Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Philosophisches zum Nachdenken
Anton B.
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#161 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von Anton B. » Sa 16. Feb 2019, 17:20

closs hat geschrieben:
So 10. Feb 2019, 07:13
Anton B. hat geschrieben:
Sa 9. Feb 2019, 19:26
Anton B.: "In Wirklichkeit gibt es Gott!" "Der Heilige Geist wirkt in der Realität!" Nee, tut mir leid, da bleibe ich doch lieber beim "Vater unser" oder unserem apostolischem Bekenntnis.
Das ist aber Flucht vor dem Feind. - Janina macht das ähnlich, wenn sie einerseits knallharte Wissenschaftlerin ist, aber andererseits brutal abbricht, wenn es um ihren Glauben geht. - Als handele es sich um zwei Dinge in zwei völlig anderen Welten.
Und ich dachte, Du wärst auch ein Freund der kategoriellen Trennung von "Wissen" und "Glauben" ...

Aber halt, Du hattest das zwar immer beteuert, während ich schon seit einiger Zeit immer wieder darlege, die "Wirklichkeit" ist Dein Vehikel, um die große vereinheitlichte closs'sche Theorie von Wissen und Glauben formulieren zu können.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

closs
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#162 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von closs » Sa 16. Feb 2019, 17:23

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:10
für Deinen Gott-Gläubigen ist Gott damit eben bestenfalls angenommene Wirklichkeit.
Der Satz lautet "Falls der (unbeweisbare) Glaube wahr ist, dass es Gott gibt, ist Gott Wirklichkeit".

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:10
Deine Wirklichkeit kommt über "Annahme" nie hinaus und der Gläubige wird glauben, egal, wie Du mit dem Begriff "Wirklichkeit" herum jonglierst.
Wenn man genau liest, wird man feststellen, dass der Satz "Gott IST Wirklichkeit" nur für den Fall stimmt, dass es Gott gibt. - Anders gesagt: "Wirklichkeit" ist aus meiner Sicht nicht davon abhängig, ob oder wie wir sie methodisch rezipieren können.

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:10
"Feststellen" ist im weiten Sinne nichts anderes, als etwas behaupten und darüber eigene Gewissheit zu haben, davon überzeugt zu sein. Im ganz engen Sinne seiner Herkunft heißt feststellen, etwas "fest" und "gesichert" machen (Kluge, Lemma "feststellen"). Also etwas z.B. so in einer Falle oder einem Schraubstock "fest machen", dass es anderen Subjekten vorzeigbar gemacht wird. Letzteres beinhaltet Dein Statement aber nicht.
Du bist als Wissenschaftler verseucht vom Maßstab der methodischen Intersubjektivität - als wäre das eine sichere bank für ontische Fragen. - Mein Ansatz ist, dass ontische Wirklichkeit auch individueller Natur sein kann. - Frage: Wie willst Du intersubjektiv nachweisen, dass der satz einer Mutter "Ich liebe mein Kind" richtig oder falsch ist? - Intersubjektiv? Möglich - aber dann doch wieder "nur" per Modell ("Ich definiere, dass ...."). - Ist das Gewähr für Wirklichkeit?

closs
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#163 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von closs » Sa 16. Feb 2019, 17:27

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:20
Und ich dachte, Du wärst auch ein Freund der kategoriellen Trennung von "Wissen" und "Glauben" ...
Ist auch richtig - in Deiner Definition von "Wissen" als wissenschafts-methodische Größe. - genau da haut diese Trennung hin. - Aber sie sagt nicht notwendig etwas über ontische Wirklichkeit aus.

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:20
während ich schon seit einiger Zeit immer wieder darlege, die "Wirklichkeit" ist Dein Vehikel, um die große vereinheitlichte closs'sche Theorie von Wissen und Glauben formulieren zu können.
Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. - Eigentlich ist "Wirklichkeit" für mich Ausdruck für "Sein", dem man sich per methodischem Wissen oder spirituellem Glauben annähern kann. - "Wirklichkeit" wäre also ein begriff in Bezug auf das objekt, während "Wissen" und "Glaube" Subjekt-Begriffe wären. - Einverstanden?

