Was ist eine zeitgemäße Leitkultur?

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#61 Re: Was ist eine zeitgemäße Leitkultur?

Beitrag von Pluto » Do 15. Dez 2016, 18:08

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Irgendwie schon "besser", denn nach christlicher Auffassung, hat nur der Mensch eine unsterbliche Seele. Warum nicht auch Tiere?
Vermutlich, weil ein Wesen ohne bewusstes, transzendenzfähiges "Cogito" gar nicht mitkriegen würde, dass es unsterblich ist.
Auc das weise ich als unbegründete Behauptung (Dogma) zurück, denn ein transzendeznfähiges "Cogito" gibt es genauso wenig wie einen transzendenzfähigen Zahn.

closs hat geschrieben:möglicherweise folgen sie auch evolutionär vorgesehenen Konditionierungs-Mechnaismen. - Entscheidend wäre: Kann ein Tier per Cogito "sagen": "Ich räche mich jetzt - ich verzeihe Dir". ---???---
Möglicherweise... ist das beim Menschen genau so. Der Mensch hat über die Jahrmillionen seiner Entwicklung die moralischen Werte der Tiere übernommen. Woher willst du wissen, dass das was wir "moralische Gesetze" nennen, nicht so entstanden ist?
Im Gegenteil, ich vermute sogar sehr stark, dass es so war, und nicht von Gott gegeben. Denn... wenn die Gesetze/Gebote von Gott kämen, hätten die Israeliten, die Irrungen in der Wüste nicht überstehen können, ohne sich durch gegenseitige Plünderung, Mord und Vergewaltigung selbst auszulöschen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Bevor du so etwas behauptest, solltest du zeigen, dass es mehr gibt als nur die Vorstellung eines "Mehr". Doch das kannst du nicht.
Das wird gezeigt, seitdem es menschliche Kultur gibt - aber es ist nicht kritisch-rationalistisch nachweisbar (und das meinst Du letztlich mit "zeigen").
Eben. Du kannst weder naturwissenschaftlich, noch sonst wie die Plausibilität einer geistigen Existenz belegen. Dieses "Plausibilitäts-Loch" in dem du steckst, hast du nur dir selbst zuzuschreiben.
  • Wenn du in einem Loch wieder findest, solltest du als Erstes aufhören zu graben.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ja es kommen Antworten, aber diese sind nicht in der Lage eine ernsthafte Überprüfung stand zu halten.
Auch hier: "Ernsthaft" heisst aus Deinem Mund "kritisch-rationalistisch". - Und das ist eben der falsche Ansatz.
Nein, das hat mit dem kR nichts zu tun.
Ich meine, wenn man über die Antworten der Theologie ernsthaft nachdenkt, wird klar wie oberflächlich und leer diese sind.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es ist unmöglich zu wissen wie jeder Mensch einfache Dinge wie Farben empfindet, geschweige denn komplizierte Begriffe wie die Transzendenz.
Stimmt - und wieder meinst Du mit "unmöglich zu wissen" rational-kritisches intersubjektives Wissen.
Also, du meinst zu wissen, wie z.B. du und dein Nahbar die Farbe rot wahrnehmen? — Das glaube ich nicht.

closs hat geschrieben:Davon abgesehen: In geistigen Gesprächen interessiert man sich nicht dafür, WIE Geist vermittelt wird, sonder WAS durch ihn vermittelt wird.
Also, dann sage mir wie du weißt, dass dein Nachbar die Farbe rot so wahrnimmt wie du.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:dann sollte man auch plausibel erklären können, woher dieser Geist kommt. Doch genau das kann die Theologie nicht.
Im Sinne von "Was war vor dem Urknall?" hast Du recht - aber diese Fragen werden nicht thematisiert.
Vergiss den Urknall. Es gibt heute physikalische Modelle der Entstehung der Welt, die ohne Urknall auskommen und plausibel sind. Es ist reine Willkür, zu behaupten, Gott sei die einzig mögliche ewige Existenz.
Den Schritt mit Gott kann man sich sparen, wie Carl Sagan schon vor 30 Jahren sagte, und einfach sagen, der Kosmos sei ewig.

closs hat geschrieben:"Am Anfang war das Wort" ist nichts als eine Chiffre für das, was man damit geistig ausdrücken will. - Also keine ERfindung, sondern ein Inhalt, den man benennen will
Dasselbe in grün... Egal ob es eine Chiffre oder Erfindung ist, woher kam das Wort?

