Buch "Geist und Kosmos" von Thomas Nagel

Philosophisches zum Nachdenken
Rembremerding
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#1 Buch "Geist und Kosmos" von Thomas Nagel

Beitrag von Rembremerding » Mi 16. Okt 2013, 12:42

Der Atheist und Philosoph Thomas Nagel rechnet in seinem Buch "Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist" mit dem reduktionistischen wissenschaftlichen Weltbild ab und bringt die angelsächsische Philosophenriege gegen sich auf.
„Wenn es einen philosophischen Vatikan gäbe, wäre das Buch ein guter Kandidat dafür, auf dem Index zu landen.“

Insgesamt ein gut zu lesendes intelligentes Buch, das verkrustete Denkstrukturen einweicht, damit sie nachher umso dichter verhärten können. :mrgreen:
Artikel:
http://www.taz.de/Thomas-Nagels-Geist-u ... s/!125518/

Zu bestellen bei Amazon, aber bitte über: http://www.clicks4charity.net/LP/Kinder ... terntaler/
Man kann hier doch Buchempfehlungen posten, oder?
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Pluto
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#2 Re: Buch "Geist und Kosmos" von Thomas Nagel

Beitrag von Pluto » Mi 16. Okt 2013, 13:45

Rembremerding hat geschrieben:Der Atheist und Philosoph Thomas Nagel rechnet in seinem Buch "Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist" mit dem reduktionistischen wissenschaftlichen Weltbild ab und bringt die angelsächsische Philosophenriege gegen sich auf.
„Wenn es einen philosophischen Vatikan gäbe, wäre das Buch ein guter Kandidat dafür, auf dem Index zu landen.“

Insgesamt ein gut zu lesendes intelligentes Buch, das verkrustete Denkstrukturen einweicht, damit sie nachher umso dichter verhärten können. :mrgreen:
Artikel:
http://www.taz.de/Thomas-Nagels-Geist-u ... s/!125518/

Man kann hier doch Buchempfehlungen posten, oder?
Um es vorwegzunehmen... ja klar kann man hier Buchempfehlungen posten.

Das Buch von Nagel ist gut. Er ist als brillanter Rhetoriker und Autor bekannt. :)
In diesem Buch geht vornehmlich um die Entstehung des Bewusstseins, und er meint, es bedürfe eines gewissen Etwas, um dem Mensch seine Intelligenz und Phantasiewelt zu geben. So was wie auch die Bibel mit dem Odem Gottes beschreibt. Leider kommt dieses Buch etwa 20 Jahre zu spät auf den Markt, genau dann wo die Hirnforschung einen Durchbruch nach dem anderen im Verständnis des Bewusstseins feiert, und immer wieder zeigt, wie der Geist als nicht-lineares Produkt der Komplexität des Gehirns materialisiert. Es gibt au in der Entwicklung des Fötus keinerlei Hinweise auf eine "gewisses Etwas" oder einen "Funken", der ein werdendes Leben n irgendeiner Weise beseelt.
So können wir eigentlich die These von Thomas Nagel als phantasievolle Erzählung ablehnen, es sei denn es kann doch (wider Erwarten) ein Beseelungsmechanismus nachgewiesen werden.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#3 Re: Buch "Geist und Kosmos" von Thomas Nagel

Beitrag von closs » Mi 16. Okt 2013, 14:03

Pluto hat geschrieben: Leider kommt dieses Buch etwa 20 Jahre zu spät auf den Markt,
Kann auch zu früh sein.

Pluto hat geschrieben:und immer wieder zeigt, wie der Geist als nicht-lineares Produkt der Komplexität des Gehirns materialisiert.
Das ist gut ausgedrückt - ja genau so sehe ich das auch. - Aber wir verstehen Unterschiedliches darunter.

Du meinst, "wie Geist entsteht" - ich meine tatsächlich wörtlich, "wie Geist materialisiert".

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#4 Re: Buch "Geist und Kosmos" von Thomas Nagel

Beitrag von Pluto » Mi 16. Okt 2013, 14:32

closs hat geschrieben:Du meinst, "wie Geist entsteht" - ich meine tatsächlich wörtlich, "wie Geist materialisiert".
Möchtest du eine Wette abschliessen welche der beiden Erklärungen sich als richtig herausstellt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#5 Re: Buch "Geist und Kosmos" von Thomas Nagel

Beitrag von closs » Mi 16. Okt 2013, 15:05

Pluto hat geschrieben:Möchtest du eine Wette abschliessen welche der beiden Erklärungen sich als richtig herausstellt.
Das würde ich riskieren - aber die Wette ist nicht im Dasein entscheidbar. Das stellt sich erst im geistigen Sein heraus - oder nicht (und dann hättest Du recht). - Aber die Wette gilt.

