Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Nichtchristen sind willkommen, wir bitten aber darum, in diesem Forum keine Bibel- und Glaubenskritik zu üben.
2Lena
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#31 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von 2Lena » Do 7. Mai 2015, 18:33

@Rembremerding

Es wundert mich, dass ausgerechnet du die "Verkopfung" anprangerst und deine ganze Gedankenkonstruktion an ein paar Wissenspunkten aufhängst.

"Christus in dir" aus den Paulusbriefen.
Blaupause Jesus nehmen (bei all den verkehrten Ratschlägen im NT?)
Gnosis ist, was dir irgendwelche "Freimauer" erzählen.

Rembremberding hat geschrieben:Nun will die Gnosis, ist sie redlich, dieses erkennen allein zu einem Akt des menschlichen Verstands machen, mit allerlei Wissen, Lehren und Schemata, damit der Verstand auch tatsächlich beruhigt wird.
Du bist auf meine Einwände hier (Gnosis ist die normale Art Bibeltexte zu lesen) nicht eingegangen. Dafür rennst du weiter in die Richtung, das der Mensch keine Initiative übernehmen soll. Das mache alles Gott ...
Setz dich in eine Höhle ... In einem Monat kannst du weniger als ein Tier, das sich wenigstens noch selbst versorgt.

Rembremberding hat geschrieben:Die zusätzliche Erkenntnis lautet also: Hast Du erst erkannt, dass Du ein geliebtes Kind Gottes bist, dann brauchst Du keine weitere Erkenntnis, Gnosis mehr.

A) Trotz dieser "Erfahrung kennst du nicht die "Schöpfungsgeschichte", die Gesetze für alles Schaffen machte und darin auch die längst vergessene Erdgeschichte erzählt. Du hältst die immer noch für eine merkwürdige Dichtung, die von 6 Tagen der Entstehung der Erde erzählt, was physikalisch nicht passt, nach Vorstellungen der Naturwissenschaftlern. Mit denen bekommst du Konflikte und Schizophrenie im Denken durch die Theologie. Aber die Gnosis zur Herstellung einer Verständigung - die lehnst du ab!

B) Du stehst vor der Gemeinheit, dass Gott die Erde absaufen ließ. Widerspricht das nicht etwas deinen Ansichten. Es widerstrebt dir, die Gnosis zu lernen, mit der du Gott rechtfertigen kannst, weil du alle Gesetze der Frühzeit erkennen kannst - und zwar mit dem Verstand und durch Nachforschen in den Mythen. Die packst du ebensowenig an - man darf ja keine Initiative nehmen, nichts von "anderen "Göttern" wissen - und wenn das noch so anders geschrieben wurde, wie du es meinst, oder wie manchen denken: es seinen nur Märchen. Du führst einen sinnlosen Kampf gegen alle dir "gottlos" erscheinenden Religionen - ohne zu wissen, dass sie Teile der noachidischen Gebote übernommen haben. Diese haben sie ausgebaut, statt in Kinderbibelwochen Schiffe gemalt.

C) Du stehst fassungslos vor einem Gott, der Kinderopfer wünscht. Abraham aber willst du nicht in gnostischer Lesart hören, damit sein Ruf wieder hergestellt ist. Du willst dass die Leute weiterwursteln mit irgendwelchem "Gott hat dich erkannt", aber die einfachen Regeln nicht lernen, welche die Wunschregelung enthält. Nein, das ginge zu weit, dass es mehr Entwicklung geben könnte auf der Erde als je zuvor.

Bloß keinen Verstand einsetzen ... das hat die Bibel ausdrücklich verboten :-) :-) :-)
Natürlich, natürlich ...
Wieviel muss noch verdreht werden, dass es klar ist ...

P.S. denke an Matth. 24 ... kein Stein wird auf dem anderen bleiben ....
Für mich ist das eine Lehre zum schrittweisen Lernen
Für Dich vermutlich die Prophezeiung vom Ende.

So ganz geht es also nicht die Evangelien zu lesen, indem man nur glaubt.

Rembremberding hat geschrieben:Für die Gnostiker war das Wort vom Kreuz einfach eine Torheit. So einfach konnte es doch nicht sein vollkommen zu werden, indem man nur an einen elendig und in Schande Gekreuzigten glaubte, der von sich behauptete Sohn jenes Gottes zu sein, zu den Gnostiker ihre Seelen erheben wollten. Und vor allen: Jeder Mensch konnte dies im Glauben an Jesus Christus erreichen!