Anton B.
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#164 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von Anton B. » Sa 16. Feb 2019, 17:58

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:23
Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:10
Deine Wirklichkeit kommt über "Annahme" nie hinaus und der Gläubige wird glauben, egal, wie Du mit dem Begriff "Wirklichkeit" herum jonglierst.
Wenn man genau liest, wird man feststellen, dass der Satz "Gott IST Wirklichkeit" nur für den Fall stimmt, dass es Gott gibt. - Anders gesagt: "Wirklichkeit" ist aus meiner Sicht nicht davon abhängig, ob oder wie wir sie methodisch rezipieren können.
Ja. Dein Wirklichkeitsbegriff! Da kannst Du eine Aussage nach der anderen drüber legen, ohne dass es jemanden interessieren muss. Begründe erst einmal diesen Wirklichkeitsbegriff.

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:23
Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:10
"Feststellen" ist im weiten Sinne nichts anderes, als etwas behaupten und darüber eigene Gewissheit zu haben, davon überzeugt zu sein. Im ganz engen Sinne seiner Herkunft heißt feststellen, etwas "fest" und "gesichert" machen (Kluge, Lemma "feststellen"). Also etwas z.B. so in einer Falle oder einem Schraubstock "fest machen", dass es anderen Subjekten vorzeigbar gemacht wird. Letzteres beinhaltet Dein Statement aber nicht.
Du bist als Wissenschaftler verseucht vom Maßstab der methodischen Intersubjektivität - als wäre das eine sichere bank für ontische Fragen. - Mein Ansatz ist, dass ontische Wirklichkeit auch individueller Natur sein kann. - Frage: Wie willst Du intersubjektiv nachweisen, dass der satz einer Mutter "Ich liebe mein Kind" richtig oder falsch ist? - Intersubjektiv? Möglich - aber dann doch wieder "nur" per Modell ("Ich definiere, dass ...."). - Ist das Gewähr für Wirklichkeit?
Ich muss gar nichts nachweisen. Ich halte diese ontische Wirklichkeit für einen Popanz, bis die mir vernünftig dargelegt wird. Nie habe ich in meinen Beiträgen hier wissenschaftliches Wissen als Antwort auf "ontische Fragen" dargestellt. Im Gegenteil. Ich habe immer die Abgrenzung betont. Und das "weißt" Du doch auch.

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:27
Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:20
während ich schon seit einiger Zeit immer wieder darlege, die "Wirklichkeit" ist Dein Vehikel, um die große vereinheitlichte closs'sche Theorie von Wissen und Glauben formulieren zu können.
Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. - Eigentlich ist "Wirklichkeit" für mich Ausdruck für "Sein", dem man sich per methodischem Wissen oder spirituellem Glauben annähern kann. - "Wirklichkeit" wäre also ein begriff in Bezug auf das objekt, während "Wissen" und "Glaube" Subjekt-Begriffe wären. - Einverstanden?
"Wissen" ist intersubjektive Erkenntnis, die sich auf die vernünftig darstellbare Äquivalenz von Modellen und Beobachtungen kapriziert. In diesem Zusammenhang macht "Wirklichkeit" als Begriff nur dann einen Sinn, wenn der Begriff so verstanden wird, wie Stadler es beschrieben hat. Den Nutzen eines solchen Begriffs sehe ich als vernachlässigbar an. "Glaube" ist ein "Subjekt-Begriff". Als solcher eröffnet er Vorstellungsmöglichkeiten und Positionierungen, die außerhalb von Wissen im philosophischen Sinne stehen. Einen solchen Glauben kann der eine als Mumpitz abtuen, der andere als wichtige Bereicherung sehen. Der eine Gläubige hält das aus, der andere vielleicht nicht.

Der letztere arbeitet dann, so die Motivation und die Zeit gegeben ist, womöglich an einer weitergehenden Rechtfertigung seines Glaubens. Rechtfertigung gegenüber anderen Menschen gegenüber. Also an einer Intersubjektivierung seines Glaubens.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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sven23
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#165 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von sven23 » Sa 16. Feb 2019, 18:03

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:07
sven23 hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 15:12
die offenen Fragen existieren nur in deiner Phantasie, bzw. deinem Wunschdenken.
Das ist die Sicht aus Deiner Warte - lassen wir es so lange stehen, bis sich was bewegt.
Da wird sich nichs mehr bewegen. Der Status Quo steht fest. Da kannst du warten bis zum St. Nimmerleinstag. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#166 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von closs » Sa 16. Feb 2019, 19:48

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:58
Ja. Dein Wirklichkeitsbegriff!
Richtig - so heißt ja der Thread: "Was versteht jeder Einzelne darunter".

