Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

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Naqual
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#41 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von Naqual » Sa 9. Mai 2015, 08:12

closs hat geschrieben: Wenn in "Star Wars" eine dunkle und eine helle Seite gegeneinander kämpfen und der Ausgang offen ist, weil beide Mächte auf gleicher Macht-Ebene stehen, ist das (echter) Dualismus - dementsprechend könnte beide Seiten gewinnen, der Ausgang ist offen. - Wenn es da eine geistige Welt und dort eine materielle Welt gibt und beide Welten stehen auf gleicher Ebene, ist es ebenso (echter) Dualismus.
Insofern ist das Christentum eben KEINE dualistische Veranstaltung, weil der Satan keine ebenbürdige Gegenkraft zu Gott ist, sondern dessen Schöpfung/Werkzeug.
Würde fast meine Hand dafür ins Feuer halten, dass nur 1 Promille im Christentum dies überhaupt erkannt hat. Und selbst in Deiner Formulierung schwingt noch ein dualistisches Restelement mit hinein. Das Wort "ebenbürdig" ist zuviel. Satan ist überhaupt keine Gegenkraft, sondern geschaffenes Instrument Gottes. Ein echter Monotheismus (da gibst Du mir sicher recht) besteht nicht darin, dass man unter göttlichen Gestalten den Stärksten als "Gott" tituliert, sondern er besteht darin, dass ALLES aus Gott abgeleitet werden kann. In der jüdischen Ausgangsreligion des Christentums kommt dies noch deutlich zum tragen. Der Teufel geht im Himmel ein und aus bei Hiob, und "Gott gibt Gutes wie Böses".
Im Christentum ist dieses Denken weitestgehend verloren gegangen, provoziert sogar extrem.
Aggressiv gesagt, im Christentum wurde der jüdische Monotheismus reduziert, wenn auch nicht gänzlich konterkariert.

Seit wann spielt Schlüssigkeit eine Rolle, wenn man etwas beurteilt? :devil: :lol:
:mrgreen:


Naqual hat geschrieben:Also eine Dreierteilung von menschlichen Seelen, die in die Kategorien fallen: grundsätzlich nicht zu erretten, potentiell errettbar, bereits errettet.
Persönlich halte ich das für satanisch, weil es nicht dem Erkennen des Menschen gegeben ist, darüber zu befinden.
Die offiziellen Verlautbarungen konstatieren die Dreierteilung und ergänzen dann, dass ja damit kein Erkennen des Menschen gegeben ist (es wird im Einzelfall nicht bewertet), aber grundsätzlich stimme dies so und sei von Gott so gegeben.

Gnosis ist aus meiner Sicht hochinteressant, weil sie in manchen Aspekten die Aufklärung und deren Defekte vorweg-nimmt.
Hier muss ich wieder nachfragen. ;)
Wobei ich das Gefühl habe, dass Gnosis posthum immer als rationalfixiertes System gesehen wird aus moderner Sicht. Aber dies den Gnostikern nicht gerecht wird.

2Lena
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#42 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von 2Lena » Sa 9. Mai 2015, 10:00

Naqual hat geschrieben:...Aber dies den Gnostikern nicht gerecht wird.
Man kann sie erst von der *Auslegung her verstehen (und einiger Literatur aus "Zwischenwelten").

closs
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#43 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von closs » Sa 9. Mai 2015, 10:03

Naqual hat geschrieben: Ein echter Monotheismus (da gibst Du mir sicher recht) besteht nicht darin, dass man unter göttlichen Gestalten den Stärksten als "Gott" tituliert, sondern er besteht darin, dass ALLES aus Gott abgeleitet werden kann.
Genau so.

Naqual hat geschrieben:Aggressiv gesagt, im Christentum wurde der jüdische Monotheismus reduziert
Durch Sachen wie "Trinitarismus", etc. kann ein solcher Eindruck entstehen - trotzdem würden sich Katholizismus, Protestantismus und Orthodoxie als streng momotheistisch bezeichnen.