Ich würde "Torheit" schon mehrmals umdrehen und untersuchen ...
So einfach geht es eben nicht - das komplette AT mit dem ganzen Wissen - einfach nur dadurch "verinnerlichen" durch an Jesus Christus glauben. Das ist zwar ganz schön, aber mehr als Motivation geht nicht. Glaube (emuna) heißt "eingeweiht" (ausgebildet)! Und da gibt es ziemlich viel, was zu wissen wäre.

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Naqual
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#32 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von Naqual » Do 7. Mai 2015, 19:47

Rembremerding hat geschrieben:Du hast mit dem Demiurgen den Unterbau vor allen der frühen Mysterienschulen eingebracht. Dieses dualistische Weltbild sah eben in der Schöpfung des Demiurgen die materielle Welt, den Leib, als unvollkommen und verdammt.
Hi Rembremerding,

Man wirft den Gnostikern vor, "dualistisch" zu sein. Das wird dann gleichgesetzt mit einer gewissen Einfachheit, wenn nicht primitiver Gedankenwelt. - Nur: die christliche Welt ist ebenfalls dualistisch. Sie atmet es ein, wie der Ertrinkende die Luft, wenn der Kopf mal über Wasser ist. In der christlichen Mythenwelt steht Gott und Teufel gegenüber, gut und böse, Engel und Dämonen, Auserwählte und Verdammte. Teils mit einer plakativen Einprägsamkeit, die in in ihrer Einfachheit auch schlichte Gemüter in die Reihe der Fans einordnen lässt. Das muss nicht unbedingt schlecht sein, aber den Unterschied zu den Gnostikern vermag ich hier zumindest strukturell im Denken nicht zu sehen. Ich nehme an, dass das Prädikat "dual" im Kontext nichts taugt und ein wenig den Blick zu entscheidenderen Fragestellung verstellt.

Auch der Vorwurf der Leibfeindlichkeit betrifft ein Denken, das im Christentum zutiefst verankert ist. Maria musste Jungfrau sein. Warum wohl?
Nonnen und Mönche waren über Jahrhunderte die treibenden Kräfte der Kirche - und enthielten sich materieller Anfechtungen.
"Leibfreundlich" würde ich das bestehende Christentum jedenfalls nicht bezeichnen. Materie und Körper werden im wesentlichen als Gefahr und Gegner wahrgenommen auf dem zu gehenden Weg. Und mit nichts könnte man rudelweise Gläubige besser verschrecken als mit dem Ruf "Gott hat uns den Sex und den Spaß daran geschenkt!" :mrgreen:

Mit "Dualismus" Gnostiker und heutige Christenheit differenzieren zu wollen, endet dann meist in den Diskussionen so etwa wie Grenzstreitigkeiten zwischen Ländern in denen um ein paar Bäume hin oder her gefeilscht wird. Ist zumindest mein Eindruck.


Deshalb enthielt sich etwa die Elite der Katharer der Fortpflanzung.
Die Elite der Katharer waren die "Vollkommenen". Also keine politische Elite (wie Fürsten, die teilweise Gnostiker waren bzw. hierfür auch kämpften), sondern eher vergleichbar mit enthaltsam lebenden Mönchen. Der Stand eines Vollkommenen wurde durch ein Taufe-ähnliches Versprechen und Ritual vermittelt. Dieser Stand war freiwillig. Meist wurde er kurz vor dem Tod vollzogen (also dann, wenn es einem nichts mehr ausmachte, auf alles Mögliche zu verzichten für den Glauben) und es ging da um mehr Dinge als nur sexuelle Enthaltsamkeit.

Grunde gibt es auch eine jüdische Gnosis, eigentlich eine Unmöglichkeit.
Ja, das wäre so wie ein vegan lebendes Krokodil. Mann kann nicht JHW zum einzigen Gott erklären und ihn und seine Sphäre gleichzeitig überwinden wollen. Das Problem ist der Begriff Gnosis und seine Anwendung. Es ist eigentlich eine Fremdbezeichnung, die viele Jahrhunderte später auf bestimmte Richtungen im antiken Christentum angewandt wurde. Es gab damals keine Leute, die sich selbst als "Gnostiker" bezeichnet hätten.
Und in der Neuzeit kommt es sehr darauf an, wer was konkret darunter versteht. Also vorstellbar wäre "jüdische Gnosis" nur als eine gewisse Ähnlichkeit zu gnostischem Gedankengut, allerdings dann ohne Demiurge. Wenn das dann einer Gnosis nennt, nun gut. Ich würde es nicht machen.