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:58
Begründe erst einmal diesen Wirklichkeitsbegriff.
Naja - das sollte das kleinste Problem sein. - Die Alternative dazu wäre, dass "Wirklichkeit" eine abhängige Größe der menschlichen Wahrnehmung ist - der mensch wäre also entscheidend, ob etwas sein darf oder nicht. - Das halte ich für absurd.

Anmerkung: Mir ist wohl bewusst, dass es Effekte in der QM ist, bei denen das Objekt erst durch das Subjekt entsteht. - Wir müssten entscheiden, ob wir solche Fälle als Grundlage für die Definition für "Wirklichkeit" nehmen wollen. - Tun wir es, werden die Karten in der Tat neu gemischt.

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:58
Ich halte diese ontische Wirklichkeit für einen Popanz, bis die mir vernünftig dargelegt wird.
Überspitzt sagst Du damit: Alles, was nicht menschen-maßstäblich ist, ist unvernüftig und somit Popanz. - Absicht?

Ansonsten: Ich halte die Aussage "Wirklichkeit ist nicht notwendig menschen-maßstäblich für extrem vernünftig" - es sei denn, man versteht "Vernunft" als anthropozentrische Größe. - Frage: Wenn es Gott gibt: Was ist der dann? Real? Wirklich? Existent? - Gibt es etwas, was existent, aber nicht wirklich ist?

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:58
Nie habe ich in meinen Beiträgen hier wissenschaftliches Wissen als Antwort auf "ontische Fragen" dargestellt.
Das ist richtig - Du hast wissenschaftliche Ergebnisse als Modell-Ergebnisse dargestellt. - Gibt es aus Deiner Sicht einen Bezug zwischen Wissenschaft und dem, was Du als "Wirklichkeit" bezeichnest?

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:58
"Wissen" ist intersubjektive Erkenntnis, die sich auf die vernünftig darstellbare Äquivalenz von Modellen und Beobachtungen kapriziert.
So ähnlich habe ich Dich verstanden.

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:58
"Glaube" ist ein "Subjekt-Begriff".
Moment: "Wissen" in Deinem Sinn doch auch: Es ist das Subjekt, das beobachtet und beschreibt. - Es ist das Subjekt, das Modelle macht und damit vergleicht.

Persönlich würde ich nun sagen, dass solche Verfahren gute Chancen haben, zu Deckungsgleichheit mit Wirklichkeit des Objekts zu führen ("Koinzidenz" sage ich nicht mehr, weil dieses Wort anscheinend im Sinne von "Zufall" sprachlich usurpiert wurde). - Aber das ändert nichts am Unterschied, ob man "Existenz" (was für mich eigentlich ein Synonym für "Wirklichkeit" ist) übers Subjekt oder übers Objekt definiert.

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:58
In diesem Zusammenhang macht "Wirklichkeit" als Begriff nur dann einen Sinn, wenn der Begriff so verstanden wird, wie Stadler es beschrieben hat.
Er macht es halt so, wie er es macht. - Nach meinem Verständnis versucht man vorhandene Begriffe (Wirklichkeit, Realität, Vernunft), die nun mal da sind, so zu definieren, dass sie sich am Ende nicht gegenseitig im Wege stehen - ob das zielführend in der Substanz ist, weiß ich nicht.

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:58
"Glaube" ist ein "Subjekt-Begriff". Als solcher eröffnet er Vorstellungsmöglichkeiten und Positionierungen, die außerhalb von Wissen im philosophischen Sinne stehen. Einen solchen Glauben kann der eine als Mumpitz abtuen, der andere als wichtige Bereicherung sehen. Der eine Gläubige hält das aus, der andere vielleicht nicht.

