Hermeneutik von Ast bis Gadamer

Philosophisches zum Nachdenken
Novas
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#31 Re: Hermeneutik von Ast bis Gadamer

Beitrag von Novas » Mo 6. Jun 2016, 14:31

closs hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Aber "Gott" muss man doch nicht mit "Katlibu" gleichsetzen.
Hat sie das getan? Du veränderst schon wieder den Sinn.
Diese Masche könnt Ihr Euch langsam mal schenken - Begründung:

Savonlinna sagt, dass sie nicht an Gott glaube, ihn nur als Statthalter als "Gott" bezeichne. - Das heisst (das schreibt sie NICHT), dass für sie "Gott" ein substantiell leeres Wort ist - wiewohl es interessant sein kann bei der Fragestellung "Wie entsteht so ein Wort". - Auch "Katlibu" ist in diesem Sinne ein Begriff ohne Eigen-Gehalt. - Deshalb mein Ausruf "Aber Gott muss man doch nicht mit Katlibu gleichsetzen".

Sie hat aber schon Paul Tillich mehrfach erwähnt, für den „Gott“ - ganz neutral gesprochen - „der Urgrund des Seins/the ground of being“ ist. Das Berührtsein von diesem Sein wurde von Mystikern und Propheten immer als die Dimension der Liebe, Einheit und des Verbundenseins beschrieben. Das ist im Grunde (!) etwas, was jeder Mensch schon mal gespürt hat. In der „Wolke des Nichtwissens“ wird ein guter Ratschlag an alle Menschen auf dem spirituellen Weg gegeben:

„Nur eines habe im Sinn: in deinem Herzen eine einfache, tiefe Sehnsucht nach Gott zu hegen. Denke nicht darüber nach, wer oder was er ist oder wie er sich in seinen Werken offenbart. Ruhe in dem einfachen Bewusstsein, dass er „ist“. Ich bitte Dich, lass ihn so, wie er ist. Versuche nicht, ihn genauer zu erfassen und tiefer einzudringen, sondern bleibe in schlichtem Vertrauen verwurzelt in Gottes Sein wie in festem Grund. Diese von allen Gedanken freie Aufmerksamkeit, die im Vertrauen wurzelt und gründet, wird Dich von allem Denken und Wahrnehmen frei machen und Dir nur das reine Bewusstsein und das dunkle Innesein deines eigenen Daseins lassen[...]ich möchte gern, dass das Bewusstsein deiner selbst so unmittelbar und einfach sei, wie dein Bewusstsein von Gott, damit Du geistig eins mit ihm bist, ohne dass Du innerlich gespalten oder zerstreut wirst. Gott ist dein Sein....“

Die Wolke des Nichtwissens: ein Klassiker der Kontemplation


Diese Diskussionen „über“ Gott drehen sich sinnlos im Kreis, weil Gott kein Objekt ist „über“ das wir reden und verfügen können. Er ist kein Begriff, sondern der Grund allen Seins und somit unser innerstes Sein und als 'reine Bewusstheit/Lebendigkeit' erfahrbar. Oder als Vernetztheit (Interconnectedness) allen Seins. Darum gehört das innere Stillwerden aller Gedankentätigkeit zur christlichen Kontemplation.

Das Wort "Kontemplation" wird in der christlichen Literatur nicht einheitlich verwendet. Es kann das gleiche bezeichnen wie Meditation oder Betrachtung und meint dann ein Meditieren über etwas. Im Mittelalter jedoch hatte es eine klare Bedeutung. Dort wird das Wort "Kontemplation" nur verwendet, um eine Erfahrung zu bezeichnen, die jenseits des verstandesmäßigen Begreifens liegt. Das Wort meint also niemals ein Meditieren über einen Inhalt. Es ist damit auch nicht eine Form der gegenstandsfreien Meditation gemeint, sondern ein Widerfährnis, das einem Menschen zuteil wird, dessen Ich soweit zurückgetreten ist, dass er den Grund des Seins, das Wesen Gottes oder Gottheit (Eckehart), die nonduale Wirklichkeit erfährt. Es bezeichnet einen Zustand des Erfahrens jenseits der aktiven Kräfte unseres Tagesbewusstseins.
"Kontemplation" kommt aus dem Lateinischen. Contemplari heißt "schauen". Ziel ist das Schauen in sein wahres Selbst, Schauen einer Wirklichkeit jenseits unseres intellektuellen Begreifens.