Zu allen Zeiten steckt im Wesen der Gnosis aber die Gefahr einer Erlösung nur für wenige, eine Klassengesellschaft, die sich auch in den Einweihungsgraden vieler Mysterienschulen und gnostische Logen ausdrückt.
Wo ist der strukturelle und prägnante Unterschied zum Christentum, das von den Mysterien des Abendmahls redet und davon, dass wenige den schmalen Weg in den Himmel, aber viele den in die Verdammnis finden werden? Und ein "heilsrelevantes Geheimwissen" haben die Gnostiker m.E. nicht gekannt.
"Mysterium" ist nicht göttliche Verschlüsselung sondern menschliche Begriffsstutzigkeit, die es zu überwinden gilt. (Das sehen Gnostiker und heutige Christen ideologisch gar nicht verschieden)
Und wer das mal durchgemacht hat in einem Erkenntnisprozess, kann diesen dann natürlich weitergeben. Das würde ich insoweit gar nicht beanstanden.

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#33 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von closs » Do 7. Mai 2015, 20:52

Naqual hat geschrieben:die christliche Welt ist ebenfalls dualistisch.
Das Wort "Dualismus" ist aus meiner Sicht nur dann angesagt, wenn zwei Kräfte derselben Dimension gegenüberstehen - das ist im Christentum nicht der Fall.

Naqual hat geschrieben:Auch der Vorwurf der Leibfeindlichkeit betrifft ein Denken, das im Christentum zutiefst verankert ist.
Das ist ein besonders gutes Beispiel für die Brillanz der Täuschung. - Du hast recht: Das Motiv "Geist über Materie" ist sowohl im Christentum als auch in der Gnosis vorhanden - entscheidend wäre, ob das Materielle an sich "böse" ist oder nicht. - Wie man den Beiträgen hier entnehmen kann, ist dies in der Gnosis der Fall. - Denkst Du, dass es im Christentum ebenfalls der Fall ist?

Naqual hat geschrieben:Wo ist der strukturelle und prägnante Unterschied zum Christentum, das von den Mysterien des Abendmahls redet und davon, dass wenige den schmalen Weg in den Himmel, aber viele den in die Verdammnis finden werden?
In der Tat gibt es aus meiner Sicht hier ein Selbst-Verständnis-Defizit des Christentums.

Naqual hat geschrieben:"Mysterium" ist nicht göttliche Verschlüsselung sondern menschliche Begriffsstutzigkeit, die es zu überwinden gilt.
Das klingt eher nach "aufgeklärter" Hybris.

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#34 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von Naqual » Do 7. Mai 2015, 21:09

