In sich ruhen

Philosophisches zum Nachdenken
Lena
Beiträge: 4515
Registriert: So 1. Sep 2013, 18:33

#1 In sich ruhen

Beitrag von Lena » Di 6. Dez 2016, 16:20

Wie wird ein Mensch ein Mensch - der in sich ruht?
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

Benutzeravatar
NIS
Beiträge: 2677
Registriert: Sa 2. Aug 2014, 15:01
Kontaktdaten:

#2 Re: In sich ruhen

Beitrag von NIS » Di 6. Dez 2016, 16:22

Lena hat geschrieben:Wie wird ein Mensch ein Mensch - der in sich ruht?
Durch die Leere in seiner Seele.

Die glückliche Leichtigkeit des Seins! :Herz:
Zuletzt geändert von NIS am Di 6. Dez 2016, 16:27, insgesamt 1-mal geändert.
Der Heilige Geist (Hauke)

WISSEN VON MACHT

Rembremerding
Beiträge: 2984
Registriert: So 18. Aug 2013, 16:16

#3 Re: In sich ruhen

Beitrag von Rembremerding » Di 6. Dez 2016, 16:25

... und damit durch ein Menschsein, das durch Jesus Christus bestimmt ist, befreit zur Freiheit.
Dieser katholische User ist hier dauerhaft inaktiv

Benutzeravatar
Christian41285
Beiträge: 1507
Registriert: So 13. Nov 2016, 15:36
Wohnort: Bergisch Gladbach bei Köln
Kontaktdaten:

#4 Re: In sich ruhen

Beitrag von Christian41285 » Di 6. Dez 2016, 16:26

Sehr interessante Frage!

Benutzeravatar
Tyrion
Beiträge: 828
Registriert: Mo 21. Nov 2016, 00:24

#5 Re: In sich ruhen

Beitrag von Tyrion » Di 6. Dez 2016, 17:47

Wie wird ein Mensch ein Mensch - der in sich ruht?

Das wird wohl bei jedem Mensch anders sein. Meines Erachtens braucht man dafür Gelassenheit und Selbstbewusstsein. Gelassenheit, um nicht aus der Ruhe zu kommen, Selbstbewusstsein, um überhaupt ruhen zu können.

Manche brauchen eine Hilfe, eine Krücke dafür. Sie ruhen in Gott, sagen sie, sie fühlen sich dort geborgen. Leider bemerkt man, dass diese Ruhe oftmals nur trügerisch ist. Wenn der Ruhepol oder irgendwas, was damit zusammen hängt, angegriffen oder kritisiert wird, dann ist es mit der Ruhe vorbei. Oft erkenne ich dann im Gegenüber große Unsicherheit im Glauben, der durch noch mehr Gegenwehr und Aggression kompensiert wird (Beispiel: Hemul).

Wahre innere Ruhe kommt eben, wie sie schon heißt, von Innen, aus einem selbst.

Ich persönlich finde komplette innere Ruhe, wenn ich die Natur betrachte, einen schönen Sonnenuntergang, den Sternenhimmel und merke, wie klein ich im Universum bin. Probleme erscheinen nichtig. Und trotzdem kann ich dabei mich selbst betrachten und stolz sein auf das, was ich bisher gemacht habe. Man nimmt sich nicht wichtig, erkennt aber trotzdem den eigenen Wert (oder allgemein den Wert des Lebens). Man sieht zwar, dass man wintig und ncithgi ist, man macht sich aber nicht runter, wertet sich nicht völlig ab. Man ist eben Teil dieser Welt.

Ich finde das sehr beruhigend. Und noch mehr beruhigend finde ich, dass mit dem Tod das Leben dann beendet ist. Es zeigt einem den Wert des Lebens an und man muss sich keine Sorgen machen, was später kommt. Nichts kommt und das ist gut so. Gerade das finde ich sehr beruhigend.