(Willigis Jäger)



Vielleicht wäre das Gespräch innovativer und beherzter, wenn wir mehr „contemplari/schauen“ rein bringen würden und weniger von der Grübelei oder dem ideologischen „entweder für oder entweder gegen Gott“. Daran beteilige ich mich am Besten gar nicht mehr. :D
Zuletzt geändert von Novas am Mo 6. Jun 2016, 14:47, insgesamt 2-mal geändert.

closs
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#32 Re: Hermeneutik von Ast bis Gadamer

Beitrag von closs » Mo 6. Jun 2016, 14:41

Savonlinna hat geschrieben:Ich kann nicht fassen, dass Du das alles nicht in die Birne kriegst.
Weil Du gleichzeitig sagst, dass Du nicht an "Gott" glaubst - gleichzeitig schreibst Du manchmal Sachen, die man aus meiner Sicht nicht schreiben kann, wenn man nicht an Gott glaubt - und wäre es incognito.

Novalis hat geschrieben:Sie hat aber schon Paul Tillich mehrfach erwähnt, für den „Gott“ - ganz neutral gesprochen - „der Urgrund des Seins/the ground of being“ ist.
Das meine ich auch - und soviel ich weiss, meint das Savonlinna auch, gell - Savonlinna?

Aus christlicher Sicht ist Jahwe "der Urgrund des Seins" - nichts anderes sage ich seit Jahren. - Es spricht doch nichts dagegen, dass man diesen Urgrund anders etikettiert. - Insofern glaubst Du, Savonlinna, an "Gott" (das tut beileibe nicht jeder) - um so weniger verstehe ich nicht, warum Du mich nicht verstehst. - Was da im Gange ist, ist ein Rätsel für sich.

Savonlinna hat geschrieben:Denn ich will ja die Existenz dessen, was viele als "Gott" verstehen, als berechtigt nachweisen.
Dann würdest Du "Gott" substantiell nachweisen wollen - bravo. - Es ist doch egal, wie in verschiedene Kulturen oder Epochen benennen.

Der entscheidene Punkt aus meiner Sicht ist, dass die christliche Fundamental-Theologie in sich extrem schlüssig ist (WENN man sie so versteht) - deshalb orientiere ich mich am Christentum. Dessen Chiffrenwelt (egal ob metaphorisch oder historisch) ist nach meinem Kenntnisstand unübertroffen. - Allerdings ist diese Welt sehr schnell übertroffen, wenn man sie anders interpretiert. - Deshalb meine (vergebliche) Einführung von Begriffen wie "Ontologie", "Dialektik" und "Hermeneutik".

Savonlinna hat geschrieben:Es ist meine Art, dem positivistischen Materialismus oder dem Naturalismus das Wasser abzugraben.
Das ist gut - makes two of us. - Jetzt wäre der nächste Schritt, dem zu einer Kontur/Systematik zu verhelfen.

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Savonlinna
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#33 Re: Hermeneutik von Ast bis Gadamer

Beitrag von Savonlinna » Mo 6. Jun 2016, 14:45

Novalis hat geschrieben: Sie hat aber schon Paul Tillich mehrfach erwähnt, für den „Gott“ - ganz neutral gesprochen - „der Urgrund des Seins/the ground of being“ ist. Das Berührtsein von diesem Sein wurde von Mystikern und Propheten immer als die Dimension der Liebe, Einheit und des Verbundenseins beschrieben.
Und Meister Eckhart habe ich ebenfalls erwähnt, den ich viel und oft gelesen habe, mehr noch als Tillich - beide auch im Gespräch mit closs.
Das geht an closs aber alles vorbei.

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Savonlinna
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#34 Re: Hermeneutik von Ast bis Gadamer

Beitrag von Savonlinna » Mo 6. Jun 2016, 14:48

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich kann nicht fassen, dass Du das alles nicht in die Birne kriegst.
Weil Du gleichzeitig sagst, dass Du nicht an "Gott" glaubst - gleichzeitig schreibst Du manchmal Sachen, die man aus meiner Sicht nicht schreiben kann, wenn man nicht an Gott glaubt - und wäre es incognito.

Novalis hat geschrieben:Sie hat aber schon Paul Tillich mehrfach erwähnt, für den „Gott“ - ganz neutral gesprochen - „der Urgrund des Seins/the ground of being“ ist.
Das meine ich auch - und soviel ich weiss, meint das Savonlinna auch, gell - Savonlinna?
Nein!!!
Du willst etwas festklopfen, und was Du festklopfst, ist nur Dein Ego.

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#35 Re: Hermeneutik von Ast bis Gadamer

Beitrag von closs » Mo 6. Jun 2016, 15:59

Savonlinna hat geschrieben:Nein!!!
Warum hast Du Tillich dann so überschwenglich gelobt? Weil er etwas anderes meint als Du? - Du machst Dich komplett ungreifbar.

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#36 Re: Hermeneutik von Ast bis Gadamer

Beitrag von Savonlinna » Mo 6. Jun 2016, 22:59

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Nein!!!
Warum hast Du Tillich dann so überschwenglich gelobt? Weil er etwas anderes meint als Du? - Du machst Dich komplett ungreifbar.
Nein, weil er eine wohltuende Alternative zu vernagelten Christen ist.
Sein "In der Tiefe ist Wahrheit" - das er in dem Sinne ausführt, dass auch ein Atheist Tiefe kennen kann wie jeder Mensch - macht keinen Unterschied mehr zwischen Christen und Atheisten oder "Ungläubigen".