Rembremerding hat geschrieben: In den Nag Hammadi Papyri findet man nicht umsonst viel gnostisches Gedankengut, einiges ist es aber nicht. Mit dem Gott der Liebe, welche die Christen nun verkündeten und vor allen vorlebten, den Wundern, die geschahen, sahen sich die Gnostiker mit einer Lebenspraxis konfrontiert, die ohne großen Lehrunterbau genau das umsetzte, was sie mittels umfänglichen Lehren und bewusstes Arbeiten an ihrer Seele und Geist anstrebten. Ein Hl. Geist oder eine Kraft Gottes, die sie stärkte, ja ein Gott, der bei ihnen sein wollte, kannten sie nicht.
Die Gnostiker kannten einen Heiligen Geist / Kraft Gottes. Unter anderem nannten sie es den "göttlichen Funken", der im Menschen selbst erkannt werden muss. Also ein essentieller Punkt in der gnostischen Denke.
Zum anderen war das Johannes-Evangelium eine SEHR geliebte Schrift der Gnostiker, Paulus war dann sogar ihr Lieblingsautor. Schon vor dem "proto-orthodoxen" Flügel (der Vorläufer der späteren katholischen Kirche) stellte eine gnostische Gruppierung im weiteren Sinne (man kann darüber streiten, ob sie Gnostiker im engeren Sinne waren) einen neutestamentlichen Kanon auf. Naturgemäß das "jüdische" Matthäus-Evangelium in einer gekürzten Version (um Widersprüche zu heilen, die sonst entstanden wären), aber bis auf eine Schrift auch alle des Paulus (!). Bis auf eine Paulus-Schrift, und gehen auch die heutigen Theologen davon aus, dass diese eben nicht von Paulus ist (meine mich richtig zu erinnern, dass es sich um 2. Timotheus handeln müsste). Und Matthäus, Johannes wie Paulus redeten sehr viel vom Heiligen Geist.
Für die Gnostiker war das Wort vom Kreuz einfach eine Torheit.
Auch hier handelt es sich um ein Paulus-Zitat, das auch in der gnostischen Welt im allgemeinen anerkannt worden war als inspiriert.
Die eigentliche Frage ist also nicht einfach etwas Spekulatives wie die Ablehnung des Wortes Gottes, sondern schlicht des Verständnisses vom Kreuz.
Und da kann man durchaus streiten. Die heutige Grundlage des Kreuzesverständnisses wurde auch erst 1000 Jahre nach dem Kreuz formuliert (Bischof von Anselm) und wird in der damaligen Form auch heute nicht mehr gelehrt (ein monierter Bestandteil dieses Verständnisses war, dass Gott dem Teufel ein Lösegeld zahlen musste, das führt zu zahllosen sehr unguten Implikationen im theologischen Denken....).


Um nun diese einfache christliche Lehre zu verkomplizieren, schufen Gnostiker nun zahlreiche Nebenschriften. Vieles diente nur dazu die tatsächliche frohe Botschaft zu vernebeln, zu verunsichern, eine Methode, die man heute Desinformation nennt.
Die Kritik trifft genauso die Kirche. In zahllosen Lehrbullen des Vatikans wird es so recht kompliziert..... und Luthers, Calvins, usw. Und nun?
Die Situation damals im frühesten Christentum war die: es gab kein Neues Testament, sondern tausende (!) von Schriften, von denen im 4. Jahrhundert schließlich bekanntermaßen ein Kanon gebildet wurde. Der Kanon war eigentlich eine sinnvolle Vereinfachung. Ich würde jetzt aber nicht hergehen und die Autoren vorher als Verkomplizierer und Desinformierer hinstellen.

Kurz verweisen möchte ich auf einen Umstand, auf den auch Lena2 in anderen Worten hinwies:
der Gläubige muss schon aktiv an sich arbeiten. Und nicht nur einfach sagen "Gott veränder mich mal" bzw. durch bloßen Glauben (intellektuelles Nachvollziehen von Dogmen) wäre man schon selig.
Und die Reichhaltigkeit der Erfahrungen kann da auch zu ganz unterschiedlichen Beschreibungen und Ausführungen führen.

Ich persönlich denke, dass man nichts und niemanden vergöttern sollte. Alle waren irgendwo auch fehlbar. (für mich auch die sog. "Apostel") Viele hatten aber auch extrem gute Hinweise, die man beachten kann. (Alternative die ich für unrealistisch halte: jemand hat ständig und dauernd den Heiligen Geist und wird plötzlich dogmatisch unfehlbar. / Also nicht ein entweder-oder, sondern realistisch ist ein "mehr oder weniger".

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#35 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von Naqual » Fr 8. Mai 2015, 07:23

Hi Kurt,
closs hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:die christliche Welt ist ebenfalls dualistisch.
Das Wort "Dualismus" ist aus meiner Sicht nur dann angesagt, wenn zwei Kräfte derselben Dimension gegenüberstehen - das ist im Christentum nicht der Fall.
Elaboriere! :mrgreen:
Sonst verstehe ich nix.

