Manchester

Pluto
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#41 Re: Manchester

Beitrag von Pluto » Fr 26. Mai 2017, 10:59

Mez hat geschrieben:Wie erklärst du dir die steigenden Anschläge mit zunehmenden Flüchtlingszahlen?
Wenig Einfluss!
Ich führe die Anschläge eher au die Luftangriffe der anti-IS Allianz zurück.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

piscator
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#42 Re: Manchester

Beitrag von piscator » Fr 26. Mai 2017, 12:14

closs hat geschrieben:Aber wir sollten im Ausland wissen, dass uns der Ruf als arrogante Besserwisser schon ein bißchen vorauseilt. - Und so sind wir sehr geschätzt als gute Zahler, durchaus auch gemocht als im Grunde wohlwollende Menschen, aber auch bekannt als das Volk mit dem erhobenen Zeigefinger. - Um es mal brutal zu sagen: Wenn Dummheit irgendwo besonders selbstbewusst im Ausland auftritt, sind es meistens welche von uns.
Meine Erfahrungen sind da anders. Wenn ich in Frankreich, Italien oder Tschechien dahin gehe, wohin auch die Einheimischen gehen, wie zum Beispiel in eine Kneipe, wo auch Einheimische verkehren, werde ich zwar als Deutscher wahrgenommen, aber das auch schon alles. Den Vorwurf der Arroganz oder Besserwisserei gibt es, aber der bezieht sich meiner Erfahrung nach eher auf den den einzelnen Menschen und nicht auf die Herkunft.
Und da ist der Bogen zum Thema "Integration". - Wir sollten uns darüber klar werden, dass eine durchschnittliche türkische oder russische Familie genauso großzügig mit uns umgeht wie wir mit ihnen - bspw: "Das sind Deutsche, die haben nicht gelernt, was sich familiär gehört" - aber auch: "Das sind Deutsche, die sind wie wir - denen kannst Du vertrauen". - Ein sehr vielschichtiges Thema.
Das sehe ich nicht so. Ich weiß, früher habe ich eine andere Meinung vertreten, aber inzwischen habe ich meine Erfahrungen mit dem Generationswechsel bei meinen türkischen Mandanten gemacht.

Wenn sich eine türkische Familie nach Jahrzehnten in unserem Land noch nicht integriert hat, dann sollte sich diese Familie über gewisse Dinge "klar werden".

Wir haben ein Bildungswesen, das jedem zugänglich ist, eine Gewerbeordnung und Arbeitsgesetze, die nicht unterscheiden, wo jemand herkommt oder welchen Gott er anbetet und ein Sozialgefüge, das jedem Bedürftigen Transferleistungen bietet, egal welchen Pass er besitzt.

Wenn sich jemand trotz aller Angebote absolut nicht intergieren will, muss ich als Einheimischer kein schlechtes Gewissen haben und die Gründe bei mir suchen.
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closs
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#43 Re: Manchester

Beitrag von closs » Fr 26. Mai 2017, 12:33

piscator hat geschrieben:Den Vorwurf der Arroganz oder Besserwisserei gibt es, aber der bezieht sich meiner Erfahrung nach eher auf den den einzelnen Menschen und nicht auf die Herkunft.
Absolut richtig - deswegen haben wir ebenfalls keine Probleme, wenn wir unterwegs sind. - Aber wir erfahren gelegentlich, dass man erstmal nach den von mir genannten deutsch-typischen Kriterien abgeprüft wird.

piscator hat geschrieben: Ich weiß, früher habe ich eine andere Meinung vertreten, aber inzwischen habe ich meine Erfahrungen mit dem Generationswechsel bei meinen türkischen Mandanten gemacht.
"Generationswechsel" ist wahrscheinlich das richtige Stichwort. - Es scheint so, als seien unter den jüngeren Generationen mehr Exemplare, die ihre Kultur in ihrem Verständnis offensiver vertreten als man das von früher gewohnt ist.