Der letztere arbeitet dann, so die Motivation und die Zeit gegeben ist, womöglich an einer weitergehenden Rechtfertigung seines Glaubens. Rechtfertigung gegenüber anderen Menschen gegenüber. Also an einer Intersubjektivierung seines Glaubens.
Wie gesagt: "Wissen" aus meiner Sicht ebenfalls. - Davon abgesehen: "Intersubjektiv" ist auch so ein Wort - denn auch da sind die Ränder verfranst. - man tut so, als sei "intersubjektiv" dasselbe wie "für jeden nachvollziehbar", vergisst aber, dass einem Blinden die Farbe NICHT nachvollziehbar ist. - Umgekehrt: Wären alle Menschen spirituell aktiviert, würden alle Menschen die Existenz von Gott genauso erkennen wie die Existenz von Farben.

Worum es mir geht: Wenn man bohrt, stellt man fest, dass das alles Systeme sind, die gerade so weit elaboriert sind, dass sie funktionieren - tiefen philosophischen Fragen halten sie nicht stand. - Insofern gefällt mir Dein (?) Hinweis, dass man Wissenschaft macht, weil sie utilitaritisch funktioniert, am besten - "it works" - "philosophical questions off limits".

sven23 hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 18:03
Da wird sich nichs mehr bewegen. Der Status Quo steht fest.
Das meinst Du, weil Du gar nicht auf die idee kommst, dass Dein anthropozentrisches Weltbild in Frage stehen könnte. - Klar bleibt dann alles ruhig und bewegungslos.

Anton B.
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#167 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von Anton B. » Sa 16. Feb 2019, 22:15

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 19:48
Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:58
Begründe erst einmal diesen Wirklichkeitsbegriff.
Naja - das sollte das kleinste Problem sein. - Die Alternative dazu wäre, dass "Wirklichkeit" eine abhängige Größe der menschlichen Wahrnehmung ist - der mensch wäre also entscheidend, ob etwas sein darf oder nicht. - Das halte ich für absurd.
Was ist das denn für eine Argumentation: Nichts von dem begründet diesen Begriff. Stattdessen sagst Du, Du hältst eine alternative Auffassung für absurd. Du rechtfertigst nicht den Begriff, Du ziehst nur wieder eine von menschlicher Erkenntnis abgelöste inhaltliche Definition heran. Die Sinnhaftigkeit des Begriffs ergibt sich doch nur wieder aus Deiner Vorstellungswelt.

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 19:48
Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:58
Ich halte diese ontische Wirklichkeit für einen Popanz, bis die mir vernünftig dargelegt wird.
Überspitzt sagst Du damit: Alles, was nicht menschen-maßstäblich ist, ist unvernüftig und somit Popanz. - Absicht?
Nicht unbedingt. In Bezug auf Wissen aber ist es so. Und Du appellierst doch an uns, die Wirklichkeit als eine Basis ("was hinter allem wirklich der Fall ist") dieses Wissens anzusehen. Ja, bezüglich Wissen weigere ich mich, bis eine vernünftige Begründung da ist.

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 19:48
Ansonsten: Ich halte die Aussage "Wirklichkeit ist nicht notwendig menschen-maßstäblich für extrem vernünftig" - es sei denn, man versteht "Vernunft" als anthropozentrische Größe.
Dann müsstest Du uns hier doch davon überzeugen können. Dann nehmen wir die Wirklichkeit als gegeben an und machen in der Diskussion den nächsten Schritt.

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 19:48
Frage: Wenn es Gott gibt: Was ist der dann? Real? Wirklich? Existent? - Gibt es etwas, was existent, aber nicht wirklich ist?
Wenn es die ET gibt, ist sie dann real, wirklich oder existent? Diese wenn-Betrachtungen bringen doch nichts. Die ET ist ein wissenschaftliches Modell, welches sich sehr gut in Übereinstimmung mit den Beobachtungen befindet. Das ist das, was wir wissen, was wir sagen können. Man kann alles darüber hinaus annehmen, man kann nach der Wirklichkeit der ET hinter allen Beobachtungen fragen, aber das verändert nichts an unserem Wissen, und hat wissenschaftlich gar keine Bedeutung.