Worte und die Sprache ganz allgemein sind relativ späte Erscheinungen in der menschlichen Entwicklung, die vermutlich in den letztem 200'000 Jahren evolutiv entstanden, als man nach Kurzformen für die reichhaltige Symbolik suchte.

Selbst heute geht diese Entwicklung weiter, wie du immer lamentierst, wenn dir die Bedeutung eines Wortes (z.B. "Bewusstsein") nicht gefällt.

closs hat geschrieben:Der Satz "Am Anfang war das Wort" ist auch innerchristlich einer der missverständlichsten Sätze überhaupt. Wollte man diesem Satz auf den Grund gehen, müsste man nicht nur die griechische Vorlage dazu ("logos") zu Grunde legen, sondern noch viel mehr die hebräische Vorlage zu "logos" (nämlich "memra") zugrunde legen.
Und... was bedeutet dieses "menra"?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:ich weise das zurück, und sage, das Universum (oder sein Vorläufer) könnte genauso gut das ewige Sein gewesen sein.
Unter naturalistischer Perspektive ist dies naheliegend.
Das Gebot der Sparsamkeit gilt überall, nicht nur in der von dir behaupteten naturalistischen Welt. Also ist die Annahme Gottes in der Gleichung für die Entstehung der Welt völlig überflüssig; erst recht bei dem offensichtlichen Mangel an Evidenzen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#62 Re: Was ist eine zeitgemäße Leitkultur?

Beitrag von closs » Do 15. Dez 2016, 19:05

Pluto hat geschrieben:Auc das weise ich als unbegründete Behauptung (Dogma) zurück, denn ein transzendeznfähiges "Cogito" gibt es genauso wenig wie einen transzendenzfähigen Zahn.
Woher willst Du das wissen? - Außedem bist Du doch selber transzendenzfähig - denn sonst könntest Du Transzendenz nicht ablehnen. - Kann ein Schimpanse Transzendenz ablehnen?

Pluto hat geschrieben:wenn die Gesetze/Gebote von Gott kämen, hätten die Israeliten, die Irrungen in der Wüste nicht überstehen können, ohne sich durch gegenseitige Plünderung, Mord und Vergewaltigung selbst auszulöschen.
Kannst Du das erklären? - Ich verstehe es nicht.

Pluto hat geschrieben:Du kannst weder naturwissenschaftlich, noch sonst wie die Plausibilität einer geistigen Existenz belegen.
Nochmal: Das wird seit Beginn der menschlichen Kultur belegt - durch Gefühle, Bräuche und philosophische Begründungen.

Pluto hat geschrieben:Ich meine, wenn man über die Antworten der Theologie ernsthaft nachdenkt, wird klar wie oberflächlich und leer diese sind.
Das ist allein eine Frage der eigenen geistien Disposition.

Pluto hat geschrieben:Also, du meinst zu wissen, wie z.B. du und dein Nahbar die Farbe rot wahrnehmen? — Das glaube ich nicht.
Die Klarheit ist schon dieselbe - so wie für ein Kind die Erfahrung "Mama" klar ist, ohne dass man dies (ohne weiteres) messen könnte.

Pluto hat geschrieben: Es ist reine Willkür, zu behaupten, Gott sei die einzig mögliche ewige Existenz.
Es ist Glaubenssache, die durch anderen Glauben ersetzt werden kann - wer sich das Sein ohne Gott vorstellt, gehört halt einer anderen Religion an.

Davon abgesehen: Die Frage, wofür "Gott" steht, ist nicht mit "Mann auf Thron" beantwortbar. - "Gott" ist eine kulturell abhängige Wahrnehmungs-Größe (eine Chiffre), die nicht mit dem übereinstimmt, was "Gott" "ist". - Die Definitionen für "Gott" reichen von "alter Mann mit Bart" bis zu "Aufhebung der Dialektik".