Aber warum ist das so? Das ist doch die Frage. - Und dazu habe ich vorher von mir vermutete Gründe formuliert.

piscator hat geschrieben:Wenn sich jemand trotz aller Angebote absolut nicht intergieren will, muss ich als Einheimischer kein schlechtes Gewissen haben und die Gründe bei mir suchen.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen gelten natürlich für alle gleich - insofern sind es nicht nur Angebote, sondern auch Verpflichtungen. - Aber liegt DA das Problem? - Ich sehe es eher im "soften" Bereich der Werte.

piscator
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#44 Re: Manchester

Beitrag von piscator » Fr 26. Mai 2017, 14:31

Jetzt könnten natürlich lange Diskussionen darüber führen, was man unter türkischer oder deutscher Kultur zu verstehen hat. Kultur bedeutet unter anderem für mich, dass man für andere Denk- und Lebensweisen offen ist. Kultur ist Geschichte und die Lehren, die man aus der Geschichte ziehen kann. Unter Kultur verstehe ich, das man in einer Gesellschaft lebt, von dieser partizipiert, die Gesellschaft aber auch mit trägt.

Kann man von Kultur sprechen, wenn man mit Ach und Krach einen Hauptschulabschluss geschenkt bekommt, keinen Ausbildungsberuf macht, weil es einem "richtigen Mann" nicht zuzumuten ist, dass er einen Chef über sich hat, Kindergeld, Wohngeld, Mutterschaftsgeld und andere Transferleistungen kassiert, seiner Frau und Tochter ein Kopftuch aufzwingt, in der dritten Generation nur türkisches Fernsehen empfängt und kein Interesse daran hat, mit seinem deutschen, russischen oder bulgarischem Nachbarn mal ein (alkoholfreies) Bier zu trinken oder über Fußball zu reden?

Ein Beispiel: Ich war vergangenen Sonntag im Blühenden Barock in Ludwigsburg, das liegt 20 Kilometer von mir weg. In den Gärten und Anlagen sah man viele türkischen Familien mit Kindern, der Mann natürlich mit T-Shirt und legerer Hose, die Frauen meist mit Kaftan und Kopftuch. Jetzt könnte man natürlich davon ausgehen, dass diese Familien das kulturelle Angebot mit dem ganzen geschichtlichen Hintergrund genießen. Seltsamerweise sieht man dann bei der Schloss-Besichtigung keinen dieser Menschen. Am Geld kann es nicht liegen, so teuer ist der Eintritt nicht. An der Sprache liegt es mit Sicherheit auch nicht, denn unter den Besuchern sind viele Menschen aus dem ehemaligen Ostblock. Warum sieht man da keinen Türken? Für mich gibt es nur einen Schluss, das interessiert die türkischen Familien nicht. Sie leben zwar hier, genießen den Schutz der freien Religionsausübung, den gesetzlichen Schutz von Ehe und Familie, weigern sich aber, an unserem Leben und an unserer Geschichte teil zu nehmen.

Und da stellt sich bei mir automatisch die Frage: Was würde sich für diese Menschen ändern, wenn bei uns der IS regieren würde? Antwort: Gar nichts.
Und das macht mich betroffen und das macht mir manchmal sogar Angst.
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#45 Re: Manchester

Beitrag von closs » Fr 26. Mai 2017, 16:50

piscator hat geschrieben:Kann man von Kultur sprechen, wenn man mit Ach und Krach einen Hauptschulabschluss geschenkt bekommt, keinen Ausbildungsberuf macht, weil es einem "richtigen Mann" nicht zuzumuten ist, dass er einen Chef über sich hat, Kindergeld, Wohngeld, Mutterschaftsgeld und andere Transferleistungen kassiert, seiner Frau und Tochter ein Kopftuch aufzwingt, in der dritten Generation nur türkisches Fernsehen empfängt und kein Interesse daran hat, mit seinem deutschen, russischen oder bulgarischem Nachbarn mal ein (alkoholfreies) Bier zu trinken oder über Fußball zu reden?
Ist das typisch für Türken? - Und: Wie ist es con variazione bei russischen, bulgarischen und deutschen Nachbarn?