Naqual hat geschrieben:Die offiziellen Verlautbarungen konstatieren die Dreierteilung
Jegliche analytische Aussage zu Gott ist Menschenwerk und sagt oft mehr über den Menschen als über Gott - offizielle Verlautbarungen sind ernstzunehmende Ansätze, aber nicht mehr.

Naqual hat geschrieben:Wobei ich das Gefühl habe, dass Gnosis posthum immer als rationalfixiertes System gesehen wird aus moderner Sicht. Aber dies den Gnostikern nicht gerecht wird.
Letzteres kann gut der Fall sein - geht mir genauso. - Man rezipiert Standard-Meinungen über etwas (hier Gnosis), weil man nicht alles primär selber kennt, und zieht dann daraus seine Schlussfolgerungen.

Nach dem, was man über Gnosis hört, ist es tendenziell eine Selbst-Erlösungs-Veranstaltung - wenn dies zutrifft, gibt es Parallelen zum heutigen Verständnis von "Aufklärung".

Rembremerding
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#44 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von Rembremerding » Sa 9. Mai 2015, 10:08

closs hat geschrieben:
Nach dem, was man über Gnosis hört, ist es tendenziell eine Selbst-Erlösungs-Veranstaltung -
Sie muss es sein - schon allein aus ihrer inneren Logik heraus, die auch in der Gnosis immens wichtig ist. Alles andere ist eine Vermischung mit christlichem Gedankengut, denn auch die Gnosis ist nicht frei von Beeinflussung und Weiterentwicklung.
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closs
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#45 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von closs » Sa 9. Mai 2015, 10:40

Rembremerding hat geschrieben:Sie muss es sein - schon allein aus ihrer inneren Logik heraus
Das könnte zu der ganz anderen Frage führen, ob die Denominationen, die Jesus NICHT als Mensch UND Gott verstehen, gnostisch beeinflusst sind. - Denn wäre Jesus nur Mensch, handelte sich ebenfalls um Selbsterlösung. - Aber das wird jetzt o.t.

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Naqual
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#46 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von Naqual » Sa 9. Mai 2015, 17:12

closs hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:Aggressiv gesagt, im Christentum wurde der jüdische Monotheismus reduziert
Durch Sachen wie "Trinitarismus", etc. kann ein solcher Eindruck entstehen - trotzdem würden sich Katholizismus, Protestantismus und Orthodoxie als streng momotheistisch bezeichnen.
Pure Deklarationen sind bekanntlich das eine. Ob die christlichen Konfessionen tatsächlich "streng monotheistisch" sind ist das andere. Als Mitteleuropäer habe ich genug Gläubige aus diesem Lager um mich herum (insbesondere, wenn man wie ich im ländlichen Bayern wohnt) um den Eindruck zu bekommen, die normalen Gläubigen (Theologen also ausgenommen) sind deklaratorisch monotheistisch aber nicht streng-substantiell.
Das liegt daran, dass Gott für sie lediglich der Stärkste im Reigen himmlischer und göttlicher Wesen ist (Teufel, Engel, Dämonen, etc.) . Und nur den Stärksten nennt man dann eben Gott.
Strenger Monotheismus (also "eigentlicher Monotheismus") wäre für mich: der Glaube an einen Gott, wobei dieser Ursache und Lenkung für (fast) alles ist. In dieser Form sehe ich es - auch bei den normalen Gläubigen - nur im Judentum.
Wie wenig streng-monotheistisch aber auch damals hochrangige kirchliche Theologen sein können, demonstriert recht gut die Satisfaktionslehre von Bischof Anselm (auf die heute noch aufgebaut wird). Dieser gute Bischof sah das Kreuz als Lösegeld, das Gott dem Teufel zahlen MUSSTE. Hier hat man den Monotheismus verlassen. Gott wird hier zum geschickten Gewinner in der Schar verschiedener Götter.