Pluto hat geschrieben:Worte und die Sprache ganz allgemein sind relativ späte Erscheinungen in der menschlichen Entwicklung, die vermutlich in den letztem 200'000 Jahren evolutiv entstand, als man nach Kurzformen für die reichhaltige Symbolik suchte.
So ist es ja auch nicht gemeint (das ist jetzt eine Kritik am Christentum). - Im Targum steht das Memra konstant als die Manifestation der göttlichen Kraft oder als Gottes Botschafter an Stelle von Gott selbst (siehe: Jüdische Enzyklopädie). - Diese Kraft gibt es unabhängig vom Menschen, ist aber von diesem erst seit seiner Transzendenzfähigkeit thematisierbar.

Pluto hat geschrieben:Das Gebot der Sparsamkeit gilt überall, nicht nur in der von dir behaupteten naturalistischen Welt. Also ist die Annahme Gottes in der Gleichung für die Entstehung der Welt völlig überflüssig
Natürlich kann man sich eine Weltanschauung aussuchen, aus der alles einfach darstellbar ist.

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#63 Re: Was ist eine zeitgemäße Leitkultur?

Beitrag von Pluto » Do 15. Dez 2016, 19:47

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Auc das weise ich als unbegründete Behauptung (Dogma) zurück, denn ein transzendeznfähiges "Cogito" gibt es genauso wenig wie einen transzendenzfähigen Zahn.
Woher willst Du das wissen?
Aus dem einfachen Grund, dass dies noch NIE beobachtet wurde.
closs hat geschrieben:Kann ein Schimpanse Transzendenz ablehnen?
Ein Schimpanse lebt doch auch ohne Trasnzendenfähigkeit gut, wie ich übrigens auch.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:wenn die Gesetze/Gebote von Gott kämen, hätten die Israeliten, die Irrungen in der Wüste nicht überstehen können, ohne sich durch gegenseitige Plünderung, Mord und Vergewaltigung selbst auszulöschen.
Kannst Du das erklären?
Klar kann ich das.
Die einzige plausible Erklärung ist, dass die Menschen die Moral bereits intus hatten vor der (angeblichen) Begegnung Mose' auf dem Sinai.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Du kannst weder naturwissenschaftlich, noch sonst wie die Plausibilität einer geistigen Existenz belegen.
Nochmal: Das wird seit Beginn der menschlichen Kultur belegt - durch Gefühle, Bräuche und philosophische Begründungen.
Dass Kultur ist ein Ergebnis menschlichen Geistes ist, will ich nicht bestreiten, allerdings nicht in dem Sinn, dass es etwas vom Körper unabhängiges sein soll.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich meine, wenn man über die Antworten der Theologie ernsthaft nachdenkt, wird klar wie oberflächlich und leer diese sind.
Das ist allein eine Frage der eigenen geistien Disposition.
Du meinst es braucht eine besondere Gabe, die ich nicht habe?
Dieses Argument wurde schon vor 1000 Jahren durchschaut.

Glaubt ihr, dass Menschen wie ihr es seid
mit den Gedanken einer Made
von Gott erhielten eine besond're Gabe
die mir verwehrt? — In dem Gedanken bleibt!

Aus den Rubaiyat des Omar Khayam [1048 - 1123]

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Also, du meinst zu wissen, wie z.B. du und dein Nahbar die Farbe rot wahrnehmen? — Das glaube ich nicht.
Die Klarheit ist schon dieselbe - so wie für ein Kind die Erfahrung "Mama" klar ist, ohne dass man dies (ohne weiteres) messen könnte.
Eben nicht. Keiner von uns kann wissen, wie ein anderer Mensch denkt: Gedanken sind privat.
Wir können uns gegenseitig zustimmen, in dem wir z.B. sagen, "Ja, ich finde den Sonnenuntergang auch schön." Aber das war's dann auch. Mehr ist nicht drin. Zu wissen was genau der Gegenüber denkt ist reine Anmaßung.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Es ist reine Willkür, zu behaupten, Gott sei die einzig mögliche ewige Existenz.
Es ist Glaubenssache
Glaube ist Vorstellung aber niemals Wissen oder Gewissheit.