Naqual hat geschrieben:Auch der Vorwurf der Leibfeindlichkeit betrifft ein Denken, das im Christentum zutiefst verankert ist.
Das ist ein besonders gutes Beispiel für die Brillanz der Täuschung. - Du hast recht: Das Motiv "Geist über Materie" ist sowohl im Christentum als auch in der Gnosis vorhanden - entscheidend wäre, ob das Materielle an sich "böse" ist oder nicht. - Wie man den Beiträgen hier entnehmen kann, ist dies in der Gnosis der Fall. - Denkst Du, dass es im Christentum ebenfalls der Fall ist?
Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es in der antiken Gnosis der Fall ist. Eindeutig standen die Gnostiker dem Materiellen kritisch gegenüber. Das darf man aber nicht (wie besonders kirchliche Gnosis-Kritiker mutmaßen) mit einer grundsätzlichen Ablehnung des Materiellen gleichsetzen. Letzteres wäre zumindest aus meiner Sicht eine etwas einfältige Haltung. Schließlich ist wesentlich: in welchem Geist (zu welchem Nutzen) wird Materie verwendet. Und das kann gut wie böse sein. Nur im Materiellen erfahrbar entscheidet sich hier sogar der Unterschied. Und die gnostischen Philosophen waren viel, aber nicht doof. Im Gegenteil. Nicht zuletzt deswegen dauerten die Scharmützel mit ihnen über ein Jahrtausend (!).
Auch der Demiurge als Weltschaffer war nicht einfach nur böse wie der christliche Teufel. Er war so eine Art Zwitter (was ihn in gewisser HInsicht böse machte). In seiner Überheblichkeit und Unvollkommenheit hatte er nicht einfach nur böse Absichten, sondern er machte Murks, Unvollkommenes, Fehlerbehaftetes. Gut und böse mischt sich hier bis zur Unkenntlichkeit.
Mich würde da mal ein Quellenzitat interessieren aus alten gnostischen Schriften, die die umfassende grundsätzliche Ablehnung des Materiellen bei den Gnostikern belegt. Schon deswegen, weil viele kirchliche Gnosis-Kritiker ihre Interpretationen vorschieben und nicht das Original. Das ist ein ganz auffälliger Zug in der Jahrhundertealten Diskussion. Die meisten heute bekannten gnostischen Schriften wurden erst in den letzten 150 Jahren entdeckt. Vorher kannte man im großen und ganzen und mit wenigen Ausnahmen nur die Kritiken von Kirchenleuten, die die Schriften im großen Stil aber hatten vernichten lassen, damit von diesen keiner verführt werde.

Denke nicht, dass eine grundsätzliche Bösartigkeit des Materiellen im Christentum gesehen wird. Sonst wäre das ganze Denksystem in sich nicht mehr schlüssig. Sehr wohl aber, dass eine übertriebene Feindlichkeit gegenüber dem Materiellen bei seinen Gläubigen weit verbreitet ist.
Gott schuf die Welt und damit das Materielle. Dann kann man nicht schlüssig vertreten, dass von Gott Geschaffenes grundsätzlich böse ist.
Eher eine Art "Herausforderung" zur Verherrlichung Gottes (dieser Aspekt kommt besonders im jüdischen Denken deutlich zutage). Also ein Handlungspotential für den Gläubigen, das im materiellen Raum realisiert werden muss. Aber gerade die Gefährlichkeit des Materiellen lässt es nicht einfach gut erscheinen andererseits.

Naqual hat geschrieben:"Mysterium" ist nicht göttliche Verschlüsselung sondern menschliche Begriffsstutzigkeit, die es zu überwinden gilt.
Das klingt eher nach "aufgeklärter" Hybris.
Mag sein, es ist nur so, dass den antiken Gnostikern "Geheimnis-Tuerei" vorgeworfen wurde. Einen Vorwurf, den die m.E. gar nicht recht nachvollziehen konnten. Eben weil dem Menschen die Augen geöffnet werden mussten. Dafür war Gnosis ja da. Also genau das Gegenteil.

In diesem Zusammhang mit der angeblichen Geheimnis-Krämerei der Gnostiker (eigentlich schon von daher ein Unding, weil die ihre Mythen und Denksysteme in tausenden von Schriften "veröffentlicht" hatten) ist der Vorwurf elitären Eigenbrötlertums.
Remberding hatte ja hierzu ausgeführt, dass die "Pneumatiker" und ähnliches kannten. Also eine Dreierteilung von menschlichen Seelen, die in die Kategorien fallen: grundsätzlich nicht zu erretten, potentiell errettbar, bereits errettet. Nur: diese Einteilung lässt sich auf Paulus zurückführen. Verwiesen sei hier nur auf den Calvinusmus mit seiner Prädestinationslehre. Die ist nichts anderes, wird aber nicht mit der Abscheu behandelt vom Christentum, wie man es gegenüber den Gnostikern tut.