Novas
Beiträge: 7986
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

#6 Re: In sich ruhen

Beitrag von Novas » Di 6. Dez 2016, 19:18

Tyrion hat geschrieben:Manche brauchen eine Hilfe, eine Krücke dafür. Sie ruhen in Gott, sagen sie, sie fühlen sich dort geborgen. Leider bemerkt man, dass diese Ruhe oftmals nur trügerisch ist. Wenn der Ruhepol oder irgendwas, was damit zusammen hängt, angegriffen oder kritisiert wird, dann ist es mit der Ruhe vorbei

Das ist lediglich das Zerrbild eines gläubigen Menschen. Ich kenne ganz andere Beispiele. Was ist denn die tiefere Bedeutung von "Glaube"? Ich würde sagen: Vertrauen, während Unglaube in Wahrheit Angst und Misstrauen bedeutet. Der Mensch wird ein Mensch der in sich ruht, wenn er vertraut.

Oft erkenne ich dann im Gegenüber große Unsicherheit im Glauben, der durch noch mehr Gegenwehr und Aggression kompensiert wird

Das kommt vor. Christen sind eben auch nur Menschen. Keine Heiligkeitsroboter :)

Ich persönlich finde komplette innere Ruhe, wenn ich die Natur betrachte, einen schönen Sonnenuntergang, den Sternenhimmel und merke, wie klein ich im Universum bin. Probleme erscheinen nichtig. Und trotzdem kann ich dabei mich selbst betrachten und stolz sein auf das, was ich bisher gemacht habe. Man nimmt sich nicht wichtig, erkennt aber trotzdem den eigenen Wert (oder allgemein den Wert des Lebens). Man sieht zwar, dass man wintig und ncithgi ist, man macht sich aber nicht runter, wertet sich nicht völlig ab. Man ist eben Teil dieser Welt.

Da kommen wir dem, was beispielsweise Christen meinen, wenn sie davon sprechen "in Gott zu ruhen" schon näher. Denn das beinhaltet all das, was Du hier ansprichst.

Ich finde das sehr beruhigend. Und noch mehr beruhigend finde ich, dass mit dem Tod das Leben dann beendet ist. Es zeigt einem den Wert des Lebens an und man muss sich keine Sorgen machen, was später kommt. Nichts kommt und das ist gut so. Gerade das finde ich sehr beruhigend.

Ich finde den Gedanken beruhigend, dass ich nicht ins Nichts hinein sterbe, sondern in ein größeres ewiges Leben, welches mich erwartet und in dem ich jetzt und in jedem Falle geborgen bin.
Zuletzt geändert von Novas am Di 6. Dez 2016, 20:32, insgesamt 1-mal geändert.

Novas
Beiträge: 7986
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

#7 Re: In sich ruhen

Beitrag von Novas » Di 6. Dez 2016, 19:37

Rembremerding hat geschrieben:... und damit durch ein Menschsein, das durch Jesus Christus bestimmt ist, befreit zur Freiheit.

Christen verstehen, was Du meinst, aber das musst Du für Nichtchristen noch weiter ausführen. Inwiefern ist Jesus Christus befreiend für Dich?

Novas
Beiträge: 7986
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

#8 Re: In sich ruhen

Beitrag von Novas » Di 6. Dez 2016, 19:55

Lena hat geschrieben:Wie wird ein Mensch ein Mensch - der in sich ruht?