Nach dem, was man über Gnosis hört, ist es tendenziell eine Selbst-Erlösungs-Veranstaltung - wenn dies zutrifft, gibt es Parallelen zum heutigen Verständnis von "Aufklärung".
Ich vermute, ein antiker Gnostiker wäre zutiefst überrascht gewesen über den "Progaganda-artig wiederholten" Vorwurf der Selbsterlösung.
Der Gnostiker legt bereits in den grundlegenden Mythen zur Weltentstehung durch den Demiurgen klar, dass kein Mensch sich aus sich selbst heraus erlösen kann. Genau deswegen hat ja der "Einzig-Wahre" (der absolut-Vollkommene, weit oberhalb des Demiurgen) den göttlichen Funken in den Menschen implantiert. Der Demiurge kriegte das erst später mit und kämpft seither dagegen. Also "Erlösung" geschieht aus einem den Menschen verändernden Erkenntnisprozess, angeregt und geleitet, durch den göttlichen Funken (Gott wirkend im Menschen).
Das ist für mich substantiell das Gleiche wie im Christentum. Nur völlig anders formuliert.

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Naqual
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#47 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von Naqual » Sa 9. Mai 2015, 17:24

closs hat geschrieben:
Rembremerding hat geschrieben:Sie muss es sein - schon allein aus ihrer inneren Logik heraus
Das könnte zu der ganz anderen Frage führen, ob die Denominationen, die Jesus NICHT als Mensch UND Gott verstehen, gnostisch beeinflusst sind. - Denn wäre Jesus nur Mensch, handelte sich ebenfalls um Selbsterlösung. - Aber das wird jetzt o.t.

Diese sog. "Unitarier" haben erst einmal mit der Gnosis gar nichts am Hut, m.E.

Der andere wesentliche Sachverhalt ist, dass das heutige Christentum massiv gnostisch beeinflusst und durchsetzt ist.
Das sieht man recht gut in der Dualismus-Frage. Im Judentum dient das Böse dem EinenGott. Im Christentum kämpft das Böse gegen das Gute und letztendlich gewinne das Gute. Im Judentum kämpft Gott nicht gegen den Teufel. Der Teufel dient ihm.
Das Christentum ist nicht einfach ein Judentum mit implantierten Jesus. Das Gottesverständnis wurde total "verschoben". Steilvorlage hierzu bildete Paulus mit seinen schriftlichen Werken.

Wenn Jesus Mensch ist, dann handelt es sich trotzdem nicht um Selbsterlösung. Warum sollte es? Jesus stellt klar, dass er ALLES vom VATER hat. Wissen, Kraft und Macht.

closs
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#48 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von closs » Sa 9. Mai 2015, 19:44

Naqual hat geschrieben:Strenger Monotheismus (also "eigentlicher Monotheismus") wäre für mich: der Glaube an einen Gott, wobei dieser Ursache und Lenkung für (fast) alles ist. In dieser Form sehe ich es - auch bei den normalen Gläubigen - nur im Judentum.
Interessant - wie Du es beschreibst, könnte es auch ein katholischer Theologe sagen. - Da scheint es tradierte Missverständnisse zu geben.

Naqual hat geschrieben:Dieser gute Bischof sah das Kreuz als Lösegeld, das Gott dem Teufel zahlen MUSSTE. Hier hat man den Monotheismus verlassen.
Das kommt halt davon, wenn man seine eigene Religion substantiell nicht verstanden hat - um es hart auszudrücken. - Es gibt auch heute noch Elemente in den Amts-Kirchen, die gnostisch angehaucht sind - nach meiner Vermutung deshalb, weil man das Christentum mit der Aufklärung (auf schräge Art) versöhnen will.

Naqual hat geschrieben: Also "Erlösung" geschieht aus einem den Menschen verändernden Erkenntnisprozess, angeregt und geleitet, durch den göttlichen Funken (Gott wirkend im Menschen). Das ist für mich substantiell das Gleiche wie im Christentum.
Das glaube ich nicht. Aus meiner Sicht ist (christlich gesehen) Erlösung keine FOLGE eines Erkenntnis-Prozesses, sondern unabhängig davon - allerdings unterscheiden sich hierin die Denominationen stark. - Unter "geistiger Erkenntnis" verstehe ich persönlich, dass man erkennt, dass Erlösung unabhängig von Erkenntnis ist - loslassen dürfen - ich bilde mir ein, dass dieses Verständnis christlich ist.