Er ist ein Brückenbauer, und solche sind selten.

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Andreas
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#37 Re: Hermeneutik von Ast bis Gadamer

Beitrag von Andreas » Mo 6. Jun 2016, 23:05

Tja die Brückenbauer und die Bomberpiloten ... da war doch mal was ...

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#38 Re: Hermeneutik von Ast bis Gadamer

Beitrag von Savonlinna » Mo 6. Jun 2016, 23:27

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Nein!!!
Warum hast Du Tillich dann so überschwenglich gelobt? Weil er etwas anderes meint als Du? - Du machst Dich komplett ungreifbar.
Und auch nicht, weil er etwas anderes meint als ich: seine Methode ist ergiebig, sie lotet den Menschen aus.
Ich kann von ihm lernen, selbst wenn ich ihn heute anders sehen würde als damals.

closs
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#39 Re: Hermeneutik von Ast bis Gadamer

Beitrag von closs » Di 7. Jun 2016, 00:09

Savonlinna hat geschrieben:Sein "In der Tiefe ist Wahrheit" - das er in dem Sinne ausführt, dass auch ein Atheist Tiefe kennen kann wie jeder Mensch - macht keinen Unterschied mehr zwischen Christen und Atheisten oder "Ungläubigen".
Das macht 2 Römer 2,13f auch nicht. - Als Allversöhner meine ich das übrigens genauso.

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Savonlinna
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#40 Re: Hermeneutik von Ast bis Gadamer

Beitrag von Savonlinna » Di 7. Jun 2016, 13:38

Novalis hat geschrieben: Diese Diskussionen „über“ Gott drehen sich sinnlos im Kreis, weil Gott kein Objekt ist „über“ das wir reden und verfügen können.
So ist es.

Ohne Ende soll man hier festlegen, was "Gott" sei und nicht sei oder wie man das, wozu wir Menschen allerhöchstens Spuren finden können, in ein festes System quetschen könne.

Man könnte meinen, dass der Gottesglaube in seiner Endphase angekommen ist, wo es nur noch ein verkalktes System ist, an das man "glauben" oder "nicht glauben" kann:

Oswald Spengler beschreibt solche Phasen in seinem Untergang des Abendlandes.
In solchen Endphasen wird dann über Jahrtausende an dem System nicht mehr gerüttelt, bis sie ins Museum kommen.

Dabei ist der Gottesglaube in meinen Augen noch immer fruchtbar. Man muss ihn nicht dermaßen meucheln.
Man muss nur schauen, was damit angedeutet wird:

und in meinen Augen: gerade die Befreiung aus allen versteinerten Systemen, egal, wie sie heißen.
Darum darf die sogenannte "göttliche Schaffenskraft" des Menschen nicht plattgemacht werden, sondern im Gegenteil bewusst gemacht.

Novalis hat geschrieben: Er ist kein Begriff, sondern der Grund allen Seins und somit unser innerstes Sein und als 'reine Bewusstheit/Lebendigkeit' erfahrbar. Oder als Vernetztheit (Interconnectedness) allen Seins.
Ich halte aus dem Grund den Begriff "Vernetztheit" für produktiv, weil man es gerade zu live beobachten kann, wie dieses Bestreben innerhalb der Menschheit wächst und wächst.

Da kann man "Gott" - in meiner Sprache das, was zwar in seiner Wirkung beobachtet werden kann, was man sich auch nutzbar machen kann, woran man sich aber nicht mittels Begriff vergreifen sollte - bei der Arbeit zusehen.

Auch unsere Neo-Athis hier sprechen von den "Wundern" der Natur, und für mich ist das Vernetzungsbedürfnis aller Menschen dieser Erde - inklusive möglicher Lebewesen auf anderen Planeten - das Wunder schlechthin.

Nach Novalis - dem Dichter der literarischen Romantik - ist diese Spursensuche, also das Lesen in dem realen Geschehen und der realen Umgebung - das Lesen von "Gottes Wirken".

Novalis hat geschrieben:Vielleicht wäre das Gespräch innovativer und beherzter, wenn wir mehr „contemplari/schauen“ rein bringen würden und weniger von der Grübelei oder dem ideologischen „entweder für oder entweder gegen Gott“. Daran beteilige ich mich am Besten gar nicht mehr. :D
Es ist das Klügste, sich daran nicht zu beteiligen, sondern Alternativen dazu zu suchen.

Äh, vergessen zu sagen:
Und da wir hier im Hermeneutik-Thread sind, kann man die Hermeneutik tatsächlich als Alternative dazu mal überprüfen.

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