Ich zitiere aus einem schönen Buch:

Das Herz zu kennen bedeutet zu wissen, dass es Tiefen kennt, die zu tief sind, um mit dem Verstand ausgelotet zu werden: die Tiefen des göttlichen Lebens in uns. Das Herz, das schließlich in Gott Ruhe findet, ruht in seiner eigenen unauslotbaren Tiefe. Ein weiteres Gebet aus Rilkes „Stundenbuch“ lässt diese Intuition zu poetischen Bildern kristallisieren. Wieder beginnt Rilke mit der Polarisierung von Lärm und Ruhe. Diesmal ist es die Versammlung von Widersprüchen in unserem Leben, die den Palast unseres Herzens mit einem ausgelassenen Narrenfest füllt. Natürlich ist es unmöglich, die Widersprüche alle auf einmal aus unsrem Leben zu verbannen. Das Leben selbst ist widersprüchlich. Aber wir können Widersprüche in den großen ursprünglichen Symbolen zusammenlaufen lassen, wie das Symbol des Herzens eines ist. Gelingt uns das, dann beginnt eine große Stille zu herrschen, eine Stille, die auf heitere Weise festlich und sanft ist. Und in der Mitte dieser Stille steht Gott als ein Gast, als die ruhende Mitte unsrer Monologe, als das temporäre Zentrum eines Kreises, dessen Peripherie über die Zeit hinausreicht.

Wer seines Lebens viele Widersinne
versöhnt und dankbar in ein Sinnbild fasst,
der drängt
die Lärmenden aus dem Palast,
wird anders festlich, und Du bist der Gast,
den er an sanften Abenden empfängt.

Du bist der Zweite seiner Einsamkeit,
die ruhige Mitte seinen Monologen:
und jeder Kreis, um dich gezogen,
spannt ihm den Zirkel aus der Zeit.
(Rainer Maria Rilke)

Ruht unser Herz an der Quelle allen Sinnes, dann kann es auch allen Sinn fassen. So verstanden ist Sinn etwas, was sich nicht in Worte fassen lässt. Sinn lässt sich nicht wie eine Definition in einem Buch nachschlagen. Sinn ist nichts, das sich greifen, halten und aufbewahren lässt. Sinn ist nichts … vielleicht sollten wir diesen Satz hier abbrechen. Sinn ist nicht Etwas unter anderem. Eher könnte man ihn mit Licht vergleichen, in dem wir alles andere überhaupt erst sehen. Ein anderer Psalm ruft Gott durstigen Herzens an: „Denn bei dir ist der Brunnquell des Lebens, und in deinem Licht schauen wir Licht“ (Psalm 36,9) Dürstend nach der Fülle des Lebens, dürstet unser Herz auch nach dem Licht, das uns den Sinn des Lebens schauen lässt. Finden wir Sinn, dann wissen wir sofort, denn unser Herz findet Ruhe.

Quelle: David Steindl Rast, Fülle und Nichts: Von innen her zum Leben erwachens


Rembremerding
Beiträge: 2984
Registriert: So 18. Aug 2013, 16:16

#9 Re: In sich ruhen

Beitrag von Rembremerding » Di 6. Dez 2016, 20:04

Novalis hat geschrieben: Inwiefern ist Jesus Christus befreiend für Dich?
Hier ist das Philosophie-Unterforum. Also:

Menschliches Sein, das von Jesus bestimmt ist, ist ein Sein im Empfang, ein verdanktes Sein und damit ein Sein im Danken.
Die menschliche Freiheit ist befreite und freigesetzte Freiheit. Solange sich der Mensch von noch so hohen endlichen Werten oder Gütern bedingt oder beherrschen lässt, verfehlt er seine Freiheit. Der Mensch kann die Erfüllung seines Daseins nur als Geschenk empfangen. Dort, wo er seine Erfüllung selbst leisten will, übernimmt er sich. Nur die Bindung an die unendliche und absolute Freiheit Gottes als Inhalt und letzten Grund des Menschen macht ihn frei von allen Absolutheitsansprüchen in der Welt und somit frei für den Einsatz in der Welt. Denn Gott erdrückt den Menschen nicht, sondern setzt seine schöpferischen Kräfte frei. So kann sich der Mensch frei erheben über die unmittelbaren Bedürfnisse des Lebens.