closs hat geschrieben:Davon abgesehen: Die Frage, wofür "Gott" steht, ist nicht mit "Mann auf Thron" beantwortbar. - "Gott" ist eine kulturell abhängige Wahrnehmungs-Größe (eine Chiffre), die nicht mit dem übereinstimmt, was "Gott" "ist".
Also bist du auch der Meinung, dass Gott aus menschlichen Vorstellungen entsteht?

closs hat geschrieben:Im Targum steht das Memra konstant als die Manifestation der göttlichen Kraft oder als Gottes Botschafter an Stelle von Gott selbst (siehe: Jüdische Enzyklopädie). - Diese Kraft gibt es unabhängig vom Menschen, ist aber von diesem erst seit seiner Transzendenzfähigkeit thematisierbar.
Wie so vieles, ist das eine zirkelreferente Behauptung der Bibel.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das Gebot der Sparsamkeit gilt überall, nicht nur in der von dir behaupteten naturalistischen Welt. Also ist die Annahme Gottes in der Gleichung für die Entstehung der Welt völlig überflüssig
Natürlich kann man sich eine Weltanschauung aussuchen, aus der alles einfach darstellbar ist.
Kannst du plausibel erklären, warum Gott für die Entstehung der Welt notwendig war?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#64 Re: Was ist eine zeitgemäße Leitkultur?

Beitrag von closs » Do 15. Dez 2016, 20:06

Pluto hat geschrieben:Aus dem einfachen Grund, dass dies noch NIE beobachtet wurde.
Mit dem Inventar naturalistischer Methodik wird es nie beobachtet werden. - Bzw: Das, was beobachtet wird, wird naturalistisch ganz anders gedeutet.

Pluto hat geschrieben:Ein Schimpanse lebt doch auch ohne Trasnzendenfähigkeit gut, wie ich übrigens auch.
Du lebst NICHT ohne Transzendenzfähigkeit - DU lehnst sie nur ab.

Pluto hat geschrieben:Die einzige plausible Erklärung ist, dass die Menschen die Moral bereits intus hatten vor der (angeblichen) Begegnung Mose' auf dem Sinai.
Das ist uneingeschränkt richtig. - Aber meinst Du, die Religion meint, dass die 10 Gebote etwas im Menschen "erfunden" haben, was es dort gab? - Natürlich gab es dort etwas - hätte es dort nichts gegeben, würde es auch bei Schimpansen funktionieren. - Man müsste es nur implantieren.

Pluto hat geschrieben:allerdings nicht in dem Sinn, dass es etwas vom Körper unabhängiges sein soll.
Das, was bei uns ist, ist doch nicht unabhängig vom Körper. - Die entscheidende Frage ist, ob der GEist, durch den es ist, abhängig oder unabhängig vom Körper ist.

Pluto hat geschrieben:Du meinst es braucht eine besondere Gabe, die ich nicht habe? Dieses Argument wurde schon vor 1000 Jahren durchschaut.
Zurecht - aber das ist doch ein ARgument für mich. - Deshalb habe ich doch gesagt, dass Du als Agnostiker genauso transezndenzfähig bist wie ich - es hängt NICHT davon ab, ob und wie man darin aktiviert wird. - Entscheidend ist das Potential, das sich bei jedem zu seiner Zeit meldet.

Pluto hat geschrieben:Zu wissen was genau der Gegenüber denkt ist reine Anmaßung.
Stimmt - trotzdem merkt jeder Mensch mit der Zeit, wie ein anderer Mensch tickt. - Und diese Zeit kann bei geistigen Dingen unter Menschen, die sich gerade erst kennenlernen, sehr kurz sein.

Pluto hat geschrieben:Glaube ist Vorstellung aber niemals Wissen
So ist es - man prägt für sich oder übernimmt Vorstellungen, die mit dem übereinstimmen, was man subjektiv spürt/erkennt. -Entscheidend ist, ob es authentisch ist zu dem "Objekt". - Ein Mensch, der mit seinem authnetischen Glauben nah dran ist, ist weiter, als jemand, der mit unauthentischem Wissen fern davon ist.