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 19:48
Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:58
Nie habe ich in meinen Beiträgen hier wissenschaftliches Wissen als Antwort auf "ontische Fragen" dargestellt.
Das ist richtig - Du hast wissenschaftliche Ergebnisse als Modell-Ergebnisse dargestellt. - Gibt es aus Deiner Sicht einen Bezug zwischen Wissenschaft und dem, was Du als "Wirklichkeit" bezeichnest?
Es gibt einen Bezug zur Wirklichkeit der Beobachtungen. Oder sagen wir besser direkt, "zu den Beobachtungen". Mit "Wirklichkeit" macht man in den Naturwissenschaften keinen Staat. Man kann darauf nichts begründen, man kann nichts damit anfangen. Das Wort ist doch der reinste "Lord Voldemort".

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 19:48
Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:58
"Glaube" ist ein "Subjekt-Begriff".
Moment: "Wissen" in Deinem Sinn doch auch: Es ist das Subjekt, das beobachtet und beschreibt. - Es ist das Subjekt, das Modelle macht und damit vergleicht.
Klar. Andere prüfen auch. Das, was der Eine macht, kann der Andere nachstellen.

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 19:48
Persönlich würde ich nun sagen, dass solche Verfahren gute Chancen haben, zu Deckungsgleichheit mit Wirklichkeit des Objekts zu führen ("Koinzidenz" sage ich nicht mehr, weil dieses Wort anscheinend im Sinne von "Zufall" sprachlich usurpiert wurde). - Aber das ändert nichts am Unterschied, ob man "Existenz" (was für mich eigentlich ein Synonym für "Wirklichkeit" ist) übers Subjekt oder übers Objekt definiert.
Würdest Du sagen. Aber warum soll es so sein? Wir sagen dagegen nur, dass Beobachtungen das Modell so-und-so-oft bewährt, aber nicht falsifiziert haben.

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 19:48
Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 17:58
In diesem Zusammenhang macht "Wirklichkeit" als Begriff nur dann einen Sinn, wenn der Begriff so verstanden wird, wie Stadler es beschrieben hat.
Er macht es halt so, wie er es macht. - Nach meinem Verständnis versucht man vorhandene Begriffe (Wirklichkeit, Realität, Vernunft), die nun mal da sind, so zu definieren, dass sie sich am Ende nicht gegenseitig im Wege stehen - ob das zielführend in der Substanz ist, weiß ich nicht.
Stadler gibt ja keine neue Definition. Er sagt nur, was Wirklichkeit in diesem Kontext sinnvoll noch bedeuten kann. Und zeigt den Unterschied zu der Wirklichkeit im platonschen Sinne auf.

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 19:48
Davon abgesehen: "Intersubjektiv" ist auch so ein Wort - denn auch da sind die Ränder verfranst. - man tut so, als sei "intersubjektiv" dasselbe wie "für jeden nachvollziehbar", vergisst aber, dass einem Blinden die Farbe NICHT nachvollziehbar ist.
Doch, die Idee ist, auch einem Blinden naturwissenschaftliche Eigenschaften der Farbe nachvollziehbar zu machen. Und das ist möglich.

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 19:48
Umgekehrt: Wären alle Menschen spirituell aktiviert, würden alle Menschen die Existenz von Gott genauso erkennen wie die Existenz von Farben.
Eine reine Behauptung. Es gibt "technische" Sensoren, die Farbqualitäten in eine Form übertragen können, die auch von den Sensoren eines Blinden wahrgenommen werden können. Von einem Gott-Sensor dieser Art habe ich noch nichts gehört. Die Intersubjektivierung in der Art, dass ein jeder vernünftig überzeugt werden kann, ist bei Gott eben derzeit nicht so leistbar, wie es von dem wissenschaftlichen Wissen geleistet wird.

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 19:48
Worum es mir geht: Wenn man bohrt, stellt man fest, dass das alles Systeme sind, die gerade so weit elaboriert sind, dass sie funktionieren - tiefen philosophischen Fragen halten sie nicht stand. - Insofern gefällt mir Dein (?) Hinweis, dass man Wissenschaft macht, weil sie utilitaritisch funktioniert, am besten - "it works" - "philosophical questions off limits".
Ja. Im Gegensatz zu den mathematischen Beweisen ist das Wissen der empirischen Wissenschaften viel weniger gesichert. Es ist aber zeitgenössisches Wissen -- und kein Glauben -- selbst wenn es morgen überholt ist. Und den Grad der Annäherung an eine Wirklichkeit als das, was hinter den Beobachtungen der Fall ist, lässt sich für unser Wissen gar nicht mal seriös angeben. Und statt "... in Wirklichkeit ist es doch so und so" mit dem argumentativen Gewicht eines mit seinen Fäusten auf Boden einschlagenden Kleinkindes sage ich doch dann lieber mit erhobenem Visier: "Die Beobachtungen x, y und z bewähren Modell n und eine Falsifikation für das Modell existiert derzeit nicht."
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#168 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von Janina » Sa 16. Feb 2019, 22:37