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Thaddäus
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#6 Re: Buch "Geist und Kosmos" von Thomas Nagel

Beitrag von Thaddäus » Mi 16. Okt 2013, 19:41

Rembremerding hat geschrieben:Der Atheist und Philosoph Thomas Nagel rechnet in seinem Buch "Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist" mit dem reduktionistischen wissenschaftlichen Weltbild ab und bringt die angelsächsische Philosophenriege gegen sich auf.
Wenn es einen philosophischen Vatikan gäbe, wäre das Buch ein guter Kandidat dafür, auf dem Index zu landen.
[...]
Aber gottseidank gibt es keinen philosophischen Vatikan und Nagels Buch wird deshalb auch auf keinem Index landen. ;)

Dieses Buch von Nagel wird das nächste philosophische sein, das ich lese. Ich selbst habe starke Sympathien für einen reduktionsitischen Naturalismus, sehe aber auch, wo seine Probleme liegen.
Das größte liegt wohl darin, dass wir uns als Subjekte mit Ich-Perspektive und eigenem Innenleben erleben und das so unmittelbar evident und unleugbar, dass eine Theorie, die versucht, dieses innere Erleben elegant wegzudiskutieren, letztlich nicht wirklich überzeugen kann. Das Qualia-Problem, also das qualitative Wahrnehmen bestimmter Sinneseindrücke wie Farben (Blauheit, Rotheit etc.) oder der unverwechselbare Geschmack eines Nahrungsmittels usw., steht exemplarisch für dieses Problem des Naturalismus. Zu behaupten, man könne einer blinden Person Farben ohne Informationsverlust so erklären, so dass es keinen Unterschied macht, ob sie nur über dieses 3.-Person-Wissen verfügt oder tatsächlich selbst Farben sehen und erleben kann, ist einfach nicht sehr überzeugend. (siehe: das Mary-Gedankenexperiment; http://de.wikipedia.org/wiki/Mary_%28Ge ... eriment%29 )

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Information Philosophie" lese ich grade einen Artikel des deutschen Philosophen Holm Tetens: "Der Naturalismus: das metaphysische Vorurteil unserer Zeit?" hierzu. Leider gibt es den Artikel nicht im Netz.

Ich habe mir angewöhnt, zu solch grundsätzlichen Themen immer nur vorläufige eigene Haltungen einzunehmen. Nicht, weil ich zu feige wäre, eine klare Position zu beziehen, sondern weil ich es für philosophisch integerer halte, mich nicht voreilig bei so komplizierten, aber grundsätzlichen Positionen festzulegen. Ich halte das philosophisch für vollkommen okay, denn Philosophie wettet nicht auf das richtige Ergebnis, sondern muss versuchen ihre Probleme gedanklich zu durchdringen. Wenn mir eine Haltung sympathisch ist und ich sie gerne einnehmen möchte, aber ihre Probleme erweisen sich als zu groß, dann muss ich sie auch loslassen können. Philosophie (und alle Wissenschaft) sollte ja gerade keine Ideologie sein. Wenn sich eine Theorie als problematisch erweist, geht man zu einer besseren über: das ist völlig legitim und nicht nur das: es ist auch geboten.

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#7 Re: Buch "Geist und Kosmos" von Thomas Nagel

Beitrag von Demian » Fr 18. Okt 2013, 14:58

Sehr gut, Thaddäus. Mehr solche Beiträge würden mich freuen.

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Lamarck
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#8 Re: Buch "Geist und Kosmos" von Thomas Nagel

Beitrag von Lamarck » Sa 19. Okt 2013, 09:47

Hi Rembremerding!

Rembremerding hat geschrieben: Der Atheist und Philosoph Thomas Nagel rechnet in seinem Buch "Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist" mit dem reduktionistischen wissenschaftlichen Weltbild ab und bringt die angelsächsische Philosophenriege gegen sich auf.
„Wenn es einen philosophischen Vatikan gäbe, wäre das Buch ein guter Kandidat dafür, auf dem Index zu landen.“

Was für einen Boulevard-Sche|ß ... . Der übliche 'Qualitätsjournalismus' beschäftigt sich nicht mit Inhalten - das kostet ja Zeit und außerdem muss man dazu 'lesen' - sondern damit, welche Emotionen damit wohl einhergehen: "Wie fühlen sie sich, [ ] Frau/[ ] Herr [ ] Fußballspieler(in)/[ ] Politiker(in)/[ ] Autor(in)/[ ] Philosoph(in)/... ?" [Zutreffendes bitte ankreuzen]

Die "angelsächsische Philosophenriege" regt sich nicht deshalb darüber auf, weil Thomas Nagel angeblich gegen irgendwelche 'Dogmen' verstößt (Philosophie ist eine Wissenschaft und in Wissenschaften gibt es keine Dogmen), sondern weil er unqualifizierten Mi|t von sich gibt, dass nur vom Anti-Fachpublikum goutiert wird. Tatsächlich hat Thomas Nagel einen gewissen Ruf ("What is it like?"), den er sich gerade verspielt. Gut, eine unterstellte 'Auflehnung gegen das philosophische Establishment' hat wohl einen weit besseren Klang als beispielsweise Altersdebilität ... .