Pluto hat geschrieben:Also bist du auch der Meinung, dass Gott aus menschlichen Vorstellungen entsteht?
Nein - "Gott" "ist" - aber unsere Vorstellung davon ist Menschenwerk.

Pluto hat geschrieben:Wie so vieles, ist das eine zirkelreferente Behauptung der Bibel.
Was ist NICHT zirkelreferent? - Wenn DAS hier zirkelreferent ist, ist auch die Aussage zirkelreferent, dass Natur ohne Gott entstanden ist.

Pluto hat geschrieben:Kannst du plausibel erklären, warum Gott für die Entstehung der Welt notwendig war?
Weil das Dialektische nur aus dem kommen kann, zu dem es sich dialektisch hinentwickelt. - Das war zugegebenerweise keine theologische Antwort.

Novas
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#65 Re: Was ist eine zeitgemäße Leitkultur?

Beitrag von Novas » Do 15. Dez 2016, 20:22

closs hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Was mich jedoch sehr stört, sind die erkennbaren Versuche einer ideologischen Gleichschaltung. DAGEGEN wehre ich mich. Genau damit wendet man sich übrigens gegen die gesamte Idee der Aufklärung, die einen mündigen (selbstständig nach Wahrheit strebenden) Menschen als ihr Ideal ansah.
Das ist ein guter Punkt - denn er trifft mit der Beobachtung zusammen, dass Materialisten dem Christentum meisten das vorwerfen, was sie selber am meisten trifft.

Novalis hat geschrieben: Heute kann man mit dem Flugzeug in drei Stunden von Frankfurt nach New York fliegen, um ein Wochenende dort zu verbringen, vorausgesetzt man kann es sich leisten. Für Goethe war noch die Italienreise eine „Weltreise“ :D Ein Beispiel für etwas, was ich großartig finde. Doch ich denke, dass vieles von dem, was damals gedacht wurde, richtig ist
Da dies "mein" Fach betrifft, kann ich Dir versichern, dass Klassik und Romantik ein kultureller und philosophischer Höhepunkt waren, der heute nicht in Sichtweite ist. Ausnahme mag der Epigone Th. Mann sein, der wie ein erratischer Block im 20. Jh. stand.

Aus meiner Sicht haben wir seit der Romantik große technische Fortschritte und genauso große geistige Rückschritte gemacht.


Deshalb interessiert mich Ken Wilber, weil er versucht, die Vorzüge des aufklärerischen Liberalismus (der sich zurecht gegen eine religiöse Bevormundung wehrte) und die Vorzüge der materialistischen Weltsicht (die es ebenfalls gibt, wie wir am technologischen Fortschritt sehen können) mit den spirituellen Weisheitslehren zu verbinden.
Naturwissenschaft generiert Wissen. Religion generiert Weisheit. Beides kann (und sollte m.E.) miteinander kombiniert werden. Wilber selbst ist ursprünglich ein Biochemiker gewesen, der sich mit der Evolution des Geistes beschäftigte und dabei merkte, dass ihn das materialistische „Flachlanddenken“, wie er es nennt, nicht befriedigte. Das erklärt, weshalb er mit einer ungewöhnlichen präzisen Sprache über Spiritualität spricht. Er schaut eher mit den Augen eines Wissenschaftlers darauf, aber er verbindet wissenschaftliches Denken mit spirituellen Einsichten, weil er erkennt, dass es eine äußere und innere Sicht der Dinge gibt (wie mystische Erfahrung), und beides kann unser Wissen über die Natur der Realität vertiefen und verfeinern und unser Leben bereichern. Welchen Sinn macht es also, darauf zu verzichten?
Ich will und werde das ganz einfach nicht. Schon alleine deshalb, weil ich als Mensch immer mehr bin, als mein Intellekt ;) und nur weil etwas nicht rational ist, ist es auch nicht sofort irrational. Denn es gibt auch das Transrationale (Intuition und Imagination). In Kunst, Musik und Religion spielt das natürlich eine wesentlich größere Rolle, als im Bereich der Naturwissenschaft. Allerdings verfügten alle großen Wissenschaftler (also: die Giganten) über eine besonders ausgeprägte Phantasie, darum waren sie fähig Zusammenhänge zu sehen, wo andere gar nichts sehen.