Als Menschsein im Empfang ist der Mensch in seinem ganzen Sein Antwort, eine persongewordene Antwort. Seine Existenz ist ein Akt des Hörens, des Hinhörens auf Gott. Indem der Mensch sich engagiert auf diesen Anspruch einlässt, wird die menschliche Freiheit nicht etwa zur Willkür, sondern zu seiner eigentlichen existenziellen Wesensart des Sich-in-Dienst-nehmen-lassen. Wirklich frei ist nämlich nicht der, der über möglichst vieles und viele, auch sich selbst, herrscht und verfügt, sondern der, welcher von sich selbst frei ist, um frei zu sein für andere. So werden Gewaltlosigkeit, Machtlosigkeit, Bescheidenheit, Anspruchslosigkeit, Schlichtheit, Kritikfähigkeit und Hörfähigkeit zu Ausdrucksformen eines von Jesus bestimmten Menschseins. Menschsein als Verfügbarkeit für die Liebe. Menschsein im Frieden, in der Ruhe des Christus in mir.

Servus :wave:
Dieser katholische User ist hier dauerhaft inaktiv

Novas
Beiträge: 7986
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

#10 Re: In sich ruhen

Beitrag von Novas » Di 6. Dez 2016, 21:06

Rembremerding hat geschrieben:Menschliches Sein, das von Jesus bestimmt ist, ist ein Sein im Empfang, ein verdanktes Sein und damit ein Sein im Danken[...]Der Mensch kann die Erfüllung seines Daseins nur als Geschenk empfangen. Dort, wo er seine Erfüllung selbst leisten will, übernimmt er sich. Nur die Bindung an die unendliche und absolute Freiheit Gottes als Inhalt und letzten Grund des Menschen

Das ist vermutlich die wesentliche Aussage des christlichen Glaubens: unser ganzes Leben ist ein (vollkommen unverdientes) Geschenk, weshalb Dankbarkeit die richtige Antwort ist, ganz gleich, was es uns bringt. Diese Dankbarkeit ist es, die den Menschen glücklich macht. Wenn das einzige Gebet, das Du in deinem Leben sprichst, „Danke“ wäre, dann wäre das genug, sagt Meister Eckhart. Denn es gibt nichts, was nicht Geschenkcharakter besitzt. Da stellt sich natürlich irgendwann die Frage: von wem oder was werden wir eigentlich beschenkt?
Für Christen ist klar, so wie es Paulus formulierte, dass wir aus eigener Kraft eigentlich nichts tun können, weil uns Gott alle Kraft gegeben hat, egal was wir tun. Aus dieser Kraft leben wir und in ihr dürfen wir auch ruhen. Diese Schöpferkraft feiern wir, sprechen mit ihr im Gebet, spüren sie in Meditation, zelebrieren wir in der Gemeinschaft der Gläubigen. Das Leben, das wir sind, ist eine Welle in dem Ozean des Lebens, den wir Gott nennen. Wie eine Welle im Ozean ruht, so darf ich auch in Ihm ruhen, jetzt und auch dann, wenn die Welle meines Lebens an den Klippen des Todes zerschellt. Die Welle kann sich vertrauensvoll bewegen und sein und sich schließlich auch hingeben in dem Wissen: ich kann nicht herausfallen aus dem Ozean.

„Wir sind nicht materielle Körper, die Geist haben, sondern wir sind Geist, der sich in uns eine materielle Struktur geschaffen hat. Wir sind göttliches Leben, das sich in uns inkarniert hat.“

(Willigis Jäger)

Mit diesem Bewusstsein können wir voller Vertrauen, Dankbarkeit und Ruhe leben und auch sterben, denn unser Leben vergeht nicht, es verwandelt sich nur. Was wir Tod nennen, ist das Hineingehen in eine neue Existenz, also in gewisser Weise eine Neugeburt.

Das sage ich aber, liebe Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit. 51 Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden
http://www.predigten.uni-goettingen.de/ ... 20120409de

Antworten