Rembremerding hat geschrieben: Insgesamt ein gut zu lesendes intelligentes Buch, das verkrustete Denkstrukturen einweicht, damit sie nachher umso dichter verhärten können. :mrgreen:
Artikel:
http://www.taz.de/Thomas-Nagels-Geist-u ... s/!125518/

Nachdem Du anscheinend das Buch gelesen hast, wie wäre es dann mit Bemerkungen aus eigenem Urteil heraus? Etwa, wie lautet Nagels zentrale These? (Hint: Es genügt hierzu ein einziger Satz und eine Liste der Fehlschlüsse ... )




Cheers,

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#9 Re: Buch "Geist und Kosmos" von Thomas Nagel

Beitrag von Lamarck » Sa 19. Okt 2013, 10:03

Hi closs!

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Möchtest du eine Wette abschliessen welche der beiden Erklärungen sich als richtig herausstellt.
Das würde ich riskieren - aber die Wette ist nicht im Dasein entscheidbar. Das stellt sich erst im geistigen Sein heraus - oder nicht (und dann hättest Du recht). - Aber die Wette gilt.

Mein liebes clösschen - gut, dass Du mit dem geistigen Sein nun so gar nichts im Sinne hast - spiritualistisch gesehen ... .




Cheers,

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#10 Re: Buch "Geist und Kosmos" von Thomas Nagel

Beitrag von Lamarck » Sa 19. Okt 2013, 10:27

Hi Thaddäus!

Thaddäus hat geschrieben: Dieses Buch von Nagel wird das nächste philosophische sein, das ich lese. Ich selbst habe starke Sympathien für einen reduktionsitischen Naturalismus, sehe aber auch, wo seine Probleme liegen.
Das größte liegt wohl darin, dass wir uns als Subjekte mit Ich-Perspektive und eigenem Innenleben erleben und das so unmittelbar evident und unleugbar, dass eine Theorie, die versucht, dieses innere Erleben elegant wegzudiskutieren, letztlich nicht wirklich überzeugen kann.

Mmh, ich kenne niemanden, der 'inneres Erleben' 'wegdiskutiert' ... .




Thaddäus hat geschrieben: Das Qualia-Problem, also das qualitative Wahrnehmen bestimmter Sinneseindrücke wie Farben (Blauheit, Rotheit etc.) oder der unverwechselbare Geschmack eines Nahrungsmittels usw., steht exemplarisch für dieses Problem des Naturalismus.

  1. Wenn die Qualia-Problematik ein Problem für den Naturalismus darstellt, dann stellt dies auch für alle anderen ein Problem dar.
  2. Es ist keineswegs abschließend geklärt, ob die Qualia ein Problem für den Naturalismus darstellt
  3. Es ist auch keineswegs abschließend geklärt, ob so etwas wie die Qualia überhaupt existiert [sic!] (vgl. Daniel Dennett (Und ein Scheinproblem ist nun kein 'wegdiskutieren'))




Thaddäus hat geschrieben: Zu behaupten, man könne einer blinden Person Farben ohne Informationsverlust so erklären, so dass es keinen Unterschied macht, ob sie nur über dieses 3.-Person-Wissen verfügt oder tatsächlich selbst Farben sehen und erleben kann, ist einfach nicht sehr überzeugend. (siehe: das Mary-Gedankenexperiment; http://de.wikipedia.org/wiki/Mary_%28Ge ... eriment%29 )

Nun: http://4religion.de/viewtopic.php?f=34& ... ary#p20806


Wenn es tatsächlich gelingen würde, durch Erklärung einer blinden Person Farben ohne Informationsverlust darzulegen, dann müsste diese Person dadurch sehend werden ... .




Thaddäus hat geschrieben: In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Information Philosophie" lese ich grade einen Artikel des deutschen Philosophen Holm Tetens: "Der Naturalismus: das metaphysische Vorurteil unserer Zeit?" hierzu. Leider gibt es den Artikel nicht im Netz.

Metaphysik ist bloß schlechte Physik ... .




Thaddäus hat geschrieben: Ich habe mir angewöhnt, zu solch grundsätzlichen Themen immer nur vorläufige eigene Haltungen einzunehmen. Nicht, weil ich zu feige wäre, eine klare Position zu beziehen, sondern weil ich es für philosophisch integerer halte, mich nicht voreilig bei so komplizierten, aber grundsätzlichen Positionen festzulegen. Ich halte das philosophisch für vollkommen okay, denn Philosophie wettet nicht auf das richtige Ergebnis, sondern muss versuchen ihre Probleme gedanklich zu durchdringen. Wenn mir eine Haltung sympathisch ist und ich sie gerne einnehmen möchte, aber ihre Probleme erweisen sich als zu groß, dann muss ich sie auch loslassen können. Philosophie (und alle Wissenschaft) sollte ja gerade keine Ideologie sein. Wenn sich eine Theorie als problematisch erweist, geht man zu einer besseren über: das ist völlig legitim und nicht nur das: es ist auch geboten.

Hypothesen bestehen solange, bis sie widerlegt werden; konkurrierende Hypothesen sind kein Problem.




Cheers,

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