"Alles, was zählt, ist die Intuition.

Der intuitive Geist ist ein Geschenk und der rationale Geist ein treuer Diener.

Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat. "

Albert Einstein

Bild
Quelle

Außerdem sagte er, dass Phantasie wichtiger sei, als Wissen, denn Wissen ist begrenzt. Ohne Phantasie gibt es keinen Fortschritt in der Wissenschaft. Eine der wichtigsten Aufgaben der Religion ist das Erwecken der menschlichen Phantasie (schon alleine deshalb ergänzen sie sich). Wie schon öfter gesagt, sprach C.S. Lewis von „the baptized Imagination“. Die kann auch ein Wissenschaftler in seiner Arbeit gebrauchen. Wissenschaft und Religion lassen sich verbinden, aber nicht Wissenschaft und religiöser Fanatismus. Der ist nicht nur ein Feind der Wissenschaft, sondern ein Feind der ganzen Menschheit.

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#66 Re: Was ist eine zeitgemäße Leitkultur?

Beitrag von closs » Do 15. Dez 2016, 22:43

Novalis hat geschrieben:Naturwissenschaft generiert Wissen. Religion generiert Weisheit. Beides kann (und sollte m.E.) miteinander kombiniert werden. Wilber selbst ist ursprünglich ein Biochemiker gewesen, der sich mit der Evolution des Geistes beschäftigte und dabei merkte, dass ihn das materialistische „Flachlanddenken“, wie er es nennt, nicht befriedigte. Das erklärt, weshalb er mit einer ungewöhnlichen präzisen Sprache über Spiritualität spricht. Er schaut eher mit den Augen eines Wissenschaftlers darauf, aber er verbindet wissenschaftliches Denken mit spirituellen Einsichten
So sollte es sein. - Ich habe bis heute nicht begriffen, wie man auf die Idee kommen kann, Wissenschaft mit "Geist"/"Gott" in Front zu bringen. - Das hat Wissenschaft nicht verdient.

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#67 Re: Was ist eine zeitgemäße Leitkultur?

Beitrag von Pluto » Fr 16. Dez 2016, 09:09

Novalis hat geschrieben:Bild
Quelle
Also nein... Pfui!
Ein Bild von van Gogh ("Sternenhimmel") mit einem derart hässlichen Foto von Einstein zu verschandeln.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#68 Re: Was ist eine zeitgemäße Leitkultur?

Beitrag von Pluto » Fr 16. Dez 2016, 10:23

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Aus dem einfachen Grund, dass dies noch NIE beobachtet wurde.
Mit dem Inventar naturalistischer Methodik wird es nie beobachtet werden. - Bzw: Das, was beobachtet wird, wird naturalistisch ganz anders gedeutet.
Richtg ist, es konnte überhaupt nie beobachtet werden. Es geht nicht um Deutungen, sondern um Fakten.

closs hat geschrieben:Du lebst NICHT ohne Transzendenzfähigkeit - DU lehnst sie nur ab.
Auch, ja!

closs hat geschrieben:Aber meinst Du, die Religion meint, dass die 10 Gebote etwas im Menschen "erfunden" haben, was es dort gab?
Uneingeschränkt JA!
closs hat geschrieben:hätte es dort nichts gegeben, würde es auch bei Schimpansen funktionieren. - Man müsste es nur implantieren.
Keine Sorge,es funktioniert auch bei den Schimpansen.
Krieg ist nicht allein die Domäne des Menschen. Auch das kommt bei Schimpansen vor. Aber z.B. nicht bei Raubkatzen, Elefanten oder gar Wölfen. Letztere sind viel friedlicher als Menschen. Die meisten Tiere greifen nur an, wenn sie bedroht werden.