Naqual hat geschrieben:Wenn Jesus Mensch ist, dann handelt es sich trotzdem nicht um Selbsterlösung. Warum sollte es? Jesus stellt klar, dass er ALLES vom VATER hat.
Das kann man sprachlich so oder anders jonglieren - Jesus als Gott oder Gott in Jesus erlöst, ist aus meiner Sicht egal. - Oft wird aber auch der Eindruck erweckt, dass der Mensch Jesus ein Opfer bringt, weshalb dann Gott uns erlöst. - Hier herrscht gedankliches Chaos.

In dieser Frage vermute ich, dass die Heilsgeschichte noch einen ordentlichen Weg hat. - Oder wie Eugen Bieser sagt: "Das Christentum ist noch auf den Weg zu sich selbst".

Rembremerding
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#49 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von Rembremerding » Sa 9. Mai 2015, 21:50

closs hat geschrieben:Es gibt auch heute noch Elemente in den Amts-Kirchen, die gnostisch angehaucht sind - nach meiner Vermutung deshalb, weil man das Christentum mit der Aufklärung (auf schräge Art) versöhnen will.
Dies ist richtig, natürlich erst recht, was den persönlichen Glauben betrifft. Die katholische Kirche hat solchen Auswüchsen zumindest in ihrem Lehramt und dem Katechismus klare Grenzen gesetzt. Dabei muss aber ebenso gewürdigt werden, dass sowohl Gnosis als auch das Christentum sich einiger gleicher "Chiffren" bedienen. Keine der beiden hat dabei abgekupfert oder einander beeinflusst, sie lesen nur aus demselben Heilsplan Gottes.
closs hat geschrieben:. Aus meiner Sicht ist (christlich gesehen) Erlösung keine FOLGE eines Erkenntnis-Prozesses, sondern unabhängig davon - Unter "geistiger Erkenntnis" verstehe ich persönlich, dass man erkennt, dass Erlösung unabhängig von Erkenntnis ist - loslassen dürfen - ich bilde mir ein, dass dieses Verständnis christlich ist.
So ist das christliche Verständnis. Man muss ebenso völlig ohne Wertung beachten, dass es auch ein großer Unterschied ist, ob ich die Seele aus Gott stammend (ur-gnostisch) betrachte oder durch Gott geschaffen. Beginnt man beides zu vermischen, tut man auch der Gnosis Gewalt an.
Dasselbe geschieht, wenn man missachtet, dass im Christentum sich Gott in Jesus Christus dem Menschen im Dasein offenbart hat. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal des Christentums vor allen anderen Religionen, weshalb es ein Glaube ist, an einen persönlichen Gott. Dieser schenkt die Gnade der Erlösung, Gott übernimmt die Initiative, der Mensch stimmt zu.
Die Gnosis, mag man sie noch so christianisieren, bleibt eine Selbsterlösungsphilosophie. Mag dort die Seele auch von Gott sein, er bleibt jedoch passiv, denn der Mensch allein muss seine göttliche Herkunft erkennen. Man würde auch hier der Gnosis Gewalt antun, wenn man nach all den intellektuellen und auch geistigen Übungen und der Verstandesarbeit dann doch Gott erlösen lassen würde. Die alten griechischen Philosophen, die viel zum Gedankengut der Gnosis beitrugen, würden dabei nicht zustimmen.


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closs
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#50 Re: Was ist eigentlich die Gnosis? (Bibelforum)

Beitrag von closs » Sa 9. Mai 2015, 23:03

Rembremerding hat geschrieben:dass es auch ein großer Unterschied ist, ob ich die Seele aus Gott stammend (ur-gnostisch) betrachte oder durch Gott geschaffen.
Ich weiss nicht genau, was Du meinst - deshalb eine Gegenfrage:

Ist der Mensch
a) "de Deo" geschaffen (also aus Gott heraus - so wie ein Kind aus der Mutter kommt), oder
b) "ex nihilo" geschaffen (also von Gott so geschaffen, wie ein Komponist eine Symphonie schafft).

Ich würde schon sagen, a). - Ist Deine Gegenüberstellung dieselbe wie meine?

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