Rembremerding
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#36 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von Rembremerding » Fr 8. Mai 2015, 07:50

Es ist wichtig, dass man die Motive der Gnosis von denen des Christentums trennt. Die Gnosis hat schon im Frühchristentum Äpfel mit Birnen verglichen und vieles gleichgestellt, denn es ist ja alles Obst. Dies war Teil der gnostischen Desinformationsstrategie. Hier ein paar Beispiele:

So zielte etwa die Ehelosigkeit der Gnostiker und später die der Perfecti bei den Katharern darauf ab, dem Demiurgen keine neue verachtete Materie (Kinder) zu geben, es war also die Abneigung gegenüber der Materie.
Die Ehelosigkeit im Christentum diente hingegen allein der Ehre Gottes und wurde aus Liebe zu Gott angenommen. Das außen sichtbare Ergebnis war dasselbe, das Motiv ein völlig anderes.

Bei den Gnostikern wurde die Seele als Funke, als Emanation Gottes, als göttlicher Funke betrachtet, sie war also wie Gott, dies musste aber vom Menschen erst erkannt werden. Hier ist also kein Spielraum Ähnlichkeiten mit dem Hl. Geist einzuflechten.
Im Christentum ist die Seele eine Schöpfung Gottes. Dies muss nicht erst vom Menschen erkannt werden, denn Gott weiß davon, weshalb er jede Seele liebt. Der Hl. Geist ist eine Person Gottes, die als Hilfe und Tröster in dieser Seele lebt, Gott reicht die Hand.

In der Gnosis liegt es in der Verantwortung des Menschen, ob er in seinem Leben bereits soviel Erkenntnis erlangte, um in Gott vollständig eintauchen zu können. Viele werden dabei durchfallen und können eine weitere Chance nutzen.
Im Christentum werden auch einige scheitern, aber es braucht keine weitere Chance, denn sie haben Jesus Christus und den Hl. Geist, also Gott im Leben. Jesus ist der Weg, er leitet seine Seelen, er ist bei ihnen, in ihren Seelen und in der Eucharistie. Gott reicht wiederum die Hand.

Man sieht, wie äußere Ähnlichkeiten mit dem Christentum in der Gnosis gerne auch als innere Gleichheit angeboten wird.
Gott führt bei den Seinen aber alles zum Guten und so war die Gnosis im Frühchristentum auch ein Glücksfall. Durch sie entstand erst die Notwendigkeit einen Kanon an Schriften zu regeln, der dann das NT bildete. Man sieht darin das Wirken des Hl. Geists, denn es wurden die richtigen Schriften gewählt, wie man an der Schlüssigkeit innerhalb des NT und den Entsprechungen mit dem AT erkennt.
Zuletzt noch das Vorwort der Schrift "Gegen die Häresien (Contra Haereses)" des Irenäus von Lyon, das er bereits um 180 veröffentlichte. Es zeigt auf, welche Motive die Gnosis hinsichtlich des Christentums hegte:

Es gibt Leute, welche die Wahrheit aus dem Hause schicken, die Lüge aber hereinrufen und endlose Stammtafeln erdenken, die mehr Klügeleien fördern, wie der Apostel sagt, als göttliche Erbauung im Glauben. Durch Scheingründe, die sie geschickt zusammenstellen, verführen sie die Halbgebildeten und nehmen sie gefangen, indem sie des Herrn Worte fälschen und schlechte Deuter seiner guten Reden werden. So bringen sie viele auf Irrwege und unter dem Deckmantel der Wissenschaft, Gnosis genannt, als ob sie etwas Höheres und Größeres zu zeigen hätten als den, der Himmel und Erde gemacht hat und alles, was darin ist, lenken sie viele ab von dem Urheber der Ordnung und Schönheit des Weltalls. Wie Ratgeber leiten sie durch kunstvolle Worte die Harmlosen auf den Weg des Suchens und stürzen sie ratlos ins Verderben, bis diese zur Gottlosigkeit und Lästerung gegen den Welterbauer gelangt sind und die Lüge von der Wahrheit nicht mehr zu unterscheiden vermögen. Die Lüge zeigt sich nämlich nicht als solche und läßt sich nicht in ihrer Nacktheit erblicken; geschickt versteht sie es, sich in ein ehrbar Gewand zu kleiden, um nach außen für die urteilslose Menge wahrer zu erscheinen als die Wahrheit selber. So spottet ja auch, wie ein Würdigerer als wir mit Bezug auf solche Menschen gesagt hat, des wertvollen und vielgeschätzten Smaragdes eine künstliche Imitation aus Glas, so lange niemand da ist, der das Ding untersuchen und die schlaue Nachahmung nachweisen kann. Kupfer in Silber getan, wer kann das ohne weiters erkennen, wenn er arglos ist!