closs hat geschrieben:Die entscheidende Frage ist, ob der GEist, durch den es ist, abhängig oder unabhängig vom Körper ist.
Von einem Körper unabhängiger Geist konnte noch niemals beobachtet werden. Das ist reines Wunschdenken.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Du meinst es braucht eine besondere Gabe, die ich nicht habe? Dieses Argument wurde schon vor 1000 Jahren durchschaut.
Zurecht - aber das ist doch ein ARgument für mich.
Ein Argument...?
Es ist bestenfalls eine Hoffnung!

closs hat geschrieben:Entscheidend ist das Potential, das sich bei jedem zu seiner Zeit meldet.
Welches Potential?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Zu wissen was genau der Gegenüber denkt ist reine Anmaßung.
Stimmt - trotzdem merkt jeder Mensch mit der Zeit, wie ein anderer Mensch tickt.
Nein. Das tut er nicht. Liebe ist so ein Beispiel, wo wir uns die Liebe des Partners gerne bestltigen lassen, aber wirklich wissen tun wir es niemals.

closs hat geschrieben:Entscheidend ist, ob es authentisch ist zu dem "Objekt". - Ein Mensch, der mit seinem authnetischen Glauben nah dran ist, ist weiter, als jemand, der mit unauthentischem Wissen fern davon ist.

closs hat geschrieben:Nein - "Gott" "ist" - aber unsere Vorstellung davon ist Menschenwerk.
Einfach zu sagen "Gott ist", ist eine unbegründete Behauptung. Empirie ist hier gefragt.

closs hat geschrieben:Was ist NICHT zirkelreferent?
Ich würde sagen, der kR ist nicht zirkelreferent, denn er meidet den Positivismus.

Pluto hat geschrieben:Kannst du plausibel erklären, warum Gott für die Entstehung der Welt notwendig war?
Weil das Dialektische nur aus dem kommen kann, zu dem es sich dialektisch hinentwickelt.
Davon abgesehen, dass das ein Zirkelschluss ist, was entwickelt sich hin zur Dialektik?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#69 Re: Was ist eine zeitgemäße Leitkultur?

Beitrag von closs » Fr 16. Dez 2016, 12:16

Pluto hat geschrieben:Richtg ist, es konnte überhaupt nie beobachtet werden.
Es wird ständig "beobachtet", aber nicht in dem Dir geläufigen Sinne.

Pluto hat geschrieben:Von einem Körper unabhängiger Geist konnte noch niemals beobachtet werden.
Das ist der ständige Haken. - Du übersiehst nach wie vor, dass seitens der Naturwissenschaft ausschließlich Dinge beobachtet werden können, die abhängig von der Materie sind. - Die Naturwissenschaft kann Unabhängiges davon sui generis nicht beobachten, auch wenn es es gibt.

Das macht nichts, da Natur-Wissenschaft für die materielle Welt zuständig ist. - Es macht dann etwas, wenn Natur-Wissenschaft mißbraucht wird für Weltanschauung.

Pluto hat geschrieben:Welches Potential?
Das potentiell Spirituell-Geistige im Menschen.

Pluto hat geschrieben: Liebe ist so ein Beispiel, wo wir uns die Liebe des Partners gerne bestltigen lassen, aber wirklich wissen tun wir es niemals.
Fundamental gesehen weiß der Mensch gar nichts außer "ich-bin" - insofern hast Du recht. - Trotzdem gewinnst Du schnell oder mit der Zeit eine Einschätzung über den anderen - kleines Beispiel: Münek, Sven, Closs, Novalis stellen anonym einen Text ein - und Du wirst sagen können, das ist typisch Münek, Sven, Closs, Novalis. - Nicht beweisbar, but it works.

Pluto hat geschrieben:Einfach zu sagen "Gott ist", ist eine unbegründete Behauptung. Empirie ist hier gefragt.
Wenn "Empirie" etwas mit "Erfahrung" zu tun hat, gibt es diese Empirie täglich. - Im intersubjektiven Sinne geht es nicht - man kann dem Blinden keine Seh-Erfahrungen intersubjektiv vermitteln.

Pluto hat geschrieben:Ich würde sagen, der kR ist nicht zirkelreferent, denn er meidet den Positivismus.
Aber das ist doch nur eine inner-methodische Sache. - Die Zirkelreferenz bezieht sich hier auf die Definition von KR - will heißen: Es können nur Ergebnisse rauskommen, die innerhalb der KR vorgesehen sind.