janosch hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 13:59
Janina hat geschrieben:
Mo 11. Feb 2019, 10:12
Es gibt auch Leute, die mitten in Mitteleuropa ständig auf der Kupplung stehen, weil sie nicht wissen wie das Teil funktioniert, und deswegen ständig ne neue brauchen. :roll:
Unwissen nützt NIE.
Und genau deswegen gibt es „Doppelkuplungen"! :lol:
Hehe, genau. Immer eine in Reserve. 8-)
Ich bin mal mit dem VW Käfer von meinem Papa unterwegs gewesen, da hatte ich eine Panne. Wollte ich nachgucken was er hat, mache vorne den Motorraum auf und siehe da - das Problem war deutlich erkennbar: Der Wagen hatte gar keinen Motor!
Papa hat mir dann zum Glück gezeigt, dass im Kofferraum noch einer in Reserve war.
Also immer Reserve dabei haben! :thumbup:

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#169 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von sven23 » So 17. Feb 2019, 07:54

closs hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 19:48
sven23 hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 18:03
Da wird sich nichs mehr bewegen. Der Status Quo steht fest.
Das meinst Du, weil Du gar nicht auf die idee kommst, dass Dein anthropozentrisches Weltbild in Frage stehen könnte.
Was haben objektive Testverfahren mit Anthropozentrismus zu tun? Ganz im Gegenteil sind die Studien so angelegt, dass subjektive Einflussnahmen möglichst ausgeschlossen sind. Es ist also das genaue Gegenteil.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#170 Re: Was versteht Ihr unter "Wirklichkeit"?

Beitrag von closs » So 17. Feb 2019, 07:57

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 22:15
Die Sinnhaftigkeit des Begriffs ergibt sich doch nur wieder aus Deiner Vorstellungswelt.
Das ist überall so - auch in der naturwissenschaft. - Es gibt nichts, was bei unseren Gedanken nicht über uns, dem Subjekt, läuft. - insofern kann ich hier kein Argument erkennen.

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 22:15
Was ist das denn für eine Argumentation: Nichts von dem begründet diesen Begriff. Stattdessen sagst Du, Du hältst eine alternative Auffassung für absurd.
Formulierungssache. - Ich begründe meine Vorstellung, dass "Wirklichkeit" eine Größe unabhängig vom Subjekt ist, weil ich nicht glaube, dass der mensch Herr über Sein oder Nicht-Sein von Wirklichkeit ist.

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 22:15
Nicht unbedingt. In Bezug auf Wissen aber ist es so.
Zustimmung - aber doch nur, weil "Wissen" eine methodische Modell-Größe ist und keine ontische Größe ist. - letztlich läuft die Thread-Frage darauf raus, ob "Wirklichkeit" eine Modell-Größe ist oder eine ontische Größe.

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 22:15
Du appellierst doch an uns, die Wirklichkeit als eine Basis ("was hinter allem wirklich der Fall ist") dieses Wissens anzusehen.
Richtig.

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 22:15
Ja, bezüglich Wissen weigere ich mich, bis eine vernünftige Begründung da ist.
Das geht, weil Wissen als Modell-Größe eine ganz andere Kategorie abdeckt als Wirklichkeit sensu closs, die eine ontische Größe ist ("Natürliche Röntgenstrahlen gab es #wirklich' bereits vor 100.000 jahren, obwohl man es auf Modellebene nicht 'wusste' ").

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 22:15
Dann nehmen wir die Wirklichkeit als gegeben an und machen in der Diskussion den nächsten Schritt.
Klar - bei Wirklichkeit sensu closs geht es gar nicht anders - sonst wären wir ja weg ("schnips"). - Die Frage ist: Welche Wirklichkeit können wir methodisch, emotional, also subjektiv erfassen.