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#37 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von closs » Fr 8. Mai 2015, 09:12

Naqual hat geschrieben:Sonst verstehe ich nix.
Echt nicht? Dann war es wahrscheinlich wieder mal zu allgemein gesagt - also Beispiele:

Wenn in "Star Wars" eine dunkle und eine helle Seite gegeneinander kämpfen und der Ausgang offen ist, weil beide Mächte auf gleicher Macht-Ebene stehen, ist das (echter) Dualismus - dementsprechend könnte beide Seiten gewinnen, der Ausgang ist offen. - Wenn es da eine geistige Welt und dort eine materielle Welt gibt und beide Welten stehen auf gleicher Ebene, ist es ebenso (echter) Dualismus.

Insofern ist das Christentum eben KEINE dualistische Veranstaltung, weil der Satan keine ebenbürdige Gegenkraft zu Gott ist, sondern dessen Schöpfung/Werkzeug. - Wie auch im Christlichen das Verhältnis von Geist und Materie nicht auf ebenbürdiger Ebene stattfindet, sondern Materie Ableitung von Geist ist. - Um es platt zu sagen: Wenn Wasser gefriert, ist das kein "Dualismus des Wassers" zwischen flüssig und vereist, sondern Eis ist ein spezifischer Zustand desselben, nämlich H2O. - So war es gemeint.

Naqual hat geschrieben:Gut und böse mischt sich hier bis zur Unkenntlichkeit.
Das wiederum passt zur gefallenen Existenz des Menschen. - Aber die Mischung aus gut und böse scheint anders begründet zu sein.

Naqual hat geschrieben:Denke nicht, dass eine grundsätzliche Bösartigkeit des Materiellen im Christentum gesehen wird. Sonst wäre das ganze Denksystem in sich nicht mehr schlüssig.
Seit wann spielt Schlüssigkeit eine Rolle, wenn man etwas beurteilt? :devil: :lol:

Naqual hat geschrieben:Einen Vorwurf, den die m.E. gar nicht recht nachvollziehen konnten.
Das habe ich anders gemeint: Den Christen wird das Mysterium-Gerede als Geheimnis-Tuerei unterstellt - dagegen ist die Gnosis ja geradezu aufgeklärt. - Jetzt der Punkt: An den Erfoilg dieser Aufklärung zu glauben, halte ich für Hybris.

Naqual hat geschrieben:Also eine Dreierteilung von menschlichen Seelen, die in die Kategorien fallen: grundsätzlich nicht zu erretten, potentiell errettbar, bereits errettet.
Persönlich halte ich das für satanisch, weil es nicht dem Erkennen des Menschen gegeben ist, darüber zu befinden.

Gnosis ist aus meiner Sicht hochinteressant, weil sie in manchen Aspekten die Aufklärung und deren Defekte vorweg-nimmt.

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#38 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von Rembremerding » Fr 8. Mai 2015, 10:20

closs hat geschrieben:
Gnosis ist aus meiner Sicht hochinteressant, weil sie in manchen Aspekten die Aufklärung und deren Defekte vorweg-nimmt.

:thumbup:
Hochinteressant ist sie in der Tat und sie entspricht sehr dem menschlichen Bedürfnis nach Wissen, Fortschritt. Und nochmals: Es mag ein Weg sein hin zur Gotteserkenntnis, aber ersetzen kann sie diese nicht.
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#39 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von 2Lena » Fr 8. Mai 2015, 11:33

Eure "Ängste" bezüglich der Gnosis habe ich längst hinter mir gelassen!
Die Arbeit des Erschließens der Bibel nannte ich *Auslegung. Das war für mich eine einfache "deutsche" Erklärung, weil man die Doppelbedeutungen vieler Begriffe "auseinanderfalten" muss um dann oft zu einer vielfachen Lage von Textinformationen zu kommen.