Da war vor einigen Wochen ein mords ZEIT-Artikel zu Duisburg-Marxlohe, in dem eindeutig steht, dass das, was Du sagst, dort für alle dort lebenden Ethnien (incl. Deutsche) gilt - also gegenseitige Abgrenzung. - Oder anders: Ich kann keinen Bildungs-Unterschied zwischen zwischen türkisch-, bulgarisch- oder deutsch-prekären Gruppen erkennen. - EINEN Unterschied gibt es dann doch: Bei östlichen/türkischen Ethnien gilt die Familie noch mehr und bietet mehr Schutz - wobei dies aus ganz anderen Gründen auch wieder ins Gegenteil schlagen kann.

piscator hat geschrieben:Und da stellt sich bei mir automatisch die Frage: Was würde sich für diese Menschen ändern, wenn bei uns der IS regieren würde? Antwort: Gar nichts.
Da ist prinzipiell was dran - solange man unbehelligt leben könnte, wäre das vielen egal.

Aber auch hier: Warte mal ab, bis bei uns die Konjunktur zurückgeht und obendrauf noch die demografische Keule zuschlägt. - Wie viel dann die Demokratie (= Wohlstands-Staatsform) noch gilt, wenn der (relative) Wohlstand weg ist, wird sich dann zeigen. - Oder anders: Es kann sein, dass man dann zu erheblichen Vermögensumschichtungen greifen muss, um Ruhe im Land zu halten.

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#46 Re: Manchester

Beitrag von Novas » Fr 26. Mai 2017, 22:24

closs hat geschrieben:
Mez hat geschrieben: frag mal einen Italiener, Franzosen, Thai, Chinesen,usw. wie er über Deutsche denkt?
Dieses Bild ist relativ einheitlich, aber nur dann rauszukriegen, wenn man lange genug mit "Ausländern" zu tun hat und man sich gegenseitig mag - besonders bei Briten, Franzosen, Chinesen und Russen meine ich, ein authentisches Bild zu haben, das in etwa wäre

Dazu sei gesagt, dass ich persönlich schon lange ein Befürworter für eine vertiefte freundschaftliche Beziehung zwischen Deutschland, Russland und der Türkei bin. Ich kenne Russen und Türken und das sind ausnahmslos herzensgute Menschen. Für mich sind Russland und die Türkei die verlängerten Arme Europas. Sie sind große, stolze und starke Nationen, die ich zum gegenseitigen Vorteil lieber zum Freund, als zum Feind haben möchte. Wären unsre Politiker vernunftbegabte Wesen, dann würden sie sich daran halten. Wie sagte nicht schon der große russische Dichter Alexander Sergejewitsch Puschkin:

Es lebe die Vernunft und die Finsternis möge zugrunde gehen

Würden sich die Mächtigen dieser Welt nur an diesen Ratschlag halten, dann würden sich die meisten Probleme wohl sehr schnell von selbst lösen :) die Amerikaner sagen übrigens ganz offen vor laufender Kamera, dass sie seit 100 Jahren diese Freundschaft verhindern wollen:




Ich zitiere aus dem Video:

Das Hauptinteresse der US-Außenpolitik während des letzten Jahrhunderts, im Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland, denn vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann.

~ George Friedman (US-amerikanischer Geostratege- und Sicherheitsexperte, Politologe und Publizist), "The Chigaco Council on Global Affairs"


:P die typischen Sorgen des Imperiums.

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#47 Re: Manchester

Beitrag von Pluto » Sa 27. Mai 2017, 00:16

closs hat geschrieben:
piscator hat geschrieben:Kann man von Kultur sprechen, wenn man mit Ach und Krach einen Hauptschulabschluss geschenkt bekommt, keinen Ausbildungsberuf macht, weil es einem "richtigen Mann" nicht zuzumuten ist, dass er einen Chef über sich hat, Kindergeld, Wohngeld, Mutterschaftsgeld und andere Transferleistungen kassiert, seiner Frau und Tochter ein Kopftuch aufzwingt, in der dritten Generation nur türkisches Fernsehen empfängt und kein Interesse daran hat, mit seinem deutschen, russischen oder bulgarischem Nachbarn mal ein (alkoholfreies) Bier zu trinken oder über Fußball zu reden?
Ist das typisch für Türken? - Und: Wie ist es con variazione bei russischen, bulgarischen und deutschen Nachbarn?
Das ist ein ähnlicher Kulturkreis. Wie ist es bei Indern, Chinesen oder Japaner?