Pluto hat geschrieben:Davon abgesehen, dass das ein Zirkelschluss ist, was entwickelt sich hin zur Dialektik?
Nein - das ist kein Zirkelschluss - eher hat es etwas mit Teleologie zu tun.

Weiterhin: Es entwickelt sich nicht zur Dialektik hin, sondern per Dialektik zum "Es" hin. - Dieses "Es" ist das, was überzeitlich bekannt ist, aber erst dorthin in der Zeit hinentwickelt werden muss. - Egal, was es ist.

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#70 Re: Was ist eine zeitgemäße Leitkultur?

Beitrag von Pluto » Fr 16. Dez 2016, 13:24

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Richtg ist, es konnte überhaupt nie beobachtet werden.
Es wird ständig "beobachtet", aber nicht in dem Dir geläufigen Sinne.
Verstehe ich nicht. Erkläre mal, wie das gehen soll!
Oder ist es eher Phantasie und Wunschdenken?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Von einem Körper unabhängiger Geist konnte noch niemals beobachtet werden.
Das ist der ständige Haken. - Du übersiehst nach wie vor, dass seitens der Naturwissenschaft ausschließlich Dinge beobachtet werden können, die abhängig von der Materie sind.
Ich übersehe gar nichts, sonder warte geduldig darauf, dass du mir eklärst wie du etwas beobachtest.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Welches Potential?
Das potentiell Spirituell-Geistige im Menschen.
Könnte das nicht Illusion sein?

closs hat geschrieben:Trotzdem gewinnst Du schnell oder mit der Zeit eine Einschätzung über den anderen - kleines Beispiel: Münek, Sven, Closs, Novalis stellen anonym einen Text ein - und Du wirst sagen können, das ist typisch Münek, Sven, Closs, Novalis. - Nicht beweisbar, but it works.
Das sind ebenfalls nur private Überzeugungen, aber keine Fakten.

Genau zu wissen, wie ein anderer denkt, geht nicht, auch nicht spirituell.

closs hat geschrieben:Wenn "Empirie" etwas mit "Erfahrung" zu tun hat, gibt es diese Empirie täglich.
Empirie hat aber nichts mit Erfahrung zu tun. Es gilt eher das Gegenteil: Es gilt eher das Gegentei: Bestes Beispiel ist der pawlowsche Hund, der meint es gäbe was zu fressen, dabei klingelt nur das Glöckchen — ist beim Menschen übrigens genauso.

closs hat geschrieben:Im intersubjektiven Sinne geht es nicht - man kann dem Blinden keine Seh-Erfahrungen intersubjektiv vermitteln.
Ich erkenne da nur den Versuch eine höhere moralische Ebene zu erklimmen. Intersubjektivität ist das Maß der Beobachtung, schlechthin.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich würde sagen, der kR ist nicht zirkelreferent, denn er meidet den Positivismus.
Aber das ist doch nur eine inner-methodische Sache.
Nein, es ist absolut und systemübergreifend, um es in deinen Worten zu sagen.

closs hat geschrieben:Die Zirkelreferenz bezieht sich hier auf die Definition von KR - will heißen: Es können nur Ergebnisse rauskommen, die innerhalb der KR vorgesehen sind.
Welche nachweislichen Ergebnisse, sprich Erkenntnisse, gibt es außerhalb der KR?

closs hat geschrieben:Nein - das ist kein Zirkelschluss - eher hat es etwas mit Teleologie zu tun.
Teleologie im Sinn einer göttlichen Zielsetzung oder Fügung ist tot. Deshalb ist die Teleologie irrelevant.

closs hat geschrieben:Es entwickelt sich nicht zur Dialektik hin, sondern per Dialektik zum "Es" hin. - Dieses "Es" ist das, was überzeitlich bekannt ist, aber erst dorthin in der Zeit hinentwickelt werden muss. - Egal, was es ist.
"Egal was es ist", ist Beliebigkeit und Willkür.
Wolltest du das wirklich sagen? :o
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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