Als ich nach Bestätigungen dieser Leseweise suchte (nach dauernden Angriffen: wie "Lenas eigenwillige Eisegese" :-( ...) So musste ich mich mit rabbinischen Schriften zu dem Thema beschäftigen und auch mit den frühen christlichen. Weil ich bereits mit etwas Übung ausgestattet war, diese Textformen *lesen konnte, musste ich erkennen, dass sie das gleiche taten und ein "analoges" Ergebnis bekamen wie ich. Nur war deren Ausdruckweise, ausgehend von den früher anders lautenden "eindeutigen" Begriffen, oft in anderer Form.

Die vermeintlich eindeutigen Begriffe wurden weitergesagt, aber das Schema wurde nicht mitgeteilt, mit dem Erschließen. So lärmten bald einmal die Gruppen aufeinander ein. Die einen "erklärten" polemisierend und dann kam von den "nüchternen" der Aufschrei, weil das als "eins" angesehen wurde und nicht mit mehr Lagen bedacht.
Theaterstücke sind nichts - gegen die abgelaufenen Dramen.

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#40 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von 2Lena » Fr 8. Mai 2015, 11:41

Ich bringe erneut das schon von Rembremberding gezeigte Vorwort der Schrift "Gegen die Häresien (Contra Haereses)" des Irenäus von Lyon, das er bereits um 180 veröffentlichte. Es zeigt auf, welche Motive die Gnosis hinsichtlich des Christentums hegte .... und dreht das mal bitte um (eure Sicht gegen die frühere)

Es gibt Leute, welche die Wahrheit aus dem Hause schicken, die Lüge aber hereinrufen und endlose Stammtafeln erdenken, die mehr Klügeleien fördern, wie der Apostel sagt, als göttliche Erbauung im Glauben. Durch Scheingründe, die sie geschickt zusammenstellen, verführen sie die Halbgebildeten und nehmen sie gefangen, indem sie des Herrn Worte fälschen und schlechte Deuter seiner guten Reden werden. So bringen sie viele auf Irrwege und unter dem Deckmantel der Wissenschaft, Gnosis genannt, als ob sie etwas Höheres und Größeres zu zeigen hätten als den, der Himmel und Erde gemacht hat und alles, was darin ist, lenken sie viele ab von dem Urheber der Ordnung und Schönheit des Weltalls.
Wie fällt denn eure Beurteilung aus, weil ihr die "Stammtafeln" nicht entschlüsseln könnt?
Alles gefälscht ... wo bleiben die Menschen vor 6000 Jahren, die Neandertaler ...
Wo passen die ganzen Völker des Orients, Sibieriens, Chinas, Europas hin.
Nicht mal ein ordentliches Geschlechtsregister ist das ... wo fast alle Frauen fehlen ...
Das Alter passt nicht. Jesus Geschlechtsregister geht über Josef, der nicht sein Vater war. Nicht mal der Großvater stimmt.

Was Ireneäus beschreibt, ist der klägliche Versuch, den ein paar Leute nahmen (die noch von der Mehrdeutigkeit wussten) aber polemische Formen und Halbheiten ausgruben. Die Geschlechtsregister sind u.a. Aufzählungen von Büchern u.v.m. Es zählt zu einem der kompliziertesten Werke, erfordert Kenntnisse des ganzen AT. Da kommt man nicht so ganz einfach zu dem Beweis der "Wahrheit" hin. Das ist eine schwere Arbeit, besonders da, wo oft nur die negativen Aspekte der historischen Gegebenheit da sind, und es dann irgendwelche Goldkörnchen im Heuhaufen zu finden gilt.

Wie ganz anders schreibt Ireneus, wenn man WEISS um was es bei den Geschlechtsregistern geht, als wenn man den Eindruck per "Ausbildung" geliefert bekommt "Gnosis" sei etwas furchtbar falsches ... ;-(

Das ist typisch falsch gelesene Information, die in Hunderten von Fällen in der frühchristlichen Literatur zu finden ist. Statt Bestätigung der nötigen Aufklärung, erfolgte die laufende Verurteilung, je weiter das Unwissen kam.

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