closs hat geschrieben:Da war vor einigen Wochen ein mords ZEIT-Artikel zu Duisburg-Marxlohe, in dem eindeutig steht, dass das, was Du sagst, dort für alle dort lebenden Ethnien (incl. Deutsche) gilt - also gegenseitige Abgrenzung. - Oder anders: Ich kann keinen Bildungs-Unterschied zwischen zwischen türkisch-, bulgarisch- oder deutsch-prekären Gruppen erkennen. - EINEN Unterschied gibt es dann doch: Bei östlichen/türkischen Ethnien gilt die Familie noch mehr und bietet mehr Schutz - wobei dies aus ganz anderen Gründen auch wieder ins Gegenteil schlagen kann.
Genau. Alle diese Ethnien sind ähnlich.

closs hat geschrieben:Aber auch hier: Warte mal ab, bis bei uns die Konjunktur zurückgeht und obendrauf noch die demografische Keule zuschlägt. - Wie viel dann die Demokratie (= Wohlstands-Staatsform) noch gilt, wenn der (relative) Wohlstand weg ist, wird sich dann zeigen. - Oder anders: Es kann sein, dass man dann zu erheblichen Vermögensumschichtungen greifen muss, um Ruhe im Land zu halten.
Was werden könnte, ist reine Spekulation, und ist zurzeit nicht relevant.
Wenn man Afrikaner oder Syrier fragt, wo sie hin wollen, heißt es unisono, "Germany"!
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#48 Re: Manchester

Beitrag von Novas » Sa 27. Mai 2017, 00:40

piscator hat geschrieben:Kultur bedeutet unter anderem für mich, dass man für andere Denk- und Lebensweisen offen ist. Kultur ist Geschichte und die Lehren, die man aus der Geschichte ziehen kann. Unter Kultur verstehe ich, das man in einer Gesellschaft lebt, von dieser partizipiert, die Gesellschaft aber auch mit trägt

Gut gesagt :thumbup: allerdings gibt es ja sehr viele Russen und Türken, die unsre Gesellschaft mittragen. Wir werden uns wohl daran gewöhnen müssen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Das beinhaltet viele verschiedene Mentalitäten und Religionen. Gerade solche Anschläge zeigen uns, wie wichtig es ist, dass wir zusammen rücken und das Gemeinsame betonen.
Zuletzt geändert von Novas am Sa 27. Mai 2017, 00:47, insgesamt 3-mal geändert.

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#49 Re: Manchester

Beitrag von Magdalena61 » Sa 27. Mai 2017, 00:41

Ich bezweifele, dass sich der Attentäter Salman Abedi so viele Gedanken gemacht hat.

Zeit online schreibt:
Laut britischen Medien habe sich der libyschstämmige 22-Jährige dem Extremismus zugewandt, nachdem er im vergangenen Jahr gesehen habe, wie ein Freund von britischen Jugendlichen verfolgt und schließlich erstochen wurde. Wie aus dem Umfeld Abedis verlautete, löste die Tat Wut unter jungen Libyern in Manchester und insbesondere bei Salman Abedi aus.

Abedis Schwester Jomana sagte dem Wall Street Journal dagegen, ihr Bruder habe den Tod muslimischer Kinder in der Welt, etwa "durch amerikanische Bomben", rächen wollen.
Quelle
Wer's glaubt...

Meiner Meinung nach genießt ein Attentäter die Macht, die er in der Vorbereitung und Ausführung des Attentats über andere Menschen hat.

Dass englische Bomben auch auf Kinder und Jugendlich fallen ist allerdings Fakt. Und genauso traurig wie der Tod der englischen Kinder.

Andererseits: Der IS enthauptet auch Kinder. Massenweise. Die Kinder von Christen beispielsweise.
LG
God bless you all for what you all have done for me.

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#50 Re: Manchester

Beitrag von Magdalena61 » Sa 27. Mai 2017, 00:44

Hemul hat geschrieben:Traurig-ganz traurig. Ist halt die Zeit des Endes.
Das ist für die Angehörigen der Toten und Verletzten leider kein Trost. Hoffentlich finden sie wenigstens zu Gott. Anders kann man das Leben wohl nicht mehr aushalten, nachdem absichtliche und sinnlose Bosheit das Familiengefüge zerstört hat.
LG
God bless you all for what you all have done for me.

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