Janina hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 22:37
Wenn es die ET gibt, ist sie dann real, wirklich oder existent? Diese wenn-Betrachtungen bringen doch nichts.
In diesem Fall stimmt das - Du gibst selber die Antwort:
Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 22:15
Die ET ist ein wissenschaftliches Modell
Hältst Du Gott, also das, wofür wir religiöse Modelle haben, selbst für ein Modell?

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 22:15
Das ist das, was wir wissen, was wir sagen können.
meinetwegen - aber das sagt doch nichts bzw. allenfalls auf Modellebene (die ontisch falsch sein kann) darüber aus, ob etwas "wirklich" ist oder nicht.

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 22:15
Mit "Wirklichkeit" macht man in den Naturwissenschaften keinen Staat.
Glaube ich Dir aufs Wort - deshalb foilge ich Dir doch, dass man Wissenschaft und Wissen allein auf Modellebene betrachten sollte.

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 22:15
Wir sagen dagegen nur, dass Beobachtungen das Modell so-und-so-oft bewährt, aber nicht falsifiziert haben.
Auf materieller Ebene und im utilitaristischen Sinne ("Does it work?"- im Sinne des Modells) würde ich Dir zustimmen. - Aber hier zweierlei:
1) Wir dürfen nie vergessen, dass die Allgemeinsprache ganz anders funzt als die wissenschaftliche Sprache.
2) Was Wissenschaft zustande bringt, ist diesseits spiritueller Fragestellungen/"Wirklichkeit".

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 22:15
Stadler gibt ja keine neue Definition. Er sagt nur, was Wirklichkeit in diesem Kontext sinnvoll noch bedeuten kann.
Naja - wo da der Unteschied sein soll, erschließt sich mir erst mal nicht.

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 22:15
Doch, die Idee ist, auch einem Blinden naturwissenschaftliche Eigenschaften der Farbe nachvollziehbar zu machen. Und das ist möglich.
dann kommt vielleicht raus (ich erfinde), dass der Proband bei infrarot feststellt "Rot ist auf der Haut wärmer als gelb" - da wird dann irgendein Depp daraus schließen, dass "rot" etwas mit "schwul" zu tun hat. :| - Mit anderen Worten: Ans Wesen einer Sache kommt man so nicht. - und das will man doch eigentlich - oder nicht?

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 22:15
Die Intersubjektivierung in der Art, dass ein jeder vernünftig überzeugt werden kann, ist bei Gott eben derzeit nicht so leistbar, wie es von dem wissenschaftlichen Wissen geleistet wird.
eigentlich ist das eine Tautologie: "Wissenschaftliches ist nur in der Wissenschaft leistbar". - Insofern richtig: "In DER Art" geht nur in der Wissenschaft. - Aber das sagt doch nur, dass es auf wissenschaftlich erreichbarer Weise "so" funktioniert und woanders nicht - das sagt doch nichts darüber aus, ob etwas "wirklich senus closs" ist.

Anton B. hat geschrieben:
Sa 16. Feb 2019, 22:15
Und statt "... in Wirklichkeit ist es doch so und so" mit dem argumentativen Gewicht eines mit seinen Fäusten auf Boden einschlagenden Kleinkindes sage ich doch dann lieber mit erhobenem Visier: "Die Beobachtungen x, y und z bewähren Modell n und eine Falsifikation für das Modell existiert derzeit nicht."
1) Neutral gelesen richtig.
2) Hier blinkt ein ganz furchtbarer irrtum durch - nämlich: Als gäbe es jemanden, der behaupten würde zu wissen "in Wirklichkeit ist es doch so und so". - Soweit Closs betroffen ist, gerade eben NICHT - dem Closs geht es darum, dass Wirklichkeit UNABHÄNGIG davon "IST", ob er eine individuelle Meinung oder ein methodisches Wissen dazu hat.

Wirklichkeit sensu closs ist die Eiche (Objekt), die steht, ob sich ein Schwein (Subjekt) daran kratzt oder nicht - ist das wirklich so schwer vermittelbar? - Ist unsere Kultur inzwischen derart subjekt-geil, dass sie Eichen nicht mehr unbekannterweise irgendwo stehen lassen kann?

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