bisher weder das eine, noch das andere lesen müssen. Es ist kein Problem zwischen Geisteswissenschaften und und Naturwissenschaften an sich, sondern vornehmlich eines von "engagierten" Laien.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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Savonlinna
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#6 Re: Feindbild Naturwissenschaft

Beitrag von Savonlinna » Sa 2. Mai 2015, 14:54

Anton B. hat geschrieben:In wissenschaftlichen Beiträgen -- im wissenschaftlichen Kontext publiziert -- habe ich bisher weder das eine, noch das andere lesen müssen. Es ist kein Problem zwischen Geisteswissenschaften und und Naturwissenschaften an sich, sondern vornehmlich eines von "engagierten" Laien.
Das "Geblaute" scheint mir auf den Punkt gebracht. Es ist immer das Halbwissen, das so gefährlich ist.

Kleinigkeit in eigener Sache:
Ich habe mich bei dem Wort "Nestbeschmutzung" vertippt, habe das bei mir im Original schon korrigiert. Wärst Du so lieb und würdest es in dem von Dir Zitierten auch korrigieren? Ich denke offenbar zu viel an "Netz". :?

Pluto
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#7 Re: Feindbild Naturwissenschaft

Beitrag von Pluto » Sa 2. Mai 2015, 15:01

Savonlinna hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Warum sind die Geisteswissenschaften so stark mit Vorurteilen gegenüber der Naturwissenschaft behaftet?
Ist mir ehrlich gesagt, völlig neu. Bin noch nie einem solchen begegnet, und ich kenne viele davon.
Hast Du darüber Zahlen oder Auswertungen?
Leider nein.
Ich habe mich auf Schriften von Leuten wie Daniel Dennett (Philosophie Prof.), Steven Pinker (Sprachwissenschaftler), Carl Sagan und andere gestützt, die dieses Problem als ein sehr Reales erkennen.

Ich sehe das auch so, und dazu ist es ein herrlich kontroverses Thema für dieses Forum. :mrgreen:

Savonlinna hat geschrieben:Man ist möglicherweise aber gegen Nestbeschmutzer allergisch, also gegen die, die von naturwissenschaftlichen Methoden nichts verstehen, aber in ihrem Namen reden und die Naturwissenschaft damit in den Dreck ziehen.
Da ist sicher was dran, aber wie sagen die Indianer?
Kein Rauch ohne Feuer.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#8 Re: Feindbild Naturwissenschaft

Beitrag von Salome23 » Sa 2. Mai 2015, 15:06

Savonlinna hat geschrieben: Wärst Du so lieb und würdest es in dem von Dir Zitierten auch korrigieren? Ich denke offenbar zu viel an "Netz". :?
erledigt :thumbup:

Pluto
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#9 Re: Feindbild Naturwissenschaft

Beitrag von Pluto » Sa 2. Mai 2015, 15:10

barbara hat geschrieben:Die meisten neuen Ideen entspringen den Werkstätten von Bastlern, die etwas zusammenbauen... die Theorie dazu wird meist erst nachher gefunden.
Das war mal so, liebe Barbara, und sicher denkst du dabei an Leute wie Thomas Edison, der Erfinder der Glühbirne. ;)

Jene Leute, die unser Leben verändert haben, heissen Henry Ford, Bill Gates und Steve Jobs.
Das waren sicherlich allesamt Tüftler, aber wo wäre Henry Ford ohne die Erfindung von Nicolaus Otto? Wo wären Microsoft und Apple ohne die Genialität von Alan Turing und Claude Shannon?
Und wo wären diese Leute ohne das Fundament von Newton, Descartes, Leibniz, Faraday, Maxwell oder Einstein? Selbst Immanuel Kant hat Vorlesungen in Naturwissenschaft gehalten, bevor er sich ganz der Moral-Philosophie zuwandte.
Man könnte diese Liste fast endlos weiterführen.
Wo wären wir in der Psychoanalytik ohne das Fundament von Freud und Jung?

Es waren die Denker der Geschichte, die das Fundament für die späteren "Tüflter" legten.

die Geisteswissenschaften versuchen doch, oder tun es, die empirische Seite zu betonen.
Wirklich? Kannst du Beispiele nennen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Savonlinna
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#10 Re: Feindbild Naturwissenschaft

Beitrag von Savonlinna » Sa 2. Mai 2015, 15:18

Salome23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Wärst Du so lieb und würdest es in dem von Dir Zitierten auch korrigieren? Ich denke offenbar zu viel an "Netz". :?
erledigt :thumbup:
Ha! Danke.
Willst Du von mir auch wissen, was ich alles einkaufen werde?
Ich finde Deine kleinen Einlagen echt immer super, Salome. Sie "sitzen" immer, treffen den Nerv.

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